TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/8 W109 2176647-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.10.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

08.10.2021

Norm

AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W109 2176647-1/30E

Schriftliche Ausfertigung des am 25.03.2021 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BÜCHELE über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, vom 25.10.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.07.2019 und am 25.03.2021 zu Recht erkannt:

A)       

I.       Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkt II. bis IV. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan erteilt.

II.      Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 25.03.2022 erteilt.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1.       Am 29.11.2015 stellte der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, nach Einreise unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 30.11.2015 gab der Beschwerdeführer im Rahmen der Erstbefragung im Wesentlichen an, er sei afghanischer Staatsangehöriger und im Iran geboren, wo er auch die Schule besucht und als Mechaniker gearbeitet habe. Zum Fluchtgrund befragt führte er aus, im Iran sei er von der Polizei kontrolliert worden und habe die Wahl gehabt, für Syrien zu kämpfen oder nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Dort würden die Hazara von den Taliban bekämpft, also sei er geflüchtet.

Am 17.10.2017 führte der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, seine Aufenthaltskarte sei im Iran bei der Arbeit kontrolliert und für ungültig erklärt worden. Der Beschwerdeführer sei in ein Lager für illegale Afghanen gekommen, wo ihn sein Arbeitgeber nach einigen Tagen freibekommen habe. Der zuständige Beamte im Lager habe ihm gesagt, entweder er würde nach Afghanistan abgeschoben oder werde in den Krieg nach Syrien geschickt. Daraufhin sei er ausgereist. Seine Eltern seien aus Afghanistan geflüchtet, weil dort Krieg herrsche. Damals seien die Taliban an der Macht gewesen. Der Beschwerdeführer könne nicht nach Afghanistan zurück, dort gebe es keine Sicherheit. Die meisten Opfer seien Hazara.

2.       Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 25.10.2017, zugestellt am 31.10.2017, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.). Begründend führte die belangte Behörde aus, das Fluchtvorbringen sei nicht glaubhaft und beziehe sich auf den Iran. Von einer staatlichen oder staatlichen Verfolgung der Hazara habe die Behörde keine Kenntnis. Dem Beschwerdeführer sei eine Niederlassung in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif zumutbar.

3.       Am 07.11.2017 langte die vollumfängliche Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bei der belangten Behörde ein in der im Wesentlichen ausgeführt wird, der Beschwerdeführer halte seine Aussagen aufrecht. Er sei im Fall der Rückkehr von Zwangsrekrutierung bedroht. Wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara drohe im ebenso Verfolgung. Staatlicher Schutz bestehe nicht. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei dem Beschwerdeführer nicht zumutbar.

Am 03.07.2019 langte eine Beschwerdeergänzung ein, in der ausgeführt wird, der Beschwerdeführer gehöre nunmehr der christlichen Glaubensgemeinschaft an, weswegen ihm im Fall der Rückkehr mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Verfolgung drohe.

Am 12.07.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter, eine im Akt namentlich genannte Zeugin, ein Vertreter der belangten Behörde und ein Dolmetscher für die Sprache Farsi teilnahmen.

In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein Vorbringen, er werde im Herkunftsstaat verfolgt, weil er Christ geworden sei, sowie zu den Umständen der Ausreise aus dem Iran aufrecht.

Mit Erkenntnis vom 30.07.2019 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet ab (Spruchpunkt A.I.), gab ihr hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis IV. statt, erteilte dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt A.II.) und erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 29.07.2020 zu (Spruchpunkt A.III.).

4.       Auf die gegen die Spruchpunkte A.II. und A.III. erhobene außerordentliche Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hin hob der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts in seinen Spruchpunkte A.II. und A.III. mit Erkenntnis vom 18.01.2021, Ra 2019/19/0403, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof aus, es sei nicht ersichtlich, inwieweit sich die Situation des Beschwerdeführers maßgeblich von jener unterscheide, in der sich afghanische Staatsangehörige befänden, die sich Zeit ihres Lebens in Afghanistan aufgehalten hätten. Das Bundesverwaltungsgericht habe keine konkreten Feststellungen zur Versorgungslage in den Städten Herat und Mazar-e Sharif getroffen. Dem Verwaltungsgerichtshof sei es daher nicht möglich, das angefochtene Erkenntnis hinsichtlich der Annahme zu überprüfen, ob dem Beschwerdeführer tatsächlich im gesamten Staatsgebiet Afghanistans keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehe.

Mit Ladung vom 01.03.2021 brachte das Bundesverwaltungsgericht folgende Länderberichte in das Verfahren ein:

?        Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 16.12.2020, Version 2 (in der Folge: Länderinformationsblatt)

?        EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von September 2020

?        EASO COI Report: Afghanistan. Key socio-economic indicators. Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City von August 2020

?        EASO COI Report: Afghanistan. Regierungsfeindliche Elemente (AGE) von August 2020

?        UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender von 30.08.2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien)

?        EASO Country Guidance: Afghanistan von Dezember 2020 (in der Folge: EASO Country Guidance)

und gab dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde die Gelegenheit zur Stellungnahme.

Am 25.03.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht erneut eine mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter, ein Vertreter der belangten Behörde und ein Dolmetscher für die Sprache Dari teilnahmen.

Die Verhandlungsschrift vom 25.03.2021 wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am selben Tag zugestellt.

Am 07.04.2021 ersuchte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl um Übermittlung der Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG.

Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

?        ÖSD-Zertifikat für das Niveau B1 vom 08.02.2018

?        ÖSD-Zertifikat für das Niveau A2 vom 01.08.2017

?        ÖSD-Zertifikat für das Niveau A1 vom 21.11.2016

?        Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse und andere Bildungsangebote

?        Vereinbarung über Gemeinnütze Beschäftigung

?        Empfehlungsschreiben eines evangelischen Pfarrers

?        Empfehlungsschreiben einer evangelischen Gemeinde

?        Pfarrzeitung

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1.    Zu Person und Lebensumständen Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, wurde im Jahr XXXX in XXXX , Iran geboren und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara. Er bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari, er spricht mit Farsi-Akzent. Er spricht auch Deutsch auf dem Niveau B1 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen.

Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer ist im Iran aufgewachsen, wo er acht Jahre die Schule besucht und zwei Jahre als Mechaniker, zuletzt als Automechaniker, gearbeitet hat.

Der Vater des Beschwerdeführers stammt aus einem Dorf in Ghazni.

Die Familie des Beschwerdeführers, bestehend aus seinen Eltern und zwei jüngeren Schwester, lebt im Iran. Zu ihr besteht Kontakt. Der Vater des Beschwerdeführers arbeitet auf Baustellen und finanziert so den Lebensunterhalt der Familie. Auch ein Onkel und eine Tante des Beschwerdeführers leben im Iran.

Der Beschwerdeführer war noch nie in Afghanistan und hat dort weder Verwandte noch Bekannte. Er verfügt nicht über Ortskenntnisse in einer afghanischen Stadt.

In Österreich hat der Beschwerdeführer Deutschkurse und einen Brückenkurs zum Pflichtschulabschluss besucht. Er verfügt mittlerweile über Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen. Er hat außerdem gemeinnützige Arbeit geleistet.

1. 2.   Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat

Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.

Ghazni war im gesamten Jahr 2019 und auch in den ersten Monaten 2020 stark umkämpft und zählte zu den Hauptschauplätzen von Kämpfen zwischen Taliban und Regierung. Im Oktober 2019 standen beinahe alle von Pashtunen bewohnten Distrikte unter Kontrolle der Taliban, während afghanische Sicherheitskräfte Ghazni Stadt und die von Hazara bewohnten Distrikte kontrollierten. Es gab auch ISKP-Aktivitäten, die zu zivilen Opfern führten. Auch Al Quaeda Zellen sind aktiv. Für das Jahr 2019 sind 673 zivile Opfer (213 Tote und 460 Verletzte) in der Provinz Ghazni dokumentiert. Das entspricht einer Steigerung von 3 % gegenüber 2018. Hautursache für die Opfer waren Selbstmordattentate, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern und Bodenkämpfen. Es kam zu Kämpfen in der Provinz, wobei die Taliban Sicherheitsposten, Militäreinrichtungen oder Konvoys der Regierungskräfte angriffen. Im August 2020 geschah dies auch in der Provinzhauptstadt. Die Regierungskräfte führten Räumungsoperationen durch. Es kam zum Beispiel auch zu Detonationen von Sprengfallen am Straßenrand und Explosionen von an Fahrzeugen angebrachten Bomben auch in Ghazni Stadt, zudem zu Entführungen und Tötungen durch die Taliban.

Bis zum Beginn des Jahres 2019 wurde Balkh als eine relativ ruhige und stabile Provinz Afghanistans beschrieben. Der Einfluss der Taliban in Balkh stieg ab dem Jahr 2019. Zuletzt zählte Balkh zu den konfliktintensivsten Provinzen des Landes. Für die gesamte Provinz sind für das Jahr 2019 277 zivile Opfer (108 Tote und 169 Verletzte) verzeichnet, eine Steigerung von 22% gegenüber 2018. Hauptursachen für die Opfer waren Bodenkämpfe, improvisierte Sprengkörper und gezielte Tötungen. Im Zeitraum 01.01.-30.09.2020 sind 553 zivile Opfer (198 Tote, 355 Verletzte) dokumentiert, was mehr als eine Verdopplung gegenüber derselben Periode im Vorjahr ist. Balkh ist ethnisch divers und wird unter anderem von Hazara bewohnt. In Mazar- e Sharif kam es zu einem Anstieg der Kriminalität infolge der Amtsniederlegung durch Atta Mohammad Noor im Dezember 2017, bewaffnete Raubüberfälle, Morde, Kämpfe und Entführungen haben zugenommen. Zuletzt war die Stadt auch Schauplatz von Kämpfen im Kontext politischer Streitigkeiten und Machtspiele. Dies hat zu zivilen Opfern und Schäden an Häusern geführt. Mazar-e Sharif steht unter Regierungskontrolle.

Herat zählt zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, einige Distrikte sind umkämpft oder werden von den Taliban kontrolliert. Für das Jahr 2019 sind in der Provinz Herat 400 zivile Opfer (144 Tote, 256 Verletzte) dokumentiert, dies entspricht einer Steigerung von 54 % gegenüber dem Jahr 2018. Hauptursachen waren improvisierte Sprengkörper, Bodenkämpfe und gezielte Tötungen. Im Jahr 2020 wurden mehr Fälle von zivilen Opfern aufgrund von Luftangriffen gemeldet. Es kommt zu Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Taliban, Angriffen auf Regierungseinrichtungen und Operationen von Regierungstruppen. Herat (Stadt) steht weiterhin unter Regierungskontrolle. Die Stadt verfügt über einen internationalen Flughafen. Es kam zu einer Serie von Sicherheitsvorfällen, darunter gezielte Tötungen und Angriffe auf die Polizei Ende 2019 und zu Beginn des Jahres 2020. Das Kriminalitätsniveau ist hoch.

Kabul (Stadt) steht weiterhin unter Kontrolle der afghanischen Regierung und ist Ziel für Aufständische, die Angriffe in der Stadt durchführen. Aufständische – insbesondere die Taliban und ISKP – führen weiterhin Angriffe auf „priority targets“ in Kabul durch, afghanische Regierungsgebäude und -beamte, die afghanischen Sicherheitskräfte und hochrangige internationale Institutionen, sowohl militärische als auch zivile, gelten als die Hauptziele in Kabul-Stadt. Straßen-Kriminalität stellt auch in Kabul ein Problem dar, es kommt zu Fällen von Straßenraub und Hausüberfälle. Der Konflikt ist in Kabul-Stadt durch asymmetrische taktische Kriegsführung charakterisiert, insbesondere Selbstmordanschläge und unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen kommen zum Einsatz. Zuletzt kam es zu einem Anstieg von Kriminalität und Sicherheitsvorfällen und die Aufständischen haben sich mehr auf gezielte Tötungen verlegt, während sonstige Sicherheitsvorfälle zurückgingen. Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen. Für die Provinz Kabul sind für das Jahr 2019 1.563 zivile Opfer (261 Tote, 1.302 Verletze) dokumentiert, dies entspricht einem Rückgang von 16 % gegenüber 2018. Hauptursachen waren Selbstmordangriffe, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern und gezielten Tötungen.

Der durch die afghanische Regierung geleistete Menschenrechtsschutz ist trotz ihrer ausdrücklichen Verpflichtungen, nationale und internationale Menschenrechtsverpflichtungen einzuhalten, inkonsistent. Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden unabhängig von der tatsächlichen Kontrolle über das betreffende Gebiet durch den Staat und seine Vertreter, regierungsnahe Gruppen und regierungsfeindliche Gruppierungen statt. Straflosigkeit ist weit verbreitet. Besonders schwere Menschenrechtsverletzungen sind insbesondere in umkämpften Gebieten verbreitet. Das formale Justizsystem ist schwach ausgeprägt, Korruption, Drohungen, Befangenheit und politische Einflussnahme sind weit verbreitet, es mangelt an ausgebildetem Personal und Ressourcen. Die Sicherheitskräfte wenden unverhältnismäßige Gewalt an, Folter ist in Haftanstalten weit verbreitet.

Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt. Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, dies gilt in besonderem Maße für Rückkehrer. Diese bereits prekäre Lage hat sich seit März 2020 durch die Covid-19-Pandemie stetig weiter verschärft. In urbanen Gebieten leben rund 41,6% unter der nationalen Armutsgrenze. Die afghanische Wirtschaft stützt sich hauptsächlich auf den informellen Sektor (einschließlich illegaler Aktivitäten), der 80 bis 90 % der gesamten Wirtschaftstätigkeit ausmacht und weitgehend das tatsächliche Einkommen der afghanischen Haushalte bestimmt. Das Wirtschaftswachstum konnte sich zuletzt aufgrund der besseren Witterungsbedingungen für die Landwirtschaft erholen und lag 2019 laut Weltbank-Schätzungen bei 2,9%. Für 2020 geht die Weltbank Covid-19-bedingt von einer Rezession (bis zu -8% BIP) aus. 2016/2017 waren rund 45 % der Menschen von anhaltender oder vorrübergehender Lebensmittelunsicherheit betroffen.

Der Arbeitsmarkt ist durch eine niedrige Erwerbsquote, hohe Arbeitslosigkeit, sowie Unterbeschäftigung und prekäre Arbeitsverhältnisse charakterisiert. Die Arbeitslosenquote innerhalb der erwerbsfähigen Bevölkerung liegt auf hohem Niveau und dürfte wegen der Covid-19-Pandemie wieder steigen. Letzten Schätzungen zufolge sind 1,9 Millionen Afghan/innen arbeitslos. Bei der Arbeitssuche spielen persönliche Kontakte eine wichtige Rolle. Ohne Netzwerke, ist die Arbeitssuche schwierig. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen.

Finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit existiert nicht. Ein Mangel an Bildung korreliert mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind.

Mazar-e Sharif gilt als Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen, welche Kunsthandwerk und Teppiche anbieten. Die Arbeitsmarktsituation ist auch In Mazar-e Sharif eine der größten Herausforderungen. Auf Stellenausschreibungen melden sich innerhalb einer kurzen Zeitspanne sehr viele Bewerber und ohne Kontakte ist es schwer einen Arbeitsplatz zu finden. In den Distrikten ist die Anzahl der Arbeitslosen hoch. Die meisten Arbeitssuchenden begeben sich nach Mazar-e Sharif, um Arbeit zu finden. In Mazar-e Sharif stehen zahlreiche Wohnungen zur Verfügung. Auch eine Person, die in Mazar-e Sharif keine Familie hat, sollte in der Lage sein, dort Wohnraum zu finden. Des Weiteren gibt es in Mazar-e Sharif eine Anzahl von Hotels sowie Gast- oder Teehäusern, welche unter anderem von Tagelöhnern zur Übernachtung benutzt werden.

Die Wirtschaft der Provinz Kabul hat einen weitgehend städtischen Charakter, wobei die wirtschaftlich aktive Bevölkerung in Beschäftigungsfeldern, wie dem Handel, Dienstleistungen oder einfachen Berufen tätig ist. Kabul-Stadt hat einen hohen Anteil an Lohnarbeitern, während Selbstständigkeit im Vergleich zu den ländlichen Gebieten Afghanistans weniger verbreitet ist. Zu den wichtigsten Arbeitgebern in Kabul gehört der Dienstleistungssektor, darunter auch die öffentliche Verwaltung. Die Gehälter sind in Kabul im Allgemeinen höher als in anderen Provinzen, insbesondere für diejenigen, welche für ausländische Organisationen arbeiten. Kabul ist das wichtigste Handels- und Beschäftigungszentrum Afghanistans und hat ein größeres Einzugsgebiet in den Provinzen Parwan, Logar und Wardak.

Aufgrund der sehr jungen Bevölkerung ist der Anteil der Personen im erwerbsfähigen Alter in Herat - wie auch in anderen afghanischen Städten - vergleichsweise klein. Erwerbstätige müssen also eine große Anzahl an von ihnen abhängigen Personen versorgen. Hinzu kommt, dass die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung in Herat Tagelöhner sind, welche Schwankungen auf dem Arbeitsmarkt in besonderem Ausmaß ausgesetzt sind. Die Herater Wirtschaft bietet seit langem Arbeitsmöglichkeiten im Handel, darunter den Import und Export von Waren mit dem benachbarten Iran. Die Industrie der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs) ist insbesondere im Handwerksbereich und in der Seiden- und Teppichproduktion gut entwickelt. Manche alten Handwerksberufe (Teppichknüpfereien, Glasbläsereien, die Herstellung von Stickereien) haben es geschafft zu überleben, während sich auch bestimmte moderne Industrien entwickelt haben (z.B. Lebensmittelverarbeitung und Verpackung). Die Arbeitsplätze sind allerdings von der volatilen Sicherheitslage bedroht (insbesondere Entführungen von Geschäftsleuten oder deren Angehörigen durch kriminelle Netzwerke, im stillen Einverständnis mit der Polizei). Als weitere Probleme werden Stromknappheit, bzw. -ausfälle, Schwierigkeiten, mit iranischen oder anderen ausländischen Importen zu konkurrieren und eine steigende Arbeitslosigkeit genannt.

Afghanistan ist von der COVID-Pandemie betroffen, die Zahl der Fälle geht seit Juni 2020 kontinuierlich zurück. Die Versorgung Erkrankter ist mangelhaft, es mangelt an Kapazitäten. Durch die COVID-19 Pandemie hat sich der allgemeine Zugang der Bevölkerung zu medizinischer Behandlung verringert.

Die COVID-19-Krise führte in der ersten Hälfte des Jahres 2020 zu einem deutlichen Anstieg der Lebensmittelpreise. Die Preise scheinen seit April 2020, nach Verteilung von Weizen aus strategischen Getreidereserven, Durchsetzung von Anti-Preismanipulations-Regelungen und der Wiederöffnung der Grenzen für Lebensmittelimporte, wieder gesunken zu sein. zwischen März und November 2020 die Preise für einzelne Lebensmittel (Zucker, Öl, Reis…) um zwischen 18-31% gestiegen sind. Zusätzlich belastet die COVID-19-Krise mit einhergehender wirtschaftlicher Rezession die privaten Haushalte stark. Es gibt Hinweise darauf, dass die COVID-19-Pandemie erhebliche negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage in Afghanistan hat, einschließlich des Arbeitsmarktes. Insgesamt ist die Situation vor allem für Tagelöhner sehr schwierig, da viele Wirtschaftssektoren von den Lockdown-Maßnahmen im Zusammenhang mit COVID-19 negativ betroffen sind. Die Lockdown-Maßnahmen haben die bestehenden prekären Lebensgrundlagen in dem Maße verschärft, dass bis Juli 2020 84% der durch IOM-Befragten angaben, dass sie ohne Zugang zu außerhäuslicher Arbeit (im Falle einer Quarantäne) ihre grundlegenden Haushaltsbedürfnisse nicht länger als zwei Wochen erfüllen könnten; diese Zahl steigt auf 98% im Falle einer vierwöchigen Quarantäne. Ein „Lockdown“ oder Beschränkungen der Bewegungsfreiheit sind in Mazar-e Sharif, Herat oder Kabul aktuell nicht in Kraft.

Die Verfügbarkeit und Qualität der medizinischen Grundbehandlung ist durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten, Ärztinnen und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. In großen Städten ist die medizinische Versorgung grundsätzlich sichergestellt.

Es gibt Unterstützung für Rückkehrer, etwa von UNHCR und IOM.

Ohne familiäre Netzwerke kann es sehr schwer sein sich selbst zu erhalten, da in Afghanistan vieles von sozialen Netzwerken abhängig ist. Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich. Die Rolle sozialer Netzwerke – Familie, Freunde, Bekannte – ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Fehlende Vertrautheit mit kulturellen Besonderheiten und sozialen Normen erschwert die Integration und Existenzgründung. Das Bestehen sozialer und familiärer Netzwerke am Ankunftsort nimmt auch hierbei eine zentrale Rolle ein. Über diese können die genannten Integrationshemmnisse abgefedert werden, indem die erforderlichen Fähigkeiten etwa im Umgang mit lokalen Behörden sowie sozial erwünschtes Verhalten vermittelt werden und für die Vertrauenswürdigkeit der Rückkehrer gebürgt wird. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab.

Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Offensichtlich sind sprachliche Barrieren, von denen vor allem Rückkehrer aus dem Iran betroffen sind, weil sie Farsi (die iranische Landessprache) oder Dari (die afghanische Landessprache) mit iranischem Akzent sprechen. Zudem können fehlende Vertrautheit mit kulturellen Besonderheiten und sozialen Normen die Integration und Existenzgründung erschweren. Das Bestehen sozialer und familiärer Netzwerke am Ankunftsort nimmt auch hierbei eine zentrale Rolle ein. Über diese können die genannten Integrationshemmnisse abgefedert werden, indem die erforderlichen Fähigkeiten etwa im Umgang mit lokalen Behörden sowie sozial erwünschtes Verhalten vermittelt werden und für die Vertrauenswürdigkeit der Rückkehrer gebürgt wird. Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen.

2.       Beweiswürdigung:

2.1.    Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zu Identität, Geburts- und Herkunftsort, Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit und Sprachkenntnissen des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen gleichbleibenden Angaben im Verfahren, wobei die Feststellung, dass der Beschwerdeführer mit Faris-Akzent spricht, auf den Angaben des Dolmetschers im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.07.2019 beruht (Verhandlungsprotokoll S. 17). Die Feststellung zu den Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers beruht auf dem vorgelegten ÖSD-Zertifikat, wobei sich das Bundesverwaltungsgericht auch im Zuge der mündlichen Verhandlung am 12.07.2019 von den bereits sehr guten Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers überzeugen konnte. Die Feststellung zur Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers wird sogleich unten im Zuge der Würdigung des Fluchtvorbringens ihre beweiswürdigende Begründung finden.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.

Dass der Beschwerdeführer gesund ist, ergibt sich daraus, dass ein anderslautendes Vorbringen nicht erstattet und im Lauf des Verfahrens auch keine ärztlichen Unterlagen vorgelegt wurden, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Beschwerdeführers nachweisen würden.

Die Feststellung zum Lebenswandel des Beschwerdeführers im Iran ergibt sich aus dessen plausiblen Angaben, an denen auch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl keine Zweifel hegte und die es dem angefochtenen Bescheid zugrunde legte.

Die Feststellung, dass der Vater des Beschwerdeführers aus einem Dorf in Ghazni stammt, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 17.10.2017 (Einvernahmeprotokoll S. 5, AS 145).

Die Feststellung zum Verbleib der Angehörigen des Beschwerdeführers beruht auf den plausiblen Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.07.2019 sowie in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 17.10.2017. Dass zu den Eltern bzw. zur Mutter Kontakt besteht, hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.07.2019 (Verhandlungsprotokoll S. 6). Und auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 25.03.2021 nochmals bestätigt (OZ 25, S. 3-4).

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer noch nie in Afghanistan war und dort weder Bekannte noch Verwandte hat, beruht auf seinen eigenen – vor dem Hintergrund seiner Lebensgeschichte – Angaben, wobei zusätzlich anzumerken ist, dass auch das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 04.06.2019 berichtet, dass zwar alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan hätten, zu der sie zurückkehren könnten. Es wird aber auch eingeräumt, dass jene Fälle eine Ausnahme von dieser Regel darstellen würden, deren familiäre Netzte in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen würden (Kapitel 23. Rückkehr, Abschnitt Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer/innen). Angesichts der langen Abwesenheit der Familie des Beschwerdeführers aus Afghanistan erscheinen die Angaben des Beschwerdeführers, er verfüge über keinerlei soziale Beziehung nach Afghanistan, auch vor dem Hintergrund der Länderinformationen als plausibel. Dass er nicht über Ortskenntnisse in einer afghanischen Stadt verfügt, hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung am 25.03.2021 angegeben (OZ 25, S. 4). Dies ist, nachdem der Beschwerdeführer nie in Afghanistan war, auch plausibel.

Die Feststellungen zu den Aktivitäten des Beschwerdeführers im Bundesgebiet beruhen auf den hierzu vorgelegten Bestätigungen, sowie auch den Angaben des Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht.

2.2.    Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat

Die Feststellung zum internationalen bewaffneten Konflikt in Afghanistan beruht auf dem Länderinformationsblatt, der EASO Country Guidance und den UNHCR-Richtlinien.

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Ghazni beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 5. Sicherheitslage, Unterkapitel 5.10 Ghazni, sowie der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel 3. Subsidiary protection, Unterkapitel 3.3 Article 15(c) QD, Abschnitt Ghazni, S. 123-124).

Die Feststellungen zur Sicherheitslag ein Balkh beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 5.5. Balkh, sowie auf dem EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von September 2020, Kapitel 2.5. Balkh, S. 90 ff., insbesondere Unterkapitel 2.5.2 Conflict background and actors in Balkh, S. 91 ff. Die Feststellungen zur Entwicklung der Sicherheitslage in Mazar-e Sharif beruhen auf der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel 3.3. Article 15 (c) QD, Abschnitt Balkh, S. 117-119, insbesondere Unterabschnitt Focus on the provincial capital: Mazar-e Sharif, S. 118-119.

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Herat beruhen auf der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel 3.3. Article 15 (c) QD, Abschnitt Herat, S. 126-127, sowie auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 5.13 Herat.

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Kabul beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 5.1. Kabul, sowie auf der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel 3.3. Article 15 (c) QD, Abschnitt Kabul, S. 128 ff., insbesondere Unterabschnitt Focus on the capital: Kabul City, S. 129-130.

Die Feststellungen zur Menschenrechtslage beruhen auf den vom Bundesverwaltungsgericht mit Ladung vom 23.12.2020 (OZ 6) in das Verfahren eingebrachten UNHCR-Richtlinien, Kapitel II. Überblick über die Situation in Afghanistan, Unterkapitel C. Die Menschenrechtssituation, S. 26 ff., sowie dem damit übereinstimmenden Länderinformationsblatt, Kapitel 6. Rechtsschutz/Justizwesen, 8. Folter und unmenschliche Behandlung und 12. Allgemeine Menschenrechtslage.

Die Feststellungen zur Wirtschaftslage beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 22. Grundversorgung. Dort finden sich auch Informationen zum Finanzsektor.

Die Feststellungen zur COVID-Pandemie beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. COVID-19, die Feststellungen zur medizinischen Grundversorgung beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 23 Medizinische Versorgung. Zum Lockdown bzw. Einschränkungen der Bewegungsfreiheit ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer zwar ausführt, die Bewegungsfreiheit sei bedingt durch die Pandemie beschränkt. Dies ist dem Länderinformationsblatt jedoch nur im Hinblick auf die Vergangenheit zu entnehmen (3. COVID-19), während für die Gegenwart berichtet wird, es gebe gegenwärtig in den Städten Mazar-e Sharif, Herat und Kabul keine Ausgangssperren. Hinweise auf eine Änderung dieses Umstandes waren für das Bundesverwaltungsgericht nicht auffindbar.

Die Feststellungen zur Situation von Rückkehrern beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 24. Rückkehr.

Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken („Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und der Verwaltungsgerichtshof auch hinsichtlich der Einschätzung von EASO von einer besonderen Bedeutung ausgeht und eine Auseinandersetzung mit den „EASO-Richtlinien“ verlangt (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0405). Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG ist das Bundesverwaltungsgericht, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision stattgegeben hat, verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihm zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Eine Bindungswirkung aufhebender Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes ist nach dessen ständiger Rechtsprechung jedoch nur im Falle einer unveränderten Sach- und Rechtslage gegeben (VwGH 21.12.2012, 2008/17/0137). Das Bundesverwaltungsgericht hat somit über die Voraussetzungen zur Gewährung des subsidiären Schutzes nach der aktuellen Sach- und Rechtslage entsprechend der aktuellen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes neuerlich zu entscheiden, wobei es insbesondere die jüngsten Entwicklungen der Lage im Herkunftsstaat (Covid-Pandemie und deren Auswirkungen, Sicherheitslage) und aktuelle Länderberichte, zu berücksichtigen hat.

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Zwar widerspricht es nach der die Rechtsprechung des EuGH berücksichtigenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Statusrichtlinie, einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder eine Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuzuerkennen (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106). Nachdem aber eine mit der Statusrichtlinie im Einklang stehende Interpretation des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Grenzen der Auslegung nach den innerstaatlichen Auslegungsregeln überschreiten und zu einer Auslegung contra legem führen würde, hielt der Verwaltungsgerichtshof an seiner Rechtsprechung fest, wonach eine reale Gefahr („real risk“) einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat – auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird – die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 begründen kann (VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006).

Um von einer solchen realen Gefahr ausgehen zu können, reicht es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüberhinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (jüngst etwa VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0372).

Im Hinblick auf das Vorliegen einer allgemein prekären Sicherheitslage ist nach der ständigen, auf die Rechtsprechung von EGMR und EuGH bezugnehmenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die Voraussetzung des „real risk“ iSd Art. 3 EMRK nur in sehr extremen Fällen erfüllt. In den übrigen Fällen bedarf es des Nachweises von besonderen Unterscheidungsmerkmalen, aufgrund derer sich die Situation des Betroffenen kritischer darstellt, als für die Bevölkerung im Herkunftsstaat im Allgemeinen (VwGH 12.12.2019, Ra 2019/01/0243).

3.1.    Zu einer Rückkehr in die Herkunftsprovinz

Im Hinblick auf die Herkunftsprovinz Ghazni ist dem festgestellten Sachverhalt zu entnehmen, dass diese zuletzt zu den besonders stark umkämpfen Provinzen zählte, zahlreiche Distrikte unter Kontrolle der Taliban stehen und es insbesondere zu Kampfhandlungen und Angriffen durch die Taliban kommt.

Der Einschätzung der EASO Country Guidance zufolge ist das Gewaltniveau in der Provinz Ghazni generell hoch, jedoch reiche die bloße Anwesenheit in der Provinz noch nicht aus, um vom reale Riko ernsthaften Schadens iSd Art. 15 lit. c Statusrichtlinie auszugehen. Individuelle Elemente seien zu berücksichtigen (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, 3.3 Article 15(c) QD, Abschnitt Ghazni, S. 124). Gegenständlich ist im Hinblick auf die individuellen Umstände, nämlich, dass der Beschwerdeführer noch nie in Afghanistan war und damit weder über Ortskenntnisse in Ghazni, noch über Erfahrung im Umgang mit den Konflikt Parteien und im Verhalten bei Sicherheitsvorfällen und auch nicht über soziale Anknüpfungspunkte in Ghazni verfügt, davon auszugehen, dass ihm im Fall der Rückkehr in seine Herkunftsregion die reale Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte droht.

3.2.    Zum Nichtverfügbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht.

Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann.

Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind nach dem klaren Wortlaut des § 11 AsylG 2005 zwei getrennte und selbstständig zu prüfende Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative zu unterscheiden. Einerseits muss geprüft werden, ob in dem als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefasste Gebiet Schutz vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, gegeben ist. Die zweite Voraussetzung für das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative bildet nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Frage, ob dem Asylwerber der Aufenthalt in diesem Gebiet zugemutet werden kann. Die Zumutbarkeit des Aufenthalts ist von der Frage der Schutzgewährung in diesem Gebiet zu trennen (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001 mwN). Selbst wenn in dem betreffenden Gebiet also keine Verhältnisse herrschen, die die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtfertigen, wäre die innerstaatliche Fluchtalternative bei Unzumutbarkeit des Aufenthalts in diesem Gebiet zu verneinen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss es dem Asylwerber im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten möglich sein, Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Ob dies der Fall ist, erfordert eine Beurteilung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und der persönlichen Umstände des Asylwerbers. Es handelt sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss (Zuletzt VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0533).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht eine schwierige Lebenssituation bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche, sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall einer Rückkehr vorfinden würde, für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um die Zumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative zu verneinen (VwGH 20.08.2020, Ra 2020/19/0239).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich das Bundesverwaltungsgericht bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative auch mit den UNHCR-Richtlinien und den Vorgaben der EASO Country Guidance Notes in adäquater Weise auseinanderzusetzen (VwGH 22.07.2020, Ra 2020/18/0090).

Maßgebliche Faktoren für die Zumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative sind nach der Einschätzung von EASO und UNHCR im Hinblick auf die persönlichen Umstände Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, ethnischer und sprachlicher Hintergrund, Religion, das Vorhandensein von Identitätsdokumenten, Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten, sozialer und ökonomischer Hintergrund, Bildungshintergrund, Zugang zu einem sozialen Unterstützungsnetzwerk und Religion (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel 5. Internal protection alternative, Abschnitt Reasonableness to settle, insbesondere S. 172 ff. und UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe a) Die persönlichen Umstände des Antragstellers, S. 122).

EASO führt zudem konkrete Personenprofile samt Schlussfolgerungen an, wobei gegenständlich das Profil „Applicants who were born and/or lived outside Afghanistan for a verly long period of time“ (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Abschnitt Reasonableness to settle, S. 135 ff., Unterabschnitt Conclusions on reasonableness: particular profiles encountered in practice, S. 138-139) in Betracht kommt. Zu Antragstellern, die außerhalb Afghanistans geboren wurden und bzw. oder eine längere Zeit außerhalb Afghanistans gelebt hätten, führt EASO unter diesem Profil aus, diesen könne essentielles lokales Wissen fehlen, dass Voraussetzung für den Zugang zu Grundversorgung ist. Ein soziales Netzwerk könne den Antragsteller mit solchem Wissen versorgen. Der Hintergrund des Antragstellers, auch Ausbildung, Berufserfahrung und soziale Verbindungen, wie auch Lebenserfahrung im Hinblick auf ein selbstständiges Leben außerhalb Afghanistans seien zu berücksichtigen.

Der Verfassungsgerichtshof hat zuletzt wiederholt unter Bezugnahme auf das eben zitierte Profil der EASO Country Guidance ausgesprochen, dass für Rückkehrer, die seit dem frühen Kindesalter außerhalb von Afghanistan gelebt haben, qualifizierte Umstände im Hinblick auf Unterstützungsnetzwerke, Ortskenntnis, Bildungs- und Berufserfahrung einschließlich Selbsterhaltungsfähigkeit außerhalb Afghanistans hinzutreten müssen (etwa VfGH 24.11.2020, E 2304/2020).

Beim Beschwerdeführer handelt es sich zwar um einen jungen, gesunden, arbeitsfähigen Mann. Allerdings ist der Beschwerdeführer im Iran geboren, hat seither im Iran und Österreich gelebt und ist nie mehr nach Afghanistan zurückgekehrt. Weiter verfügt der Beschwerdeführer nicht über Angehörige oder sonstige soziale Verbindungen in Afghanistan. Auch im Bildungsweg des Beschwerdeführers sind keine besonders qualifizierenden Umstände ersichtlich. So hat dieser zwar acht Jahre die Schule und auch in Österreich Kurse besucht. Der Beschwerdeführer verfügt damit jedoch nicht über eine besondere Vorbildung und auch nicht über eine Berufsausbildung. Der Beschwerdeführer verfügt zudem kaum über Berufserfahrung, wobei zur vor der Einreise gesammelten „Berufserfahrung“ anzumerken ist, dass der Beschwerdeführer diese als Minderjähriger gesammelt hat. Diese fällt daher nicht erheblich ins Gewicht. Insgesamt sind qualifizierte Umstände, die eine Rückkehr des Beschwerdeführers im Sinne der eben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VfGH 24.11.2020, E 2304/2020) und der EASO Country Guidance zumutbar erscheinen lassen, damit gegenständlich nicht ersichtlich.

Der Beschwerde war daher hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis VI. stattzugeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 des Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen.

3.3.    Zur befristeten Aufenthaltsberechtigung

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Das Bundesverwaltungsgericht erkannte dem Beschwerdeführer mit vorliegendem Erkenntnis den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu, sodass eine befristete Aufenthaltsberechtigung in der Dauer von einem Jahr zu erteilen war.

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterscheidet § 8 Abs. 4 AsylG 2005 zwischen dem Status des subsidiär Schutzberechtigten und der zu erteilenden Aufenthaltsberechtigung, die Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung ist zusätzlich zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vorgesehen (VwGH 30.10.2019, Ro 2019/14/0007). Sie erfolgt demnach konstitutiv.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem klargestellt, dass gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 die Gültigkeitsdauer nicht nur aus Anlass der erstmaligen Erteilung der Aufenthaltsberechtigung, sondern auch bei der Erteilung der verlängerten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ausgehend vom Entscheidungszeitpunkt festzulegen ist (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0281).

Den Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27.04.2016, Ra 2015/05/0069 dahingehend präzisiert, dass bei Kollegialorganen der Zeitpunkt der Willensbildung (Beschlussfassung) und bei monokratischen Organen jener der Erlassung (Zustellung oder mündliche Verkündung) der Entscheidung maßgeblich ist (siehe auch Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 29 VwGVG [Stand 15.2.2017, rdb.at], Rz 17). Darauf, dass die rechtlichen Wirkungen eines Erkenntnisses (des Einzelrichters) erst mit dessen Zustellung eintreten, hat der Verwaltungsgerichthof auch jüngst im Zusammenhang mit der Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 hingewiesen (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0281).

Auch gegenständlich entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, weswegen Festlegung der einjährigen Gültigkeitsdauer der den Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführern erteilten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte ausgehend vom Zeitpunkt der mündlichen Verkündung des gegenständlichen Erkenntnisses datumsmäßige erfolgen konnte.

4.        Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht folgt bei seiner Entscheidung der unter 3. Umfassend zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und hat auf Grundlage aktueller Länderberichte dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.01.2021, Ra 2019/19/0403 folgend umfassende Feststellungen zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat getroffen, berücksichtigt die UNHCR-Richtlinien, sowie die im Entscheidungszeitpunkt des Bundesverwaltungsgericht aktuelle EASO Country Guidance und folgt diesbezüglich der jüngsten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH 24.11.2020, E 2304/2020).

Schlagworte

befristete Aufenthaltsberechtigung Ersatzentscheidung Rechtsanschauung des VfGH Rückkehrsituation Sicherheitslage subsidiärer Schutz Zumutbarkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W109.2176647.1.00

Im RIS seit

10.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten