TE Vwgh Beschluss 2021/11/12 Ra 2019/03/0095

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Veröffentlicht am 12.11.2021
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Index

L65000 Jagd Wild
L65003 Jagd Wild Niederösterreich
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §52
JagdG NÖ 1974 §39 Abs7
JagdG NÖ 1974 §39 Abs7 idF 6500-16
JagdRallg

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2019/03/0096
Ra 2019/03/0097

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und den Hofrat Dr. Lehofer als Richter sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revisionen des Dipl.-Ing. M H in S, vertreten durch die Anzböck & Brait Rechtsanwälte GmbH in 3430 Tulln, Stiegengasse 8, gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich jeweils vom 9. April 2019, LVwG-AV-43/002-2019, LVwG-AV-43/001-2019, LVwG-AV-46/002-2019, LVwG-AV-46/001-2019, LVwG-AV-42/002-2019 und LVwG-AV-42/001-2019, jeweils betreffend Abweisung eines Antrags auf Überprüfung der Höhe des Jagdpachtschillings (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn; mitbeteiligte Parteien: Jagdgenossenschaft S, zH des Obmannes des Jagdauschusses S S in S, Jagdgenossenschaft G, zH des Obmannes des Jagdauschusses S S in S und Jagdgenossenschaft O, zH des Obmannes des Jagdausschusses J R, in O, alle vertreten durch Mag. Andreas Arbesser, Rechtsanwalt in 2103 Langenzersdorf, Korneuburger Straße 3), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von jeweils € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Beschlüssen vom 17. Jänner 2018 bzw. 30. Jänner 2018 wurde betreffend die Genossenschaftsjagdgebiete S, G und O jeweils durch den Jagdausschuss der Jagdgenossenschaft die Verlängerung der bestehenden Jagdpachtverhältnisse im Wege des freien Übereinkommens gemäß § 39 NÖ Jagdgesetz 1974 (NÖ JG) beschlossen.

2        Mit Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn jeweils vom 20. November 2018 wurden die Anträge des Revisionswerbers auf Überprüfung der Höhe des jeweiligen Jagdpachtschillings als unbegründet abgewiesen sowie das jeweils erstattete Vorbringen des Revisionswerbers hinsichtlich § 40 in Verbindung mit § 39 Abs. 7 NÖ JG betreffend die Durchführung der Verlängerung des Jagdpachtverhältnisses mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen.

3        Den gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden gab das Verwaltungsgericht mit den angefochtenen Erkenntnissen keine Folge. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde jeweils für nicht zulässig erklärt.

4        In der jeweiligen Begründung führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, der Revisionswerber sei Grundeigentümer von landwirtschaftlichen Flächen der Genossenschaftsjagdgebiete und daher berechtigt, eine Überprüfung des Jagdpachtschillings zu beantragen. Soweit der Revisionswerber jedoch andere Umstände als das Vorliegen eines auffallenden Missverhältnisses zwischen dem Wert der Jagd und dem Jagdpachtzins gegen die Gültigkeit der Beschlüsse über die Vergabe der Genossenschaftsjagdgebiete geltend mache, stehe dem § 39 Abs. 7 NÖ JG entgegen, weshalb darauf nicht näher einzugehen sei. Ein Vergleich mit anderen Jagdpachtwerten habe ergeben, dass in keinem der gegenständlichen Verfahren ein auffallendes Missverhältnis des Pachtschillings zum Wert des jeweiligen Genossenschaftsjagdgebietes vorliege.

5        Diesbezüglich stützte sich das Verwaltungsgerichtsgericht maßgeblich auf das in der mündlichen Verhandlung erstattete und vom Verwaltungsgericht als schlüssig und nachvollziehbar erachtete Gutachten des jagdfachlichen Amtssachverständigen. Darin wurden in einer Tabelle die Streckenergebnisse sowie der jeweilige Jagdpachtschilling der verfahrensgegenständlichen und der umliegenden Genossenschaftsjagdgebiete verglichen. Die Eigenjagdgebiete des Revisionswerbers wurden ebenfalls angeführt.

6        Betreffend die herangezogene Vergleichswertmethode führte der Amtssachverständige zudem aus:

„Diese Methode des Vergleichswertverfahrens ermittelt den Wert der Jagd anhand ausreichend ähnlich gelagerter Jagdgebiete in der näheren Umgebung des Bewertungsobjektes. Um die Streuung der Einzelwerte abzufedern, kann man einerseits Extremwerte (höchster und niedrigster Wert) außer Acht lassen, oder man überprüft, ob der ggf. ‚vermutet zu günstige‘ Pachtschilling innerhalb einer 20-prozentigen Toleranzgrenze des ermittelten Mittelwertes nach unten zu liegen kommt. Liegt der Pachtschilling mehr als 20 % unter diesem Mittelwert, kann jedenfalls auf ein auffallendes Missverhältnis des untersuchten Pachtschillings zum regionalen Wert eines Genossenschaftsjagdgebietes geschlossen werden.

Der Wert eines Genossenschaftsjagdgebietes hat vor allem in ländlichen Gebieten zusätzlich zum monetären Wert auch immer eine lokale Dimension, die nicht zuletzt von der sozialen Struktur der regionalen Bevölkerung geprägt ist.

Basierend auf den ermittelten Werten der Tabelle können folgende Aussagen hinsichtlich der Vergleichswerte getroffen werden: Wie bereits der [Amtssachverständige] der [Bezirksverwaltungsbehörde] ermittelte, liegt der Mittelwert der Pachtschillinge bei Streichung der beiden Extremwerte (...) bei € 3,98 je Hektar und Jahr. Bezieht man diese beiden Extremwerte doch in die Errechnung des Mittelwertes mit ein, ergibt sich ein Mittelwert von € 3,33 je Hektar und Jahr. Vermindert um 20% liegt demnach die untere Toleranzschwelle bei € 2,66 je Hektar und Jahr.

Die Jagdpachtschillinge der ggs. Genossenschaftsjagdgebiete liegen allesamt über dem Durchschnittswert der 13 untersuchten Jagdpachtwerte (GJ O mit € 3,36, GJ S mit € 4,48 und GJ G mit € 4,90 je Hektar und Jahr).

Aus jagdfachlicher Sicht stehen daher die Jagdpachtschillinge aller drei ggs. Genossenschaftsjagden in keinem Missverhältnis zum Wert der Jagdgebiete.“

7        In der rechtlichen Beurteilung erwog das Verwaltungsgericht, das vom Amtssachverständigen herangezogene Vergleichswertverfahren stelle ein taugliches Verfahren dar, um ein etwaig vorliegendes Missverhältnis zu bescheinigen. Seitens des Verwaltungsgerichtes bestünden keinerlei Zweifel an den vom Sachverständigen ermittelten Werten, die Verwendung des Vergleichswertverfahrens sei zudem ausführlich und nachvollziehbar gerechtfertigt worden.

8        Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerden gemäß Art. 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 12. Juni 2019, E 1940-1942/2019-5, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat.

9        In der Folge brachte der Revisionswerber die gegenständlichen - im Wesentlichen wortidenten - außerordentlichen Revisionen ein, in denen zur Zulässigkeit zusammengefasst vorgebracht wird, es stelle sich die Rechtsfrage, ob die Angemessenheit des Jagdpachtschillings nach dem objektiven Verkehrswert oder auf Basis der Vergleichswertmethode zu bewerten sei. Außerdem komme der Frage, ob ein Mitglied der Jagdgenossenschaft legitimiert sei, Einwendungen betreffend das Interesse der Land- und Forstwirtschaft gegen die Verlängerung eines bestehenden Jagdpachtverhältnisses zu erheben, grundsätzliche Bedeutung zu.

10       Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof erstatteten die mitbeteiligten Parteien jeweils eine Revisionsbeantwortung, in der sie beantragten, die Revision kostenpflichtig abzuweisen.

11       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

13       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14       Gemäß § 39 Abs. 5 NÖ JG hat die Bezirksverwaltungsbehörde binnen acht Wochen ab Einlangen der Anzeige des Beschlusses über die im Wege der freien Vereinbarung vorgenommene Verpachtung diesem die Genehmigung zu versagen, wenn die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 bis 3 NÖ JG nicht vorliegen, die Bestimmungen der §§ 22, 25 Abs. 2, 26, 27 und 29 Z 1 NÖ JG nicht eingehalten wurden oder der Beschluss sonstigen Bestimmungen dieses Gesetzes oder einer aufgrund dessen erlassenen Verordnung widerspricht.

15       Mitgliedern der Jagdgenossenschaft kommt gemäß § 39 Abs. 7 NÖ JG das Recht zu, einen begründeten Antrag auf Überprüfung der Höhe des Pachtschillings zu stellen. Die Bezirksverwaltungsbehörde hat den Beschluss des Jagdausschusses über die Verpachtung aufzuheben, wenn die Höhe des Pachtschillings in einem auffallenden Missverhältnis zum Wert des Genossenschaftsjagdgebietes steht.

16       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus § 39 Abs. 7 NÖ JG, dass einem Mitglied der Jagdgenossenschaft kein über die Überprüfung der Höhe des Pachtschillings hinausgehendes subjektives Recht bezüglich der Überprüfung des Beschlusses des Jagdausschusses zukommt (vgl. VwGH 23.8.2013, 2011/03/0176; 14.12.2020, Ra 2020/03/0103, mwN). Die Einwendungen des Revisionswerbers, die verfahrensgegenständlichen Beschlüsse des jeweiligen Jagdausschusses über die Verlängerung der Pachtverhältnisse würden dem Interesse der Land- und Forstwirtschaft sowie der Jagdwirtschaft widersprechen, wurden daher zu Recht als unzulässig zurückgewiesen.

17       Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem bereits klargestellt, dass die Ermittlung des Werts eines Genossenschaftsjagdgebietes eine Tatsachenfrage darstellt und gegen die Beiziehung eines Sachverständigen, der den Wert unter Berücksichtigung umliegender, vergleichbarer Genossenschaftsjagdgebiete ermittelt, aus rechtlicher Sicht keine Bedenken bestehen (vgl. VwGH 24.9.2019, Ra 2019/03/0072, mwN). Dem hat das Verwaltungsgerichts entsprochen, indem es - wie bereits die belangte Behörde - einen jagdfachlichen Amtssachverständigen beizog, der in seinem Gutachten darlegte, dass die verfahrensgegenständlichen Jagdpachtschillinge jeweils über dem Durchschnittswert der umliegenden, vergleichbaren Genossenschaftsjagdgebiete lägen.

18       Bezugnehmend auf das Vorbringen des Revisionswerbers in der Beschwerde erörterte der Sachverständige (im Einklang mit den Leitlinien der Judikatur, vgl. idZ VwGH 26.4.2016, Ro 2015/03/0024, insb. Rn. 12) außerdem, dass Eigenjagdgebiete in derartige Vergleichswertverfahren grundsätzlich nicht einzubeziehen seien, weil die Voraussetzungen in Eigenjagdgebieten und Genossenschaftsjagden völlig unterschiedlich seien, Erlöse aus unverpachteten Eigenjagdgebieten der Jagdbehörde nicht bekannt seien und die jagdlichen Ziele des Pächters einer Genossenschaftsjagd häufig vom Willen sehr vieler Grundeigentümer abhängig seien. Dass ausgehend davon die vom Amtssachverständigen vorgenommene Befund- und Gutachtenserstellung auf der Grundlage der Heranziehung vergleichbarer, umliegender Genossenschaftsjagdgebiete nicht geeignet gewesen wäre, den Feststellungen des Verwaltungsgerichts zugrunde gelegt zu werden, legt daher der Revisionswerber mit seinem Vorbringen, ein solcher Vergleich sei unstatthaft und rechtlich verfehlt, nicht dar.

19       In den Revisionen werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher zurückzuweisen.

20       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 12. November 2021

Schlagworte

Jagdrecht und Jagdrechtsausübung Genossenschaftsjagd Gemeindejagd Gemeinschaftsjagd Verwaltung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019030095.L00

Im RIS seit

13.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.12.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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