TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/13 W280 2236479-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.10.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

13.10.2021

Norm

AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch


W280 2236479-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Wolfgang BONT über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX .2013, Staatsangehörigkeit Kosovo, vertreten durch XXXX und XXXX als gesetzliche Vertreter, vertreten durch Rast & Musliu, Rechtsanwälte in Wien 1080, Alser Straße 23/14, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .09.2020, ZI. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.09.2021 zu Recht:

A)       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin (BF), eine Staatsangehörige der Republik Kosovo, wurde am XXXX .2013 in Österreich geboren. Ihre Eltern reisten zuvor Anfang 2013 erstmals in das österreichische Bundesgebiet ein. Die BF hält sich seither – bis auf einen kurzfristigen Aufenthalt im Jahre 2015 - durchgehend im Bundesgebiet auf.

Im Dezember 2013 beantragten deren Eltern erstmals einen Aufenthaltstitel mit dem Zweck Familiengemeinschaft, der ihr folglich erteilt und folglich einmal bis XXXX .11.2015 verlängert wurde. Im November 2015 wurde sodann der Bruder der BF geboren.

Ein im November 2015 gestellter Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels Rot-Weiß-Rot-Karte plus wurden folglich im Jänner 2017 ab- der hierauf im Februar 2017 gestellte Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Familiengemeinschaft“ im Oktober 2018 zurückgewiesen.

Mit Rechtskraft des Zurückweisungsbescheides Anfang Dezember 2018 hält sich die BF unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Anfang März 2019 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zu Handen Ihrer Mutter als gesetzlichen Vertreterin im Rahmen des Parteiengehörs zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben.

Mit Bescheid vom XXXX .09.2020 erteilte das BFA der BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt I.) und erließ gegen diese eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.). Außerdem stellte das Bundesamt fest, dass ihre Abschiebung nach Kosovo zulässig sei (Spruchpunkt III.) und setzte die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

Gegen die Eltern und den Bruder der BF ergingen zeitgleich gleichlautende Bescheide.

In der fristgerecht eingebrachten Beschwerde beantragte die BF dem Rechtsmittel Folge zu geben und dieser eine Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, in eventu den Bescheid zu beheben und an die Behörde erster Instanz zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen, sowie eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

Mit Schreiben vom XXXX .10.2020 legte das BFA die gegen den Bescheid erhobene Beschwerde samt dem Verfahrensakt dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor und beantragte das BVwG möge die Beschwerde als unbegründet abweisen.

Am 21.09.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt an der ihre Eltern als gesetzliche Vertreter und den gewillkürten Rechtsvertreter teilnahmen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Die BF ist Staatsangehörige der Republik Kosovo und führt den im Spruch angeführten Namen und das ausgewiesene Geburtsdatum.

Sie ist in Österreich geboren und hält sich – bis auf einen kurzfristigen Aufenthalt im Jahre 2015 – durchgehend im Bundesgebiet auf, wo diese seither auch behördlich gemeldet ist.

Ab dem 3. Lebensjahr besuchte die BF hier den Kindergarten und ist derzeit in der zweiten Klasse Volksschule.

2. Der Vater der BF studierte in Kosovo nach Absolvierung der Grund- und Mittelschule für drei Jahre an der Universität Wirtschaftswissenschaften ohne das Studium abzuschließen. Daneben ging er unregelmäßigen Erwerbstätigkeiten als Bauspengler, Dachspengler sowie im Trockenbau nach.

Während dieser Zeit lebte der Vater im Haus der Großeltern väterlicherseits der BF, zuletzt auch ca. 2 ½ Jahre zusammen mit der am XXXX .08.1988 geborenen Mutter der BF, XXXX . Diese absolvierte, in Kosovo geboren und aufgewachsen, nach der Grundschule ein Gymnasium und absolvierte eine zweijährige Ausbildung an einer Fakultät für Pädagogik zur Volksschullehrerin.

3. Am XXXX .11.2015 wurde der Bruder der BF, XXXX , geboren, der seit 2018 den Kindergarten besucht. Die BF lebt mit ihrem Bruder und den Eltern in einem Haushalt. Die BF ist im schulischen Umfeld sozial integriert und trifft sich auch am Wochenende mit Schulfreundinnen. Die BF führt mit ihren Eltern und ihrem Bruder ein Familienleben. Des Weiteren besteht ein sehr enges Verhältnis der BF und ihrer Familie zu den Familienmitgliedern ihrer beiden in Österreich aufhältigen, jedoch von der BF getrenntlebenden, Onkeln väterlicherseits.

4. Der Vater der BF beantragte am XXXX .01.2013 erstmals einen Aufenthaltstitel als Studierender, der ihm bis XXXX .11.2013 und in weiterer Folge nach entsprechenden Verlängerungsanträgen zweimal, zuletzt gültig bis XXXX .11.2015, erteilt wurde.

Auch die Mutter der BF beantragte zeitgleich am XXXX .01.2013 erstmals einen Aufenthaltstitel als Studierende, der ihr in weiterer Folge nach entsprechenden Verlängerungsanträgen ebenfalls, zuletzt gültig bis XXXX .11.2015, erteilt wurde.

5. Am XXXX .12.2013 beantragten die Eltern der BF für diese erstmals einen Aufenthaltstitel mit dem Zweck Familiengemeinschaft, der der BF sodann erteilt und folglich einmal bis XXXX .11.2015 verlängert wurde.

6. Im Sommersemester 2013 belegte der Vater der BF an der Universität XXXX einen Sprachkurs „Deutsch als Fremdsprache – Grundstufe I“, den dieser mit der Note „genügend“ abschloss. Weder absolvierte der Vater der BF folglich weitere Sprachkurse zur Erlangung des für das Studium erforderlichen Sprachniveaus noch hat dieser das beabsichtigte Studium jemals aufgenommen. Spätestens im Jahr 2015 war diesem bewusst, dass er das Studium nicht beginnen wird.

Die Mutter der BF, welche wie der Vater in Österreich Wirtschaftswissenschaften studieren wollte, belegte ebenfalls im Sommersemester 2013 an der Universität XXXX einen Sprachkurs „Deutsch als Fremdsprache – Grundstufe I“, den diese mit der Note „Nicht genügend“ abschloss. Weitere Bemühungen sich die für ein Studium in Österreich erforderlichen Sprachkenntnisse anzueignen tätigte diese nicht. Mit der Geburt der Tochter und BF im Herbst 2013 war der Kindesmutter bewusst, dass diese das Studium nicht beginnen werde. Weiterführende Ausbildungen im Hinblick auf eine potentielle künftige Erwerbstätigkeit hat die Mutter nicht getätigt. Nicht festgestellt werden kann, dass diese ein Zertifikat für das Sprachniveau A 1 erlangt hat.

Festgestellt wird, dass der Vater, nachdem dieser erkannt hat, dass er das Studium nicht beginnen wird, mit der Mutter der BF allein aus den in Österreich herrschenden, gegenüber seinem Herkunftsstaat besseren Lebensbedingungen in Österreich verblieben ist.

7. Ein vom Vater der BF am XXXX .11.2015 gestellter Zweckänderungsantrag auf einen Aufenthaltstitel Rot-Weiß-Rot Karte (Schlüsselkraft) wurde vom hierfür zuständigen Arbeitsmarktservice (AMS) am XXXX .03.2017 abgewiesen und das Verfahren seitens der zuständigen Aufenthalts- und Niederlassungsbehörde (NAG-Behörde) am XXXX .12.2017 eingestellt. Ein ebenfalls am XXXX .11.2015 gestellter Verlängerungsantrag hinsichtlich eines Aufenthaltstitels Studierender wurde von der zuständigen NAG-Behörde am XXXX .10.2018 zurückgewiesen und ist am XXXX .12.2018 in Rechtskraft erwachsen.

Der von der Mutter der BF am XXXX . 11.2015 gestellte Zweckänderungsantrag auf einen Aufenthaltstitels Rot-Weiß-Rot Karte plus wurde von der zuständigen NAG-Behörde am XXXX .01.2017 bescheidmäßig abgewiesen, der hierauf am XXXX .02.2017 gestellte Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Familiengemeinschaft“ am XXXX .10.2018, rechtskräftig mit XXXX .12.2018 zurückgewiesen.

Ein ebenfalls am XXXX .11.2015 von den Eltern für die BF gestellter Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels Rot-Weiß-Rot-Karte plus wurden folglich mit XXXX .01.2017 ab-, der hierauf am XXXX .02.2017 für diese gestellte Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Familiengemeinschaft“ am XXXX .10.2018, rechtskräftig mit XXXX .12.2018, zurückgewiesen.

Für den am XXXX .11.2015 geborenen Bruder der BF wurde zu keinem Zeitpunkt ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt und hält sich dieser sohin seit seiner Geburt nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Mit Rechtskraft des die Eltern und die BF betreffenden Zurückweisungsbescheides, sohin seit XXXX .12.2018, hält sich die BF, so wie auch deren Eltern, wissentlich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

8. Im Zeitraum vom XXXX .08.2016 bis XXXX .08.2016 sowie vom XXXX .11.2016 bis XXXX .11.2016 war der Vater der BF als Arbeiter bei der Sozialversicherung angemeldet. Seit XXXX .11.2016 bis zum Tag der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG können weder die Eltern der BF, deren Bruder noch diese selbst einen Krankenversicherungsschutz nachweisen.

9. Der Familie der BF hat monatliche Ausgaben in der Höhe EUR 1.500 bis 1.600 zu bestreiten. Weder der Vater noch die Mutter der BF als auch diese und ihr Bruder verfügen über eigene Einkünfte. Die Familie lebt insbesondere von finanziellen Unterstützungsleistungen der Großeltern sowie eines Onkels väterlicherseits und eines Onkels, die seit 201 XXXX in den USA leben, sowie von geliehenem Geld und Sachleistungen ihrer beiden im Bundesgebiet aufhältigen Onkeln väterlicherseits. Ein Rechtsanspruch auf diese finanziellen Unterstützungsleistungen besteht weder für die BF noch für die anderen Familienmitglieder.

Der Vater der BF absolvierte im Jahr 2019 eine Ausbildung zum Kranfahrer. Darüber hinaus setzte dieser bis dato keine Aus- bzw. Fortbildungsmaßnahmen hinsichtlich einer potentiellen künftigen Erwerbstätigkeit.

9. Bei der vom Vater der BF vorgelegten und mit „Vorvertrag“ übertitelten Vereinbarung zwischen ihm und seinem Bruder, datierend vom Vortag der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG, handelt es sich um einen Gefälligkeitsdienst.

10. Die Mutter der BF verfügt über einen am XXXX .2021 abgeschlossenen Vorvertrag mit dem Verein Kindergarten XXXX mit einem Monatslohn von EUR 1.570,70 brutto.

11. In Kosovo leben noch zwei Cousins des Vaters der BF, wovon einer in einem Krankenhaus arbeitet und der andere als Professor an einer AHS unterrichtet. Zu beiden besteht seitens des Vaters der BF unregelmäßiger Kontakt.

Des Weiteren leben mütterlicherseits die Großeltern, zwei Onkel, fünf Großtanten und zwei Großonkeln sowie weitere Verwandte der BF in Kosovo. Die Mutter pflegt regelmäßigen täglichen telefonischen Kontakt zu den Großeltern mütterlicherseits. Ebenfalls hat der Vater der BF als auch diese selbst wie auch ihr Bruder Kontakt zu diesen, wenngleich in geringerem Ausmaß. Das Verhältnis des Vaters der BF zu seinen in Kosovo lebenden Schwiegereltern und seinen dort lebenden Schwägern, sohin den Onkeln der BF, ist ein Gutes.

12. Die Eltern der BF unterhalten sich untereinander in albanischer Sprache. Festgestellt wird, dass der Vater der BF über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt um eine normale Unterhaltung in ganzen Sätzen zu führen und kann dieser ein Zeugnis zur Integrationsprüfung, beinhaltend einen Nachweis über das Sprachniveau A 2, vom XXXX .04.2021 vorweisen.

Die Mutter der BF weist nur sehr geringe, bruchstückhafte Kenntnisse der deutschen Sprache auf. Die Beantwortung der ihr in der mündlichen Verhandlung gestellten Fragen erfolgte auf sehr einfachem Niveau und nicht in ganzen Sätzen. Ein vorgelegter, in einfacher Sprache gehaltener, schriftlicher Text konnte von ihr inhaltlich nicht wiedergegeben werden.

Festgestellt wird, dass die BF und ihr Bruder jedenfalls über Grundkenntnisse der albanischen Sprache verfügen.

13. Bei Kosovo handelt es sich um einen sicheren Herkunftsstaat und es liegen keine Gründe vor, die einer Rückführung in den Herkunftsstaat entgegenstehen.

2. Beweiswürdigung:

1. Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die vom BFA vorgelegten Verfahrensakte betreffend den BF, seine Lebensgefährtin und seine Kinder, die Beschwerden sowie in die vom BF vorgelegten Urkunden und Bescheinigungen, die vom erkennenden Gericht eingeholten Abfragen aus dem Zentralen Melderegister, dem Fremdenregister, der Grundversorgung des Strafregisters sowie der Sozialversicherungsdaten sowie durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG.

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus den unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalten basierend auf den vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und der vorliegenden Gerichtsakte des BVwG.

2. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen, Geburtsdatum), Staatsangehörigkeit und Familienstand der Beschwerdeführer getroffen wurden, beruhen diese auf den in den angefochtenen Bescheiden getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde, und auf den in den Verfahrensakten einliegenden Urkunden (Kopien) des Beschwerdeführers und seiner Familie sowie auf deren dahingehenden Angaben im Verfahren.

3. Die Feststellungen zum Besuch des Kindergartens sowie dem derzeitigen Schulbesuch der BF beruhen auf den diesbezüglichen, glaubhaften Angaben der Mutter der BF in der mündlichen Verhandlung, ebenfalls jene zur Geburt im Bundesgebiet, wobei diese mit den Feststellungen des angefochtenen Bescheides sowie dem Beschwerdevorbringen korrelieren. Dass die BF mit ihren Eltern und ihrem Bruder in einem Haushalt lebt ergibt sich einerseits aus der Abfrage des Zentralen Melderegisters, andererseits aus den Angaben der Eltern vor dem BVwG.

Die Feststellungen betreffend die soziale Integration der BF im schulischen Umfeld ergibt sich aus den diesbezüglichen glaubhaften Aussagen der Eltern in der Verhandlung vor dem BVwG sowie der Vorlage einer Schulbesuchsbestätigung.

5. Das enge Verhältnis zu den Familienangehörigen beruht ebenfalls auf den diesbezüglichen Angaben der Eltern der BF, die mit jenen des zeugenschaftlich einvernommenen Onkels derselben korrelieren.

6. Die Feststellungen zu den von den Eltern der BF und von diesen für die BF beantragten und erteilten bzw. nicht erteilten Aufenthaltstiteln respektive deren Verlängerung gründen in der Abfrage der unbedenklichen Daten des Zentralen Fremdenregisters und den in den jeweiligen Verfahrensakten einliegenden und unbestrittenen Bescheiden des AMS respektive der zuständigen NAG-Behörde.

7. Die Absolvierung eines Sprachkurses durch den Vater der BF beruht auf der im Verfahrensakt der Mutter der BF einliegenden und vom ehemaligen gewillkürten Rechtsvertreter vorgelegten Bescheinigung über die Absolvierung dieser Lehrveranstaltung sowie den bestätigenden Angaben des Vaters der BF in der mündlichen Verhandlung.

Dass der Vater der BF nach dieser einen Lehrveranstaltung keine weitere Veranstaltung zur Erlangung der erforderlichen Sprachkenntnisse an der Universität erfolgreich absolviert hat und dieser zu keinem Zeitpunkt das von ihm der Beantragung eines Aufenthaltstitels Studierender zugrunde gelegte Studium überhaupt aufgenommen hat, gründet in den diesbezüglichen Aussagen des Vaters der BF in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG, ebenso dass diesem spätestens im Jahr 2015 bewusst war, dass er dieses nie beginnen wird.

8. Wenn der Vater der BF in der Verhandlung seinen Verbleib im Bundesgebiet nach dieser Erkenntnis im Jahre 2015 damit rechtfertigt, dass er seinen Anwalt konsultiert habe und dieser ihm ein „humanitäres Aufenthaltsrecht“ oder ein „Arbeitsvisum“ als Möglichkeit zum Verbleib in Österreich genannt habe, so indiziert dies ein rein aufgrund der in Österreich gegenüber seinem Herkunftsstaat besseren Lebensbedingungen beruhenden Interesses an einem weiteren Verbleib in Österreich.

Dieses Interesse findet sich auch in der Aussage der - in der Verhandlung zu den Verlängerungsanträgen befragten – Mutter der BF wieder, die hierzu ausführte „Wir sind deshalb nicht zurückgekehrt, weil hier das Leben besser ist, wenn man die Möglichkeit hat hier zu arbeiten“. Auch der Versuch des Vaters über einen am XXXX .2015 gestellten Zweckänderungsantrag auf einen Aufenthaltstitel Rot-Weiß-Rot Karte (Schlüsselkraft) einen Aufenthaltstitel zum Zwecke der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu erlangen stütz diese Feststellung.

9. Die Feststellungen betreffend die Mutter der BF hinsichtlich des Nichterlangens der für ihr beabsichtigtes Studium erforderlichen Sprachkenntnisse und die Erkenntnis, das Studium folglich gar nicht zu beginnen, gründet in deren Aussagen in der mündlichen Verhandlung, die als glaubhaft anzusehen sind, sowie der im Verfahrensakt enthaltenen Bescheinigung über die negativ beurteilte Teilnahme an der entsprechenden Lehrveranstaltung.

Mangels Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung, wie dies beispielsweise für den Vater der BF erfolgte, konnte eine tatsächliche Ablegung einer Sprachprüfung auf Sprachniveau A 1 nicht festgestellt werden.

10. Dass der Vater der BF sohin seit XXXX .12.2018 durchgehend unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig ist, gründet darin, dass der Zurückweisungsbescheid betreffend den von ihm am XXXX .11.2015 gestellten Verlängerungsantrag an diesem Tag in Rechtskraft erwachsen ist. Dass der Verbleib im Bundesgebiet im Wissen um die Unrechtmäßigkeit desselben erfolgte, gründet in dessen Aussagen als auch den Aussagen der Mutter der BF vor Gericht sowie den von diesen in der Verhandlung dargelegten Bestrebungen unter zu Hilfenahme rechtsfreundlicher Beratung durch einen Anwalt zur Erlangung eines Aufenthaltstitels und nicht zuletzt in der Anzeige des Vaters wegen seines unrechtmäßigen Aufenthaltes und der Verhängung einer Verwaltungsstrafe in Höhe von EUR 500 über diesen aus diesem Anlass.

11. Die Feststellungen zu den Anmeldungen zur Sozialversicherung des Vaters der BF beruhen auf der diesbezüglichen Abfrage der Sozialversicherungsdaten. Jene zum Fehlen eines alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutzes seit XXXX .11.2016 bis zum Tag der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG gründet im Umstand, dass sowohl die vom Vater der BF bei seiner Einvernahme vor dem BFA am XXXX .06.2019 gegenüber der Behörde getätigte Behauptung einer privaten Versicherung als Aktionär, als auch in der von diesem am XXXX .06.2021 dem Gericht zum Beweise eines ab XXXX .06.2021 geltenden Versicherungsschutzes für sich und seine Familie übermittelten Versicherungspolizze einer privaten Krankenversicherung, die sich in der Verhandlung hinsichtlich eines bestehenden umfassenden Krankenversicherungschutzes als nicht tragfähig erwies.

Weder hat der Vater der BF, wie dieser in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, eine gegenüber dem BFA behauptete private Versicherung im Jahr 2019 abgeschlossen, noch handelt es sich bei der von ihm für sich und seine Familie im Mai 2021 abgeschlossenen und ab dem Folgemonat gültigen Versicherung um eine alle Risiken abdeckende Krankenversicherung im Sinne des § 11 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes. So bescheinigt der auf der von diesem zum Beweis eines vollen Versicherungsschutzes vorgelegten Polizze aufscheinende Code „ XXXX “, nach der vom erkennenden Richter eingeholten Auskunft des Versicherungsunternehmens, dass Voraussetzung für eine Versicherungsleistung eine Versicherung der versicherten Personen über die gesetzliche Sozialversicherung ÖGK ist. Eine solche liegt jedoch laut Auskunft der ÖGK gegenüber dem erkennenden Gericht seit Verlust dessen Aufenthaltstitels nicht mehr vor.

12. Die Höhe der vom Vater der BF für sich und seine Familie zu bestreitenden monatlichen Ausgaben beruhen auf dessen Angaben gegenüber dem Gericht, die sich mit seiner diesbezüglichen Aussage gegenüber der belangten Behörde bei seiner niederschriftlichen Befragung deckt.

Dass der Vater der BF über keine eigenen Einkünfte verfügt und sohin von Unterstützungsleistungen seiner Familie, insbesondere seiner in den USA lebenden Eltern und dessen ebenfalls dort lebenden Bruders angewiesen ist, beruht auf den diesbezüglich korrespondierenden Angaben der Elternteile. Die Feststellung, wonach kein Rechtsanspruch auf diese Unterstützungsleistungen besteht, gründet in der diesbezüglichen Aussage des Vaters, sowie im Umstand, dass keine entsprechenden Belege hierfür vorgelegt wurden.

13. Die Absolvierung einer vom Vater der BF absolvierten Ausbildung zum Kranführer gründet in der Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung in der mündlichen Verhandlung.

14. Dem vom Vater der BF in der Verhandlung vom 21.09.2021 vorgelegten und mit 20.09.2021 datierenden arbeitsrechtlichen Vorvertrag fehlt nach Ansicht des erkennenden Richters die notwendige Beachtlichkeit und stellt dieser eine Gefälligkeit des potentiellen Arbeitgebers und Onkels der BF gegenüber dem Vater dar.

Voraussetzung für eine entsprechende Berücksichtigung einer derartigen Vereinbarung hinsichtlich einer wirtschaftlichen Integration sowie einer unmittelbar bevorstehenden Erlangung eines erforderlichen Versicherungsschutzes ist neben der hinreichenden Konkretisierung der Vereinbarung unter anderem der Wille beider Vertragsparteien diesen Vorvertrag im relevanten Zeitpunkt tatsächlich in Vollzug zu setzen.

Laut Unternehmensbeschreibung der Firma des Onkels der BF auf der Internetseite XXXX beschäftigt sich diese mit dem Neu- und Umbau von Büros, Wohnungen, Häusern, Geschäften und ähnlichem in Österreich und Deutschland. Sowohl die Berücksichtigung von der energetischen Sanierung bis zur bestmöglichen Raumnutzung wird bei Umbauarbeiten gepriesen. Als vertretene Berufe scheinen Stuckateur und Verputzer, Bauunternehmen, Dachdecker und Gerüstbauer auf.

Im vorliegenden Fall lässt allein schon die unmittelbar einen Tag vor der Verhandlung unterzeichnete und mit „Vorvertrag“ titulierte Vereinbarung Zweifel an einer ernsthaften Absicht der Umsetzung dieser Vereinbarung aufkommen. Auch dass der Vater – ohne entsprechende nachweisbare einschlägige fachliche Ausbildung von Anbeginn an als Vorarbeiter angestellt werden soll und hierfür ein Lohn von monatlich EUR XXXX bekommen soll – stützt die Annahme einer Vereinbarung, die aus reiner Gefälligkeit zustande gekommen ist. Der Hinweis des zeugenschaftlich befragten Onkels der BF, wonach der Vater der BF in Kosovo eine einschlägige Ausbildung gemacht habe, kann insofern nicht gefolgt werden, als dieser selbst angegeben hat, dass es dort keine Fachschule hierfür gibt. Dem Vorbringen, wonach der Besuch der von diesem besuchten allgemeinen Mittelschule eine derartige Ausbildung im Innenausbau beinhaltet, kann in - Ermangelung entsprechender Bescheinigungen respektive weiterer Anhaltspunkte - nicht gefolgt werden, zumal auch die Mutter der BF zur Schulbildung des Vaters befragt, angegeben hat, dass dieser nach der Grundschule eine AHS abgeschlossen hätte.

Vor dem Hintergrund, dass der Kollektivvertrag für das Bauhilfsgewerbe (Gerüstverleiher, Wärme-, Kälte-, Schall- und Branddämmungsbetriebe, Stuckateure und Trockenausbauer, Gipser, Aufstellung und Montage mobiler Trenn- oder Systemwände u.a.) ab 1. Mai 2021 für Vorarbeiter einen Stundenlohn von EUR 15 vorsieht, was einem Monatslohn von EUR 2.406,22 bei einer 39 Stunden Woche entspricht, erscheint die vorgesehene Tätigkeit selbst bei Zugeständnis eines Zuschlages von 50 % weit überbezahlt und unglaubwürdig. Nicht unerwähnt bleiben kann auch der Umstand, dass die unter Punkt II. (Dienstverwendung) der vorgelegten Vereinbarung in den Aufgabenbereich des Vaters der BF fallenden und zu seiner Aufgabenverrichtung zählenden und zu beschreibenden Arbeiten gänzlich fehlen.

In Zusammenschau der Darlegungen sowie unter Berücksichtigung dessen, dass der Vorvertrag im engsten Verwandtenkreis abgeschlossen wurde, ist der Eindruck, dass es sich bei dem vorliegenden Vorvertrag um einen Gefälligkeitsdienst handelt, nicht von der Hand zu weisen. Die Seriosität und Ernsthaftigkeit der Einstellungszusage sowie die tatsächliche Umsetzung desselben kann daher nicht erkannt werden.

15. Dass die Mutter der BF über einen entsprechenden Vorvertrag mit dem Trägerverein eines Kindergartens verfügt und diesem eine entsprechende Beachtlichkeit zukommt, gründet einerseits in der einschlägigen pädagogischen Ausbildung derselben in Kosovo sowie dem Umstand, dass die in Aussicht genommene Entlohnung (Stundenlohn) dem Mindestlohntarif für Helferinnen und Helfer und Kinderbetreuerinnen und Kinderbetreuer in Privatkindergärten, -krippen und –horten (Privatkindertagesheimen) entspricht.

16. Feststellungen zu in Kosovo lebenden Verwandten und Angehörigen der BF beruhen auf den diesbezüglichen Angaben der beiden Elternteile in der mündlichen Verhandlung.

17. Das von den Eltern der BF beherrschte Niveau der deutschen Sprache und die entsprechenden Feststellungen dazu gründen einerseits auf den vorgelegten bzw. im Akt enthaltenen Prüfungszertifikaten sowie insbesondere auf den vom erkennenden Richter dem Vater und der Mutter in deutscher Sprache, ohne Zuhilfenahme einer Unterstützungsleistung durch die anwesende Dolmetscherin, gestellten Fragen. Der Mutter der BF wurde zudem ein Text von der Website ORF.at / News vom XXXX .06.2021 aus der dortigen Rubrik „einfache Sprache“ zur inhaltlichen Wiedergabe vorgelegt, der von ihr nicht wiedergegeben werden konnte.

Das Vorliegen von Grundkenntnissen der albanischen Sprache bei der BF und ihrem Bruder beruht einerseits auf den Angaben des Kindesvaters in der mündlichen Verhandlung, wonach die Kinder mehrsprachig aufwachsen würden. Auch wenn dieser seine diesbezügliche Aussage dahingehend einschränkte, dass diese Albanisch nicht so gut sprechen würden und er und die Kindesmutter mit den Kindern nur Deutsch sprechen würden, so ist dies insofern nicht glaubhaft, als die Kindesmutter - wie bereits ausgeführt - nur sehr geringe, bruchstückhafte Kenntnisse der deutschen Sprache aufweist und diese - selbst unter Berücksichtigung des Alters von 8 und 6 Jahren der Kinder – sohin eine alltagskonforme Unterhaltung mit den Kindern nicht führen könnte. Da die Mutter der BF selbst auch angegeben hat, mit ihrem Lebensgefährten nur albanisch zu reden, dies schließt auch Unterhaltungen mit diesem vor den Kindern und sohin der BF mit ein, ist sohin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sowohl die BF als auch ihr Bruder sehr wohl über entsprechende Kenntnisse der albanischen Sprache verfügen.

Auch dass die Kinder mit den Großeltern mütterlicherseits anlässlich der täglichen Telefonate der Kindesmutter mit denselben auf Albanisch mit diesen sprechen, wurde – wiederum verbunden mit dem Hinweis auf deren geringeres Sprachniveau – bestätigt. Dass eine Kommunikation der Kinder in albanischer Sprache mit den Großeltern mütterlicherseits stattfindet, wurde zudem auch vom Onkel der BF in der Verhandlung bestätigt. Wenn diese Aussage mit dem Hinweis versehen ist, dass eine Unterhaltung schwierig sei, so steht dies der getroffenen Feststellung betreffend die Sprachkenntnisse der Kinder nicht entgegen.

20. Dass es sich bei Kosovo um einen sicheren Herkunftsstaat handelt, ergibt sich aus § 1 Z 2 der Verordnung der Bundesregierung, mit der Staaten auf Basis des § 19 Abs. 5 Z 2 BFA-VG als sichere Herkunftsstaaten festgelegt werden (Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl. II Nr. 177/2009 ifF BGBl. II Nr. 145/2019).

Das Fehlen von Gründen, die einer Rückführung nach Kosovo entgegenstehen, gründet im Umstand, dass die Eltern der BF den weitaus überwiegenden Teil ihres Lebens in deren Herkunftsstaat verbracht haben, diese dort ihre schulische Ausbildung absolviert und beruflichen Tätigkeiten nachgegangen sind. Darüber hinaus leben nach wie vor zahlreiche Verwandte, insbesondere von Seiten der Mutter der BF, im Herkunftsstaat. Dass derzeit keine bestehende Wohnmöglichkeit vorhanden ist stellt insofern kein entgegenstehender Grund dar, als die Eltern der BF beim Zuzug nach Österreich gezeigt haben, mit einer derartigen Situation umgehen zu können.

Darüber hinaus sind für das erkennende Gericht keine Umstände zu Tage getreten, wonach die monatlichen finanziellen Unterstützungsleistungen der Großeltern der BF väterlicherseits auch bei einer Rückkehr nach Kosovo nicht weiterhin - zumindest für die Anfangszeit – zur Verfügung stehen würden, zumal auch der zeugenschaftlich einvernommene Onkel der BF eine Einstellung der Unterstützung im Familienumfeld für nicht vorstellbar hält. Durch die gleichzeitig erfolgende Rückkehr der anderen Familienmitglieder bleibt das Familienleben aufrecht und besteht auch in Kosovo die Möglichkeit einer adäquaten schulischen und weiterführenden beruflichen Ausbildung.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 9 Abs. 2 FPG und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständlichen – zulässigen und rechtzeitigen – Beschwerden gegen Bescheide des BFA richten, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte (mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes) ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen, Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Spruchteil A)

Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt I.):

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1.       wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2.       zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3.       wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen nicht vor, weil der Aufenthalt der BF weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, noch die BF Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG wurde. Da die BF auch sonst das Vorliegen einen der Gründe des § 57 AsylG nicht behauptet hat und ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen ist, war ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht zu erteilen.

Zur Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG 2005 (Spruchpunkt II.):

1. Die belangte Behörde hat die Rückkehrentscheidungen auf die Bestimmung des § 52 Abs. 1 Z 1 FPG gestützt. Demnach hat das Bundesamt gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung aufgrund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig erklärt wird.

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG ist, dass dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Ist mit einer Rückkehrentscheidung auch ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Fremden verbunden, so ist eine solche nur zur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8), und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9) (§ 9 Abs. 2 BFA-VG).

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre (§ 9 Abs. 3 BFA-VG).

Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. etwa VwGH 29.03.2019, Ra 2018/18/0539).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567; 21.10.1997; ua.) Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09).

2. Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessenspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung Familienangehörigen von ihm Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, des Weiteren ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05; 14.02.2012, Antwi u. a., Zl. 26940/10).

3. Auch wenn das persönliche Interesse am Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zunimmt, ist die bloße Aufenthaltsdauer freilich nicht allein maßgeblich, sondern ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären und sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 15.12.2015, Zl. Ra 2015/19/0247).

Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden etwa Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen. Diese Rechtsprechung zu Art. 8 MRK ist auch für die Erteilung von Aufenthaltstiteln relevant (vgl. E 26. Februar 2015, Ra 2015/22/0025; E 19. November 2014, 2013/22/0270). Auch in Fällen, in denen die Aufenthaltsdauer knapp unter zehn Jahren lag, hat der VwGH eine entsprechende Berücksichtigung dieser langen Aufenthaltsdauer gefordert (vgl. E 16. Dezember 2014, 2012/22/0169; E 9. September 2014, 2013/22/0247; E 30. Juli 2014, 2013/22/0226). Im Fall, dass ein insgesamt mehr als zehnjähriger Inlandsaufenthalt für einige Monate unterbrochen war, legte der VwGH seine Judikatur zum regelmäßigen Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt des Fremden zugrunde (vgl. E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082; VwGH 08.11.2018, Ra 2016/22/0120).

4. Die "Zehn-Jahres-Grenze" spielt in der Judikatur des VwGH jedoch nur dann eine Rolle, wenn einem Fremden, kein massives strafrechtliches Fehlverhalten vorzuwerfen ist (vgl E 26. März 2015, 2013/22/0303). In Fällen gravierender Kriminalität und daraus ableitbarer hoher Gefährdung der öffentlichen Sicherheit stand die Zulässigkeit der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auch gegen langjährig in Österreich befindliche Ehegatten von österreichischen Staatsbürgern nie in Frage (vgl. VwGH 03.09.2015, Ra 2015/21/0121, sowie jüngst EGMR 2.6.2020, Azerkane gg Niederlande, 3138/16).

5. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

6. Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des VfGH und VwGH jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR vom 14.03.1980, B 8986/80; EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (EKMR vom 06.10.1981, B 9202/80; EuGRZ 1983, 215; VfGH vom 12.03.2014, U 1904/2013). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt.

7. Die BF lebt zusammen mit ihren Eltern und ihrem Bruder, getrennt von den ebenfalls hier niedergelassenen zwei Onkeln der BF und deren Familien, in Wien. Es liegt unzweifelhaft ein Familienleben zwischen der BF und deren Kernfamilie vor.

Vor dem Hintergrund, dass eine Rückkehrentscheidung sowohl die BF als ihre Eltern und den Bruder betrifft, führt dies zu keiner Beeinträchtigung dieses Familienlebens, da dieses untereinander weiterhin besteht.

8. Wenngleich zwischen der Familie der BF und den Familien ihrer beiden im Bundesgebiet aufhältigen Onkeln und deren Familien ein enges Verhältnis mit regelmäßigen gegenseitigen Besuchen und gemeinsamen Aktivitäten besteht, so sind dennoch keine Umstände hervorgetreten, wonach diesem der Charakter eines Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK beizumessen ist.

Insofern verletzt die Rückkehrentscheidung nicht das Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK.

9. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme betreffend die BF greift jedoch hinsichtlich deren Beziehung zu den Familienmitgliedern der in Österreich lebenden Onkeln in ihr Privatleben ein. Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). Art. 8 EMRK schützt unter anderem sowohl die individuelle Selbstbestimmung und persönliche Identität, als auch die freie Gestaltung der Lebensführung. In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Bei der Beurteilung der Frage, ob die BF in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, spielt der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479, davon aus, dass „der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwN).

Bezüglich der minderjährigen BF ist hierbei auch auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes einzugehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung unter Bezugnahme auf Judikatur des EGMR bereits Folgendes ausgesprochen: Soweit Kinder bzw. Minderjährige von einer Rückkehrentscheidung betroffen sind, sind die besten Interessen und das Wohlergehen dieser Kinder, insbesondere das Maß an Schwierigkeiten, denen sie im Heimatstaat begegnen, sowie die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen sowohl zum Aufenthaltsstaat als auch zum Heimatstaat zu berücksichtigen (vgl. dazu etwa die Urteile des EGMR vom 18. Oktober 2006, Üner gegen die Niederlande, Beschwerde Nr. 46410/99, Randnr. 58, und vom 6. Juli 2010, Neulinger und Shuruk gegen die Schweiz, Beschwerde Nr. 41615/07, Randnr. 146). Maßgebliche Bedeutung hat der EGMR dabei in seiner Rechtsprechung den Fragen beigemessen, wo die Kinder geboren wurden, in welchem Land und in welchem kulturellen und sprachlichen Umfeld sie gelebt haben, wo sie ihre Schulbildung absolviert haben, ob sie die Sprache des Heimatstaats sprechen, und insbesondere, ob sie sich in einem anpassungsfähigen Alter ("adaptable age"; vgl. dazu die Urteile des EGMR vom 31. Juli 2008, Darren Omoregie und andere gegen Norwegen, Beschwerde Nr. 265/07, Randnr. 66, vom 17. Februar 2009, Onur gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 27319/07, Randnr. 60, und vom 24. November 2009, Omojudi gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 1820/08, Randnr. 46) befinden (vgl. zum Ganzen etwa VwGH vom 21. April 2011, 2011/01/0132).

Führt die Überprüfung des Kriteriums nach § 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG zu dem Ergebnis, dass eine Minderjährige zum Heimatland keine oder nur mehr äußerst geringe Bindungen aufweist, wird das - vorausgesetzt, sie ist unbescholten und hat in Österreich einen ausreichenden Grad an Integration erreicht - in der Regel dafür sprechen, ihr den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, und zwar jedenfalls dann, wenn nicht - in zumutbarer Weise - erwartet werden kann, dass sie sich im Falle einer Rückführung an die Verhältnisse im Heimatland, etwa das Erlernen der dortigen Sprache, den Aufbau neuer Kontakte, die Fortsetzung einer begonnenen Ausbildung, usw., wieder anpassen kann.

In einem solchen Fall kommt auch bei einer verhältnismäßig kurzen Aufenthaltsdauer in Österreich den fehlenden Bindungen der Minderjährigen zum Heimatstaat im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung großes Gewicht zu. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt darauf hingewiesen, dass die Aufenthaltsdauer nach § 9 Abs. 2 Z 1 BFA-VG nur eines von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien darstellt, weshalb auch nicht gesagt werden kann, dass bei Unterschreiten einer bestimmten Mindestdauer des Aufenthalts in Österreich jedenfalls von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet gegenüber den gegenteiligen privaten Interessen auszugehen ist (vgl. etwa VwGH vom 30. Juli 2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058). Allerdings hat er auch betont, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (siehe das soeben zitierte Erkenntnis; weiters etwa VwGH vom 21. Jänner 2016, Ra 2015/22/0119, vom 10. Mai 2016, Ra 2015/22/0158, und vom 15. März 2016, Ra 2016/19/0031).

10. Wie bereits festgestellt, wurde die BF am XXXX .2013 in Österreich geboren. Diese hält sich sohin seit ihrer Geburt – bis auf einen sehr kurzen Aufenthalt in Kosovo als Kleinkind - durchgehend im Bundesgebiet auf.

Demnach hält sich die BF, deren Mutter sowie der Vater jeweils ca. acht Jahre, der 2015 geborene Bruder ca. sechs Jahre in Österreich auf.

Die BF lebt mit ihren Eltern und dem Bruder im gemeinsamen Haushalt. Zur Rechtmäßigkeit der Aufenthalte ist unter Heranziehung der Feststellungen auszuführen, dass dieser bei den Eltern und der BF auch rechtmäßig war, aufgrund der Nichterteilung weiterer Aufenthaltstitel jedoch mit längstens mit XXXX .2018 unrechtmäßig wurde. Folglich ist der Aufenthalt der BF und ihrer Eltern seit 2 Jahren und 10 Monaten unrechtmäßig. Ihr Bruder hatte zu keinem Zeitpunkt einen Aufenthaltstitel in Österreich. Schließlich übersteigt die Aufenthaltsdauer der BF und ihrer Familie in keinem Fall die in der Judikatur erwähnte Zehn-Jahres-Grenze, wonach bei Übersteigen dieser Grenze regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen ist.

11. Hinsichtlich der Integration der minderjährigen BF ist auf nachstehende Entscheidung des VwGH hinzuweisen: Um von einem - für die Abwägungsentscheidung relevanten - Grad an Integration (§ 9 Abs. 2 Z 4 BFA-VG 2014) ausgehen zu können, muss sich die Minderjährige während ihrer Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet bereits soweit integriert haben, dass aus dem Blickwinkel des Kindeswohles mehr für den Verbleib im Bundesgebiet als für die Rückkehr in den Herkunftsstaat spricht, und dieses private Interesse mit dem öffentlichen Interesse eines friedlichen Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher Herkunft und damit des Zusammenhalts der Gesellschaft in Österreich korreliert. Aus der Sicht der Minderjährigen bedeutet dies vor allem, dass sie sich gute Kenntnisse der deutschen Sprache aneignen, ihre Aus-und/oder Weiterbildung entsprechend dem vorhandenen Bildungsangebot wahrnehmen und sich mit dem sozialen und kulturellen Leben in Österreich vertraut machen, um - je nach Alter fortschreitend - am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich teilnehmen zu können (VwGH am 25.04.2019, Ra 2018/22/0251).

Die BF besuchte in Österreich den Kindergarten und nunmehr die zweite Klasse Volksschule. Aufgrund ihres durchgehenden Aufenthaltes im Bundesgebiet ist davon auszugehen, dass diese über entsprechende Deutschkenntnisse auf muttersprachlichem Niveau verfügt.

Der Schulbesuch in Österreich und das Erlernen der deutschen Sprache ist jedenfalls als integrationsbegründende Schritte zu werten. Auch ist die BF in ihrem Umfeld sozial verankert.

Unbeschadet dessen ist es – der Rechtsprechung des EGMR folgend – Kindern in einem jungen oder anpassungsfähigem Alter ohne unbillige Härte zumutbar, mit ihren Eltern in deren Herkunftsstaat zurückzukehren. Dies auch angesichts des Umstandes, dass diesen die dortige Kultur nicht vertraut ist und sie dort nie gelebt haben (vgl. EGMR 26.01.1999, Sarumi, Zl. 43279/98 [Kinder im Alter von sieben und elf Jahren]).

Dass die BF jedenfalls über Grundkenntnisse der albanischen Sprache verfügt wurde bereits unter Pkt. II.1.10. festgestellt und womit mit einer Rückkehr nach Kosovo – vor dem Hintergrund, dass auch die Fortführung des bisherigen Familienlebens gegeben ist - für diese kein unüberwindbares Hindernis hinsichtlich einer zeitnahen sozialen Integration verbunden ist.

Dass auch in Kosovo eine entsprechende weiterführende schulische Ausbildung der BF gewährleistet ist, ergibt sich allein aus dem Ausbildungswerdegang deren Eltern und wurde auch nichts Gegenteiliges vorgebracht. Zudem ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die BF zu den dort lebenden zahlreichen Verwandten (Großeltern, Onkeln etc.) in raschem zeitlichen Zusammenhang eine vertiefte soziale Beziehung aufbauen kann.

12. Nicht verkannt werden darf der Umstand, dass die durch die BF gesetzten integrationsbegründenden Schritte in überwiegendem Ausmaß durch das unrechtmäßige Verharren im Bundesgebiet durch deren Eltern erfolgten und dies sich letztlich auch auf die Maßgeblichkeit bei der minderjährigen BF durchschlägt.

13. Im Ergebnis begründen daher die noch nicht sehr ausgeprägten Integrationsschritte der acht jährigen BF keine derartige Verdichtung ihrer persönlichen Interessen, dass von Umständen gesprochen werden kann, aufgrund derer, das anpassungsfähige Alter der BF berücksichtigend, ein dauerhafter Verbleib der BF in Österreich ermöglicht werden müsste (vgl. VwGH 10.04.2019, Ra 2019/18/0049, mwN).

Im Lichte dieser nach § 9 BFA-VG iVm Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotenen Abwägung ergibt sich somit insgesamt für den erkennenden Richter, dass die persönlichen Interessen der BF in Österreich das gewichtige öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts nicht überwiegen.

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes im Bundesgebiet das persönliche Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt.

Zur Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebungen nach Kosovo (Spruchpunkt III.):

Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG von Amts wegen gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (siehe VwGH 05.10.2017, Ra 2017/21/0157). Demnach ist die Abschiebung unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würde oder für den Betreffenden als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs. 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben oder die Freiheit aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten bedroht wäre (Abs. 2) oder solange die Empfehlung eine

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten