TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/21 W135 2190051-1

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Veröffentlicht am 21.10.2021
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Entscheidungsdatum

21.10.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W135 2190051-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

I. Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Ivona GRUBESIC über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA.: Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Mario ZÜGER, gegen die Spruchpunkte I. bis III. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.02.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.06.2021:

A)

Das Verfahren wird wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Ivona GRUBESIC über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA.: Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Mario ZÜGER, gegen die Spruchpunkte IV. bis VI. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.02.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.06.2021 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. wird stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

II. Dem Beschwerdeführer wird gemäß § 54 Abs. 1 Z 1, § 58 Abs. 2 iVm § 55 Abs. 1 Asylgesetz 2005 der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

III. Die Spruchpunkte V. und VI. werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 01.10.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

In der Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 01.10.2015 gab er u.a. an, afghanischer Staatsangehöriger und aus der Provinz XXXX zu sein. Befragt dazu, warum er sein Land verlassen habe, gab der Beschwerdeführer an, er habe Afghanistan aus Angst vor den Daesch verlassen. Diese hätten bereits seinen Bruder getötet und hätten sich auch nach ihm erkundigt.

Am 12.02.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, der Volksgruppe der Paschtunen anzugehören und sunnitischer Moslem zu sein. Er sei traditionell verheiratet und habe seine Ehefrau geheiratet bevor er nach Österreich gekommen sei. Seine Ehefrau lebe in Pakistan. Er habe in Afghanistan acht Jahre die Schule besucht und anschließend als Automechaniker bei der afghanischen Armee gearbeitet. In Österreich besuche er einen Deutschkurs, arbeite ehrenamtlich im Pensionistenheim und habe viele österreichische Freunde.

Das BFA wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit oben genanntem Bescheid bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Weiters wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt VI.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Schließlich sprach das BFA aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Gegen den oben genannten Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. In dieser wurde u.a. angeführt, der Beschwerdeführer wohne seit zwei Jahren bei einer älteren österreichischen Frau und sei bereits Teil ihrer Familie geworden. Er helfe ihr im Haushalt, sowie ehrenamtlich im Pensionistenheim und in der Nachbarschaft.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 23.06.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer in Anwesenheit seines Vertreters und eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu, zu seinen Fluchtgründen, seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat sowie zu seiner Integration in Österreich befragt wurde. Ein Vertreter des BFA nahm an der Verhandlung nicht teil. In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, er sei bereits von seiner ersten Ehefrau geschieden und habe in Österreich am XXXX seine nunmehrige Ehefrau standesamtlich geheiratet. Mit dieser habe er eine gemeinsame Tochter, welche am XXXX geboren worden sei. Der Beschwerdeführer legte ein Konvolut an Unterlagen betreffend seine Integration vor.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 31.08.2021 legte der Beschwerdeführer sein Zeugnis zur Integrationsprüfung A2 vom 02.08.2021 sowie die Titelseite des Bescheides des BFA, mit dem der Tochter des Beschwerdeführers der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, vor und führte dazu aus, dass seiner Ehefrau und seiner Tochter als subsidiär Schutzberechtigte eine Rückkehr nach Afghanistan nicht zumutbar sei. Sie würden auch über kein Aufenthaltsrecht in sonst einem Land außer Österreich verfügen, weshalb das Familienleben nur in Österreich fortgesetzt werden könne. Eine Trennung des Beschwerdeführers von seinen Familienangehörigen wäre wegen Verletzung des Kindeswohls nicht statthaft, weil das Kind Anspruch auf verlässliche Kontakte zu seinem Vater habe. Daran ändere auch nichts, dass das Familienleben zu einem Zeitpunkt begründet worden sei, als sich die Beteiligten des unsicheren Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers hätten bewusst sein müssen. Der Beschwerdeführer sei daher der Ansicht, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung wegen des entstandenen Familienlebens für auf Dauer unzulässig geworden sei. Mit Ablegung der Integrationsprüfung auf Niveaustufe A2 gelte gemäß § 9 Abs. 4 Z 1 IntG das Modul 1 der Integrationsvereinbarung als erfüllt. Damit liege die Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung plus gemäß § 55 Abs. 1 Z 2 erste Alternative AsylG 2005 vor. Vor diesem Hintergrund werde die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis III. zurückgezogen und nur mehr gegen die Spruchpunkte IV. bis VI. aufrechterhalten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und ist am XXXX geboren. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu.

Der Beschwerdeführer wurde in Afghanistan in der Provinz XXXX geboren und ist dort aufgewachsen. Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan acht Jahre die Schule besucht und als Automechaniker bei der Afghanischen Armee gearbeitet.

Im Jahr 2015 verließ der Beschwerdeführer seine Herkunftsprovinz, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellte am 01.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer hat vor seiner Ausreise nach Österreich in Afghanistan traditionell geheiratet. Diese traditionell geschlossene Ehe wurde nach der Einreise des Beschwerdeführers nach Österreich aufgelöst.

1.2. Zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung am 01.10.2015 – also seit rund sechs Jahren – aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Er hat bereits mehrere Deutschkurse (zuletzt auf Sprachniveau B1) besucht, hat am 10.07.2018 die Prüfung ÖSD Zertifikat A2 bestanden und verfügt über sehr gute Deutschkenntnisse. Er hat am 02.08.2021 auch die Integrationsprüfung Sprachniveau A2 erfolgreich abgelegt. Der Beschwerdeführer hat während seines bisherigen Aufenthaltes gemeinnützige und freiwillige Tätigkeiten im Pensionistenheim und in der Nachbarschaftshilfe verrichtet. Er pflegt zahlreiche freundschaftliche Kontakte zu österreichischen Staatsbürgern und ist sozial engagiert. Der Beschwerdeführer bezieht zwar seit seiner Antragstellung Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung des Bundes, war aber während seines Aufenthaltes in Österreich stets arbeitswillig und um die Aufnahme einer legalen Beschäftigung bemüht. Es ist daher davon auszugehen ist, dass sich der Beschwerdeführer auch am Arbeitsmarkt rasch integrieren wird.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich am XXXX , eine afghanische Staatsangehörige, die in Österreich subsidiär schutzberechtigt ist, standesamtlich geheiratet. Die gemeinsame Tochter XXXX wurde am XXXX in Österreich geboren. Ihr wurde ebenfalls der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 09.02.2023 erteilt. Der Beschwerdeführer wohnt mit seiner Ehefrau und seiner erst wenige Monate alten Tochter im gemeinsamen Haushalt. Der Beschwerdeführer ist in die Betreuung seiner Tochter intensiv eingebunden. Es liegt eine sehr enge familiäre Bindung des Beschwerdeführers zu seiner Ehefrau sowie zur gemeinsamen Tochter vor.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zum Namen des Beschwerdeführers und seinem Geburtsdatum ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben in der Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in der Einvernahme vor dem BFA, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu den Sprachkenntnissen des Beschwerdeführers gründen sich auf seine Angaben.

Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer in der Provinz XXXX geboren und aufgewachsen ist, die Schule besucht und als Automechaniker gearbeitet hat, gründen sich ebenfalls auf die Angaben des Beschwerdeführers vor dem BFA. Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan traditionell geheiratet hat und diese traditionelle geschlossene Ehe nach der Einreise des Beschwerdeführers nach Österreich aufgelöst wurde, basiert auf den Angaben des Beschwerdeführers und seiner nunmehrigen Ehefrau in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

2.2. Zu den Feststellungen zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich:

Die Feststellungen zum Familienleben des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen Einvernahme in der mündlichen Verhandlung, sowie der Einvernahme seiner Ehefrau in der mündlichen Verhandlung als Zeugin. Der Beschwerdeführer und dessen Ehefrau gaben in der mündlichen Verhandlung an, sie hätten am XXXX standesamtlich geheiratet und am XXXX sei ihre gemeinsame Tochter geboren worden. Ein gemeinsamer Wohnsitz liege seit August 2020 vor. Der Beschwerdeführer legte diesbezüglich die Heiratsurkunde und Geburtsurkunde der Tochter sowie einen Auszug aus dem zentralen Melderegister vor. Die Ehefrau des Beschwerdeführers gab in der mündlichen Verhandlung glaubwürdig an, der Beschwerdeführer helfe sehr viel im Haushalt und unterstütze sie sehr bei der Kindesbetreuung. Sowohl die vorgelegten Urkunden als auch der persönliche Eindruck des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 23.06.2021 lassen auf eine sehr enge familiäre Bindung des Beschwerdeführers zu seiner Ehefrau sowie zur gemeinsamen Tochter schließen.

Dass die Ehefrau und die Tochter des Beschwerdeführers in Österreich subsidiär schutzberechtigt sind, ergibt sich aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Bescheiden des BFA.

Die Feststellungen zu den vom Beschwerdeführer gesetzten Integrationsschritten während seines rund sechsjährigen Aufenthaltes in Österreich, basieren auf den von ihm im Verfahren eingebrachten Bestätigungen über verrichtete gemeinnützige Tätigkeiten im Pensionistenheim und im Rahmen der Nachbarschaftshilfe sowie auf diversen Empfehlungsschreiben. Daraus ergibt sich auch die festgestellte Arbeitswilligkeit des Beschwerdeführers; dass sich der Beschwerdeführer rasch am Arbeitsmarkt integrieren wird, ergibt sich auch aus dem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung, wonach der Beschwerdeführer sehr bemüht ist, die finanzielle Situation seiner Familie zu verbessern.

Die Feststellungen zu den besuchten Sprachkursen, sowie zu den vorliegenden sehr guten Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers beruhen auf der Vorlage der entsprechenden Urkunden sowie dem persönlichen Eindruck in der mündlichen Verhandlung. Der Beschwerdeführer beantwortete in der mündlichen Verhandlung zahlreiche Fragen ausführlich auf Deutsch und konnten daher sehr gute Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers festgestellt werden. Dass der Beschwerdeführer am 02.08.2021 die Integrationsprüfung Sprachniveau A2 bestanden hat, ergibt sich aus dem mit Schriftsatz vom 31.08.2021 vorgelegten Zeugnis des Österreichischen Integrationsfonds vom 26.08.2021.

Die Feststellungen zur strafrechtliche Unbescholtenheit sowie zum Bezug von Grundversorgung beruhen auf diesbezüglichen aktuellen Auszügen aus dem Strafregister bzw. dem Betreuungsinformationssystem.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung, entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zu Spruchpunkt A)

3.2. Zu I. A) Einstellung des Verfahrens über die Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. bis III. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 7 AVG können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden. Wird eine Beschwerde zurückgezogen, kommt eine meritorische Entscheidung über die Beschwerde durch das BVwG nicht mehr in Betracht und der Bescheid wird rechtskräftig (vgl. dazu Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 (2014) RZ 742).

In welchen Fällen das Verfahren einzustellen ist, regelt das VwGVG nicht. Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht, worunter auch der Fall der Zurückziehung der Beschwerde zu subsumieren ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 [2019] § 28 VwGVG, Anm. 5).

Die Annahme, eine Partei ziehe die von ihr erhobene Beschwerde zurück, ist nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offenlässt und ein Willensmangel ausgeschlossen werden kann (vgl. VwGH 27.04.2016, Ra 2015/10/0111). Maßgebend ist das Vorliegen einer in dieser Richtung eindeutigen Erklärung (vgl. VwGH 22.11.2005, 2005/05/0320).

Eine solche Erklärung liegt im gegenständlichen Fall vor: Der Beschwerdeführer hat mit Anwaltsschriftsatz vom 31.08.2021 ausdrücklich und unmissverständlich seine Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis III. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.02.2018 zurückgezogen. Einer Sachentscheidung durch das Gericht ist damit die Grundlage entzogen.

Eine bloß formlose Beendigung (etwa durch Einstellung mittels Aktenvermerk) eines nach dem VwGVG vom Verwaltungsgericht geführten Verfahrens kommt nicht in Betracht, handelt es sich doch bei der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, ein bei ihm anhängiges Verfahren nicht weiterzuführen, um eine Entscheidung iSd. § 31 Abs. 1 VwGVG. Eine Verfahrenseinstellung ist unter anderem dann vorzunehmen, wenn die Beschwerde rechtswirksam zurückgezogen wurde (VwGH 29.04.2015, Fr. 2014/20/0047).

Da der Beschwerdeführer die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis III. des angefochtenen Bescheides ausdrücklich zurückgezogen hat, war das Beschwerdeverfahren in diesem Umfang mit Beschluss einzustellen.

3.3. Zu II. A)

3.2.1. Zur Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

In Folge der Zurückziehung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis III. erwuchs die den Antrag auf internationalen Schutz abweisende Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 in Rechtskraft, weshalb dem Bundesverwaltungsgericht die Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung obliegt.

§ 9 Abs. 1 BFA-VG besagt, dass wenn durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig ist, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung, ob im Fall der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben des oder der Fremden eingegriffen wird, eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt. Maßgeblich sind dabei etwa die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert sowie die Bindungen zum Heimatstaat (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0265, mwN).

Die bloße Aufenthaltsdauer ist nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Ausweisung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 22.09.2011, 2007/18/0864 bis 0865 mwN).

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes.

Der Ermessensspielraum des Staates gestaltet sich je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen. Es ist eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Beurteilung vorzunehmen: In Zusammenschau und sorgfältiger Würdigung ist auf die soziale, wirtschaftliche, kulturelle und sprachliche Integration und vor allem das entstandene Familienleben zu achten.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR sowie des VfGH und des VwGH jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei der Interessenabwägung sind insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat-und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. VfGH 29.9.2007, B 1150/07; 12.6.2007, B 2126/06; VwGH 26.6.2007, 2007/01/479; 26.1.2006, 2002/20/0423; 17.12.2007, 2006/01/0216; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention2, 194; Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl-und Fremdenrecht K15 ff zu § 9 BFA-VG).

Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005, sondern zB. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600-14).

Bei der Beurteilung, ob ein Eingriff nach Art. 8 EMRK zulässig ist, ist zu beachten, ob eine Fortsetzung des Familienlebens außerhalb Österreichs möglich ist und ob eine aus Asylgründen bedingte Trennung der Familie den Eingriff in das Familienleben als unzulässig werten lassen könnte. In einem solchen Fall ist der damit verbundene Eingriff in das Familienleben zwar nicht jedenfalls unzulässig, es muss dann aber dem öffentlichen Interesse an der Vornahme dieser Maßnahme ein sehr großes Gewicht beizumessen sein, wie etwa bei Straffälligkeit des Fremden (VwGH 07.05.2014, 2012/22/0084).

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.06.2005, Fall Sisojeva ua., Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der VwGH hat öfters zum Ausdruck gebracht, dass einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zukommt (vgl. dazu VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0289; VwGH 30.07.2015, Zl. 2014/22/0055; VwGH 23.06.2015, Zl. 2015/22/0026; VwGH 10.11.2010, Zl. 2008/22/0777, VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, indem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 05.09.2000, Fall Solomon, Appl. 44.328/98; 31.01.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, OJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562).

Wie oben festgestellt, verfügt der Beschwerdeführer mittlerweile über familiäre Bindungen im Sinne des Art. 8 EMRK in Österreich. Der Beschwerdeführer hat in Österreich am XXXX , eine afghanische Staatsangehörige, die in Österreich subsidiär schutzberechtigt ist, geheiratet. Die gemeinsame Tochter XXXX wurde am XXXX in Österreich geboren. Ihr wurde ebenfalls der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 09.02.2023 erteilt. Es besteht eine ausreichende Beziehungsintensität, um von einem schützenswerten Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich sprechen zu können. Eine Fortsetzung des Familienlebens im Herkunftsstaat ist vor dem Hintergrund, dass die Ehefrau und Tochter des Beschwerdeführers in Österreich subsidiär schutzberechtigt sind, nicht möglich.

Eine Trennung von Familienangehörigen, mit denen ein gemeinsames Familienleben im Herkunftsland nicht zumutbar ist, ist im Ergebnis nur dann gerechtfertigt, wenn dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme insgesamt ein sehr großes Gewicht beizumessen ist, wie etwa bei Straffälligkeit des Fremden oder bei einer von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regeln über den Familiennachzug (vgl. VwGH 23.3.2017, Ra 2016/21/0199, mwN [Trennung von einem österreichischen Ehepartner]; 23.2.2017, Ra 2016/21/0235 [Trennung von der in Österreich asylberechtigten Ehefrau und asylberechtigten minderjährigen Kindern]; 24.9.2019, Ra 2019/20/0446).

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten. Er hat sich in seinem rund sechsjährigen – und folglich nicht als relativ kurz zu wertenden – Aufenthalt sichtlich bemüht, am gesellschaftlichen Leben in Österreich teilzunehmen. Er hat ehrenamtliche Tätigkeiten im Pensionistenheim und in der Nachbarschaftshilfe verrichtet. Der Beschwerdeführer bezieht zwar Grundversorgung, war aber stets arbeitswillig und geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Beschwerdeführer auch am Arbeitsmarkt rasch Fuß fassen wird.

Aus dem persönlichen Eindruck in der Beschwerdeverhandlung ging hervor, dass der Beschwerdeführer sehr gute Deutschkenntnisse hat und durchaus gut in der Lage ist, sich auf Deutsch zu verständigen und Unterhaltungen ausführlich zu führen. Er hat – wie aus den zahlreich vorgelegten Kursbestätigungen hervorgeht – Deutschkurse besucht und am 10.07.2018 die Prüfung für das ÖSD Zertifikat Sprachniveau A2 bestanden. Auch hat der Beschwerdeführer bereits Deutschkurse für das Sprachniveau B1 besucht und am 02.08.2021 die Integrationsprüfung Sprachniveau A2 bestanden.

Die grundsätzlich bestehende Bindung des Beschwerdeführers zu seinem Herkunftsstaat ist dadurch abgeschwächt, dass er hier mittlerweile ein schützenswertes Familienleben hat.

Der Verwaltungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis vom 23.02.2017 aus, dass das "Kindeswohl" bei der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG 2014 zu berücksichtigen ist (mwN, VwGH, Ra 2016/21/0235). Überdies ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Beurteilung der Auswirkungen einer Aufenthaltsbeendigung auf die wechselseitigen Beziehungen eines Elternteiles und seines Kindes auch auf im Entscheidungszeitpunkt konkret absehbare zukünftige Entwicklungen Bedacht zu nehmen (VwGH 31.08.2017, Ro 2017/21/0012).

Im Hinblick auf die nunmehr vorliegenden Ehe des Beschwerdeführers und der familiären Bindung zur minderjährigen, erst wenige Monate alten Tochter, für deren physisches und psychisches Wohlbefinden (gerade in den ersten Lebensjahren) eine regelmäßige und intensive Beziehung zu beiden Elternteilen von entscheidender Wichtigkeit ist, ist eine Aufenthaltsberechtigung zur Aufrechterhaltung des Familienlebens insbesondere unter Berücksichtigung des Kindeswohles im Sinne des § 138 ABBG geboten (vgl. VwGH 31.03.2021, Ra 2020/22/0030-7). Daran ändert auch nichts, dass das Familienleben zu einem Zeitpunkt begründet wurde, als sich die Beteiligten des unsicheren Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers hätten bewusst sein müssen (VwGH 30.04.2020, Ra 2019/21/0134).

Während daher nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert (VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251) zukommt, überwiegen zum Entscheidungszeitpunkt die Interessen des Beschwerdeführers an der Achtung seines Familienlebens die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung.

Die drohende Verletzung dieser familiären bzw. privaten Interessen stellt sich im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers auch nicht nur als vorübergehend dar, weshalb im Ergebnis auszusprechen war, dass die Rückkehrentscheidung betreffend den Beschwerdeführer in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan auf Dauer unzulässig ist.

3.2.2. Zur Erteilung des Aufenthaltstitels (II.):

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Sowohl die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung als auch die inhaltliche Berechtigung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 hängen jeweils vom Ergebnis der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG ab. Da die Frage der Erteilung des Aufenthaltstitels vom Prüfungsgegenstand einer angefochtenen Rückkehrentscheidung mitumfasst ist, hat das Bundesverwaltungsgericht in einem zu entscheiden. (vgl. dazu VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0103)

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

Gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegt.

Das Integrationsgesetz, BGBl. I Nr. 68/2017 idF BGBl. I Nr. 42/2020 (im Folgenden: IntG), lautet auszugsweise:

„Modul 1 der Integrationsvereinbarung

§ 9. (1) Drittstaatsangehörige (§ 2 Abs. 1 Z 6 NAG) sind mit erstmaliger Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 NAG zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet. Diese Pflicht ist dem Drittstaatsangehörigen nachweislich zur Kenntnis zu bringen.

(2) Der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 1 haben Drittstaatsangehörige binnen zwei Jahren ab erstmaliger Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 NAG nachzukommen. Unter Bedachtnahme auf die persönlichen Lebensumstände des Drittstaatsangehörigen kann der Zeitraum der Erfüllungspflicht auf Antrag mit Bescheid verlängert werden. Diese Verlängerung darf die Dauer von jeweils zwölf Monaten nicht überschreiten; sie hemmt den Lauf der Fristen nach § 14.

(3) Für die Dauer von fünf Jahren ab Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 NAG werden bereits konsumierte Zeiten der Erfüllungspflicht auf den Zeitraum der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 2 angerechnet.

(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige
1.         einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,
3.         über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,
4.         einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder
5.         als Inhaber eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung – Künstler“ gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.

Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 10) beinhaltet das Modul 1.

(5) Ausgenommen von der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 1 sind Drittstaatsangehörige,
1.         die zum Ende des Zeitraums der Erfüllungspflicht (Abs. 2) unmündig sein werden;
2.         denen auf Grund ihres physischen oder psychischen Gesundheitszustands die Erfüllung nicht zugemutet werden kann; der Drittstaatsangehörige hat dies durch ein amtsärztliches Gutachten nachzuweisen;
3.         wenn sie schriftlich erklären, dass ihr Aufenthalt die Dauer von 24 Monaten innerhalb von drei Jahren nicht überschreiten soll; diese Erklärung enthält den unwiderruflichen Verzicht auf die Stellung eines weiteren Verlängerungsantrags im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 11 NAG nach dem ersten Verlängerungsantrag.

(6) Die Behörde kann von Amts wegen mit Bescheid feststellen, dass der Drittstaatsangehörige trotz Vorliegen eines Nachweises gemäß Abs. 4 Z 1 oder 2 das Modul 1 der Integrationsvereinbarung mangels erforderlicher Kenntnisse gemäß § 7 Abs. 2 Z 1 nicht erfüllt hat.

(7) Der Nachweis über die Erfüllung des Moduls 1 gemäß Abs. 4 Z 1 bzw. 2 oder Abs. 4 iVm. § 10 Abs. 2 Z 1 bzw. 2 darf zum Zeitpunkt der Vorlage im Rahmen eines Verlängerungsverfahrens (§ 24 NAG) nicht älter als zwei Jahre sein.

§ 10. […]

Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1

§ 11. (1) Die Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1 wird bundesweit nach einem einheitlichen Maßstab vom Österreichischen Integrationsfonds durchgeführt.

(2) Die Prüfung umfasst Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit „Bestanden“ oder „Nicht bestanden“ zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig.

(3) Der Prüfungsinhalt, die Modalitäten der Durchführung, die Qualifikationen der Prüfer sowie die Prüfungsordnung zur Erfüllung des Moduls 1 werden durch Verordnung der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres festgelegt.“

Der Beschwerdeführer hat einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 IntG vorgelegt. Er erfüllt daher die in § 9 Abs. 4 IntG umschriebenen Voraussetzungen für das Modul 1 der Integrationsvereinbarung. Ihm war daher gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen.

Das BFA wird in der Folge dem Beschwerdeführer den Aufenthaltstitel gemäß § 58 Abs. 7 AsylG 2005 auszufolgen haben; dieser hat hieran gemäß § 58 Abs. 11 leg.cit. mitzuwirken.

3.2.3. Zur Aufhebung der Spruchpunkte V. und VI. des angefochtenen Bescheides (III.):

Angesichts der Aufhebung der seitens der belangten Behörde ausgesprochenen Rückkehrentscheidung und der Erteilung eines Aufenthaltstitels verlieren auch die rechtlich darauf aufbauenden Aussprüche über die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers sowie die Gewährung einer Frist für eine freiwillige Ausreise ihre Grundlage, sodass die betreffenden Spruchpunkte V. und VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben waren.

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den Spruchteilen A wiedergegeben. Bei Interessenabwägungen nach Art. 8 EMRK handelt es sich um einzelfallbezogene Beurteilungen, die im Allgemeinen nicht revisibel sind (z.B. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0482, mwN; 26.03.2015, Ra 2014/22/0210, mwN).

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus Aufenthaltsdauer Deutschkenntnisse familiäre Interessen Familienleben Integration Interessenabwägung Kindeswohl private Interessen Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig Teileinstellung teilweise Beschwerderückziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W135.2190051.1.00

Im RIS seit

13.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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