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32/02 Steuern vom Einkommen und ErtragNorm
EStG 1988 §16 Abs1 Z6Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamts Spittal Villach (nunmehr: Finanzamt Österreich - Dienststelle Spittal Villach) in 9500 Villach, Meister-Friedrich-Straße 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 27. April 2020, Zl. RV/4100629/2019, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 (mitbeteiligte Partei: M W in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Die mitbeteiligte Partei, die im Streitjahr in X wohnte, arbeitete von 8.00 bis 12.00 Uhr als Hauskrankenhilfe in Y (Dienstverhältnis zum Arbeitgeber I) und von 13.00 bis 17.00 Uhr in einem Buchhaltungsbüro in Z (Dienstverhältnis zum Arbeitgeber II). Aus den angeführten Dienstverhältnissen erzielte sie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Bei Erlassung des Einkommensteuerbescheides 2016 wurden das Einkommen der Mitbeteiligten wegen Nichtabgabe der Steuererklärung gemäß § 184 BAO - unter Berücksichtigung der von den Arbeitgebern erstellten Lohnzettel - geschätzt.
2 In einer gegen den Einkommensteuerbescheid gerichteten Beschwerde machte die mitbeteiligte Partei das Pendlerpauschale geltend.
3 Das Finanzamt wies die Beschwerde - nach Durchführung eines Vorhalteverfahrens - mit Beschwerdevorentscheidung ab und führte zur Begründung aus, ein Pendlerpauschale könne nicht gewährt werden, weil laut Pendlerrechner weder für die Wegstrecke von X nach Y, noch für die Wegstrecke von X nach Z ein Pendlerpauschale zustehe. Eine direkte Fahrt vom ersten zum zweiten Arbeitgeber entlang den Wegstrecken zwischen Wohnung und dem jeweiligen Arbeitsort, ohne am Wohnsitz in X Halt zu machen, entspreche nicht der Lebenserfahrung und wäre auch nicht durch das Pendlerpauschale abgeltbar, welches nur für die Wegstrecken zwischen Wohnung und Arbeitsort vorgesehen sei.
4 Die mitbeteiligte Partei beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und legte dem Vorlageantrag die Arbeitszeitbestätigungen ihrer Arbeitgeber bei.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde teilweise Folge. Es stellte fest, die mitbeteiligte Partei sei im Streitjahr von 8.00 bis 12.00 Uhr in X und von 13.00 bis 17.00 in Y tätig gewesen. Unter Benützung ihres PKW habe sie nach der Arbeit am Vormittag in X ihren Wohnort aufgesucht und sei von diesem anschließend zu ihrer Arbeitsstätte in Z gefahren. Es lägen demnach nicht Fahrten zwischen zwei Arbeitsstätten vor.
6 Den Abfragen des Pendlerrechners zufolge sei - gesondert betrachtet - die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel sowohl für die Fahrt vom Wohnort zur Arbeitsstätte in Y und retour als auch für die Fahrt vom Wohnort zur Arbeitsstätte in Z und retour zumutbar gewesen. Allerdings sei für das zeitgerechte Erreichen der Arbeitsstätte in Z - bei einem Arbeitsende in Y um 12.00 Uhr und einem Arbeitsbeginn in Z um 13.00 Uhr - kein öffentliches Verkehrsmittel zur Verfügung gestanden.
7 Strittig sei, ob der mitbeteiligten Partei - mangels eines Verkehrsmittels, mit welchem die Arbeitsstätte in Z zeitgerecht hätte erreicht werden können - ein Pendlerpauschale, gegebenenfalls ein Pendlereuro oder Kilometergeld für (fiktive) Fahrten von der ersten zur zweiten Arbeitsstätte zu gewähren sei.
8 Halte man am Standpunkt des Finanzamts fest, wonach die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel vom Wohnort zur ersten Arbeitsstätte und vom Wohnort zur zweiten Arbeitsstätte zumutbar sei, was für beide Dienstverhältnisse gesondert betrachtet jeweils zu bejahen sei, werde dem von der mitbeteiligten Partei ins Treffen geführten Umstand nicht Rechnung getragen, wonach bei Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel die Arbeitsstätte in Z nicht zeitgerecht zu erreichen sei. Der Standpunkt des Finanzamts sei nur bezüglich der am Vormittag ausgeübten Tätigkeit als zutreffend zu erachten.
9 Dem Abfrageergebnis des Routenplaners zufolge benötige die mitbeteiligte Partei mit dem PKW elf Minuten zwischen Wohnort und Arbeitsstätte in Y. Bei einem Dienstende von 12.00 Uhr treffe sie demnach erst um 12.11 Uhr an ihrem Wohnort ein; bei Benützung öffentlicher Verkehrsmittel überhaupt erst um 12.37 Uhr.
10 Wenn die mitbeteiligte Partei ihren Wohnort erst um 12.11 Uhr (Benützung PKW) bzw. um 12.37 Uhr (Benützung öffentliche Verkehrsmittel) erreiche, sei es ihr nicht möglich, mit dem öffentlichen Verkehrsmittel zeitgerecht zu Dienstbeginn um 13.00 Uhr an ihrer Arbeitsstätte in Z zu sein, weil die Hinfahrt bei Benützen des in Frage kommenden öffentlichen Verkehrsmittels laut Pendlerrechnerabfrage um 12.04 Uhr und bei Nutzung von Park/Ride, also teilweisem Einsatz des PKWs, sogar schon um 12.00 Uhr beginne. Aufgrund der aufgezeigten Tatsache des Fehlens eines öffentlichen Verkehrsmittels zur erforderlichen Zeit sei die Zumutbarkeit der Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels zur Arbeitsstätte in Z (sogar hinsichtlich der halben Fahrtstrecke) zu verneinen.
11 Da die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel für die Fahrtstrecke zur Arbeitsstätte in Z als unzumutbar zu beurteilen sei, sei der mitbeteiligten Partei unter Zugrundelegung einer Wegstrecke Wohnung - Arbeitsstätte, die laut den Aufzeichnungen der mitbeteiligten Partei vierzehn Kilometer betrage, das große Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d EStG 1988 für eine einfache Fahrtstrecke von 2 bis 20 Kilometer in Höhe von 372 € jährlich zu gewähren. Gemäß § 33 Abs. 5 Z 4 EStG 1988 stehe ihr als Absetzbetrag zudem ein Pendlereuro in Höhe von jährlich zwei Euro pro Kilometer der einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, also 28 €, zu.
12 Da nur angefallene Aufwendungen infolge von tatsächlich vorgenommenen PKW-Fahrten zwischen zwei Arbeitsstätten zu weiteren Werbungskosten führten und die mitbeteiligte Partei solche Fahrten unstrittig nicht vorgenommen habe, stünden ihr keine Kilometergelder zu.
13 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig, weil das angefochtene Erkenntnis auf der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Gewährung des Pendlerpauschales bei Unzumutbarkeit basiere.
14 Die gegen dieses Erkenntnis gerichtete außerordentliche Revision des Finanzamts führt zu deren Zulässigkeit aus, gemäß § 3 Abs. 1 der Pendlerverordnung (BGBl. II Nr. 276/2013) in der im gegenständlichen Fall anzuwendenden Fassung sei für die Ermittlung der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw. zwischen Arbeitsstätte und Wohnung und für die Beurteilung, ob die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar oder unzumutbar sei, der vom Bundesministerium für Finanzen im Internet zur Verfügung gestellte Pendlerrechner zu verwenden. Diese zwingende Anordnung habe das Bundesfinanzgericht nicht beachtet, indem es individuelle subjektiven Elemente herangezogen und ein Pendlerpauschale gesetz- und verordnungswidrig anerkannt habe.
15 Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG liege auch dahingehend vor, als Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dazu fehle, ob bei der Beurteilung des Anspruches auf ein Pendlerpauschale im Hinblick auf § 16 Abs. 1 Z 6 lit. j EStG 1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 53/2013 in Verbindung mit der Pendlerverordnung (BGBl. II 276/2013) subjektive Kriterien einzubeziehen seien.
16 Die mitbeteiligte Partei hat - trotz Aufforderung hierzu - keine Revisionsbeantwortung erstattet.
17 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
18 Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.
19 § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 in der für das Streitjahr geltenden Fassung BGBl. I Nr. 53/2013 lautet auszugsweise:
„Werbungskosten
§ 16. (1) Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Aufwendungen und Ausgaben für den Erwerb oder Wertminderungen von Wirtschaftsgütern sind nur insoweit als Werbungskosten abzugsfähig, als dies im folgenden ausdrücklich zugelassen ist. Hinsichtlich der durchlaufenden Posten ist § 4 Abs. 3 anzuwenden. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Werbungskosten sind auch:
[...]
6. Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Für die Berücksichtigung dieser Aufwendungen gilt:
a) Diese Ausgaben sind durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5 Z 1) abgegolten. Nach Maßgabe der lit. b bis j steht zusätzlich ein Pendlerpauschale sowie nach Maßgabe des § 33 Abs. 5 Z 4 ein Pendlereuro zu. Mit dem Verkehrsabsetzbetrag, dem Pendlerpauschale und dem Pendlereuro sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten.
[...]
c) Beträgt die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mindestens 20 km und ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar, beträgt das Pendlerpauschale:
Bei mindestens 20 km bis 40 km 696 Euro jährlich,
[...]
d) Ist dem Arbeitnehmer die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Entfernung nicht zumutbar, beträgt das Pendlerpauschale abweichend von lit. c:
Bei mindestens 2 km bis 20 km 372 Euro jährlich,
[...]
j) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, Kriterien zur Festlegung der Entfernung und der Zumutbarkeit der Benützung eines Massenverkehrsmittels mit Verordnung festzulegen.“
20 Die in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. j EStG 1988 normierte Verordnungsermächtigung zur Festlegung der Kriterien betreffend die Ermittlung der Entfernung und der Zumutbarkeit der Benützung eines Massenverkehrsmittels wurde mit BGBl. I Nr. 53/2013 eingeführt. Damit sollte die Möglichkeit geschaffen werden, einen Entfernungsrechner auf der Internetseite des Bundesministeriums für Finanzen zur Verfügung zu stellen, der über die maßgebliche Entfernung und die Zumutbarkeit der Benützung eines Massenbeförderungsmittels Auskunft gibt (vgl. 2113 BlgNR 24 GP 4). Aufgrund dieser Ermächtigung hat der Bundesminister für Finanzen die Verordnung über die Kriterien zur Ermittlung des Pendlerpauschales und des Pendlereuros, zur Einrichtung eines Pendlerrechners und zum Vorliegen eines Familienwohnsitzes (Pendlerverordnung) erlassen. Die §§ 1, 2 und 3 dieser Verordnung in der für das Streitjahr geltenden Fassung lauten auszugsweise wie folgt (BGBl. II Nr. 276/2013 geändert durch BGBl. II Nr. 154/2014):
„§ 1. (1) Die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte umfasst die gesamte Wegstrecke, die unter Verwendung eines Massenbeförderungsmittels, ausgenommen eines Schiffes oder Luftfahrzeuges, unter Verwendung eines privaten Personenkraftwagens oder auf Gehwegen (Abs. 7) zurückgelegt werden muss, um nach Maßgabe des Abs. 2 in der kürzesten möglichen Zeitdauer (§ 2 Abs. 2) die Arbeitsstätte von der Wohnung aus zu erreichen. Entsprechendes gilt nach Maßgabe des Abs. 3 für die Entfernung zwischen Arbeitsstätte und Wohnung.
(2) Der Ermittlung der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind die Verhältnisse zu Grunde zu legen, die vorliegen, wenn die Arbeitsstätte in einem Zeitraum von 60 Minuten vor dem tatsächlichen Arbeitsbeginn bis zum tatsächlichen Arbeitsbeginn erreicht wird.
(3) Der Ermittlung der Entfernung zwischen Arbeitsstätte und Wohnung sind die Verhältnisse zu Grunde zu legen, die vorliegen, wenn die Arbeitsstätte in einem Zeitraum vom tatsächlichen Arbeitsende bis zu einem Zeitpunkt, der 60 Minuten später liegt, verlassen wird.
[...]
§ 2. (1) Die Zumutbarkeit bzw. Unzumutbarkeit der Benützung eines Massenbeförderungsmittels ist nach Z 1 und Z 2 zu beurteilen. Dabei sind die Verhältnisse gemäß § 1 zu Grunde zu legen. Die Umstände, die die Zumutbarkeit bzw. Unzumutbarkeit begründen, müssen jeweils überwiegend im Kalendermonat vorliegen.
1. Unzumutbarkeit der Benützung eines Massenbeförderungsmittels liegt vor, wenn,
a) zumindest für die Hälfte der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte oder zwischen Arbeitsstätte und Wohnung nach Maßgabe des § 1 kein Massenbeförderungsmittel zur Verfügung steht [...]
[...]
§ 3. (1) Für die Ermittlung der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw. zwischen Arbeitsstätte und Wohnung (§ 1) und für die Beurteilung, ob die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar oder unzumutbar ist (§ 2), ist für Verhältnisse innerhalb Österreichs der vom Bundesministerium für Finanzen im Internet zur Verfügung gestellte Pendlerrechner zu verwenden.
(2) Dem Pendlerrechner sind die Verhältnisse zu Grunde zu legen, die für den abgefragten Tag bestehen.
[...]
(5) Das Ergebnis des Pendlerrechners ist nicht heranzuziehen, wenn nachgewiesen wird, dass
1. bei der Berechnung der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw. der Entfernung zwischen Arbeitsstätte und Wohnung (§ 1) oder
2. bei der Beurteilung, ob die Benützung eines Massenbeförderungsmittels unzumutbar ist (§ 2)
unrichtige Verhältnisse berücksichtigt werden. Dieser Nachweis kann vom Steuerpflichtigen nur im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung erbracht werden. Die Nachweismöglichkeit erstreckt sich jedoch nicht auf jene Verhältnisse, die dem Pendlerrechner auf Grund einer abstrakten Betrachtung des Individualverkehrs hinterlegt sind und auf einer typisierenden Betrachtung beruhen (beispielsweise die hinterlegte Durchschnittsgeschwindigkeit). [...]“
21 Das Bundesfinanzgericht stellte fest, dass die mitbeteiligte Partei im Streitjahr von 8.00 bis 12.00 Uhr für einen Arbeitgeber in Y und von 13.00 bis 17.00 für einen anderen Arbeitgeber in Z tätig gewesen sei und die Fahrten zur jeweiligen Arbeitsstätte mit ihrem PKW stets von zu Hause aus angetreten habe.
22 Laut Pendlerrechner sei die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sowohl für die Fahrt vom Wohnort zur Arbeitsstätte in Y und retour als auch für die Fahrt vom Wohnort zur Arbeitsstätte in Z und retour zumutbar gewesen. Allerdings sei - so das Bundesfinanzgericht weiter - für das zeitgerechte Erreichen der Arbeitsstätte in Z, bei einem Arbeitsende in Y um 12.00 Uhr und einem Arbeitsbeginn in Z um 13.00 Uhr, kein öffentliches Verkehrsmittel zur Verfügung gestanden. Die mitbeteiligte Partei sei nämlich bei einem Dienstende von 12.00 Uhr in Y erst um 12.11 Uhr bzw. um 12.37 Uhr an ihrem Wohnort eingelangt, wohingegen der Fahrtantritt zu ihrer Arbeitsstätte in Z laut Pendlerrechner um 12.00 Uhr bzw. um 12.04 Uhr hätte erfolgen müssen.
23 Da die öffentlichen Verkehrsmittel für die Fahrt zur Arbeitsstätte nach Z für die mitbeteiligte Partei nicht erreichbar waren, hat das Bundesfinanzgericht deren Benützung als unzumutbar beurteilt und der mitbeteiligten Partei für die einfache Fahrtstrecke nach Z von vierzehn Kilometer das große Pendlerpauschale in Höhe von 372 € gewährt (§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. d EStG 1988).
24 Das Finanzamt führt in der dagegen gerichteten Revision aus, der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber habe im Rahmen der Neuregelung der Pendlerförderung die Intention verfolgt, den Rechtsanwendern die Beurteilung der Frage der Zumutbarkeit durch objektive typisierende Kriterien automatisiert abzunehmen. Das Bundesfinanzgericht habe im angefochtenen Erkenntnis - entgegen der geltenden Rechtslage - somit „irrelevante subjektive Momente“ aus beiden Arbeitsverhältnissen vermischt und daraus eine „subjektive Unzumutbarkeit“ kreiert.
25 Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Pendlerpauschales im Falle von „Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle“ regelt. Es wird u.a. die erforderliche „Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte“ festgelegt und bestimmt, dass einem Steuerpflichtigen im Kalendermonat höchstens ein Pendlerpauschale in vollem Ausmaß zusteht. Weiters wird normiert, dass bei Vorliegen mehrerer Wohnsitze für die Berechnung des Pendlerpauschales entweder der zur Arbeitsstätte nächstgelegene Wohnsitz oder der Familienwohnsitz maßgeblich ist.
26 Kriterien zur Festlegung der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (§ 1) und der Zumutbarkeit der Benützung eines Massenbeförderungsmittels (§ 2) sind auch in der Pendlerverordnung enthalten, die vom Bundesminister für Finanzen aufgrund der in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. j EStG 1988 enthaltenen Verordnungsermächtigung erlassen wurde. In § 3 dieser Verordnung wird zudem normiert, dass für die Ermittlung der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw. zwischen Arbeitsstätte und Wohnung (§ 1) und für die Beurteilung, ob die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar oder unzumutbar ist (§ 2), für Verhältnisse innerhalb Österreichs der vom Bundesministerium für Finanzen im Internet zur Verfügung gestellte Pendlerrechner zu verwenden ist.
27 In der Pendlerverordnung ist regelmäßig von der „Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte“ die Rede. Diese Bestimmungen legen die näheren Voraussetzungen für die Zuerkennung des Pendlerpauschales in Bezug auf ein konkretes Dienstverhältnis fest. Ausdrückliche Regelungen zur im Revisionsfall vorliegenden Konstellation, in der eine steuerpflichtige Person bei mehreren Arbeitgebern parallel beschäftigt ist und die Fahrten zur jeweiligen Arbeitsstätte jeweils von ihrem Wohnort aus antritt, enthalten diese Bestimmungen nicht.
28 Die mitbeteiligte Partei konnte laut den insoweit unwidersprochenen Feststellungen des Bundesfinanzgerichts bei einem Dienstende von 12.00 Uhr in Y frühestens um 12.11 Uhr bzw. um 12.37 Uhr an ihrem Wohnort einlangen, wohingegen der Fahrtantritt zu ihrer weiteren Arbeitsstätte in Z mit den öffentlichen Verkehrsmitteln laut Pendlerrechner um 12.00 Uhr bzw. um 12.04 Uhr hätte erfolgen müssen. Dass die mitbeteiligte Partei die vom Pendlerrechner ermittelten öffentlichen Verkehrsmittel für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Z nicht benützen konnte, ist die Folge ihrer Berufstätigkeit im Rahmen des Dienstverhältnisses in Y. Die Unmöglichkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel für die Fahrt zur Arbeitsstätte in Z ist demnach auf keine „irrelevanten subjektiven Momente“ (private Veranlassung) zurückzuführen, sondern ausschließlich dem Umstand geschuldet, dass sie bis 12.00 Uhr bei einem Arbeitgeber in Y beschäftigt war.
29 Bei dieser Sachlage liegt in Bezug auf das Dienstverhältnis in Z ein Fall des § 3 Abs. 5 Z 2 Pendlerverordnung vor, wonach das Ergebnis des Pendlerrechners nicht heranzuziehen ist, wenn nachgewiesen ist, dass bei Beurteilung, ob die Benützung eines Massenverkehrsmittels unzumutbar ist, unrichtige Verhältnisse berücksichtigt wurden.
30 Es kann dem Bundesfinanzgericht nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn es im angefochtenen Erkenntnis davon ausgegangen ist, dass der mitbeteiligten Partei wegen ihrer Berufstätigkeit im Rahmen des Dienstverhältnisses in Y für das zeitgerechte Erreichen der Arbeitsstätte in Z, somit für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Z, kein öffentliches Verkehrsmittel zur Verfügung gestanden ist, und es daher die Voraussetzungen für ein Pendlerpauschale (und den Pendlereuro) für erfüllt angesehen hat.
31 Die Revision erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Wien, am 16. November 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020150090.L00Im RIS seit
13.12.2021Zuletzt aktualisiert am
04.01.2022