TE Bvwg Beschluss 2021/11/19 W151 2244089-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.11.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

19.11.2021

Norm

ASVG §16
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch


W151 2244089-1/7E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Doris KOHL, MCJ über die Beschwerde von XXXX , VSNR: XXXX , vertreten durch Dr. Christian FÜGGER, Rechtsanwalt, 3100 St. Pölten, Josefstraße 1, gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse, Landesstelle Niederösterreich vom 13.04.2021, GZ: XXXX :

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Österreichische Gesundheitskasse zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Am 03.03.2021 stellte der Beschwerdeführer (in der Folge „BF“) bei der belangten Behörde einen Antrag auf Selbstversicherung in der Krankenversicherung gemäß § 16 ASVG. Im Antragsformular gab der BF durch Auswahl der vorgegebenen Antwortmöglichen an, eine Rente aus der Bundesrepublik Deutschland zu beziehen und sich aus diesem Grund von der Krankenversicherungspflicht befreit zu haben. Eine Versicherungspflicht oder eine Pflichtversicherung bestehe aufgrund eines Optionsrechtes nicht.

2. Mit Bescheid vom 13.04.2021 wies die belangte Behörde den Antrag auf Selbstversicherung gemäß § 16 Abs. 1 ASVG ab und führte im Wesentlichen aus, für den BF bestehe aufgrund des deutschen Rentenbezuges eine Versicherungspflicht in Deutschland und sei aufgrund dessen in Beachtung der einschlägigen EU-rechtlichen Bestimmungen eine auf gesetzlicher Basis bestehende freiwillige Krankenversicherung in Österreich nicht möglich.

3. In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde machte der BF ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durch Verletzung des Parteiengehörs und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Hierzu führte der BF aus, dass er nach der Wende in Deutschland aus der gesetzlichen Sozialversicherung ausgetreten und zur privaten Krankenversicherung gewechselt sei. Im Jahr 2001 habe er seinen dauerhaften Wohnsitz in Österreich genommen und in Österreich eine private Krankenversicherung geschlossen. Es bestehe für ihn nunmehr keine Krankenversicherungspflicht in Deutschland. Eine Anfrage bei BARMER (Anm.: Barmer Ersatzkasse) habe ergeben, dass mangels erfüllter Vorversicherungszeit für den BF keine Krankenversicherungspflicht eintreten könne. Weiters beziehe er einen Zuschuss zur Krankenversicherung als Zusatzleistung gemäß § 106 SGB VI, der nur gewährt werde, solange der BF keiner gesetzlichen Krankenversicherungspflicht unterliege. Daraus ergebe sich, dass der BF nicht der deutschen Krankenversicherungspflicht unterliege.

4. Die belangte Behörde legte den Akt am 06.07.2021 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

5. Mit Schreiben vom 20.07.2021 erstatte der BF eine Stellungnahme zu dem im Parteiengehör übermittelten Vorlageschreiben der belangten Behörde, in der er seine Beschwerde aufrecht hielt und erneut bekräftigte, nicht der Pflichtversicherung in Deutschland zu unterliegen.

6. Die belangte Behörde replizierte mit Schreiben vom 20.09.2021.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1. Der BF, geb. am XXXX , war bis 1990 in der damaligen DDR pflichtversichert, trat in der Folge aus der gesetzlichen Krankenversicherung aus und wechselte in Deutschland zu einer privaten Krankenversicherung, wo er bis 31.12.2001 versichert war. In Deutschland war er als KFZ-Meister bzw. Leiter eines Kfz-Betriebes selbständig.

1.2. Mit 13.04.2001 nahm der BF seinen Hauptwohnsitz in Österreich an der Adresse XXXX , XXXX und schloss in Österreich eine private Krankenversicherung ab.

1.3. Mit 01.07.2003 erwarb der BF einen Anspruch auf Regelaltersrente. Seit 01.09.2003 bezieht der BF eine monatliche deutsche Rente in Höhe von insgesamt EUR 1.148,33 (bestehend aus einer monatlichen Rente in Höhe von EUR 1.071,70 und einen Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von EUR 76,63).

1.4. Am 03.03.2021 stellte der BF bei der belangten Behörde einen Antrag auf Selbstversicherung in der Krankenversicherung gemäß § 16 ASVG.

1.5. Im behördlichen Verfahren wurden notwendige Ermittlungen des Sachverhalts nicht ansatzweise geführt. Ein abschließender, für die Beurteilung der verfahrensgegenständlichen Rechtslage relevanter Sachverhalt konnte nicht festgestellt werden. Die belangte Behörde hat einzig aufgrund des im Antragsformular vom BF angegebenen Rentenbezuges in Deutschland unter dem pauschalen Verweis auf diverse deutsche Rechtsgrundlagen die Versicherungspflicht des BF in Deutschland angenommen und die Durchführung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens zur Gänze an das Bundesverwaltungsgericht delegiert.

1.6. Die belangte Behörde hat keinerlei Ermittlungen zur maßgeblichen Frage vorgenommen, ob der BF aufgrund seines Rentenbezuges in Deutschland die Voraussetzungen erfüllt, um der Versicherungspflicht in Deutschland zu unterliegen. Sie hat keinerlei Ermittlungen zur Frage unternommen, ob die vom BF in Österreich abgeschlossene private Krankenversicherung allenfalls als private Krankenversicherung in Deutschland die Versicherungspflicht begründet.

2.       Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des BF, dessen Berufstätigkeit und zum Austritt aus der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland (Punkt 1.1.) ergeben sich dem unstrittigen Vorbringen des BF in dessen Beschwerde. Die Feststellungen zur Wohnsitznahme des BF in Österreich und zum gegenständlichen Antrag ergeben sich aus dem unstrittigen Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Anspruch auf Regelaltersrente und dem monatlichen Rentenbezug (Punkt 1.2.) ergeben sich aus den im Zuge der Beschwerde vorgelegten Bescheiden der Landesversicherungsanstalt Oberbayern vom 15.11.2002 (Beilage ./B zur Beschwerde) und vom 06.08.2003 (Beilage ./C zur Beschwerde).

Das Unterlassen notwendiger Ermittlungen des Sachverhaltes durch die belangte Behörde ergibt sich aus dem Akteninhalt. Hierzu ist auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung zu verweisen (siehe sogleich unten).

3.       Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:

§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag einer Partei durch einen Senat.

Gegenständlich wurde kein Antrag auf Senatsentscheidung gestellt. Somit obliegt die Entscheidung der vorliegenden Beschwerdesache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

3.2. Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.

Zu A):

Die im gegenständlichen Beschwerdefall maßbegebende Bestimmungen lauten:

a) Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004:

„Artikel 14

Freiwillige Versicherung oder freiwillige Weiterversicherung

(1) Die Artikel 11 bis 13 gelten nicht für die freiwillige Versicherung oder die freiwillige Weiterversicherung, es sei denn, in einem Mitgliedstaat gibt es für einen der in Artikel 3 Absatz 1 genannten Zweige nur ein System der freiwilligen Versicherung.

(2) Unterliegt die betreffende Person nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats der Pflichtversicherung in diesem Mitgliedstaat, so darf sie in einem anderen Mitgliedstaat keiner freiwilligen Versicherung oder freiwilligen Weiterversicherung unterliegen. In allen übrigen Fällen, in denen für einen bestimmten Zweig eine Wahlmöglichkeit zwischen mehreren Systemen der freiwilligen Versicherung oder der freiwilligen Weiterversicherung besteht, tritt die betreffende Person nur dem System bei, für das sie sich entschieden hat.“

b) Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477)

(https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/; abgerufen am 16.11.2021)

㤠5 Versicherungspflicht

(1) Versicherungspflichtig sind

1. …

11. Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 versichert waren,

13. Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und

a) zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder

b) bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten.

(2) …“

㤠9 Freiwillige Versicherung

(1) Der Versicherung können beitreten

1. …

6. (weggefallen) [Hervorhebung durch das erkennende Gericht]

7. …“

Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz - VVG)

㤠193 Versicherte Person; Versicherungspflicht

„(1) Die Krankenversicherung kann auf die Person des Versicherungsnehmers oder eines anderen genommen werden. Versicherte Person ist die Person, auf welche die Versicherung genommen wird.

(2) Soweit nach diesem Gesetz die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers von rechtlicher Bedeutung sind, ist bei der Versicherung auf die Person eines anderen auch deren Kenntnis und Verhalten zu berücksichtigen.

(3) Jede Person mit Wohnsitz im Inland ist verpflichtet, bei einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen für sich selbst und für die von ihr gesetzlich vertretenen Personen, soweit diese nicht selbst Verträge abschließen können, eine Krankheitskostenversicherung, die mindestens eine Kostenerstattung für ambulante und stationäre Heilbehandlung umfasst und bei der die für tariflich vorgesehene Leistungen vereinbarten absoluten und prozentualen Selbstbehalte für ambulante und stationäre Heilbehandlung für jede zu versichernde Person auf eine betragsmäßige Auswirkung von kalenderjährlich 5.000 Euro begrenzt ist, abzuschließen und aufrechtzuerhalten; für Beihilfeberechtigte ergeben sich die möglichen Selbstbehalte durch eine sinngemäße Anwendung des durch den Beihilfesatz nicht gedeckten Vom-Hundert-Anteils auf den Höchstbetrag von 5.000 Euro. Die Pflicht nach Satz 1 besteht nicht für Personen, die

1. in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert oder versicherungspflichtig sind oder

2. Anspruch auf freie Heilfürsorge haben, beihilfeberechtigt sind oder vergleichbare Ansprüche haben im Umfang der jeweiligen Berechtigung oder

3. Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz haben oder

4. Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten und Siebten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und Empfänger von Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch sind für die Dauer dieses Leistungsbezugs und während Zeiten einer Unterbrechung des Leistungsbezugs von weniger als einem Monat, wenn der Leistungsbezug vor dem 1. Januar 2009 begonnen hat.

Ein vor dem 1. April 2007 vereinbarter Krankheitskostenversicherungsvertrag genügt den Anforderungen des Satzes 1.

(4) Wird der Vertragsabschluss später als einen Monat nach Entstehen der Pflicht nach Absatz 3 Satz 1 beantragt, ist ein Prämienzuschlag zu entrichten. Dieser beträgt einen Monatsbeitrag für jeden weiteren angefangenen Monat der Nichtversicherung, ab dem sechsten Monat der Nichtversicherung für jeden weiteren angefangenen Monat der Nichtversicherung ein Sechstel eines Monatsbeitrags. Kann die Dauer der Nichtversicherung nicht ermittelt werden, ist davon auszugehen, dass der Versicherte mindestens fünf Jahre nicht versichert war. Der Prämienzuschlag ist einmalig zusätzlich zur laufenden Prämie zu entrichten. Der Versicherungsnehmer kann vom Versicherer die Stundung des Prämienzuschlages verlangen, wenn den Interessen des Versicherers durch die Vereinbarung einer angemessenen Ratenzahlung Rechnung getragen werden kann. Der gestundete Betrag ist zu verzinsen. Wird der Vertragsabschluss bis zum 31. Dezember 2013 beantragt, ist kein Prämienzuschlag zu entrichten. Dies gilt für bis zum 31. Juli 2013 abgeschlossene Verträge für noch ausstehende Prämienzuschläge nach Satz 1 entsprechend.

(5) Der Versicherer ist verpflichtet,

1. allen freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten

a) innerhalb von sechs Monaten nach Einführung des Basistarifes,

b) innerhalb von sechs Monaten nach Beginn der im Fünften Buch Sozialgesetzbuch vorgesehenen Wechselmöglichkeit im Rahmen ihres freiwilligen Versicherungsverhältnisses,

2. allen Personen mit Wohnsitz in Deutschland, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig sind, nicht zum Personenkreis nach Nummer 1 oder Absatz 3 Satz 2 Nr. 3 und 4 gehören und die nicht bereits eine private Krankheitskostenversicherung mit einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen vereinbart haben, die der Pflicht nach Absatz 3 genügt,

3. Personen, die beihilfeberechtigt sind oder vergleichbare Ansprüche haben, soweit sie zur Erfüllung der Pflicht nach Absatz 3 Satz 1 ergänzenden Versicherungsschutz benötigen,

4. allen Personen mit Wohnsitz in Deutschland, die eine private Krankheitskostenversicherung im Sinn des Absatzes 3 mit einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen vereinbart haben und deren Vertrag nach dem 31. Dezember 2008 abgeschlossen wird,

Versicherung im Basistarif nach § 152 des Versicherungsaufsichtsgesetzes zu gewähren. Ist der private Krankheitskostenversicherungsvertrag vor dem 1. Januar 2009 abgeschlossen, kann bei Wechsel oder Kündigung des Vertrags der Abschluss eines Vertrags im Basistarif beim eigenen oder einem anderen Versicherungsunternehmen unter Mitnahme der Alterungsrückstellungen gemäß § 204 Abs. 1 nur bis zum 30. Juni 2009 verlangt werden. Der Antrag muss bereits dann angenommen werden, wenn bei einer Kündigung eines Vertrags bei einem anderen Versicherer die Kündigung nach § 205 Abs. 1 Satz 1 noch nicht wirksam geworden ist. Der Antrag darf nur abgelehnt werden, wenn der Antragsteller bereits bei dem Versicherer versichert war und der Versicherer

1. den Versicherungsvertrag wegen Drohung oder arglistiger Täuschung angefochten hat oder

2. vom Versicherungsvertrag wegen einer vorsätzlichen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zurückgetreten ist.

(6) …“

In der Sache:

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden,

1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes.

Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung vom prinzipiellen Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte aus (vgl. u.a. 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016).

Nach der Bestimmung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG kommt bereits nach ihrem Wortlaut die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht (vgl. auch Art. 130 Abs. 4 Z 1 B-VG). Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

Ist die Voraussetzung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG erfüllt, hat das Verwaltungsgericht (sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist) "in der Sache selbst" zu entscheiden.

Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird.

Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f).

Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den zur ermittelnden Sachverhalt aus folgenden Gründen als grob mangelhaft und unvollständig:

Der BF stellte am 03.03.2021 bei der belangten Behörde einen Antrag auf Selbstversicherung in der Krankenversicherung gemäß § 16 ASVG. Im Antragsformular gab der BF durch Auswahl der vorgegebenen Antwortmöglichen an, eine Rente aus der Bundesrepublik Deutschland zu beziehen und sich aus diesem Grund von der Krankenversicherungspflicht befreit zu haben. Des Weiteren gab der BF ausdrücklich an, dass eine Versicherungspflicht oder eine Pflichtversicherung aufgrund eines Optionsrechtes in Deutschland nicht bestehe.

Die belangte Behörde stützte ihren Bescheid ausschließlich auf diese Antragsangaben, ohne die weiteren rechtlichen Konsequenzen daraus zu prüfen:

So führte die belangte Behörde lediglich aus, für den BF bestehe aufgrund des laufenden deutschen Rentenbezuges eine Versicherungspflicht in Deutschland und sei aufgrund dessen in Beachtung der einschlägigen EU-rechtlichen Bestimmungen eine auf gesetzlicher Basis bestehende freiwillige Krankenversicherung in Österreich nicht möglich.

Dass der BF aufgrund seines Rentenbezuges in der Bundesrepublik Deutschland einer Versicherungspflicht unterliege, leitete die belangte Behörde im bekämpften Bescheid aus diversen Bestimmungen des deutschen Rechts, nämlich § 5 Abs. 1 Nr. 11 und Nr. 13 bzw. § 9 Abs. 1 Nr. 6 SGB V und § 193 Abs. 5 VVG, ab.

Hierzu führte sie unter „II. Beweiswürdigung“ des bekämpften Bescheides vage aus:

„Die generelle Versicherungspflicht nach den deutschen Rechtsvorschriften resultiert entweder aus der Erfüllung eines Tatbestandes in Beachtung des Artikel 5 Abs. 1 Nr. 11 und Nr. 13 SGB V, des Artikels 9 Abs. 1 Nr. 6 SGB V oder des Artikels 193 Abs. 5 VVG.“

Der Abschnitt „III. Rechtliche Grundlagen“ des bekämpften Bescheides erschöpft sich sodann in der Auflistung zahlreicher Normen des deutschen Rechts sowie des Unionsrechts. An keiner Stelle nimmt die belangte Behörde eine konkrete Subsumtion des Sachverhaltes unter eine der genannten Normen vor. Im Einzelnen lässt sich somit aus dem bekämpften Bescheid nicht erkennen, welchen Tatbestand die belangte Behörde im Hinblick auf die entscheidungswesentliche Frage der Versicherungspflicht des BF in Deutschland konkret als erfüllt ansieht. In dem die Behörde lediglich angibt, die Versicherungspflicht des BF in Deutschland ergebe sich aus der Erfüllung „eines Tatbestandes“ der angeführten Normen, ohne dies näher zu spezifizieren, ist den Anforderungen an eine hinreichende Begründung des bekämpften Bescheides jedenfalls nicht Genüge getan.

Soweit sich die belangte Behörde dabei offensichtlich an den Anknüpfungstatbestand des im bekämpften Bescheid zitierten § 9 Abs. 1 Nr. 6 SGB V (Argument offensichtlich der im Antragszeitpunkt laufende Rentenbezug des BF in Deutschland), verkennt sie , dass diese Bestimmung nicht mehr im Rechtsbestand steht (siehe oben .

Der nicht näher begründete Bescheid lässt auch nicht erkennen, dass die belangte Behörde auch nur in Ansätzen Ermittlungen angestrengt hätte, um den zur Anwendung der genannten Normen maßgeblichen Sachverhalt festzustellen:

Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V sind Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, versicherungspflichtig, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 versichert waren. Das Vorliegen der Versicherungspflicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V setzt folglich den Erwerb von Vorversicherungszeiten in einem konkreten Zeitraum – 90 % in der zweiten Hälfte des Erwerbslebens – voraus.

Der BF legte im Beschwerdeverfahren zum Nachweis, dass er nicht der Versicherungspflicht in Deutschland unterliege, ein Schreiben der BARMER (Beilage ./A zur Beschwerde) vor, in der diese ausführte, dass der BF die Vorversicherungszeit für die Krankenversicherungspflicht der Rentner nicht erfülle, weshalb eine Mitgliedschaft bei keiner gesetzlichen deutschen Krankenkasse eingerichtet werden könne. Weiters legte der BF einen Bescheid der Landesversicherungsanstalt Oberbayern vom 15.11.2002 (Beilage ./B zur Beschwerde) über den Bezug eines Zuschusses nach § 106 SGB VI vor. Diesem ist zu entnehmen, dass ein solcher Anspruch bei Eintritt von Krankenversicherungspflicht entfalle, woraus im Umkehrschluss ableitbar ist, dass durch die Zuerkennung des Anspruches eine Krankenversicherungspflicht nicht vorliegt.

Die belangte Behörde hat folglich das bereits im verfahrenseinleitenden Antrag formularmäßig konkretisierte Vorbringen, wonach aufgrund der Ausübung eines Optionsrechtes keine Versicherungspflicht in Deutschland bestehe, zur Gänze unberücksichtigt gelassen und keinerlei Ermittlungen zur maßgeblichen Frage vorgenommen, ob der BF – etwa durch Vorliegen von Vorversicherungszeiten – die Voraussetzungen erfüllt, um nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V der Versicherungspflicht zu unterliegen, oder eine solche Versicherungspflicht dem BF nunmehr nicht zugänglich ist.

Nicht nachvollziehbar ist ferner, inwiefern die von der belangten Behörde zitierte Bestimmung des § 9 Abs. 1 Nr. 6 SGB V, die in der zitierten Fassung Beziehern einer Rente den Beitritt zur Versicherung ermöglicht, wenn bereits zum 31.03.2002 einen Anspruch auf Rente bestand, jedoch zu diesem Zeitpunkt die Vorversicherungszeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 nicht erfüllt war, im Fall des BF zur Anwendung gelangen könnte. Zum einen ist nicht erkennbar, aufgrund welcher Ermittlungsergebnisse die belangte Behörde davon ausgehen würde, dass bereits zum 31.03.2002 ein Anspruch des BF auf Rentenbezug bestand, zumal sich aus dem vorliegenden Rentenbescheid der Landesversicherungsanstalt Oberbayern vom 06.08.2008 (Beilage ./C zur Beschwerde) ein Beginn der Regelaltersrente erst ab 01.07.2003 ergibt. Zum anderen gehört die genannte Bestimmung des SGB V nach amtswegigen Recherchen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr dem deutschen Rechtsbestand an. Auch damit ist erkennbar, dass weder hinreichende Ermittlungen zum maßgeblichen Sachverhalts getätigt wurden, noch eine Prüfung der deutschen Rechtslage anhand des vorliegenden Sachverhalts erfolgt ist.

Ferner hat die belangte Behörde keinerlei Ermittlungen zur Frage unternommen, ob die vom BF in Österreich abgeschlossene private Krankenversicherung allenfalls als private Krankenversicherung in Deutschland die Versicherungspflicht begründet.

Die belangte Behörde hat vielmehr einzig aufgrund des im Antragsformular vom BF selbst angegebenen Rentenbezuges in Deutschland unter dem pauschalen Verweis auf diverse deutsche Rechtsgrundlagen die Versicherungspflicht des BF in Deutschland angenommen und die Durchführung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens somit zur Gänze an das Bundesverwaltungsgericht delegiert. In Anbetracht der vorgelegten Beweismittel ist offenkundig, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt aufgrund des nahezu zur Gänze unterlassenen Ermittlungsverfahrens seitens der belangten Behörde nicht feststeht und einer Ergänzung bedarf.

Die belangte Behörde hätte die oben genannten Tatbestandselemente im Wege eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens zu erheben gehabt, die Ergebnisse dem BF im Parteiengehör zuführen müssen, im Bescheid dazu Feststellungen zu treffen und diese einer jeweiligen rechtlichen Würdigung zu unterziehen gehabt. Im vorliegenden Fall hat die ÖGK daher zur Frage, ob der BF in Deutschland aufgrund seines deutschen Rentenbezuges oder aufgrund der österreichischen privaten Krankenversicherung der Versicherungspflicht unterliegt, ergänzende Ermittlungen etwa durch Anfragen an die zuständigen Behörden in Deutschland vorzunehmen und den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen.

Die belangte Behörde hat durch ihre Verfahrensführung und den angefochtenen Bescheid die wesentliche Ermittlungs- und Begründungstätigkeit unterlassen und damit an die Rechtsmittelinstanz delegiert (vgl. VwGH 26.06.2014, Zl. 2014/03/0063). Würde das Bundesverwaltungsgericht - jene Instanz, die zur eigentlichen Rechtskontrolle eingerichtet wurde - die Instanz sein, die im Verfahren erstmals ein begründetes Erkenntnis mit den Feststellungen des maßgeblichen Sachverhaltes erlässt, so wäre damit der Rechtsschutz der beschwerdeführenden Partei de facto eingeschränkt. Es ist in erster Linie die Aufgabe der Erstbehörde als Tatsacheninstanz zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung sich sachgerecht mit dem Antrag auseinanderzusetzen, den maßgeblichen Sachverhalt vollständig festzustellen, ihre Begründung im Bescheid nachvollziehbar darzustellen und diese zentrale Aufgabe nicht an das Bundesverwaltungsgericht zu delegieren.

Aus den dargelegten Gründen war daher spruchgemäß der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Eine mündliche Verhandlung konnte im vorliegenden Fall gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unterbleiben, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Auslandsbezug Ermittlungspflicht Kassation Krankenversicherung mangelnde Sachverhaltsfeststellung Selbstversicherung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W151.2244089.1.00

Im RIS seit

13.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten