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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AVG §52Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des J S in G, vertreten durch Mag. Helge Schreyer, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Schönaugasse 54b, gegen das am 9. Dezember 2020 mündlich verkündete und am 11. Februar 2021 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark, Zl. LVwG 70.3-1203/2020-29, betreffend Waffenverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird in seinem Spruchpunkt A. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in seinem Spruchpunkt B. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark (belangte Behörde) vom 26. September 2014 wurde dem Revisionswerber der Besitz von Waffen und Munition gemäß § 12 Abs. 1 Waffengesetz 1996 (WaffG) verboten. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
2 Mit Schreiben vom 2. November 2019 stellte der Revisionswerber einen Antrag auf Aufhebung des Waffenverbotes, weil die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung des Verbotes nicht mehr vorlägen.
3 Mit Bescheid vom 12. Mai 2020 wies die belangte Behörde den Antrag des Revisionswerbers auf Aufhebung des Waffenverbotes ab. Darin gab diese unter anderem die eingeholte Stellungnahme der Polizeiärztin der LPD Steiermark vom 24. März 2020 wieder. Demnach bestehe beim Revisionswerber eine wiederkehrende depressive Störung, gegenwärtig symptomarm. Allerdings seien die weitere Einnahme eines Antidepressivums, regelmäßige Psychotherapie und weitere Konsultationen beim Psychiater zur Aufrechterhaltung des derzeit mild ausgeprägten depressiven Zustandsbildes angezeigt.
4 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Steiermark.
5 Dieses beauftragte die nichtamtliche klinisch-psychologische Sachverständige Mag. S. mit der Erstellung eines waffenpsychologischen Gutachtens zu der Frage, ob der Revisionswerber insbesondere unter psychischer Belastung dazu neige, unvorsichtig mit Waffen umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden. In diesem Gutachten kam die Sachverständige zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass der Revisionswerber in seinem bisherigen Verhalten im Zuge seiner psychischen Erkrankung nachweislich einen unvorsichtigen und leichtfertigen Umgang mit Waffen an den Tag gelegt habe. Da die Depression nach wie vor bestehe, wenn auch derzeit unter Medikamenteneinnahme symptomarm, könne auch künftig ein leichtfertiger und unvorsichtiger Umgang mit Waffen nicht ausgeschlossen werden. Das Vorliegen einer psychischen Störung stehe daher einem verantwortungsbewussten Umgang mit einer Schusswaffe grundsätzlich entgegen. So sei nach § 8 WaffG ein Mensch keinesfalls als „waffenverlässlich“ einzuschätzen, wenn er als psychisch krank gelte, wie dies beim Revisionswerber nachweislich der Fall sei. Die Bedenken bezüglich der „Waffenverlässlichkeit“ hätten nicht ausgeräumt werden können. Aufgrund der Befunde könne aus klinisch-psychologischer Sicht nicht ausgeschlossen werden, dass der Revisionswerber unter psychischer Belastung dazu neige, unvorsichtig mit Waffen umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden. Er sei demnach zum Waffenbesitz nicht geeignet.
6 Mit dem nach Durchführung der mündlichen Verhandlung verkündeten, aufgrund eines rechtzeitig gestellten Antrags des Revisionswerbers schriftlich ausgefertigten Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht (unter Spruchpunkt A.) die gegen den Bescheid der belangten Behörde erhobene Beschwerde als unbegründet ab und sprach (unter Spruchpunkt B.) aus, dass der Revisionswerber die Kosten der beigezogenen Sachverständigen zu bezahlen habe, wobei der genaue Betrag noch in einem gesonderten Beschluss festgesetzt werde. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde (unter Spruchpunkt C.) für unzulässig erklärt.
7 Das Verwaltungsgericht legte dem Erkenntnis das eingeholte waffenpsychologische Gutachten der nichtamtlichen Sachverständigen Mag. S. zugrunde. Eine gerichtlich beeidete Sachverständige für klinische Psychologie sei deshalb beigezogen worden, weil beim Revisionswerber Mängel bzw. Gefährdungsmomente vermutet worden seien, die im psychischen Bereich lägen und hier eine Amtssachverständige nicht zu Verfügung gestanden sei. Zum eingeholten waffenpsychologischen Gutachten der Sachverständigen Mag. S. führte das Verwaltungsgericht aus, dass damit ausreichend begründet habe werden können, dass beim Revisionswerber eine psychische Erkrankung in der Form einer rezidivierenden Depression vorliege. Auf die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens sei im Hinblick auf das negative psychologische Gutachten aus Kostengründen verzichtet worden.
8 Unter der Überschrift „rechtliche Beurteilung“ führte das Verwaltungsgericht aus, dass die Beurteilung, ob ein Mensch aufgrund einer psychischen Erkrankung keinesfalls verlässlich im Sinne des § 8 Abs. 2 Z 2 WaffG sei, jedenfalls ein Sachverständigengutachten voraussetze. Aus dem waffenpsychologischen Gutachten gehe hervor, dass die „Waffenverlässlichkeit“ beim Revisionswerber nicht gegeben sei, weil er unter psychischer Belastung dazu neige, mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden und er daher zum Waffenbesitz nicht geeignet sei. Gegen Ende der Verhandlung habe der Revisionswerber geäußert, dass ein Magister der Psychologie nicht dieselbe fachliche Ebene aufweise. Darüber hinaus habe er eine Befangenheit der Sachverständigen behauptet und eine Anzeige gegen seine Mutter wegen Bedrohung eingebracht. Für das Gericht stehe jedenfalls fest, dass beim Revisionswerber zum jetzigen Zeitpunkt keine Verlässlichkeit zum Besitz von Waffen und Munition bestehe, weil er bei psychischer Belastung dazu neige, Waffen missbräuchlich zu verwenden und daher Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte. Dem Antrag auf Aufhebung des Waffenverbotes habe daher keine Folge gegeben werden können.
9 Die Kosten des beigezogenen Sachverständigen habe der Revisionswerber, der den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt habe, zu tragen. Die Höhe der Kosten werde in einem gesonderten Beschluss vorgeschrieben.
10 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht im Wesentlichen mit dem Hinweis auf die gesetzlichen Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG, die fallbezogen nicht vorlägen.
11 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Zulässigkeit unter anderem vorbringt, das Verwaltungsgericht habe entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Gefahr im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG mit dem Fehlen der waffenrechtlichen Verlässlichkeit im Sinne des § 8 WaffG begründet sowie fälschlicherweise dem Revisionswerber die Kosten für die nichtamtliche Sachverständige auferlegt, obwohl eine amtliche Sachverständige zur Verfügung gestanden wäre.
12 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
13 Die Revision erweist sich im Sinne ihrer Zulässigkeitsbegründung als zulässig; sie ist auch begründet.
Zu Spruchpunkt A.:
14 § 12 WaffG, BGBl. I Nr. 12/1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 161/2013, lautet:
„Waffenverbot
§ 12. (1) Die Behörde hat einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dieser Mensch durch mißbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.
(2) Die im Besitz des Menschen, gegen den ein Waffenverbot erlassen wurde, befindlichen
1. Waffen und Munition sowie
2. Urkunden (ausgenommen Jagdkarten), die nach diesem Bundesgesetz zum Erwerb, Besitz, Führen oder zur Einfuhr von Waffen oder Munition berechtigen, sind unverzüglich sicherzustellen. Für die damit betrauten Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gilt § 50 des Sicherheitspolizeigesetzes - SPG, BGB. Nr. 566/1991.
[...]
(7) Ein Waffenverbot ist von der Behörde, die dieses Verbot erlassen hat, auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe für seine Erlassung weggefallen sind.
[...]“
15 § 12 Abs. 7 WaffG verpflichtet die Behörde bei Vorliegen eines entsprechenden Antrages, unter Berücksichtigung der für die Erlassung des Waffenverbotes maßgebenden Gründe, des Verhaltens des Antragstellers seit seiner Anlasstat und der Länge des zwischenzeitig verstrichenen Zeitraums zu prüfen, ob die qualifizierte Gefährdungsprognose gemäß § 12 Abs. 1 WaffG im Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch aufrecht ist (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/03/0031, mwN).
16 Für die Aufhebung eines Waffenverbotes ist entscheidend, ob der von der belangten Behörde angenommene Sachverhalt „bestimmte Tatsachen“ im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG begründet, ob also die Annahme gerechtfertigt ist, der Revisionswerber könnte durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden. Das Fehlen der erforderlichen Verlässlichkeit im Sinne des § 8 WaffG begründet noch nicht zwangsläufig eine Gefahr im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG. Bei der Beurteilung des Weiterbestehens der Gefährdungsprognose hat die Behörde vor allem das Verhalten des Antragstellers seit seiner Anlasstat zu berücksichtigen und allfällige in diesem Zeitraum liegende, für die weiter andauernde Aktualität der Prognose relevante Umstände festzustellen (vgl. VwGH 12.5.2021, Ra 2021/03/0010, mwN).
17 Das Verwaltungsgericht stützte seine rechtlichen Ausführungen maßgeblich auf das von ihm eingeholte Gutachten der nichtamtlichen Sachverständigen und legte dazu näher dar, dass die „Waffenverlässlichkeit“ beim Revisionswerber nicht gegeben sei, weil er unter psychischer Belastung dazu neige, mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden und er daher zum Waffenbesitz nicht geeignet sei. Die Bedenken bezüglich der „Waffenverlässlichkeit“ hätten nicht ausgeräumt werden können.
18 Wie die Revision zutreffend vorbringt, verkennt das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang, dass ein Gutachten, das dem Betroffenen bloß das Fehlen der waffenrechtlichen Verlässlichkeit bescheinigt, allein keine Grundlage für die Verhängung eines Waffenverbotes sein kann und insofern auch nicht die Aufrechterhaltung eines Waffenverbotes rechtfertigen kann (vgl. in diesem Sinn VwGH 28.11.2013, 2013/03/0084, mwN). Die einzige Beziehung zwischen den Bestimmungen des § 12 Abs. 1 WaffG und des § 8 WaffG besteht darin, dass bei jemandem, bei dem keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, er werde Waffen missbräuchlich verwenden (vgl. § 8 Abs. 1 Z 1 erster Fall WaffG), die Verhängung eines Waffenverbotes nicht in Frage kommt, setzt diese doch (u.a.) gerade die - durch Tatsachen gerechtfertigte - Annahme der Gefahr missbräuchlicher Verwendung von Waffen voraus (vgl. VwGH 30.11.2000, 98/20/0425, mwN).
19 Indem das Verwaltungsgericht die Abweisung der Beschwerde tragend auf die fehlende waffenrechtliche Verlässlichkeit des Revisionswerbers stützte, hat es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
20 Im Übrigen ist dem Revisionsvorbringen, wonach als Grundlage für die vom Verwaltungsgericht vorzunehmende Gefährdungsprognose nach § 12 Abs. 1 WaffG das Gutachten einer klinisch-psychologischen Sachverständigen nicht geeignet sei, sondern das Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen einzuholen gewesen wäre, der in § 22 Psychologengesetz umschriebene Tätigkeitsbereich der Klinischen Psychologinnen und Klinischen Psychologen entgegenzuhalten, der unter anderem die Erstellung von klinisch-psychologischen Befunden und Gutachten hinsichtlich der Leistungsfähigkeit, Persönlichkeitsmerkmale oder Verhaltensformen in Bezug auf psychische Störungen sowie in Bezug auf Krankheitsbilder, die das menschliches Erleben und Verhalten beeinflussen sowie in Bezug auf Krankheitsbilder, die durch menschliches Erleben und Verhalten beeinflusst werden, umfasst (vgl. in diesem Sinn wiederum VwGH 30.4.2021, Ra 2021/03/0036). Es ist daher grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gutachten einer klinischen Psychologin der Beurteilung des Vorliegens der in § 12 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 7 WaffG umschriebenen Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung eines Waffenverbots zugrunde gelegt werden kann, soweit dafür - wie im vorliegenden Fall - psychische Störungen bzw. Krankheitsbilder, die das menschliches Erleben und Verhalten beeinflussen, zu beurteilen sind.
Zu Spruchpunkt B.:
21 Die - auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht gemäß § 17 VwGVG maßgeblichen - Bestimmungen des AVG, BGBl. Nr. 51/1991, in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2018, lauten (auszugsweise):
„Sachverständige
§ 52. (1) Wird die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig, so sind die der Behörde beigegebenen oder zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständige) beizuziehen.
(2) Wenn Amtssachverständige nicht zur Verfügung stehen oder es mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles geboten ist, kann die Behörde aber ausnahmsweise andere geeignete Personen als Sachverständige (nichtamtliche Sachverständige) heranziehen.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, so kann die Behörde dennoch nichtamtliche Sachverständige heranziehen, wenn davon eine wesentliche Beschleunigung des Verfahrens zu erwarten ist. Die Heranziehung ist jedoch nur zulässig, wenn sie von demjenigen, über dessen Ansuchen das Verfahren eingeleitet wurde, angeregt wird und die daraus entstehenden Kosten einen von dieser Partei bestimmten Betrag voraussichtlich nicht überschreiten.
[...]
§ 76. (1) Erwachsen der Behörde bei einer Amtshandlung Barauslagen, so hat dafür, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese Auslagen von Amts wegen zu tragen sind, die Partei aufzukommen, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat. Als Barauslagen gelten auch die Gebühren, die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehen. Kosten, die der Behörde aus ihrer Verpflichtung nach § 17a erwachsen, sowie die einem Gehörlosendolmetscher zustehenden Gebühren gelten nicht als Barauslagen. Im Falle des § 52 Abs. 3 hat die Partei für die Gebühren, die den nichtamtlichen Sachverständigen zustehen, nur soweit aufzukommen, als sie den von ihr bestimmten Betrag nicht überschreiten.
[...]
(5) Die Kosten, die der Behörde aus ihrer Verpflichtung nach § 17a erwachsen, sowie die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehenden Gebühren sind - falls hiefür nicht die Beteiligten des Verfahrens aufzukommen haben - von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen die Behörde in der Angelegenheit gehandelt hat.“
22 Gemäß § 52 Abs. 2 AVG kann die Behörde (hier: das Verwaltungsgericht) ausnahmsweise andere geeignete Personen als Sachverständige heranziehen, wenn Amtssachverständige nicht zur Verfügung stehen oder es mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles geboten ist. In jedem Fall ist die Heranziehung eines nichtamtlichen Sachverständigen entsprechend zu begründen (VwGH 25.9.2019, Ra 2018/05/0059-0060, mwN).
23 Die Bestellung eines nichtamtlichen Sachverständigen hat gegenüber den Verfahrensparteien nur den Charakter einer nicht selbständig anfechtbaren Verfahrensanordnung (vgl. VwGH 18.12.2012, 2012/07/0210, mwN). Gemäß § 25a Abs. 3 VwGG ist gegen verfahrensleitende Beschlüsse eines Verwaltungsgerichts eine abgesonderte Revision nicht zulässig. Diese können erst in der Revision gegen die die Rechtssache erledigende Entscheidung angefochten werden (vgl. wiederum VwGH 25.9.2019, Ra 2018/05/0059-0060, mwN).
24 Die in der Bestellung eines nichtamtlichen Sachverständigen gelegene Rechtswidrigkeit kann zur inhaltlichen Rechtswidrigkeit einer Entscheidung über die Tragung der Kosten dieses Sachverständigen führen. Die Überwälzung von Kosten eines nichtamtlichen Sachverständigen auf eine Partei gemäß § 76 AVG ist nämlich nur dann zulässig, wenn der Beweis durch Sachverständige im Sinne des § 52 Abs. 1 AVG notwendig war und die in § 52 Abs. 2 oder 3 AVG normierten Bedingungen erfüllt sind. Die Kostentragung durch eine Partei setzt auch voraus, dass entweder kein geeigneter Amtssachverständiger zur Verfügung stand oder die Heranziehung des nichtamtlichen Sachverständigen auf Grund der Besonderheit des Falles geboten war oder der Antragsteller dieses Vorgehen unter Angabe eines bestimmten Betrages, der voraussichtlich nicht überschritten wird, angeregt hat und dadurch eine wesentliche Verfahrensbeschleunigung zu erwarten war (vgl. VwGH 9.7.2020, Ra 2018/11/0082, mwN).
25 Der Revisionswerber wendet sich (auch) gegen die unter Spruchpunkt B. ausgesprochene Verpflichtung zur Tragung der Sachverständigengebühren der nichtamtlichen Sachverständigen Mag. S. Dem Verwaltungsgericht sei mit der von der belangten Behörde herangezogenen Polizeiärztin eine Amtssachverständige auch tatsächlich zur Verfügung gestanden.
26 Als Begründung für die Bestellung der Sachverständigen führte das Verwaltungsgericht lediglich an, dass eine Amtssachverständige nicht zur Verfügung gestanden sei.
27 Zu der Frage, ob ein Amtssachverständiger einer Behörde im Sinne von § 52 Abs. 2 AVG zur Verfügung steht, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass „zur Verfügung stehend“ im Gegensatz zu „beigegeben“ jedenfalls notwendig auf andere als die jeweils entscheidenden Behörden hinweist, ohne dass damit jede beliebige Behörde gemeint sein kann (vgl. VwGH 30.4.2020, Ra 2019/12/0082, mwN).
28 Der Kreis der Amtssachverständigen, die einem Verwaltungsgericht in einem von ihm geführten verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur Verfügung stehen, ist im Sinne des § 52 Abs. 1 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG konsequenterweise analog zu dem Kreis zu sehen, der der Verwaltungsbehörde, deren Bescheid bzw. deren Säumnis vor dem Verwaltungsgericht in Beschwerde gezogen wurde, grundsätzlich zur Verfügung steht (vgl. VwGH 22.6.2016, Ra 2016/03/0024, sowie wiederum VwGH 30.4.2020, Ra 2019/12/0082, mwN).
29 Vor diesem Hintergrund finden sich im angefochtenen Erkenntnis keine näheren Ausführungen dazu, wie das Verwaltungsgericht zu der Ansicht gelangte, dass die Bedingungen des § 52 Abs. 2 und/oder 3 AVG erfüllt seien. Die Begründung genügt somit jedenfalls nicht den Anforderungen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH 9.7.2020, Ra 2018/11/0082), weshalb sich das angefochtene Erkenntnis im Hinblick auf den Spruchpunkt B. als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet erweist.
30 Das angefochtene Erkenntnis war daher in seinem Spruchpunkt A. gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, und in seinem Spruchpunkt B. gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
31 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
32 Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil das Verwaltungsgericht, ein Tribunal im Sinne der EMRK bzw. ein Gericht im Sinne des Art. 47 GRC, eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat.
Wien, am 16. November 2021
Schlagworte
Amtssachverständiger der Behörde beigegeben Amtssachverständiger der Behörde zur Verfügung stehendEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021030038.L00Im RIS seit
13.12.2021Zuletzt aktualisiert am
20.12.2021