Entscheidungsdatum
05.10.2021Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W174 2197173-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Viktoria MUGLI-MASCHEK, als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , auch XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.05.2018, Zl. 1125885004 - 161106184/BMI-BFA_STM_AST_01, zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.
II. In Erledigung der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 5.10.2022 erteilt.
IV. Der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und diese ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 10.8.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Im Rahmen seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, sunnitischen Glaubens zu sein, der Volksgruppe der Tadschiken anzugehören, aus der Provinz Maidan Wardak zu stammen und ledig zu sein. In Kabul habe er sieben Jahre die Grundschule besucht und zuletzt als Tischler gearbeitet. Die Heimat habe er legal verlassen.
Sein vom Passamt in Kabul ausgestellter Reisepass wurde sichergestellt.
Zu seinem Fluchtgrund erklärte der Beschwerdeführer Folgendes: „Meine Familie flüchtete vor vielen Jahren nach Europa. Ich habe auch die meiste Zeit meines Lebens in Pakistan verbracht. Ich habe in Afghanistan keine Familie und hätte dort immer versteckt leben müssen, zumal meine Familie einer ernsthaften Bedrohung ausgesetzt war. In meiner Heimatprovinz gibt es eine Partei, die Mitglieder waren mit meinem Vater befeindet. Sie wollten, dass ich dieser Partei beitrete, außerdem wollten sie meine Schwester zwangsverehelichen. Aufgrund von all dieser Schwierigkeiten wäre ich in Afghanistan nicht sicher. Sonst habe ich keine weiteren Fluchtgründe.“
3. Am 5.5.2017 wurde der Beschwerdeführer - nach einer am 27.1.2017 erfolgten Dublin-Überstellung aus den Niederlanden - vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt oder belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen, erklärte zunächst, gesund zu sein und keine Medikamente zu nehmen und legte folgende Dokumente vor:
? Original Reisepass, Geburtsort Wardak, ausgestellt von der Behörde Kabul Central Passportdepartment am 21.10.2017;
? Kopie Bestätigung Spracherwerbsmaßnahme, ausgestellt von der Caritas am 4.5.2017;
? Original Bestätigung Erste Hilfe Einführung, ausgestellt vom Roten Kreuz am 28.2.2017;
? Original Bestätigung Spracherwerbsmaßnahme, ausgestellt von der Caritas am 2.3.2017;
? Unterstützungsschreiben, ausgestellt am 3.5.2017.
Weiters brachte er im Wesentlichen vor, er sei in Kabul geboren, sunnitischer Moslem und gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an. Die Schule habe er ab dem Alter von ca. sieben Jahren für sieben oder acht Stufen besucht, und zwar immer in Kabul. Sein Vater habe dort ein Teppichgeschäft gehabt und damit die Familie ernährt. Gelebt hätten sie im familieneigenen Haus. Als sie aus Kabul ausgereist seien, habe ein Freund der Familie das Geschäft übernommen und ihnen Geld geschickt. Später gab der Beschwerdeführer in derselben Einvernahme an, nachdem sein Vater verschwunden sei, habe dieser das Geschäft weitergeführt und die Familie unterstützt. Finanziell sei es ihnen immer gut gegangen.
In Pakistan habe der Beschwerdeführer bereits in Peschawar begonnen, mit seinem Schwager als Tischler zu arbeiten und sei auch in Islamabad als solcher tätig gewesen. Er habe genug Geld verdient, um sich selbst zu versorgen.
Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Kinder. Seine Mutter lebe mit drei seiner Schwestern und seinem Zwillingsbruder in den Niederlanden. Als er selbst sieben Jahre alt gewesen sei, sei sein Vater verschwunden, sie wüssten nichts von ihm.
In Afghanistan gebe es noch eine Tante und einen Onkel mütterlicherseits, weiters eine Tante väterlicherseits, die früher in Kabul gelebt habe sowie einen Onkel väterlicherseits in Wardak. Zu seinen Verwandten in der Heimat bestehe kein Kontakt.
Er selbst habe Kabul mit ca. 15 Jahren verlassen, im achten Monat 1384 (Oktober 2008) sei er alleine mit einer weiteren Schwester nach Peschawar in Pakistan ausgereist, wo diese bereits mit ihrem Mann und ihrer Familie gewohnt habe. Die Schwester, ihr Gatte und einige ihrer Kinder seien bei der Familie des Beschwerdeführers in Kabul auf Besuch gewesen, bevor sie gemeinsam nach Pakistan gefahren seien. Seit sieben Jahren stehe er nicht mehr in Kontakt zu ihnen.
Der Grund, dass nur er alleine geflüchtet sei, wäre, dass nach dem Verschwinden seines Vaters zunächst nur er selbst in Gefahr gewesen sei. Wie und wann seine Mutter, sein Bruder und seine Schwestern ausgereist seien, wisse der Beschwerdeführer nicht. Er habe mit seiner Familie nie darüber geredet, auch nicht, als alle bereits in den Niederlanden gewesen seien. Ca. 3 bis 4 Monate, nachdem er mit der Familie seiner Schwester in Peschawar gelebt habe, habe seine Mutter sie wissen lassen, dass sie und die anderen Geschwister sicher in den Niederlanden angekommen seien.
Nach seiner Ausreise nach Pakistan im Alter von 15 Jahren sei der Beschwerdeführer niemals nach Afghanistan zurückgekehrt, es wäre viel zu gefährlich gewesen.
Ca. neun Monate nach seiner Ankunft in Peschawar sei er nach Islamabad weitergezogen, dort ca. sechs bis sieben Jahre geblieben und habe dort gearbeitet. Dann sei er ca. Anfang 2016 nach Kabul gegangen und von dort aus in den Iran gereist. Sein Meister in der Tischlerei in Islamabad hätte den Reisepass für den Beschwerdeführer bereits in Pakistan besorgt und er sei mit diesem nach Kabul gereist. Das Visum für den Iran sei bereits im Pass gewesen, wie die Stempel zur Ein- bzw. Ausreise nach Pakistan hineingekommen seien, wisse der Beschwerdeführer nicht. Sie wären bereits dort gewesen, als er den Pass erhalten habe.
Vorgehalten, er habe zuvor auf die Frage, ob er nach seiner Ausreise nach Afghanistan jemals zurückgekehrt sei, geantwortet, dass dies viel zu gefährlich gewesen wäre, erwiderte der Beschwerdeführer, er wäre nicht einmal 24 Stunden in Kabul gewesen und niemand hätte davon gewusst.
Das Ziel seiner Reise nach Europa sei seine Familie in den Niederlanden gewesen. In den Ländern, durch die er durchgereist sei, sei es nicht so gut gewesen und es habe keine Sozialhilfe gegeben. Im Bundesgebiet lebe er von der Mindestsicherung.
Zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes an:
„Als ich klein war, ca. 5 bis 6, wollte mein Onkel väterlicherseits meine Schwester […] zwangsverheiraten, mein Vater war dagegen. Er hat zugelassen, dass meine Schwester einen anderen Mann geheiratet hat. Ca. zwei bis drei Monate nach der Hochzeit meiner Schwester ist mein Vater dann zu meinem Onkel gegangen, um die Probleme auszureden. Seit damals ist er verschwunden.
Als mein Großvater väterlicherseits nach dem Verschwinden meines Vaters ihn dann suchte, fand auch er ihn nicht. Mein Großvater lebte dann mit uns in Kabul. Ca. im Jahr 2007 hatte er einen Unfall und kam dabei ums Leben. Danach war es schwer für uns.
Der Freund meines Vaters, der nach seinem Verschwinden das Geschäft geführt hat, nahm mich dann mit ins Geschäft, das ich dort arbeiten konnte.
Nach dem Tod meines Großvaters mischte sich mein Onkel wieder mehr in unser Leben ein. Er wollte, dass ich mit ihm gehen und für ihn bei den Taliban arbeiten sollte.
Da meine Schwester aus Pakistan gerade zu Besuch in Kabul, redeten meine Mutter und meine Schwester über die Probleme und haben entschlossen, dass ich mit meiner Schwester mit nach Pakistan gehen sollte. Das hab ich dann auch gemacht.
Dies alles geschah ca. im achten Monat 1387 [Oktober 2008]“.
Ausdrücklich bestätigte der Beschwerdeführer, dies sei alles, es gebe keine weiteren Flucht- oder Asylgründe.
Dass nur der Beschwerdeführer vor dem Einfluss seines Onkels habe fliehen müssen, sein Zwillingsbruder jedoch nicht, erklärte er damit, weil seine Mutter beschlossen habe, dass er zu arbeiten beginnen solle, glaube er, dass nur er in Gefahr gewesen sei. Ausdrücklich gab er an, er sei niemals den Forderungen oder der Bedrohung seines Onkels ausgesetzt gewesen, dieser habe immer nur mit seiner Mutter gesprochen. Ob sich die Familie nach dem Verschwinden des Vaters an die Polizei oder die Dorfältesten gewandt habe, wisse der Beschwerdeführer nicht.
Ausdrücklich verneinte er, jemals direkt einer Gefahr seitens der Taliban ausgesetzt gewesen oder von ihnen bedroht worden zu sein. Beweismittel für sein Vorbringen habe er nicht.
Der Ausschlag für das Verlassen seiner Heimat sei gewesen, dass der Beschwerdeführer nicht für seinen Onkel habe arbeiten wollen.
Sein Onkel habe sich auch bei seinen Geschwistern einmischen wollen, aber seine Mutter habe dies nicht zugelassen und sei dann bald mit den Geschwistern in die Niederlande ausgereist.
Bei einer Rückkehr nach Afghanistan würde ihn sein Onkel sofort finden und zwingen, für die Taliban zu arbeiten.
Nachgefragt, ob er persönlich in seinem Heimatland aus Gründen der Rasse, Religion, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung bedroht oder verfolgt worden sei, verneinte der Beschwerdeführer dies ausdrücklich. Im Falle einer Rückkehr würde ihn sein Onkel sicher sofort finden, dies sei sicher. Warum ihn die Taliban als „low profile“ Person suchen sollten, erklärte der Beschwerdeführer damit, sein Onkel würde ihn sicher finden. Beweise gebe es für sein Vorbringen nicht.
Nach Rückübersetzung ergänzte der Beschwerdeführer im Wesentlichen, dass ihn sein Onkel in Afghanistan sofort töten würde und er zum fluchtauslösenden Moment hinzufügen wolle, dass er nicht für die Taliban habe arbeiten wollen. Zu den Stempeln in seinem Reisepass wolle er hinzufügen, er habe Geld dafür bezahlt, dass eine ihm unbekannte Person die Stempel darin anbringt.
4. Mit gegenständlichem Bescheid des Bundesamtes wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Unter Spruchpunkt III. wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) Unter Spruchpunkt VI. wurde festgehalten, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Begründend wurde im Wesentlichen angeführt, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatland keiner individuellen und aktuellen Bedrohung oder Verfolgung aus Gründen der Rasse, der Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten ausgesetzt gewesen sei bzw. habe er eine diesbezügliche Bedrohung oder Verfolgung dezidiert verneint. Weiters wurde festgestellt, dass er in seinem Heimatland keiner Bedrohung oder Verfolgung aus sonstigen Gründen ausgesetzt gewesen sei, bzw. habe er eine solche nicht glaubhaft machen können.
Der Beschwerdeführer sei ledig, jung, gesund und arbeitsfähig. Er sei keiner politischen Partei angehörig, gegen ihn sei kein Gerichtsverfahren anhängig, nach ihm werde nicht polizeilich gesucht bzw. werde er nicht behördlich verfolgt. Zudem leide er weder an einer schweren körperlichen Krankheit noch an einer schweren psychischen Störung. Seine ursprüngliche Heimatprovinz Kabul sei über einen internationalen Flughafen problemlos erreichbar und der Beschwerdeführer habe zu Protokoll gegeben, eine gute, für afghanische Verhältnisse fundierte, Schulbildung erhalten und Berufserfahrungen als Tischler gesammelt zu haben.
5. Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, der weitere Integrationsunterlagen des Beschwerdeführers angefügt waren.
6. Am 21.3.2019 wurde der Beschwerdeführer wegen unbekannten Aufenthalts von der Grundversorgung abgemeldet. Eine ZMR Abfrage vom 01.10.2021 ergab keine weitere Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Auf Grundlage der Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt des Beschwerdeführers sowie der Einsichtnahmen in das Zentrale Melderegister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Tadschiken an. Er ist sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Dari. Er ist ledig und kinderlos.
Der Beschwerdeführer wuchs in der Heimat mit seiner Familie im familieneigenen Haus auf, besuchte in Kabul ca. sieben Jahre die Schule und zog im Jahr 2008 nach Pakistan, wo er bis ca. 2016 lebte und als Tischler tätig war. Bereits zuvor hatte er in Kabul im familieneigenen Teppichgeschäft gearbeitet.
Der Beschwerdeführer ist seit März 2019 nicht mehr im Bundesgebiet aufrecht gemeldet.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
1.2.1. Weder der Beschwerdeführer noch seine Familie wurden in Afghanistan jemals von den Taliban oder von anderen Personen – namentlich dem Onkel - aufgesucht oder von diesen bedroht.
Der Beschwerdeführer wurde von den Taliban weder angesprochen noch angeworben. Er hatte in Afghanistan keinen Kontakt zu den Taliban, er wird von diesen auch nicht gesucht.
Der Beschwerdeführer war in Afghanistan wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den Tadschiken konkret und individuell weder physischer noch psychischer Gewalt ausgesetzt.
1.2.2. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer keine Verfolgung durch seinen Onkel und auch keine Zwangsrekrutierung durch die Taliban oder durch seinen Onkel.
1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan keine gegen ihn gerichtete Verfolgung oder Bedrohung durch staatliche Organe oder durch Private vor dem Hintergrund seiner ethnischen Zugehörigkeit, seiner Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung zu erwarten hätte.
Dem Beschwerdeführer würde jedoch bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund der dort herrschenden allgemeinen schlechten Sicherheitslage und der Machtübernahme durch die Taliban mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen. Es kann somit eine Verletzung der körperlichen Unversehrtheit des Beschwerdeführers aufgrund der zum Entscheidungszeitpunkt instabilen Sicherheitslage und der damit einhergehenden willkürlichen Gewalt in Afghanistan nicht ausgeschlossen werden.
Dem Beschwerdeführer ist es dementsprechend auch nicht möglich und auch nicht zumutbar, sich im Rückkehrfall in einer der bisher als sicher geltenden Großstädte Afghanistans niederzulassen. Insbesondere nicht nachdem die Städte Mazar-e Sharif, Herat und Kabul - wo er mit seiner Familie aufwuchs und die Schule besuchte - nun ebenfalls von den Taliban eingenommen wurden. In der Folge ist es ihm auch nicht möglich, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft befriedigen zu können bzw. nicht, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.
Im Falle einer Verbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat droht diesem ein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK).
1.4. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Stand 16.9.2021, die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, Stand 30.08.2018, das UNHCR-Statement zur Rückkehr nach Afghanistan, Stand August 2021, und die EASO Guidelines stellen einen integrierten Bestandteil dieses Erkenntnisses dar und werden als Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat herangezogen.
2. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakt und dem vom Bundesverwaltungsgericht durchgeführten Ermittlungsverfahren, insbesondere den Einvernahmen des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde.
Festzuhalten ist, dass der Beschwerdeführer seit März 2019 über keine Melde- oder Zustelladresse mehr im Bundesgebiet verfügt und somit für das Bundesverwaltungsgericht nicht greifbar ist.
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf, seinem Aufwachsen sowie seiner familiären Situation in Afghanistan und seiner Berufserfahrung gründen sich auf seine diesbezüglich stringenten und somit schlüssigen Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.
2.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers war insgesamt ausgesprochen vage und zudem widersprüchlich und nicht plausibel.
So erklärte er zu seinem Fluchtgrund befragt, dass er als er ca. fünf bis sechs Jahre alt gewesen sei, sein Onkel väterlicherseits eine seiner Schwestern zwangsverheiraten habe wollen, sein Vater sei dagegen gewesen und habe zugelassen, dass die Schwester einen anderen Mann heirate. Ca. zwei bis drei Monate nach der Hochzeit sei der Vater dann zum Onkel gegangen, um die Probleme auszureden. Seit damals wäre er verschwunden. Nach dem Jahre späteren Unfalltod des Großvaters habe sich der Onkel wieder mehr in „unser“ Leben (gemeint also das Leben der Familie des Beschwerdeführers) eingemischt und gewollt, dass der Beschwerdeführer mit ihm gehen und für ihn bei den Taliban arbeiten sollte. Da die Schwester aus Pakistan gerade zu Besuch in Kabul gewesen sei, hätten sie und seine Mutter beschlossen, dass er mit seiner Schwester mit nach Pakistan ausreisen sollte.
Weitere Fluchtgründe brachte der Beschwerdeführer auch nach mehrmaligem Nachfragen nicht vor und schloss solche sogar ausdrücklich aus.
Zu diesen angeführten Fluchtgründen ist zunächst festzuhalten, dass der Beschwerdeführer keinerlei persönlichen Bezug zu der vom Vater nicht durchgeführten Zwangsverheiratung der Schwester und dem angeblichen Verschwinden seines Vaters vorbrachte und diese angeblichen Vorkommnisse zum Zeitpunkt seiner Ausreise, seinen Zeitangaben nach bereits ca. 10 Jahre zurücklagen, ohne dass es seitdem zu irgendwelchen Vorfällen gekommen ist. Zudem blieben die Angaben des Beschwerdeführers hierzu – wie auch zum sonstigen Fluchtvorbringen - ausgesprochen unbestimmt.
Ebenso vage vorgebracht wurde die angebliche Gefahr der Zwangsrekrutierung des Beschwerdeführers selbst durch seinen Onkel bzw. die Taliban. Diesbezüglich hätte der Onkel nur mit seiner Mutter darüber gesprochen und sei nie an den Beschwerdeführer persönlich herangetreten, was schon wegen des notorischen Frauenbildes der Taliban nicht plausibel ist. Außer dass sich der Onkel diesbezüglich an seine Mutter gewandt hätte, konnte der Beschwerdeführer nichts angeben, obwohl er nur deswegen mit seiner Schwester nach Pakistan geflohen sein soll und sogar nach seiner Flucht und seinem Asylantrag bei seiner Mutter und den Geschwistern in den Niederlanden war. Nicht nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang zudem, dass er – wie er vor der Behörde auf Vorhalt angegeben hat – nicht einmal dort mit seinen Angehörigen über seine Fluchtgründe geredet haben will bzw. Details zu den angeblichen Gesprächen seiner Mutter mit dem Onkel in Erfahrung gebracht hat.
Ausdrücklich bestätigte der Beschwerdeführer, er sei niemals persönlich den Forderungen oder der Bedrohung seines Onkels ausgesetzt gewesen und verneinte auch explizit, jemals direkt einer Gefahr seitens der Taliban ausgesetzt gewesen oder von ihnen bedroht worden zu sein.
Ein konkretes fluchtauslösendes Ereignis konnte der Beschwerdeführer nicht nennen und erklärte dazu allgemein, ausschlaggebend für das Verlassen seiner Heimat sei gewesen, dass er nicht für seinen Onkel habe arbeiten wollen. Nach Rückübersetzung ergänzte er dann ebenfalls nur allgemein, er habe nicht für die Taliban arbeiten wollen. Auch zu seiner Rückkehrbefürchtung befragt gab er zunächst trotz mehrfachen Nachhakens nur an, bei einer Rückkehr nach Afghanistan würde ihn sein Onkel sofort finden und zwingen, für die Taliban zu arbeiten und war auch hier nicht in der Lage, dies näher zu konkretisieren. Warum ihn die Taliban als „low profile“ Person suchen sollten, konnte er ebensowenig erklären.
Nicht plausibel sind die Angaben des Beschwerdeführers, wonach nur er gefährdet gewesen sein soll, obwohl er einen Zwillingsbruder hat. Auch hier antwortete er auf die Nachfragen der Behörde hin ausweichend und konnte dies nicht nachvollziehbar erklären: So begründete er sein Vorbringen, dass nur er selbst vor dem Einfluss seines Onkels habe fliehen müssen, sein Zwillingsbruder jedoch nicht, zunächst nur damit, dass dies nur ihn betreffe, weil seine Mutter beschlossen habe, dass er zu arbeiten beginnen solle. Er glaube daher, dass nur er in Gefahr gewesen sei. Erst später ergänzte er gesteigert, sein Onkel habe sich auch bei seinen Geschwistern einmischen wollen, aber seine Mutter habe dies nicht zugelassen und sei dann bald mit den Geschwistern in die Niederlande ausgereist. Wie und wann seine Mutter, sein Bruder und seine Schwestern ausgereist seien, wisse der Beschwerdeführer nicht. Er habe mit seiner Familie nie darüber geredet, auch nicht, als alle bereits in den Niederlanden gewesen seien, was ebenfalls nicht nachvollziehbar erscheint.
Grob widersprüchlich ist, dass der Beschwerdeführer vor der Behörde zunächst ausdrücklich angab, nach seiner Ausreise nach Pakistan im Alter von 15 Jahren, sei er niemals nach Afghanistan zurückgekehrt, es wäre viel zu gefährlich gewesen. Später brachte er in derselben Einvernahme vor, er sei dann ca. Anfang 2016 nach Kabul gegangen und von dort aus in den Iran gereist. Vorgehalten, er habe zuvor auf die Frage, ob er nach seiner Ausreise nach Afghanistan jemals zurückgekehrt sei, geantwortet, dass dies viel zu gefährlich gewesen wäre, versuchte der Beschwerdeführer diesen Widerspruch damit auszuräumen, er sei nicht einmal 24 Stunden in Kabul gewesen und niemand habe gewusst, dass er dort gewesen sei.
Dass er nach seiner Flucht niemals nach Afghanistan zurückgekehrt sein will, stimmt zudem auch nicht mit den Stempeln in seinem Reisepass überein. Dies vorgehalten, antwortete der Beschwerdeführer zunächst ausweichend, wie die Stempel zur Ein- bzw. Ausreise nach Pakistan hineingekommen seien wisse er nicht. Sie wären bereits dort gewesen, als er den Pass erhalten habe. Nach der Rückübersetzung des Protokolls versuchte er diesen weiteren Widerspruch damit zu rechtfertigen, er hätte Geld dafür bezahlt, dass eine ihm unbekannte Person die Stempel im Pass angebracht habe, was für sich genommen nur als Schutzbehauptung gewertet werden kann und somit nicht zur Nachvollziehbarkeit der Angaben des Beschwerdeführers beiträgt.
Widersprüchlich ist auch, dass der Beschwerdeführer vor der Behörde zunächst vorbrachte, als sie aus Kabul ausgereist seien, habe ein Freund der Familie das Geschäft übernommen und ihnen Geld geschickt. Später gab der Beschwerdeführer in derselben Einvernahme an, bereits nachdem sein Vater verschwunden sei, habe der Freund seines Vaters das Geschäft weitergeführt und die Familie unterstützt und versuchte diesen Widerspruch nach der Rückübersetzung wiederum zu korrigieren. Dies ist vor allem deswegen hervorzuheben, weil der Beschwerdeführer auch behauptet hatte, sein Vater wäre – als er das Problem im Zusammenhang mit der nicht erfolgten Zwangsverheiratung einer Schwester des Beschwerdeführers habe klären wollen – verschwunden, als Letzterer ca. fünf oder sechs bzw. sieben Jahre alt gewesen sei, also Jahre vor der Ausreise der Familie aus Kabul. Auch aus diesem Grund ist das seinerzeitige Verschwinden des Vaters wegen des Onkels nicht glaubwürdig.
In einer Gesamtschau ist es dem Beschwerdeführer wegen seines vagen, widersprüchlichen und unplausiblen Vorbringens nicht gelungen, glaubhaft zu machen, in der Heimat von Zwangsrekrutierung durch seinen Onkel oder durch die Taliban bedroht zu werden.
Andere Fluchtgründe wurden vom Beschwerdeführer weder im behördlichen Verfahren noch im Beschwerdeschriftsatz vorgebracht und sind auch vor dem Hintergrund der ins Verfahren eingebrachten Länderberichte nicht hervorgekommen.
Hervorzuheben ist, dass der Beschwerdeführer, nachgefragt, ob er persönlich in seinem Heimatland aus Gründen der Rasse, Religion, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung bedroht oder verfolgt worden sei, dies ausdrücklich verneinte und während des ganzen Verfahrens hindurch angab, kein einziges Mal persönlich bedroht oder verfolgt worden zu sein.
2.3. Zur Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr nach Afghanistan nicht möglich ist, folgt aus den unter Punkt II.1.4. zitierten Länderberichten. Vor diesem Hintergrund – insbesondere auch der Einnahme sämtlicher wichtiger Städte durch die Taliban und der derzeit aufgrund des Umbruchs nicht beurteilbaren Sicherheits- und Versorgungslage – würde eine Rückkehr für den Beschwerdeführer zum aktuellen Zeitpunkt eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen, zumal auch in Hinblick auf die unvorhersehbaren weiteren Entwicklungen, den fraglichen Weiterbestand staatlicher Ordnung und den notorischen Erfahrungen der Ausgestaltung von Ordnung unter den Taliban in den Jahren 1996 bis 2001 in Afghanistan. Eine Rückkehr ist dem Beschwerdeführer damit derzeit nicht möglich.
2.4. Zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln. Die den Feststellungen zugrundeliegenden Länderberichte sind in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan aktuell. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich durch Einsichtnahme in die jeweils verfügbaren Quellen (u.a. laufende Aktualisierung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation) davon versichert, dass zwischen dem Stichtag der herangezogenen Berichte und dem Entscheidungszeitpunkt keine wesentliche Veränderung der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan eingetreten ist. Die in der angefochtenen Entscheidung und in der Beschwerde zitierten Länderberichte sind durch die aktuellen, in den Feststellungen zitierten Länderinformationen überholt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und verfahrensrechtliche Grundlagen:
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, liegt gegenständlich die Zuständigkeit der nach der geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichts zuständigen Einzelrichterin vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte ist mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts durch das Verwaltungsgerichtsverfahrens (VwGVG) geregelt. Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG idgF bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zweck des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG idgF sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.
Gemäß §§ 16 Abs 6 und 18 Abs 7 BFA-VG idgF sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.
3.2.Zu Spruchpunkt A.I.)
3.2.1. Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides – Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten
3.2.1.1. § 3 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:
„Status des Asylberechtigten
§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder
2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.
…“
3.1.2. Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt also dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.
Nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr kann relevant sein, diese muss im Entscheidungszeitpunkt vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).
Eine Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zahl 98/01/0370; 22.10.2002, Zahl 2000/01/0322).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256). Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).
3.2.1.3. Der Beschwerdeführer war in Afghanistan nicht von seinem Onkel aufgefordert worden, für die Taliban zu arbeiten.
Der Beschwerdeführer war auch weder von den Taliban bedroht worden, noch ernsthaft der Gefahr einer Zwangsrekrutierung ausgesetzt. Aus diesem Grund droht ihm auch keine Gefahr durch die Taliban. Es liegt beim Beschwerdeführer keine Verfolgungsgefahr aus einem Konventionsgrund vor.
3.2.1.4. Auch eine konkrete individuelle Verfolgung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Tadschiken wurde weder behauptet noch festgestellt.
3.2.1.5. Im Ergebnis droht dem Beschwerdeführer aus den von ihm ins Treffen geführten Gründen im Herkunftsstaat keine asylrelevante Verfolgung.
Abschließend ist festzuhalten, dass auch hinsichtlich des Umbruches durch die rezente Machtübernahme der Taliban nicht erkennbar wäre, dass der Beschwerdeführer ein Personenprofil hätte, durch das bei ihm eine Verfolgung seitens der Taliban als Einzelperson oder als Personengruppe absehbar wäre.
3.2.1.6. Die Beschwerde ist zu diesem Spruchpunkt daher als unbegründet abzuweisen.
3.3. Zu Spruchpunkt A.II.)
3.3.1. Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides – Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten:
3.3.1.1. § 8 AsylG lautet auszugsweise:
„Status des subsidiär Schutzberechtigten
§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.
…“
3.3.1.2. Gemäß Art. 2 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.
Der (vormalige) § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 verwies auf § 57 Fremdengesetz (FrG), BGBl. I Nr. 75/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002, wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung verletzt würde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum vormaligen § 57 FrG - welche in wesentlichen Teilen auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen sein wird - ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, dass eine konkrete, den Berufungswerber (nunmehr: Beschwerdeführer) betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122, VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (z.B. VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294, VwGH 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438, VwGH 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427, VwGH 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028).
§ 8 Abs. 1 AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den Herkunftsstaat des Antragsstellers. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 ist ein Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes.
Unter realer Gefahr in diesem Sinne ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573).
Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können (VwGH vom 31.10.2019, Ra 2019/20/0309).
Für die zur Prüfung der Notwendigkeit von subsidiärem Schutz erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Beschwerdeführers bei seiner Rückkehr abzustellen. Dies ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (vgl. EuGH 17.02.2009, C-465/07, Elgafaji; VfGH 13.09.2013, U370/2012; VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0029).
3.3.1.3. Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offensteht.
3.3.1.4. § 11 AsylG lautet:
„Innerstaatliche Fluchtalternative
§ 11. (1) Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.
(2) Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen.“
3.3.1.5. Für die Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative sind zwei getrennte und selbständige Voraussetzungen zu prüfen (UNHCR, Kapitel III. C). Zum einen ist zu klären, ob in dem als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefassten Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und Schutz vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG die Gewährung von subsidiären Schutz rechtfertigen würden, gegeben ist. Das als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefassten Gebiet muss zudem sicher und legal zu erreichen sein (VwGH vom 23.01.2018, Ra 2018/18/0001; VwGH vom 08.08.2017, Ra 2017/19/0118). (Analyse der Relevanz). Von dieser Frage ist getrennt zu beurteilen, ob dem Asylwerber der Aufenthalt in diesem Gebiet zugemutet werden kann, bzw. dass von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, sich in dem betreffenden Gebiet niederzulassen (Analyse der Zumutbarkeit).
Ob dem Asylwerber ein Aufenthalt in einem bestimmten Gebiet des Herkunftsstaates zugemutet werden kann, hängt von mehreren Faktoren ab, insbesondere von persönlichen Umständen des Betroffenen, der Sicherheit, der Achtung der Menschenrechte und der Aussichten auf wirtschaftliches Überleben. Es muss möglich sein, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute des Asylwerbers führen können. Ein voraussichtlich niedrigerer Lebensstandard oder eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation sind keine ausreichenden Gründe, um ein vorgeschlagenes Gebiet als unzumutbar abzulehnen. Die Verhältnisse in dem Gebiet müssen aber ein für das betreffende Land relativ normales Leben ermöglichen (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001; VwGH vom 30.01.2018 Ra 2018/18/0001).
3.3.1.6. Der EGMR setzte am 02.08.2021 im Fall R.A. gegen Österreich im Lichte der aktuellen Entwicklung der Sicherheitslage und der Entscheidung des afghanischen Ministeriums für Flüchtlinge und Rückführung an die Regierungen der Europäischen Union, vom 08.07.2021 bis 08.10.2021 keine Abschiebungen zu akzeptieren, mittels vorläufiger Maßnahme gemäß Art. 39 der Verfahrensordnung des EGMR die Abschiebung eines afghanischen Asylwerbers bis 31.08.2021 aus (Appl.no. 38335/21, aufrufbar unter https://deserteursberatung.at /index.php/2021/08/03/ der-europaeische-gerichtshof-fuer-menschenrechte-egmr-stoppt-abschiebung-nach-afghanistan/, aufgerufen am 10.08.2021.
3.3.1.7. Wie schon beweiswürdigend ausgeführt, ist dem Beschwerdeführer aufgrund der sich rasant ändernden, sich verschlechternden Lage in Afghanistan, der derzeit aufgrund des Umbruchs nicht beurteilbaren Sicherheits- und Versorgungslage und der unvorhersehbaren weiteren Entwicklungen die Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich. Auf Basis der bereits dargestellten Judikatur des EGMR, des Verfassungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs führt aufgrund des festgestellten Sachverhalts – unter anderem auch anhand der aktuellen Länderinformationen – die Prüfung der maßgeblichen Kriterien zu dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückführung nach Afghanistan eine Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte droht oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Die Rückverbringung des Beschwerdeführers nach Afghanistan steht daher nach dem Gesagten in Widerspruch zu § 8 Abs. 1 AsylG 2005. Dem Beschwerdeführer war daher nach den genannten Bestimmungen der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.
3.4. Zu Spruchpunkt A.III.)
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiären Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt für ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
Im gegenständlichen Fall hat daher das Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig mit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten dem Beschwerdeführer auch eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr zu erteilen.
3.5. Zu Spruchpunkt A.IV.)
Aufgrund der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an den Beschwerdeführer waren die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben.
3.6. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
3.2.5.1. Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann – soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist – das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.
Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs 7 BFA-VG 2014 erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn – wie im vorliegenden Fall – deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).
3.2.5.2. Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und erscheint der Sachverhalt aus der Beschwerde in Verbindung mit den Verfahrensakten hinreichend geklärt. Im gegenständlichen Fall wurde hinsichtlich der Rückkehrentscheidung der Sachverhalt nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substanziierter Weise behauptet (siehe VwGH 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9). Die Lebensumstände des Beschwerdeführers sind den genannten Quellen umfassend zu entnehmen. Die örtlichen Gegebenheiten im Herkunftsstaat sind notorisch und den aktuelleren Länderfeststellungen zu entnehmen. Zu seinem nunmehrigen Vorbringen wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesamt einvernommen. Das Beschwerdevorbringen wirft keine neuen oder noch zu klärenden Sachverhaltsfragen auf. Es liegt auch – aufgrund der schlüssigen Beweiswürdigung durch die belangte Behörde – keine mangelhafte Beweiswürdigung vor. Es lagen somit keine strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen vor und waren auch keine Beweise aufzunehmen. Das Bundesverwaltungsgericht musste sich auch keinen persönlicher Eindruck vom Beschwerdeführer verschaffen, da selbst unter Berücksichtigung aller zugunsten des Beschwerdeführers sprechenden Fakten auch dann für den Beschwerdeführer kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Bundesverwaltungsgericht von ihm einen persönlichen Eindruck verschafft, weshalb eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233; 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 bis 0423, Ra 2017/19/0424). Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.
Der Vollständigkeit halber wird festgehalten, dass der Beschwerdeführer seit März 2019 über keine aufrechte Meldung im Bundesgebiet verfügt.
3.3. Zu Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG im vorliegenden Fall nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Zudem ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen oder es steht in vielen Punkten die Tatfrage im Vordergrund.
Schlagworte
befristete Aufenthaltsberechtigung Glaubwürdigkeit mangelnde Asylrelevanz private Verfolgung Rückkehrsituation Sicherheitslage subsidiärer Schutz Verfolgungsgefahr Versorgungslage Volksgruppenzugehörigkeit ZwangsrekrutierungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W174.2197173.1.00Im RIS seit
10.12.2021Zuletzt aktualisiert am
10.12.2021