TE Vwgh Erkenntnis 2021/11/16 Ro 2021/03/0024

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Veröffentlicht am 16.11.2021
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren
93 Eisenbahn

Norm

AVG §59 Abs1
EisbKrV 2012 §102 Abs3
EisenbahnG 1957 §48 Abs2
EisenbahnG 1957 §48 Abs3
EisenbahnG 1957 §48 Abs4
EisenbahnG 1957 §49

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Ö AG in W, vertreten durch Walch/Zehetbauer/Motter Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Biberstraße 11, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 14. Juli 2021, Zl. LVwG-AV-167/004-2020, betreffend Kosten für die Sicherung einer Eisenbahnkreuzung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptfrau von Niederösterreich; mitbeteiligte Partei: Land Niederösterreich, vertreten durch Dr. Andrew P. Scheichl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wipplingerstraße 20/8-9), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Die revisionswerbende Partei ist ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen und Eigentümerin bzw. Betreiberin der Schieneninfrastruktur der Eisenbahnstrecke Wien Hauptbahnhof-Südosttangente - Laa an der Thaya. Diese Eisenbahnstrecke wird in Bahn-Km 82,306 von einer Landesstraße des Landes Niederösterreich gekreuzt.

2        Für diese Eisenbahnkreuzung bestand bereits eine Sicherungsanlage nach der Eisenbahn-Kreuzungsverordnung 1961 (Vollschrankenanlage mit Lichtzeichen und Läutewerk, wobei die Schrankenbäume versetzt schlossen; die Einschaltung erfolgte in Richtung Laa an der Thaya fahrtbewirkt, in die andere Richtung manuell durch den Fahrdienstleiter im Bahnhof Laa an der Thaya), ehe mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 22. März 2016 eine neue Sicherungsanordnung getroffen wurde.

3        Der Spruch dieses Bescheides lautete wie folgt:

„I. Die Eisenbahnkreuzung im km 82,306 der ÖBB-Strecke Wien Hbf-Südosttangente - Laa a. d. Thaya ... mit der Landesstraße L 23 ist gemäß § 4 Abs. 1 Z. 4 der Eisenbahnkreuzungsverordnung 2012 durch Lichtzeichen mit Schranken zu sichern, wobei die Sicherungsanlage als Lichtzeichen mit Vollschranken mit gleichzeitigem Schließen der Schrankenbäume auszuführen ist.

Rechtsgrundlagen: § 49 Abs. 2 des Eisenbahngesetzes 1957 - EisbG; § 38 Eisenbahnkreuzungsverordnung 2012 - EisbKrV;§ 4 EisbKrV

II. Die unter I. festgelegte Sicherung ist bis spätestens 31. Mai 2018 auszuführen.

Rechtsgrundlage: § 102 Abs. 1 EisKrV“

4        In weiterer Folge brachte die nunmehrige revisionswerbende Partei einen Antrag auf Regelung der Kostentragung zwischen ihr und dem Land Niederösterreich als Träger der Straßenbaulast ein.

5        Diesen Antrag wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (VwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis im Beschwerdeverfahren - in Bestätigung der darüber ergangenen Entscheidung der Landeshauptfrau von Niederösterreich - ab und erklärte die Revision für zulässig.

6        Begründend führte es im Wesentlichen aus, schon vor dem Sicherungsbescheid vom 22. März 2016 habe an der gegenständlichen Kreuzung eine Schrankenanlage bestanden, deren technische Nutzungsdauer noch nicht abgelaufen gewesen sei. Mit dem Bescheid vom 22. März 2016 sei eine Sicherungsart nach der EisbKrV festgelegt und für ihre Herstellung eine Leistungsfrist vorgeschreiben worden, weil sie noch nicht den Bestimmungen der EisbKrV entsprechend angesehen worden sei. Für eine Anwendung des § 102 Abs. 3 EisbKrV liefere der Bescheid keinen Anhaltspunkt.

7        Es sei zu prüfen, ob durch den neuen Sicherungsbescheid Änderungen erforderlich geworden seien, die zur Zulässigkeit einer Kostenentscheidung führten. Dies sei zu verneinen: Es sei lediglich ein bestehendes Läutewerk beseitigt worden, wofür die revisionswerbende Partei kostenmäßig einstehen müsse. Die Einschaltstelle sei geringfügig verlegt worden. Dabei handle es sich um eine Anpassung, die im Anwendungsbereich des § 102 Abs. 3 EisbKrV (also bei gänzlich fahrtbewirkter Einschaltung) die Anordnung der Beibehaltung der bestehenden Sicherungsanlage (bei Vornahme dieser Anpassung) rechtfertigen würde. Es wäre aus Sicht des Verwaltungsgerichts mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbar und daher verfassungsrechtlich problematisch, wenn (alleine) eine solche Änderung im Fall einer nur in einer Fahrtrichtung fahrtbewirkt eingeschalteten Anlage zur Zulässigkeit einer neuen Kostenentscheidung führen würde, während dies bei einer gänzlich fahrtbewirkt eingeschalteten Anlage wegen Anwendbarkeit des § 102 Abs. 3 EisbKrV nicht der Fall wäre und vergleichbare Änderungen in beiden Fahrtrichtungen keine neue Kostenentscheidung zur Folge hätten. Somit gebiete es eine verfassungskonforme Interpretation des § 49 Abs. 2 iVm § 48 Abs. 2 und 3 EisbG, dass im Fall nur teilweise fahrtbewirkt eingeschalteter Lichtzeichen- und Schrankenanlagen das bloße Erfordernis solcher Änderungen für die Zulässigkeit einer neuen Kostenentscheidung nicht ausreiche, also einem Ausspruch nach § 102 Abs. 3 EisbKrV gleichstehe.

Für die Zulässigkeit einer Kostenentscheidung könnte fallbezogen ins Treffen geführt werden, dass es sich dabei nicht um eine in § 102 Abs. 3 EisbKrV genannte Anpassung handle. Das Verwaltungsgericht vertrete jedoch die Ansicht, dass die bloße Vorschreibung einer Änderung der Art des Schrankenschließens bei im Übrigen ausgesprochener Zulässigkeit der Beibehaltung der bisherigen Sicherung bzw. der Vorschreibung bloß geringfügiger Änderungen - wie oben erörtert - die Zulässigkeit einer Kostenentscheidung nicht zu bewirken vermöge. Dass § 4 Abs. 2 EisbKrV einen Ausspruch über die Art des Schrankenschließens verlange, bedeute für sich allein keine Änderung der bisherigen Sicherungsart „Schrankenanlage“ nach § 2 Abs. 2 lit. c EKVO 1961, sodass davon ausgegangen werden könne, dass dieser Ausspruch allein der Anordnung einer Beibehaltung nach § 102 Abs. 1 letzter Satz bzw. § 102 Abs. 3 EisbKrV nicht entgegenstehe, auch wenn er zu einer Änderung der bisher bestehenden Art des Schrankenschließens führe. Außerdem seien fallbezogen lediglich elektronische bzw. elektrotechnische (also keine äußeren baulichen) Anpassungen der bestehenden Anlage erforderlich geworden, die somit in ihren wesentlichen Elementen (Schranken samt Antrieb und Lichtzeichen) unverändert habe bestehen bleiben können.

8        Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Zulässigkeit und in der Sache zusammengefasst geltend macht, im gegenständlichen Fall sei eine neue Sicherungsart angeordnet worden, die auch eine (neue) Kostenregelung rechtfertige. Es sei im Sicherungsbescheid keine Anpassung der bestehenden Sicherungsanlage gemäß § 102 Abs. 3 EisbKrV gestattet worden, was in der genannten Regelung für (sei es auch nur in eine Richtung) mechanisch eingeschaltete Sicherungsanlagen (wozu die gegenständliche zähle) auch nicht vorgesehen sei.

9        Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragt.

10       Die Landeshauptfrau von Niederösterreich als belangte Behörde im Verfahren vor dem VwG erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11       Die Revision ist zulässig und begründet.

12       Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner jüngeren Rechtsprechung wiederholt ausgeführt, dass im Falle einer (neuen) Entscheidung über die Ausgestaltung der Art und Weise der Sicherung und damit deren inhaltlich gestaltende Festlegung im Einzelfall (die nicht bloß die Beibehaltung der bestehenden Anlage erlaubt) eine neue Kostenentscheidung nach § 48 Abs. 2 bis 4 EisbG getroffen werden kann. Dass dabei letztlich eine Sicherungsart festgelegt wird, die mit der früheren vergleichbar ist, spielt keine Rolle.

13       Erfolgt die neue Sicherungsentscheidung zu einem Zeitpunkt, zu dem die technische Lebensdauer der bisherigen Anlage - wie unstrittig auch im vorliegenden Fall - noch nicht abgelaufen war, wäre eine Beibehaltung der bisherigen Sicherungsart gemäß § 102 Abs. 3 EisbKrV - unter den dort genannten Voraussetzungen - zwar möglich und es bestünde für die Parteien des Sicherungsverfahrens auch ein Rechtsanspruch auf Anwendung dieser Norm. Lässt sich dem Spruch der (rechtskräftigen) Sicherungsentscheidung aber nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit entnehmen, dass eine Beibehaltung der Sicherung im Sinne des § 102 Abs. 3 EisbKrV festgelegt wurde, ist von einer neuen Sicherungsentscheidung auszugehen, die es auch ermöglicht, die Kostentragung nach § 48 Abs. 2 bis 4 EisbG neu zu regeln (VwGH 23.6.2021, Ra 2021/03/0033, 30.6.2021, Ra 2021/03/0011 und Ra 2021/03/0013; 1.9.2021, Ra 2021/03/0112).

14       Im gegenständlichen Fall wurde mit dem (rechtskräftigen) Sicherungsbescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 22. März 2016 eine neue Sicherungsentscheidung getroffen, die weder eine (unveränderte) Beibehaltung der bisherigen Sicherungsanlagen erlaubte noch eine Beibehaltung (mit Anpassungen) gemäß § 102 Abs. 3 EisbKrV - unter den dort genannten Voraussetzungen - anordnete. Davon geht auch das Verwaltungsgericht nicht aus.

15       Auf dieser Grundlage durfte nach der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung eine (neue) Kostenregelung angestrebt werden. Wenn das Verwaltungsgericht eine solche mit der Begründung ablehnte, fallbezogen seien nur geringfügige Änderungen notwendig geworden, kommt es darauf für die Zulässigkeit der (neuen) Kostenregelung nach der angeführten Judikatur nicht an.

16       Auch die verfassungsrechtlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts vermögen nicht zu überzeugen: Das Verwaltungsgericht erachtet es aus gleichheitsrechtlichen Überlegungen für geboten, eine Kostenregelung so wie in den Fällen des § 102 Abs. 3 EisbKrV (der den vorliegenden Fall allerdings nicht umfasse) nicht zuzulassen. Dabei äußert das Verwaltungsgericht sein Unverständnis darüber, warum die gegenständliche Anlage nicht mit jenen des § 102 Abs. 3 EisbKrV gleichgesetzt werden sollte. Im Ergebnis geht das Verwaltungsgericht damit von einer unsachlichen Differenzierung unterschiedlicher bestehender Sicherungsanlagen in § 102 Abs. 3 EisbKrV aus. Mit der Frage, welche (sachlichen) Gründe den Verordnungsgeber dazu veranlasst haben, nur für bestimmte bestehende Sicherungsanlagen die Möglichkeit vorzusehen, sie (mit allfälligen Anpassungen) gemäß § 102 Abs. 3 EisbKrV beibehalten zu dürfen, beschäftigt sich das Verwaltungsgericht allerdings nicht. Schon deshalb erweisen sich seine gleichheitsrechtlichen Überlegungen zumindest als unvollständig und nicht nachvollziehbar.

17       Unabhängig davon wären allfällige Bedenken gegen die Sachlichkeit des § 102 Abs. 3 EisbKrV aber im Sicherungsverfahren anzusprechen gewesen, wenn eine sachliche Rechtfertigung für die getroffene Übergangsregelung der EisbKrV nicht zu finden ist und auch der gegenständliche Fall eine Beibehaltung der bestehenden Sicherung (mit allfälligen Anpassungen) im Sinne des § 102 Abs. 3 EisbKrV hätte rechtfertigen müssen.

18       Liegt jedoch - wie im vorliegenden Fall - bereits eine rechtskräftige Sicherungsentscheidung vor, die eine Beibehaltung der bestehenden Sicherung, sei es auch nur für eine Übergangszeit, unstrittig nicht gestattet, ist auch eine (neue) Kostenregelung zulässig. Eine Korrektur der vorangegangenen rechtskräftigen Sicherungsentscheidung unter Heranziehung von gleichheitsrechtlichen Bedenken gegen die Grundlagen der Sicherungsentscheidung kommt hingegen in diesem Verfahrensstadium nicht mehr in Betracht.

19       Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

20       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 16. November 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RO2021030024.J00

Im RIS seit

13.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.12.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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