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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der H in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 9. Jänner 1996, Zl. UVS-04/G/34/00132/95, betreffend Übertretung der GewO 1973, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 9. Jänner 1996 wurde die Beschwerdeführerin einer in der Nacht vom 19. März 1993 zum 20. März 1993 um 2,30 Uhr begangenen Verwaltungsübertretung nach § 368 Z. 11 in Verbindung mit § 198 Abs. 2 GewO 1973 sowie § 1 Abs. 1 lit. h der Wiener Sperrzeitenverordnung 1982, LGBl. Nr. 15/1982, schuldig erkannt und hiefür mit einer Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) bestraft. Dieser ohne vorhergehende mündliche Berufungsverhandlung ergangene Bescheid wurde der Erstbehörde am 30. Jänner 1996 und der Beschwerdeführerin am 22. April 1996 zugestellt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin nach ihrem gesamten Vorbringen in dem Recht verletzt, daß nach Ablauf der Verjährungsfrist des § 31 Abs. 3 VStG gegen sie kein Straferkenntnis mehr erlassen wird. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes macht sie geltend, die Frist des § 31 Abs. 3 VStG habe im vorliegenden Fall mit der Tathandlung, also am 20. März 1993, zu laufen begonnen. Der Berufungsbescheid sei zwar am 9. Jänner 1996 in die Schreibstube gegeben worden, die Zustellung an sie sei jedoch erst am 20. April 1996 erfolgt.
Gemäß § 31 Abs. 2 VStG beträgt die Verjährungsfrist bei den Verwaltungsübertretungen der Gefährdung, Verkürzung oder Hinterziehung von Landes- und Gemeindeabgaben ein Jahr, bei allen anderen Verwaltungsübertretungen sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tat abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.
Nach dem Abs. 3 dieser Gesetzesstelle darf ein Straferkenntnis nicht mehr gefällt werden, wenn seit dem im Abs. 2 bezeichneten Zeitpunkt drei Jahre vergangen sind. Eine Strafe darf nicht mehr vollstreckt werden, wenn seit ihrer rechtskräftigen Verhängung drei Jahre vergangen sind. Die Zeit eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof, vor dem Verwaltungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften sowie Zeiten, während denen die Strafvollstreckung unzulässig, ausgesetzt, aufgeschoben oder unterbrochen war, sind nicht einzurechnen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 20. April 1995, Zl. 94/09/0374, ausgesprochen, daß auch in dem als Mehrparteienverfahren zu qualifizierenden Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat die Frist des § 31 Abs. 3 erster Satz VStG nur dann gewahrt ist, wenn das Straferkenntnis innerhalb der dort genannten Frist gegenüber dem Beschuldigten rechtswirksam erlassen wurde und daß die Erlassung des Straferkenntnisses gegenüber einer anderen Verfahrenspartei hingegen nicht geeignet ist, diese Wirkung herbeizuführen. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich auch unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Gegenschrift der belangten Behörde nicht veranlaßt, von dieser von ihm auch in der Folge vertretenen Rechtsansicht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 10. Mai 1996, Zl. 96/02/0086) abzugehen. Zur näheren Begründung genügt es in Anwendung der Bestimmung des § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die diesbezüglichen Darlegungen in den zitierten Erkenntnissen zu verweisen, wo bereits die in der Gegenschrift der belangten Behörde aufgezeigten Gesichtspunkte berücksichtigt werden.
Ausgehend von dieser Rechtslage ist mit Rücksicht auf die oben wiedergegebenen Verfahrensdaten der angefochtene Bescheid entgegen der Bestimmung des § 31 Abs. 3 erster Satz VStG nach Ablauf der darin genannten Frist erlassen worden. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.
Schlagworte
Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger Zustellung Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der RechtswirkungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996040122.X00Im RIS seit
20.11.2000