TE Vwgh Beschluss 2021/11/23 Ra 2021/14/0278

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Veröffentlicht am 23.11.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache der A B, vertreten durch die Anwaltskanzlei Thiele GmbH in 4020 Linz, Untere Donaulände 21-25, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juli 2021, L506 2140054-3/30E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Revisionswerberin, eine iranische Staatsangehörige, stellte am 4. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass sie im Iran zum Christentum konvertiert sei und die Behörde dort deshalb gegen sie ermittelt habe.

2        Mit Bescheid vom 24. Oktober 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag ab, erteilte der Revisionswerberin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung in den Iran zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 15. Februar 2019 als unbegründet ab. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 12. Juni 2019, E 990/2019-7, ab. Die außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. August 2019, Ra 2019/19/0303-6, zurückgewiesen.

4        Mit Beschluss vom 5. Jänner 2021 bewilligte das BVwG auf Antrag der Revisionswerberin die Wiederaufnahme des Verfahrens, das mit seinem Erkenntnis vom 15. Februar 2019 abgeschlossen worden war, weil die Revisionswerberin neu hervorgekommene Beweismittel im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG, darunter ein behauptetermaßen gegen sie im Herkunftsstaat ergangenes Urteil, vorgelegt hatte.

5        Mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis wies das BVwG im wiederaufgenommenen Verfahren nach Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid vom 24. Oktober 2016 erneut als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        Die vorliegende außerordentliche Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, dass der festgestellte psychische Gesundheitszustand sowie der geringe Bildungsstand der Revisionswerberin bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens zu ihrer Konversion zum Christentum nicht berücksichtigt worden seien. Ebenso hätte sich das BVwG den Aussagen von Familienangehörigen in deren Asylverfahren hinsichtlich des christlichen Glaubens in der Familie bzw. der Revisionswerberin bedienen müssen. Die Revisionswerberin gehöre einer Christengemeinde an, welche erhebliche Unterschiede zur römisch-katholischen Kirche aufweise. Die maßgeblichen Glaubenssätze dieser Strömungen wären bei einer Befragung wesentlich gewesen, die vom BVwG einvernommenen Pastoren hätten auch diesbezüglich befragt werden müssen. Weiters seien die von der Revisionswerberin vorgelegten Bilder ihrer Taufe aus dem Jahr 2007 nicht in das Verfahren einbezogen und gewürdigt worden. Betreffend die Feststellungen zur Behandelbarkeit der festgestellten Erkrankungen der Revisionswerberin sowie ihrer überwundenen COVID-19-Infektion hätte das BVwG keine nach Krankheiten getrennte, sondern eine gesamthafte Beurteilung vornehmen müssen, welche nur unter Einbeziehung eines medizinischen Sachverständigengutachtens möglich gewesen wäre.

10       Die Revision wendet sich damit primär gegen die Beweiswürdigung des BVwG, das zum Schluss gekommen war, dass nicht festgestellt werden könne, dass die Revisionswerberin sich ernsthaft mit christlichen Glaubensinhalten auseinandergesetzt, sich dem christlichen Glauben nachhaltig zugewandt habe und dieser für sie identitätsstiftend sei, weshalb ihr aus diesem Grund im Ergebnis auch keine Verfolgung im Herkunftsstaat drohe.

11       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 12.10.2021, Ra 2020/14/0229, mwN).

12       Das BVwG hat - entgegen dem Revisionsvorbringen - die erst im fortgesetzten Verfahren vorgebrachten psychischen Probleme der Revisionswerberin im Rahmen der Beweiswürdigung ausdrücklich berücksichtigt, und ausgeführt, dass es insofern Widersprüche, welche sich auf Details oder Nebenumstände beziehen, nicht für die Begründung der Unglaubwürdigkeit heranziehe, sondern sich vielmehr auf die mangelnde Nachvollziehbarkeit des Vorbringens und auf die zeugenschaftlichen Angaben der Tochter der Revisionswerberin stütze. Im Übrigen hat das BVwG eine eingehende Beweiswürdigung unter Einbeziehung sämtlicher Aussagen, auch der beiden von ihm vernommenen Pastoren, sowie der Umstände der im Heimatstaat vorgenommen Taufe und des Hervorkommens des angeblichen Strafurteils vorgenommen. Es gelingt der Revision mit ihrem Hinweis auf die psychischen und intellektuellen Verhältnisse der Revisionswerberin nicht, insgesamt eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unvertretbarkeit dieser Beweiswürdigung aufzuzeigen.

13       Werden Verfahrensmängel-wie Ermittlungs- und Begründungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 4.10.2021, Ra 2021/14/0217, mwN).

14       Mit ihrem Vorbringen dazu, allfällige Aussagen der Familienmitglieder in deren Asylverfahren zum christlichen Glauben seien nicht berücksichtigt worden, maßgebliche Glaubenssätze der Christengemeinde, der die Revisionswerberin angehört, hätten bei ihrer Befragung berücksichtigt und bei der Vernehmung der Pastoren thematisiert werden müssen und vorgelegte Fotos der - ohnehin vom BVwG festgestellten - Taufe seien nicht einbezogen worden, macht die Revision derartige Verfahrensmängel geltend, ohne die erforderliche Relevanz darzutun. Dies gilt auch für das Vorbringen, wonach der Gesundheitszustand der Revisionswerberin von Amts wegen durch ein medizinisches Sachverständigengutachten hätte beurteilt werden müssen.

15       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 23. November 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021140278.L00

Im RIS seit

13.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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