Entscheidungsdatum
11.11.2021Norm
ASVG §113 Abs1 Z1Spruch
L503 2222591-1/32E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX und XXXX , vertreten durch IPB Rechtsanwälte Dr. B. ILLICHMANN, Dr. A. PFEIFFER, Dr. F. BACHINGER, Mag. A. HERTL, gegen den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse) vom 25.11.2011, GZ: XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am 27.05.2021 und 16.09.2021, zu Recht erkannt:
A.) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs 1 und Abs 5 VwGVG ersatzlos behoben.
B.) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1. Mit Bescheid vom 25.11.2011 hat die Salzburger Gebietskrankenkasse (im Folgenden kurz: „SGKK“, nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse) ausgesprochen, dass von den nunmehrigen Beschwerdeführern (im Folgenden kurz: „BF“) aufgrund einer Meldepflichtverletzung gemäß § 113 Abs 2 iVm § 113 Abs 1 Z 1 ASVG ein Beitragszuschlag in Höhe von EUR 1.300,00 zu entrichten sei. Die Verpflichtung werde unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen der §§ 30, 33, 35 Abs 1, 111 Abs 1, 111a sowie 113 ASVG ausgesprochen.
Begründend führte die SGKK aus, dass anlässlich einer Kontrolle am 2.2.2011 durch Prüforgane der Abgabenbehörde des Bundes festgestellt worden sei, dass die BF als Dienstgeber hinsichtlich der Beschäftigung von C.K. gegen die sozialversicherungsrechtliche Meldepflicht im Sinne des § 33 Abs 1 ASVG verstoßen hätten.
Aufgrund der Bestimmung des § 33 Abs 1 ASVG hätten Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.
Die BF seien Dienstgeber gewesen, weil der Betrieb auf ihre Rechnung geführt worden sei.
Der Beitragszuschlag setzte sich in diesem Fall gemäß § 113 Abs 2 ASVG nach einer unmittelbaren Betretung im Sinne des § 111a aus zwei Teilbeträgen zusammen, mit denen die Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten würden. Der Teilbetrag für die gesonderte Prüfung belaufe sich auf EUR 500,00 je nicht vor Arbeitsantritt angemeldeter Person, der Teilbetrag für den Prüfeinsatz auf EUR 800,00. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
2. Mit Schriftsatz ihres (damaligen) rechtsfreundlichen Vertreters vom 14.12.2011 erhoben die BF fristgerecht Einspruch (nunmehr: Beschwerde) gegen den Bescheid der SGKK vom 25.11.2011.
Zunächst monierte die Beschwerde, dass der angefochtene Bescheid von der unzuständigen Behörde erlassen worden sei. Der Sitz des Unternehmens der BF sei in H. (Anm.: in Oberösterreich) und damit sei nicht die belangte Behörde, sondern die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse zuständig.
Sodann wurde ausgeführt, dass der angefochtene Bescheid mangelhaft und rechtswidrig sei, da er keine hinreichende und dem Gesetz entsprechende Begründung enthalte. Dem angefochtenen Bescheid sei nicht zu entnehmen, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangt sei, dass gerade der festgestellte Sachverhalt vorliegen solle. Die belangte Behörde hätte die die Beweiswürdigung betreffenden Erwägungen schlüssig darzulegen gehabt. Gänzlich fehle auch jegliche rechtliche Beurteilung.
Eine Qualifikation von C.K. als „echten Dienstnehmer“ gemäß § 4 Abs 2 ASVG und die Vorschreibung eines Beitragszuschlages erfolge zu Unrecht und vollkommen unbegründet. C.K. habe in keinerlei persönlicher Abhängigkeit zu den BF gestanden. Er sei selbständig tätig und betreibe einen eigenen (Groß-)Handel mit Snowboardmode und habe zahlreiche andere Kunden neben den BF. Er agiere vollkommen selbständig und verfüge über eine eigenständige Gewerbeberechtigung. Lediglich in den Wintermonaten von Anfang/Mitte Dezember bis Mitte März übe er sein Gewerbe auch im Bereich S./H. aus. C.K. habe seinen Betrieb auf eigene Rechnung geführt und das wirtschaftliche Risiko selbst getragen. C.K. habe für seine selbständige Tätigkeit auch entsprechende Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pensionsversicherung in Deutschland geleistet. Ein Dienstvertrag oder dienstvertragsähnliches Verhältnis zwischen den BF und C.K. habe nicht bestanden. Die BF hätten sohin auch gegen keinerlei Meldepflicht gemäß § 33 ASVG verstoßen und komme daher die Vorschreibung eines Beitragszuschlages gemäß § 113 iVm § 111 ASVG nicht in Frage.
Der Bescheid werde auch der Höhe nach angefochten. Der belangten Behörde sei keinerlei Verwaltungsmehraufwand entstanden. Der von der Finanzverwaltung betriebene Aufwand für die Prüfung der Einspruchswerber wäre so oder so entstanden. Es würden auch besonders berücksichtigungswürdige Gründe gemäß § 113 Abs 2 ASVG vorliegen. Die wirtschaftliche Lage in der Branche der BF sei angespannt und wenig aussichtsreich, sodass die nunmehrige Vorschreibung von Beitragszuschlägen zu einer unverhältnismäßigen Belastung der BF führen würde. Weiters wurde ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt.
3. Am 25.4.2012 legte die SGKK den Akt dem Amt der Salzburger Landesregierung vor. Im dazu erstatteten Vorlagebericht vom 10.4.2012 führte die SGKK im Wesentlichen aus, dass im Rahmen der Kontrolle am 2.2.2011 durch Bedienstete des Finanzamtes C.K. bei Arbeiten für die BF betreten worden sei, ohne rechtmäßig zur Sozialversicherung gemeldet gewesen zu sein. Die BF würden eine Snowboardschule sowie Geschäfte zum Verkauf und Verleih von Snowboards und Equipment in S., H. und L. betreiben. C.K. sei als Store-Manager der Betriebsstätte in L. tätig und dort für diverse (näher genannte) administrative Arbeiten sowie für den Einkauf von Waren auf Messen zuständig. C.K. habe angegeben, dies auf selbständiger Basis zu machen. Er habe eine Gewerbeberechtigung in Deutschland und sei dort sozialversichert. Entgegen dieser Ansicht liege ein abhängiges Dienstverhältnis zwischen C.K. und den BF vor. C.K. sei fix in den Betriebsablauf integriert und habe vorgegebene Arbeitszeiten. Die wesentlichen Betriebsmittel würden von den BF zur Verfügung gestellt. C.K. könne sich nicht willkürlich vertreten lassen und habe auch keine eigenen unternehmerischen Gestaltungsspielräume. Er bekomme von den BF ca. EUR 2.000,00 netto monatlich für seine Leistungen bezahlt. Zum Zeitpunkt der Betretung sei C.K. nicht in Österreich angemeldet gewesen. Seit 24.12.2011 sei er als Angestellter bei den Einspruchswerbern angemeldet.
Hinsichtlich der behaupteten Unzuständigkeit der SGKK wurde ausgeführt, dass sich die örtliche Zuständigkeit der Gebietskrankenkasse gemäß § 30 ASVG nach dem Beschäftigungsort des Versicherten richte. C.K. sei in L. beschäftigt gewesen, weshalb die örtliche Zuständigkeit der SGKK gegeben sei.
4. Mit Schreiben des Amtes der Salzburger Landesregierung vom 26.4.2012 wurde dem (ehemaligen) rechtsfreundlichen Vertreter der BF die Aktenvorlage zur Kenntnis gebracht und Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme binnen vier Wochen ab Zustellung gegeben.
5. Mit Schriftsatz des (nunmehrigen) rechtsfreundlichen Vertreters der BF vom 18.5.2012 wurde eine Stellungnahme zum Vorlagebericht der SGKK vom 10.4.2012 erstattet. Zunächst beantragten die BF die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, weil die SGKK ihrer Verpflichtung, die materielle Wahrheit zu erheben, nicht nachgekommen sei. C.K. sei im Zeitpunkt der Kontrolle nicht bei Arbeiten betreten worden, sondern ganztägig als Auskunftsperson in Beschlag genommen, eingeschüchtert und zu behördenkonvenienten Aussagen verhalten worden. Seine Aussagen seien jeweils so formuliert und niedergeschrieben worden, dass die rechtliche Qualifikation seiner Tätigkeit nur in Richtung eines Angestelltenverhältnisses hätten vorgenommen werden können. Sämtliche Aussagen von C.K. seien aus dem Zusammenhang gerissen, unrichtig protokolliert und wiedergegeben worden. C.K. erhalte monatlich ca. EUR 2.000,00 netto nicht aus einer abhängigen Tätigkeit für die BF, sondern im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit. C.K. habe auch nicht gesagt, dass er grundsätzlich von 8:30 Uhr bis 18:00 Uhr arbeite; der angegebene Zeitraum entspreche den Öffnungszeiten des Geschäftslokals. Sofern C.K. nicht im Geschäftslokal anwesend gewesen sei, hätten sich entweder der BF selbst oder Dritte um das Geschäftslokal gekümmert; wenn niemand Zeit gehabt hätte, sei es geschlossen geblieben. Es sei unrichtig, dass sich C.K. nicht von einer willkürlich ausgewählten Person habe vertreten lassen können. C.K. sei keineswegs fix in den Betriebsablauf integriert gewesen und hätte auch keine vorgegebenen Arbeitszeiten einzuhalten gehabt. Die wesentlichen Betriebsmittel für das von C.K. ausgeübte Gewerbe habe er selbst beigestellt. Weiters habe C.K. über eigene, in Unterbestand genommene Geschäftsräumlichkeiten und eine vollkommen eigene betriebliche Infrastruktur verfügt. Im Übrigen würden die Ausführungen im Einspruch (Beschwerde) vollinhaltlich aufrechterhalten. Seit 24.12.2011 sei C.K. als Dienstnehmer angemeldet.
6. Mit Bescheid der Landeshauptfrau von Salzburg vom 4.6.2012 wurde dem Antrag, dem Einspruch (Beschwerde) die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gemäß §§ 412 Abs 6 und 413 Abs 1 Z 1 ASVG stattgegeben und das gegen diesen Bescheid anhängige Rechtsmittelverfahren bis zur rechtskräftigen Klärung der Frage der Versicherungspflicht von C.K. während der maßgeblichen Zeitpunkte bzw. Zeiträume und der Stellung der BF als Dienstgeber in einem hierzu von der SGKK durchzuführenden Verwaltungsverfahren als Hauptfrage gemäß §§ 413 Abs 1 Z 1 und 357 Abs 1 ASVG iVm § 38 AVG ausgesetzt.
7. Am 2.7.2014 legte das Amt der Salzburger Landesregierung den Akt dem Bundesverwaltungsgericht vor. Gemeinsam mit dem Akt wurden die Unterlagen zur GPLA für den Zeitraum 2007 bis 2010 vorgelegt.
8. Mit Erkenntnis vom 26.8.2019, Zl. L503 2222587-1/2E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid der SGKK vom 8.8.2012, mit dem die Vollversicherungspflicht von C.K. in den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen aufgrund eines Dienstverhältnisses zu den BF festgestellt wurde, abgewiesen; mit weiterem Erkenntnis vom 26.8.2019 wurde die verfahrensgegenständliche Beschwerde abgewiesen.
9. Mit Erkenntnis des VwGH vom 18.12.2020, Zl. Ra 2020/08/0149 und 0150-8, wurde das Erkenntnis des BVwG – nach Erhebung einer außerordentlichen Revision durch die BF - wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Begründend führte der VwGH aus, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wäre erforderlich gewesen.
10. Am 27.5.2021 und 16.9.2021 führte das BVwG Beschwerdeverhandlungen durch. In der Beschwerdeverhandlung vom 27.5.2021 gab Herr C.K. auf Nachfragen an, er habe sich beim Beginn der Kontrolle am 2.2.2011 nicht in den Geschäftsräumlichkeiten der Snowboardschule, sondern auf der Piste aufgehalten und habe sich erst auf telefonisches Ersuchen von Mitarbeitern der BF in die Geschäftsräumlichkeiten begeben. Die Vertreterin der ÖGK gab im weiteren Verlauf der Verhandlung bekannt, dass keine Betretung von C.K. vorliege.
11. Mit Erkenntnis des BVwG vom heutigen Tage zur Zl. 2222587-1/43E wurde die Vollversicherungspflicht von C.K. mit einer Maßgabe (wiederum) bestätigt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
C.K. hielt sich beim Beginn der Kontrolle am 2.2.2011 nicht in den Geschäftsräumlichkeiten der Snowboardschule, sondern auf der Skipiste auf und begab sich erst auf telefonisches Ersuchen von Mitarbeitern der BF in die Geschäftsräumlichkeiten, wo er daraufhin von den Kontrollorganen befragt wurde.
2. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich unmittelbar aus den diesbezüglich glaubwürdigen Angaben von C.K. in der Beschwerdeverhandlung vom 27.5.2021. Die Vertreterin der ÖGK gab zudem explizit an, dass gegenständlich keine Betretung vorliegt (Verhandlungsschrift vom 27.5.2021, S. 11), sodass die getroffenen Feststellungen gänzlich unstrittig sind.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Stattgabe der Beschwerde
3.1. Allgemeine rechtliche Grundlagen:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch einen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache gemäß § 28 Abs 1 VwGVG durch Erkenntnis zu erledigen.
3.2. Rechtliche Grundlagen im ASVG:
§ 113 ASVG idF BGBl. I Nr. 2007/31 lautet auszugsweise:
(1) Den in § 111 Abs. 1 genannten Personen (Stellen) können Beitragszuschläge vorgeschrieben werden, wenn
1. die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde oder
2. die vollständige Anmeldung zur Pflichtversicherung nach § 33 Abs. 1a Z 2 nicht oder verspätet erstattet wurde oder
3. das Entgelt nicht oder verspätet gemeldet wurde oder
4. ein zu niedriges Entgelt gemeldet wurde.
(2) Im Fall des Abs. 1 Z 1 setzt sich der Beitragszuschlag nach einer unmittelbaren Betretung im Sinne des § 111a aus zwei Teilbeträgen zusammen, mit denen die Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten werden. Der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung beläuft sich auf 500 € je nicht vor Arbeitsantritt angemeldeter Person; der Teilbetrag für den Prüfeinsatz beläuft sich auf 800 €. Bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen kann der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz bis auf 400 € herabgesetzt werden. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen.
[…]
§ 4 ASVG lautet auszugsweise:
(1) In der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sind auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet:
1. die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer;
[...]
(2) Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen. [...]
[....]
§ 20 ASVG lautet auszugsweise:
(1) Die örtliche Zuständigkeit der Gebietskrankenkassen richtet sich, soweit in den Abs. 3 bis 5, im § 11 Abs. 2 und im § 16 Abs. 5 nichts anderes bestimmt wird, nach dem Beschäftigungsort des Versicherten, bei selbständig Erwerbstätigen nach dem Standort des Betriebes bzw. in Ermangelung eines solchen nach dem Wohnsitz.
(2) Beschäftigungsort ist der Ort, an dem die Beschäftigung ausgeübt wird. Wird eine Beschäftigung abwechselnd an verschiedenen Orten ausgeübt, aber von einer festen Arbeitsstätte aus, so gilt diese als Beschäftigungsort. Wird eine Beschäftigung ohne feste Arbeitsstätte ausgeübt, so gilt der Wohnsitz des Versicherten als Beschäftigungsort. Der Beschäftigungsort von Hausgehilfen, die beim Dienstgeber wohnen, ist der Wohnsitz des Dienstgebers. Hat der Dienstgeber mehrere Wohnsitze, so ist der Wohnsitz maßgebend, an dem der Dienstgeber den überwiegenden Teil des Jahres verbringt.
[…]
§ 33 ASVG lautet auszugsweise:
(1) Die Dienstgeber haben jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) spätestens bei Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An- sowie die Abmeldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.
[…]
§ 35 ASVG lautet auszugsweise:
(1) Als Dienstgeber im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer (Lehrling) in einem Beschäftigungs(Lehr)verhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist. Dies gilt entsprechend auch für die gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 pflichtversicherten, nicht als Dienstnehmer beschäftigten Personen.
[…]
3.3. Im konkreten Fall bedeutet dies:
Nach § 30 Abs 1 ASVG richtet sich die örtliche Zuständigkeit der Gebietskrankenkasse, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach dem Beschäftigungsort des Versicherten. Es kommt daher nicht – wie in der Beschwerde eingewandt – auf den Sitz des Unternehmens (gegenständlich: H. in Oberösterreich) – sondern gemäß Abs 2 leg.cit. auf jenen Ort an, an dem die Beschäftigung ausgeübt wird. Der Betrieb der BF bestand aus drei im Bundesland Salzburg gelegenen Geschäftslokalen. C.K. war für die BF als Shopleiter im Geschäftslokal in S. in Salzburg tätig. Der Ort seiner Beschäftigung lag damit in Salzburg. Die SGKK war daher zur Erlassung des angefochtenen Bescheides örtlich zuständig.
Allerdings erweist sich der angefochtene Bescheid aus einem anderen Grund als rechtswidrig: Voraussetzung für die Verhängung eines Beitragszuschlags gemäß § 113 ASVG ist nach Abs 2 der erwähnten Bestimmung unter anderem eine „unmittelbare Betretung“. Das Tatbestandsmerkmal des Betretens einer Person (Dienstnehmer) durch eine andere Person (Prüforgan) setzt nach dem Wortsinn ein körperliches Zusammentreffen dieser beiden Personen (ein unmittelbares sinnliches Wahrnehmen der einen Person durch die andere) nach einem (behaupteten) Arbeitsantritt voraus. Das Prüforgan muss diese Person nach dem Arbeitsantritt während der Arbeitszeit bzw. während der die Arbeit unterbrechenden Ruhepausen angetroffen haben (vgl. VwGH vom 19.12.2018, Zl. Ro 2018/08/0019, vom 8.5.2019, Zl. Ra 2019/08/0017). Von einem derartigen Antreffen von C.K. durch die Prüforgane kann den getroffenen Feststellungen zufolge jedoch nicht gesprochen werden; vielmehr begab sich C.K. – nachdem er von Mitarbeitern der BF telefonisch von der Skipiste herbeigerufen wurde – selbst zu den Prüforganen.
Da somit eine unmittelbare Betretung von C.K. durch ein Organ der Abgabenbehörde des Bundes nicht stattgefunden hat, sind die gesetzlichen Voraussetzungen für die Verhängung eines Beitragszuschlages nach § 113 Abs 1 Z 1 ASVG nicht gegeben und war der bekämpfte Bescheid sohin spruchgemäß ersatzlos zu beheben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, da zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Beitragszuschlag gemäß § 113 ASVG vorzuschreiben ist, bereits eine umfassende und einheitliche Rechtsprechung des VwGH besteht, von der die gegenständliche Entscheidung auch nicht abweicht.
Schlagworte
Beitragszuschlag ersatzlose Behebung Rechtswidrigkeit VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:L503.2222591.1.00Im RIS seit
13.12.2021Zuletzt aktualisiert am
13.12.2021