TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/4 L524 2166138-2

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Veröffentlicht am 04.10.2021
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Entscheidungsdatum

04.10.2021

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
AVG §68
B-VG Art133 Abs4

Spruch


L524 2166138-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA Irak, vertreten durch die BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.09.2021, Zl. 1088423506/211062799, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 20.09.2015 nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Am 23.09.2015 erfolgte eine Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Am 10.05.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einvernommen.

Mit Bescheid des BFA vom 22.05.2017, Zl. 1088423506-151406164/BMI-BFA_STM_AST_01_TEAM_03, wurde der Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde – nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung – mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.01.2021, L506 2166138-1/34E, als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.

2. Mit Bescheid des BFA vom 12.05.2021, Zl. 1088423506/210469305, wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde die Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak festgestellt und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

3. Am 02.08.2021 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz und wurde dazu am selben Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Am 08.09.2021 wurde der Beschwerdeführer vor dem BFA einvernommen.

Mit Bescheid des BFA vom 09.09.2021, Zl. 1088423506/211062799, wurde der Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

II. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger und Kurde. Er stammt aus Bagdad, wo er die Schule besuchte, diese mit Matura abschloss und eine Ausbildung zum Elektrotechniker absolvierte. Der Beschwerdeführer ist gesund.

Seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz begründete der Beschwerdeführer in der Erstbefragung damit, dass die Firma, für die er gearbeitet habe, einen Drohbrief erhalten habe. Nachdem bei einem Selbstmordattentat Kollegen gestorben seien, habe er aus Angst das Land verlassen. Außerdem werde er von Schiiten verfolgt, weil er Sunnit sei. In der Einvernahme vor dem BFA begründete er seinen Antrag damit, dass er zum Christentum konvertiert sei. Seine Verwandten hätten bei ihm christliche Gegenstände gefunden und gedroht, ihn zu töten, wenn er Christ werde, um damit die Schande loszuwerden. Daraufhin habe er das Land verlassen.

Das BFA erachtete das Vorbringen des Beschwerdeführers als nicht glaubwürdig und wies den Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab und erließ eine Rückkehrentscheidung. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer der Beschwerde.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte der Beschwerdeführer als Begründung für seinen Antrag auf internationalen Schutz vor, dass er als Hundetrainer für eine amerikanische Sicherheitsfirma in Bagdad gearbeitet habe. Von dieser Tätigkeit für die Amerikaner habe sein Clan erfahren, der verlangt habe, dass er mit dieser Arbeit aufhöre. Nach seiner Ausreise aus dem Irak hätten zwei Cousins das Haus des Beschwerdeführers durchsucht und dabei christliche Gegenstände gefunden. Daraufhin hätten die Cousins Schüsse auf die Wand abgegeben, woraufhin der Vater des Beschwerdeführers große Angst bekommen und an einem Herzstilland gestorben sei.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.01.2021, L506 2166138-1/34E, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend verwies das Bundesverwaltungsgericht auf die gänzlich unterschiedlichen Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung und in der Einvernahme vor dem BFA, auf massiv widersprüchliche Angaben zum Zeitpunkt des Ausreiseentschlusses, auf die unterschiedlichen Angaben zum Grund der Bedrohung durch die Verwandten, auf die widersprüchlichen Angaben zum Zeitpunkt des Auffindens der christlichen Gegenstände sowie auf die widersprüchlichen Angaben zum Zeitpunkt der Konversion zum Christentum und versagte dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit.

Seinen – gegenständlichen – zweiten Antrag auf internationalen Schutz begründete der Beschwerdeführer in der Erstbefragung mit folgenden Worten: „Ich befinde mich seit sechs Jahren in Europa und kann nicht mehr in den Irak zurück. Ich bin seit fünf Jahren Christ und daher kann ich nicht mehr in den Irak zurück. … Ich habe meine Fluchtgründe bei den letzten Verfahren alle erzählt. … Meine Fluchtgründe sind noch gültig wie bei den letzten Verfahren.“. In der Einvernahme vor dem BFA gab der Beschwerdeführer an: „Nein, es ist alles unverändert. Es gibt keine neuen Flucht- oder Asylgründe.“ … Nein, es sind die gleichen Gründe. …Ich habe alles im ersten Verfahren bereits gesagt und abgegeben.“

Das BFA wies den zweiten Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten zurück. Das BFA legte seiner Entscheidung jenes Länderinformationsblatt zugrunde, welches auch das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 29.01.2021 heranzog.

III. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Herkunft des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen eigenen Angaben und den rechtskräftigen Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts im ersten Verfahren auf internationalen Schutz.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer gesund ist, ergibt sich aus seinen Angaben vor dem BFA (AS 128).

Die Feststellungen zum ersten Antrag auf internationalen Schutz ergeben sich aus den dort getätigten Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung, der Einvernahme vor dem BFA und in der Beschwerdeverhandlung sowie aus dem Bescheid des BFA und dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.01.2021.

Die Feststellungen zu dem im gegenständlichen Verfahren vorgebrachten Sachverhalt ergeben sich aus der Erstbefragung vom 02.08.2021 und der Einvernahme vor dem BFA vom 08.09.2021.

IV. Rechtliche Beurteilung:

Entfall der mündlichen Verhandlung:

Die Verhandlungspflicht folgt im Zulassungsverfahren – wozu auch Beschwerden gegen eine vor Zulassung des Verfahrens ausgesprochene Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach § 68 AVG zählen – besonderen Verfahrensvorschriften, nämlich § 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFA-VG (vgl. VwGH 21.05.2021, Ra 2021/18/0196).

Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

Gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG kann das Bundesverwaltungsgericht – unbeschadet des Abs. 7 – über Beschwerden gegen zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entscheiden.

Der Verwaltungsgerichtshof (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2016/19/0072) geht – nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der Erläuterungen zu § 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFA-VG – davon aus, dass immer dann, wenn der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes durch die Verwaltungsbehörde Ermittlungsmängel anhaften, die nicht vom Bundesverwaltungsgericht in der für die Erledigung des – im Rahmen des asylrechtlichen Zulassungsverfahrens abzuwickelnden – Beschwerdeverfahrens gebotenen Eile beseitigt werden können, der Beschwerde gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG stattzugeben ist. Eine Verhandlung hat diesfalls zu unterbleiben. Ist hingegen davon auszugehen, dass das Bundesverwaltungsgericht die Ermittlungsmängel rasch und ohne größeren Aufwand selbst beseitigen kann, hat es von einer Beschwerdestattgebung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG Abstand zu nehmen und die Ergänzung des Ermittlungsverfahrens (samt der Feststellung allfällig fehlenden Sachverhaltes) selbst vorzunehmen. Dabei hat es sich bei der Beurteilung gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG im Rahmen der Ermessensübung, ob eine Verhandlung durchzuführen ist, neben den bereits oben genannten Umständen auch davon leiten zu lassen, ob die vorhandenen Ermittlungsmängel zweckmäßigerweise durch im Rahmen der Verhandlung vorzunehmende Beweisaufnahmen beseitigt werden können (etwa wenn es gilt, allein die Glaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers einer näheren Beurteilung zu unterwerfen).

Im vorliegenden Fall liegen keine Ermittlungsmängel vor, weshalb eine mündliche Verhandlung entfallen konnte.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet.

Die Rechtskraft einer früher in der gleichen Angelegenheit ergangenen Erledigung steht einer neuen Sachentscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG nur dann nicht entgegen, wenn in den für die Entscheidung maßgebenden Umständen eine Änderung eingetreten ist. Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", d.h. durch die Identität der Sache, über die formell rechtskräftig abgesprochen wurde, mit der im neuerlichen Abspruch erfassten bestimmt. Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der für die Vorentscheidung maßgeblichen Rechtslage noch in den für die Beurteilung der in der Vorentscheidung als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist (vgl. VwGH 26.04.2019, Ra 2019/20/0174 unter Hinweis auf VwGH 24.5.2016, Ra 2016/21/0143, mwN).

Bei wiederholten Anträgen auf internationalen Schutz kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung – nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen – berechtigen und verpflichten, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt (vgl. VwGH 05.04.2018, Ra 2018/19/0066 unter Hinweis auf VwGH 09.03.2015, Ra 2015/19/0048 mit Hinweis auf die ausführlicheren – zu einer früheren Rechtslage des AsylG 2005 getätigten, aber auch auf die nunmehrige Rechtslage übertragbaren – Erwägungen im Erkenntnis vom 19.02.2009, 2008/01/0344).

Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben – nochmals – zu überprüfen (Hinweis EB E 26.4.1995, 92/07/0197, VwSlg 14248 A/1995); die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Entschiedene Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes, sondern, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens auf Grund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben, ausgeschlossen. Der Begriff "Identität der Sache" muss in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss (vgl. VwGH 08.05.2008, 2004/06/0227).

Nur eine solche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH 09.09.1999, 97/21/0913).

Behauptete Tatsachen, die bereits zur Zeit des ersten Asylverfahrens bestanden haben, die der Asylwerber jedoch nicht bereits im ersten Asylverfahren vorgebracht hat, sind von der Rechtskraft der über den Erstantrag absprechenden Entscheidung erfasst (vgl. VwGH 27.05.2019, Ra 2018/12/0292 unter Hinweis auf VwGH 28.02.2019, Ra 2019/01/0008 bis 0010, mwN).

Erst nach Erlassung der rechtskräftigen Erstentscheidung hervorkommende Umstände, die eine Unrichtigkeit dieser Entscheidung dartun, stellen keine Änderung des Sachverhalts dar, sondern können lediglich einen Grund zur Wiederaufnahme eines Verfahrens darstellen (vgl. VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029, mwN). Dieser tragende Grundsatz soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern (vgl. VwGH 28.02.2019, Ra 2019/01/0008 unter Hinweis auf VwGH 24.05.2016, Ra 2016/03/0050, mwN).

Maßstab für die Frage der Erfüllung des Tatbestands der „entschiedenen Sache“ ist somit der im ersten – mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.01.2021, L506 2166138-1/34E, rechtskräftig abgeschlossenen – Verfahren behauptete Sachverhalt, welcher in Relation zum im nunmehrigen Verfahren hervorgekommenen Sachverhalt zu setzen ist.

Der Beschwerdeführer begründete seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in der Erstbefragung damit, dass die Firma, für die er gearbeitet habe, einen Drohbrief erhalten habe. Nachdem bei einem Selbstmordattentat Kollegen gestorben seien, habe er aus Angst das Land verlassen. Außerdem werde er von Schiiten verfolgt, weil er Sunnit sei. In der Einvernahme vor dem BFA begründete er seinen Antrag damit, dass er zum Christentum konvertiert sei. Seine Verwandten hätten bei ihm christliche Gegenstände gefunden und gedroht, ihn zu töten, wenn er Christ werde, um damit die Schande loszuwerden. Daraufhin habe er das Land verlassen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte der Beschwerdeführer als Begründung für seinen Antrag auf internationalen Schutz vor, dass er als Hundetrainer für eine amerikanische Sicherheitsfirma in Bagdad gearbeitet habe. Von dieser Tätigkeit für die Amerikaner habe sein Clan erfahren, der verlangt habe, dass er mit dieser Arbeit aufhöre. Nach seiner Ausreise hätten zwei Cousins das Haus des Beschwerdeführers durchsucht und dabei christliche Gegenstände gefunden. Daraufhin hätten die Cousins Schüsse auf die Wand abgegeben, worauf der Vater des Beschwerdeführers große Angst bekommen und an einem Herzstilland gestorben sei.

Seinen nunmehr zweiten Antrag auf internationalen Schutz begründet der Beschwerdeführer in der Erstbefragung mit folgenden Worten: „Ich befinde mich seit sechs Jahren in Europa und kann nicht mehr in den Irak zurück. Ich bin seit fünf Jahren Christ und daher kann ich nicht mehr in den Irak zurück. … Ich habe meine Fluchtgründe bei den letzten Verfahren alle erzählt. … Meine Fluchtgründe sind noch gültig wie bei den letzten Verfahren.“ In der Einvernahme vor dem BFA gab der Beschwerdeführer an, dass er die gleichen Gründe wie im ersten Verfahren habe. Im ersten Verfahren habe er bereits alles gesagt und abgegeben. Ein geänderter Sachverhalt ist diesem Vorbringen nicht einmal ansatzweise zu entnehmen.

In der Beschwerde wird auch mit keinem Wort dargelegt, in welchen konkreten Äußerungen des Beschwerdeführers eine Sachverhaltsänderung zu erblicken ist. Vielmehr besteht die Beschwerde bloß aus der Aneinanderreihung von Textbausteinen, die jeglichen Bezug zum konkreten Fall vermissen lässt. Die Beschwerde behauptet zwar, dass ein „sachlich differenter Sachverhalt“ (Seite 4) vorliegen soll, verschweigt aber woran sie das erkannt haben will. Dies überrascht auch nicht, da der Beschwerdeführer tatsächlich keinen neuen Sachverhalt vorgebracht hat. Der Beschwerdeführer hat in der Einvernahme vor dem BFA mehrfach vorgebracht, dass er keine neuen Asylgründe hat und er die gleichen Gründe wie im ersten Verfahren hat. In Anbetracht dieser Angaben zur Begründung des zweiten Antrags auf internationalen Schutz erscheint die Beschwerdeerhebung geradezu mutwillig.

Wenn die Beschwerde weiter ausführt, die belangte Behörde sei wegen der „behaupteten Änderung des Sachverhalts“ zu amtswegigen Ermittlungen „nach § 28 AsylG“ und einer neuen Sachentscheidung verpflichtet, ist dies einerseits völlig abwegig und offenbart andererseits, dass sich die Beschwerde veralteter Textbausteine bedient, zumal der in der Beschwerde zitierte § 28 AsylG (Ermittlungspflichten) bereits am 31.12.2005 außer Kraft getreten ist.

Im Ergebnis liegt eine entschiedene Sache iSd § 68 Abs. 1 AVG vor, deren Rechtskraft einer neuerlichen Sachentscheidung entgegensteht.

Hinsichtlich eines Folgeantrages in einem Asylverfahren nach dem AsylG ist das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sondern auch in Bezug auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einer Prüfung zu unterziehen (VfGH 11.06.2015, E 446/2014).

Es liegen auch keine Umstände vor, die darauf hindeuten, dass nunmehr die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 AsylG (Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten) vorliegen würden.

Sowohl das Bundesverwaltungsgericht in seinem Erkenntnis vom 29.01.2021 als auch das BFA im bekämpften Bescheid legten ihren Entscheidungen dasselbe Länderinformationsblatt zugrunde. Der Beschwerdeführer brachte hinsichtlich seines Gesundheitszustandes auch keine Änderung vor. Im Vergleich zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.01.2021, L506 2166138-1/34E, können daher keine Änderungen festgestellt werden.

Dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte nicht festgestellt werden. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substantiell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte.

Es kann auch nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059), hat doch der Beschwerdeführer selbst nicht ausreichend konkret vorgebracht, dass ihm im Falle einer Rückführung jegliche Existenzgrundlage fehlen würde und er in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmitteln oder einer Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.

Im Ergebnis liegt eine entschiedene Sache iSd § 68 Abs. 1 AVG vor, deren Rechtskraft einer neuerlichen Sachentscheidung entgegensteht.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung mit der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes übereinstimmt.

Schlagworte

Folgeantrag Identität der Sache kein geänderter Sachverhalt Prozesshindernis der entschiedenen Sache res iudicata

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L524.2166138.2.00

Im RIS seit

10.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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