TE Bvwg Beschluss 2021/3/1 W200 2138469-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.03.2021
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Entscheidungsdatum

01.03.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W200 2138469-2/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. 01.01. XXXX , StA Afghanistan, gegen den Bescheid des BFA, Erstaufnahmestelle Ost (EASt-Ost) vom 09.02.2021, Zl. 1078614401-201236536, beschlossen:

A)       Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 68 Abs 1 AVG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

Erstverfahren:

Der Beschwerdeführer (in der Folge kurz „BF“), ein afghanischer Staatsbürger, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 19.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid vom 17.10.2016 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005. Weiters wurde gegen den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrug die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Das BVwG führte in der Rechtssache im Beschwerdeverfahren am 27.02.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

Zu seinem Fluchtgrund befragt, berief sich der BF auf seine bisherigen Fluchtgründe. Es habe sich aber in Bezug auf die Religion bei ihm etwas geändert. Er sei kein Muslim mehr und würde den christlichen Glauben annehmen wollen. Eine Austrittbestätigung aus der islamischen Glaubensgemeinschaft könne er nicht vorlegen, weil man ihn von der Bezirkshauptmannschaft seines Wohnbezirkes nach Wien verwiesen habe. Der Vertreter der belangten Behörde vermerkte diesbezüglich informativ, dass diese Angaben unwahrscheinlich seien. Er habe sich nicht vor dem Interview darum gekümmert, weil er sich für den Glaubenswechsel Zeit nehmen wolle und er sich um diesen nach der Einvernahme kümmern wolle. Der BF sei einige Male in der Kirche gewesen, jedoch hätten sich Personen nicht neben ihn gesetzt und seien lieber gestanden. Aus diesem Grund würde er seit Winter 2017 nicht mehr in die Kirche gehen. Er wechsle seinen Glauben nicht für das Asylverfahren, sondern er wolle diese Entscheidung von Herzen getroffen haben. Er wolle zusammen mit dem jüngsten Sohn seiner Lebensgefährtin getauft werden.

Er habe auch bereits mit dem Pfarrer gesprochen, der ihm mitgeteilt habe, dass er nach diesem Interview jeden Sonntag in die Kirche kommen, die Leute kennenlernen und etwas über die Religion wissen müsse. Würde ihm dies gelingen, dann würde er getauft werden. Den Namen des Pfarrers habe er vergessen, weil dieser einen schwierigen Namen habe. In Wien habe er Kontakt mit einer Kirche gehabt. Dort habe ihm ein Freund gesagt, dass es bedeute, dass Jesus sein Herz berührt habe, wenn er ein Licht gesehen habe. Lese er die Bibel, dann fühle er sich gut. Der BF lese seither eine iranische Bibel und hätte diese Erfahrung in einer iranischen Kirche gemacht. Er sei nur einmal dort gewesen. Er wisse nicht mehr, wann dies war. Er könne es auf ein Frühjahr einschränken und darauf, dass seine Einvernahme beim BFA schon stattgefunden gehabt habe. Danach habe er erst wieder Kontakt zur Religion gehabt, als er seine Freundin kennengelernt habe. Mit ihr habe er sich dann über den Glauben unterhalten. Dies sei im Winter 2017 gewesen. Davor habe er nur aus der Bibel gelesen und Filme über Jesus Christus gesehen. Die Bibel habe er über seinen Freund erhalten, der mit ihm in die Kirche gegangen sei. Dieser habe auch 1,5 Jahre mit ihm zusammengewohnt. Er habe auch mit seinem Vater über sein Interesse am christlichen Glauben gesprochen, jedoch habe dieser mit ihm geschimpft. Er habe dies immer im Zuge der alle paar Monate stattgefundenen Telefonate gemacht. Einmal habe er mit einer Person beim Umstellen der Möbel zu Mittag gegessen und dabei ein zehn minütiges Gespräch über die Religion geführt.

Mit Erkenntnis des BVwG vom 23.03.2020, W177 2138469-1/15E wurde die erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Folgende Feststellungen wurden ua getroffen:

„Festgestellt wird, dass der BF nicht mehr der islamischen Glaubensgemeinschaft angehört. Der BF hat 3 Wochen nach der mündlichen Verhandlung eine schriftliche Bestätigung über seine Taufvorbereitung vorgelegt. Eine kirchliche Taufe ist frühestens für Gründonnerstag des Jahres 2021 zu erwarten, insofern der BF die sonstigen kirchlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt. Aus heutiger Sicht ist er nicht kirchlich getauft.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der christliche Glaube wesentlicher Bestandteil der Identität des BF geworden ist.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF seinem derzeitigen Interesse für den christlichen Glauben im Falle der Rückkehr nach Afghanistan weiter nachkommen würde.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF sein derzeitiges Interesse für den christlichen Glauben im Falle der Rückkehr nach Afghanistan nach außen zur Schau tragen würde.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die afghanischen Behörden und/oder das persönliche Umfeld des BF in Afghanistan von dessen Interesse für das Christentum und seinem Abfall vom Islam bei einer Rückkehr in sein Heimatland Kenntnis erlangen würden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seines Interesses für den christlichen Glauben und seiner Abkehr vom Islam psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt ist.

Es wird festgestellt, dass der BF nicht aus innerer Überzeugung die christlichen Werte verinnerlicht hat und er sich aus innerer Überzeugung vom Islam abgewandt hat.“

Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 8. Juni 2020, E 1224/2020-8, die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde ab.

Eine gegen das Erkenntnis erhobenen außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des VwGH vom 02.09.2020, Ra 2020/01/0241-6 zurückgewiesen

Gegenständliches Verfahren:

Am 09.12.2020 stellte er neuerlichen einen Antrag auf internationalen Schutz. Er wolle hier Leben und außerdem zum Christentum konvertieren. Dies wäre in drei Monaten. Die von ihm bei seiner Asylerstbefragung genannten Fluchtgründe blieben aufrecht. Er fürchte um sein Leben. Er sei vom Islam abgetreten, und das sei sein Todesurteil.

Vorgelegt wurde ein Empfehlungsschreiben des Dechants und Pfarrer des Seelsorgeraumes XXXX vom 07.12.2020, der darin bestätigte, dass der Beschwerdeführer ihm gut bekannt sei. Der Ortspfarrer seiner Heimatgemeinde hätte ihn auf die Taufe vorbereitet. Der Ortspfarrer hätte dann ihn gebeten, den Beschwerdeführer bis zur Taufe weiter zu begleiten. Der Beschwerdeführer nehme in regelmäßigen Abständen an den Gottesdiensten in seiner Pfarre teil.

Die Niederschrift der Einvernahme des Beschwerdeführers vom 05.01.2021 wird im Folgenden auszugsweise wiedergegeben:

„LA:    Haben Sie Beweismittel oder Identitätsbezeugende Dokumente, die Sie vorlegen können und welche Sie bisher noch nicht vorgelegt haben?

VP:      Ich habe Bestätigungen von einem Pfarrer, dass ich mich taufen lasse und meinen Austritt aus dem islamischen Glauben. Ich werde in zwei Monaten getauft.

Anmerkung: Beweismittel werden in Kopie zum Akt genommen.“

(…)

„LA:    Bezüglich Ihrer Fluchtgründe, hat sich was geändert? Hat sich seit Rechtskraft Ihres Erstverfahrens hinsichtlich Ihrer Flucht- bzw. Ausreisegründe etwas Neues ergeben?

VP:     Damals war ich nicht bei meiner Freundin behördlich gemeldet gewesen, ich bin damals auch nicht zur Kirche gegangen. Jetzt besuche ich die Kirche und ich habe auch einen Termin zur Taufe. Ich habe auch die Bestätigungen, damals hatte ich auch keine Bestätigungen. Ich habe damals schon angegeben, beim BVwG, dass ich zum Christentum konvertieren möchte, aber ich hatte keine Bestätigung vom Austritt vom islamischen Glauben und keinen Tauftermin und bin auch nicht in die Kirche gegangen und deshalb habe ich eine negative Entscheidung erhalten, jetzt ist alles anders.

LA:      Wie integrieren Sie den christlichen Glauben in Ihren Alltag?

VP:      Ich gehe jeden Sonntag in die Kirche. Wenn es ein Fest gibt, gehe ich auch in die Kirche. Jetzt hat auch ein Fest stattgefunden, ich konnte aber nicht hingehen, weil ich hier war. Das Fest war eine Taufe von jemanden. Einige Zeit war die Kirche jetzt auch geschlossen aufgrund Corona. Ich habe den Gottesdienst aber zu Hause per Internet nachverfolgt.

LA.      Können Sie der Behörde Feste/wichtige Tage des christlichen Glaubens nennen?

VP.      Sonntag.

LA:      Was war vor kurzen ein wichtiger Tag im christlichen Glauben?

VP:      Weihnachten.

LA:      Können Sie noch wichtige Tage nennen?

VP.      Neues Jahr. Taufe ist auch wichtig.

LA:      Was wurde zu Weihnachten gefeiert? Was ist der Hintergrund von Weihnachten?

VP.      In dieser Nacht wurde Christus festgenommen. Ich habe alles gelesen, aber vergesse viel. Und deshalb kann ich das nicht so genau sagen. Seit 5 Jahre bin ich hier und ich habe vl. 5 Tage richtig geschlafen.

LA:      Welcher christlichen Glaubensgemeinsacht/Zweig gehören Sie in Österreich an?

VP:      katholischen Glauben

LA:      Welche weiteren Zweige des Christentums kennen Sie?

VP:      Evangelisch und Orthodox.

LA:      Warum gerade zu diesem Zweig?

VP:      Weil ich mag.

LA:      Was gefällt Ihnen am katholischen Glauben?

VP:      Ich glaube an Jesus Christus. Weil er der Sohn von Gott ist.

LA:      Was hat Sie dazu bewegt zum Christentum zu wechseln?

VP:      Alles was ich schlechtes im Islam gesehen habe, aus diesem Grund wollte ich Christ werden. Der Islam war für mich nur zwangsweise. Ich habe mich nicht selbst für den Islam entschieden. Beim Islam sagt man, dass nicht alle gleich sind und nicht alle Leute die gleichen Rechte haben.

LA:      Wann waren Sie zuletzt in der Kirche?

VP:      Genau kann ich nicht sagen, als ich dort hingegangen bin war Lock down. Wir waren aber einige Male in der Kirche, aber dann war wieder Lock down.

LA:      Welche Kirche besuchen Sie?

VP:      Eine katholische Kirche in XXXX .

LA:      Wie sieht so ein Gottesdienst aus?

VP:      Die Leute versammeln sich und beten, der Pfarrer redet über alles Gutes, was es im Christentum gibt. Es gibt Tage, da müssen die Leute für einige Tage das Kreuz ablegen. Es gibt auch ein kleines Keks/Leib den man in der Kirche erhält, das bekommen die Leute, die bereits getauft sind. Aber ich erhalte das noch nicht, weil ich noch nicht getauft bin.

LA:     Werden die Messen auf Farsi, Dari oder Deutsch gehalten?

VP:      Auf Deutsch.

LA:      Können Sie die Sakramente des christlichen Glaubens nennen?

VP:      Taufe, Erstkommunion, Firmung, Buße, Ehe

LA:      Wie unterscheidet sich das Christentum mit dem Islam für Sie?

VP:      Im Christentum die Sachen, die gut sind, gibt es nicht im Islam. Nachgefragt gebe ich an, dass ich damit meine, mit wem anderen zusammen zu leben. Im Christentum darf man nicht stehlen oder wen töten. Im Islam werden die Frauen benachteiligt und umgebracht. Im Islam werden die Leute allgemein getötet, im Christentum darf man das nicht.

LA:      Könnten Sie sich vorstellen bei einer Rückkehr in Ihr Heimatland wieder zum Islam zu konvertieren?

VP:     Wenn man einmal vom Islam Austritt, wird man als Mortat bezeichnet, das bedeutet, dass man sich selbst umgebracht hat. Ich würde auf keinen Fall wieder zum Islam konvertieren. Nachgefragt gebe ich an, dass ich meinen christlichen Glauben in Afghanistan weiterführen würde, wenn ich am Leben bleibe.

LA:      Möchten Sie zu Afghanistan noch etwas anführen?

VP:      Über Afghanistan habe ich nicht zu sagen.

Anmerkung: Ihnen wird nun die Möglichkeit eingeräumt, in die allgemeinen Länderfeststellungen des BFA vom Iran (sic!) samt den darin enthaltenen Quellen Einsicht nehmen.

VP:    Nein.

LA:      Haben Sie wem im Heimatland von Ihrem christlichen Glauben erzählt?

VP:      Ich habe es meiner Mutter erzählt. Es war im Jahr 2018 oder 2017.

LA.     Haben Sie alles angeführt, was Sie sagen wollten?

VP:      Ich kann ihnen sagen, dass ich auf keinen Fall nach Afghanistan kehren, wenn ich nach Afghanistan zurückkehre, werde ich von meinem Vater umgebracht. Er ist zu meinem Feind geworden.

LA:      Warum ist Ihr Vater zu Ihrem Feind geworden?

VP:      Als ich meiner Mutter gesagt habe, dass ich zum Christentum konvertieren möchte, hat sie das meinem Vater erzählt. Er hat mich sofort angerufen und er sagte zu mir, dass ich ein Mortat bin und ich ein Moslem sein muss. Er sagte, dass ich nicht mehr sein Sohn bin. Ich weiß nicht genau, wann das war, 2017 und 2018.

LA:      Wie kommen Sie zur Annahme, dass Ihr Vater Sie umbringen möchte?

VP:      Mein Vater sagte zu mir, dass ich für meinen Vater gestorben bin und ich nicht mehr sein Sohn bin. Er sagte auch zu mir, dass ich Mortat geworden bin.“

Mit Bescheid vom 09.02.2021 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 09.12.2020 sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gegen ihn gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 FPG erlassen (Spruchpunkt III.), gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt IV.), und ihm gemäß § 55 Absatz 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt V. ). Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 Z 6 FPG wurde gegen ihn ein auf die Dauer von 1 Jahr befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde im Bescheid ausgeführt, dass er keinen Sachverhalt vorgebracht hätte, welcher nach rechtskräftigem Abschluss seines Vorverfahrens entstanden sei. Als Begründung seines Folgeantrages bezog er sich auf sein Vorbringen der bereits rechtskräftigen Verfahren. Sein jetziges Vorbringen, wonach er Probleme mit seinem Vater hätte, da dieser von seinem Glaubenswechsel Bescheid wisse, brachte er bereits in seinem Erstverfahren vor. Ebenso betreffend seine Glaubensrichtung der römisch-katholischen Kirche konnte hierbei ebenfalls wiederholt eindeutig keine Verfestigung festgestellt werden. Zumal er nicht einmal anführen könne, weshalb er den römisch-katholischen Zweig als seine Glaubensrichtung anerkenne, noch sonstiges Wissen über die christliche Kirche näher darlegen konnte. Aufgrund aller bekannten Tatsachen, konnte die Behörde wiederholt nicht feststellen, dass er aus innerer Überzeugung die christlichen Werte verinnerlicht habe. Das vorgelegte Empfehlungsschreiben durch Pfarrer XXXX der röm.-kath. Pfarre XXXX konnte ebenfalls keine innere Überzeugung seinerseits darlegen. Die vorgelegten Beweismittel, Bescheinigung, Katechumenenprotokoll, hätte er bereits im Vorverfahren beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, der ua ein Taufschein vom 18.02.2021 der Pfarre XXXX , Erzdiözese Eisenstadt angeschlossen war.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF stellte am 19.07.2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid vom 17.10.2016 vom BFA gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), sowie gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen wurde. Das BFA erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 und erließ eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrug die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Mit Erkenntnis des BVwG vom 23.03.2020, W177 2138469-1/15E wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Eine Konversion des Beschwerdeführers wurde in dieser Entscheidung verneint.

Am 09.12.2020 stellte er neuerlichen einen Antrag auf internationalen Schutz, in dem er abermals auf seine Konversion verwies, ein Schreiben des Dechants und Seelsorgers des Großraumes XXXX vom 07.12.2020 vorlegte und seine baldige Taufe in Aussicht stellte. (Der Vollständigkeit halber wird erwähnt, dass der Beschwerdeführer eine Woche nach Zustellung des angefochtenen Bescheides getauft wurde.)

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

Infolge des in § 17 VwGVG normierten Ausschlusses der Anwendbarkeit des 4. Hauptstücks des AVG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, welcher auch die in § 68 Abs. 1 AVG normierte Zurückweisung wegen entschiedener Sache umfasst, kommt eine unmittelbare Zurückweisung einer Angelegenheit aufgrund der genannten Bestimmung durch das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich nicht in Betracht. Davon unberührt bleibt, dass das Verwaltungsgericht im Verfahren über Bescheidbeschwerden zur Überprüfung der rechtmäßigen Anwendung von § 68 AVG in Bescheiden durch die Verwaltungsbehörde berufen ist (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K10.; vgl. auch VfSlg. 19.882/2014). Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG ist somit zunächst die Frage, ob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Recht den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

§ 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG 2014 enthält selbst keine Anordnung, wie über eine Beschwerde zu entscheiden ist, sondern knüpft lediglich - im Hinblick auf die im Asylverfahren geltende Unterteilung in das Zulassungsverfahren und zugelassene Verfahren - an die Stattgebung einer gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren erhobenen Beschwerde an und sieht als Rechtsfolge einer solchen Stattgebung die Zulassung des Verfahrens vor. Dabei nahm der Gesetzgeber unverkennbar - und wie sich nicht zuletzt auch aus den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum FNG-Anpassungsgesetz (RV 2144 BlgNR 24. GP S. 14) zu § 21 Abs. 3 BFA-VG ergibt auf eine - bezogen auf den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens - vom VwG nach § 28 VwGVG 2014 getroffene Sachentscheidung Bezug. Eine solche liegt etwa dann vor, wenn das VwG zum Ergebnis gelangt, entgegen der Ansicht der Verwaltungsbehörde stelle sich anhand des (allenfalls nach ergänzenden Ermittlungen) festgestellten Sachverhaltes eine Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz als nicht dem Gesetz entsprechend dar. Bei einer solcherart die behördliche Antragszurückweisung aufhebenden Entscheidung handelt es sich aus verfahrensrechtlicher Sicht um eine gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG 2014 in Form eines Erkenntnisses zu treffende Entscheidung. (VwGH E vom 05.10.2016, Ra 2016/19/0208)

Dem geänderten Sachverhalt muss nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Entscheidungsrelevanz zukommen (vgl. VwGH 15.12.1992, 91/08/0166; ebenso VwGH 16.12.1992, 92/12/0127; 23.11.1993, 91/04/0205; 26.04.1994, 93/08/0212; 30.01.1995, 94/10/0162). Die Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wird nur durch eine solche Änderung des Sachverhalts bewirkt, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteienbegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwSlg. 7762 A; VwGH 29.11.1983, 83/07/0274; 21.02.1991, 90/09/0162; 10.06.1991, 89/10/0078; 04.08.1992, 88/12/0169; 18.03.1994, 94/12/0034; siehe auch VwSlg. 12.511 A, VwGH 05.05.1960, 1202/58; 03.12.1990, 90/19/0072). Dabei muss die neue Sachentscheidung - obgleich auch diese Möglichkeit besteht - nicht zu einem anderen von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen. Die behauptete Sachverhaltsänderung hat zumindest einen "glaubhaften Kern" aufzuweisen, dem Asylrelevanz zukommt (VwGH 21.3.2006, 2006/01/0028, sowie VwGH 18.6.2014, Ra 2014/01/0029, mwN). Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH vom 24.6.2014, Ra 2014/19/0018, mwN).

Der Beschwerdeführer hat im gegenständlichen Verfahren - im Gegensatz zur Auffassung des BFA - eine Änderung des Sachverhalts vorgebracht, in dem er dargetan hat, dass er seinen Taufunterricht seit der Entscheidung des BVwG weiterhin besucht hat, einen Tauftermin in Aussicht hat und auch eine entsprechende Bestätigung des Dechants und Pfarrers des Seelsorgeraums XXXX vom 07.12.2020 vorgelegt hat.

Diesen nach Abschluss des ersten Verfahrens neu entstandenen Tatsache kann auch nicht von vornhinein der glaubhafte Kern abgesprochen werden, zumal der Beschwerdeführer sein Vorbringen durch die angeführte Bestätigung belegte. Eine Befragung des Dechants oder Ortspfarrers (Taufspender) wäre für eine sachlich fundierte Entscheidung unerlässlich gewesen.

Der Umstand, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers Relevanz haben kann, ergibt sich schon aus der notorisch bekannten Lage zur Apostasie und zum Christentum in Afghanistan.

Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass der Behandlung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegensteht, weshalb der angefochtene Bescheid in den Spruchpunkten I. und II. zu beheben war. Da die Spruchpunkte III. bis VI. die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz voraussetzten, waren auch diese bereits aus diesem Grund zu beheben.

Zu Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Einreiseverbot aufgehoben entschiedene Sache Folgeantrag glaubhafter Kern Konversion Nachfluchtgründe Rechtswidrigkeit Religion Rückkehrentscheidung behoben wesentliche Sachverhaltsänderung Zulassungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W200.2138469.2.00

Im RIS seit

26.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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