Entscheidungsdatum
18.10.2021Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W254 2209188-4/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr.in Tatjana CARDONA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. IRAN, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.07.2021, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz (in Rechtskraft erwachsen):
1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden kurz „BF“ genannt), ein iranischer Staatsangehöriger, stellte erstmals am XXXX 2016 nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.2. Anlässlich der Erstbefragung am selben Tag gab der BF als Grund für seine Ausreise an, er sei vom Islam zum Christentum konvertiert, weshalb er den Iran verlassen habe müssen, da Religionswechsel bedeute, umgebracht zu werden. Er habe einen Brief von der Regierung erhalten, in dem gestanden habe, dass er umgebracht werde; er wisse nicht, wo sich der Brief befinde und habe einem seiner Freunde seinen Glaubenswechsel verraten.
1.3. Am 06.01.2018 erfolgte eine Mitteilung der LPD XXXX an das BFA, wonach der BF unangemeldet in einem Club als Türsteher arbeite.
1.4. Am 18.08.2018 legte der BF einen Taufschein, ausgestellt vom XXXX vom 14.08.2016 beim BFA vor.
1.5. Am XXXX 2018 erfolgte die Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: „BFA“ oder „belangte Behörde“). Eingangs erklärte der BF er habe hinsichtlich der Reisedauer und der durchreisten Staaten gelogen und habe er auch Mazedonien durchreist; überdies habe er entgegen seiner Angaben in der Erstbefragung seit 2012 einen Bruder in Österreich. Außerdem sei er nicht illegal, sondern legal mit seinem Reisepass aus dem Iran in die Türkei, wo er den Pass vernichtet habe, ausgereist. Die Falschangaben in der Erstbefragung habe er auf Anraten von Leuten gemacht; auch die Vernichtung des Reisepasses sei auf Anraten erfolgt. Der BF legte einen Führerschein, seine Geburtsurkunde und seinen Personalausweis sowie verschiedene Empfehlungsschreiben und einen Zeitungsartikel vor. Er habe im Iran als selbständiger Handyverkäufer und -techniker gearbeitet und ca. 1200 Euro netto verdient.
Im 9. Monat des Jahres 2015 habe er seine Religion gewechselt und dann in Absprache mit seinem in Österreich lebenden Bruder den Ausreiseentschluss gefasst; wenn bekannt werden würde, dass er Christ sei, würde er Probleme bekommen. Er habe von der Religion nichts wissen wollen, bis er 2013 bzw. 2014 über eine religiöse Sendung im Fernsehen mit dem Christentum in Kontakt getreten sei. Er habe durch Lesen den Islam und das Christentum verglichen; das Christentum sei eine sehr freundliche Religion und der richtige Wegweiser, wie man sich verhalten solle; dies sei alles, an das er sich erinnern könne. Früher sei er zornig und aggressiv gewesen, doch sei nun das Gegenteil eingetreten.
Auch habe er die Bibel gelesen. Er habe auch an einem Bibelkurs teilgenommen. Gefragt, wie er Weihnachten feiere, erklärte der BF, die Geburt Christi und es werden Eier gefärbt; dies sei alles, dann sei neues Jahr. Gefragt, wie er Ostern feiere, gab der BF an, es gebe eine Versammlung in der Kirche und es werde gefeiert. Weiter gefragt, aus welchem Anlass das Osterfest gefeiert werde, erklärte der BF, es werde eine Messe gehalten und es werde für die Menschheit gebetet. Was an Pfingsten gefeiert werde, wisse er nicht.
Zu seinem christlichen Glauben habe er auch auf Facebook und Instagram unter dem Namen XXXX gepostet. Es sei ein Foto von ihm zu sehen und sei die Seite für jeden zugänglich. Er könne jedoch nicht belegen, dass er Christliches gepostet habe und würden die Einträge nach einem Tag gelöscht werden. Seit seiner Taufe am 14.08.2016 fühle er sich als Christ.
In weiterer Folge wurden dem BF Wissensfragen zum christlichen Glauben sowie zu seinem Leben in Österreich gestellt.
1.6. Am 05.09.2018 langte beim BFA eine Verständigung von der Anklageerhebung gegen den BF wegen § 83 Abs. 1 StGB (Körperverletzung) ein und wurde über Rückfrage des BFA am 17.09.2018 mitgeteilt, dass die Anklageerhebung am 30.08.2018 erstellt worden sei.
1.7. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 17.09.2018 wurde de BF gem. § 13 Abs. 2 AsylG der Verlust seines Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet wegen der betreffenden Anklage mitgeteilt und der BF aufgefordert, seine Aufenthaltsberechtigungskarte zu retournieren.
1.8. Mit Bescheid des BFA vom XXXX 2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft betrage (Spruchpunkt VI.). Weiters wurde festgestellt, dass der BF sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet gem. § 13 Abs. 2 Z 2 AsylG ab 30.08.2018 verloren habe (Spruchpunkt VII.).
Das BFA stellte zusammengefasst fest, dass im Falle des BF, dessen Identität nicht feststehe, keine Verfolgung im Sinne der GFK existent sei, da die seitens des BF angegebenen Gründe für die Ausreise nicht glaubwürdig seien. Bei der in Österreich vorgenommenen Konversion handle es sich um eine Scheinkonversion.
Der Brief, den der BF seitens der Regierung erhalten haben solle und in dem er mit dem Umbringen bedroht worden sei, sei seitens des BF in der behördlichen Einvernahme nicht mehr erwähnt worden und habe er diesen lediglich in der Erstbefragung angegeben; vielmehr habe der BF in der Einvernahme die Frage, ob er von staatlichen Behörden gesucht werde, verneint, sodass nicht von der Existenz eines solchen Briefes auszugehen sei; auch sei nicht nachvollziehbar, dass der BF nicht wisse, wo sich der Brief befinde und sei überdies auch eine solche Vorgehensweise der iranischen Behörden nicht plausibel.
Auch gäbe es keine Rückkehrgefährdung des BF und bestehe in Österreich kein schützenswertes Privat- oder Familienleben.
Auch die angegebene legale Ausreise des BF aus dem Iran erschüttere die Glaubwürdigkeit seiner Angaben, wonach er seitens der Behörden mit dem Umbringen bedroht worden sei, zumal er diesfalls nicht den Weg der legalen Ausreise gewählt hätte und wäre es einer staatlich verfolgten Person nicht möglich, legal auszureisen. Auch habe der BF keine nachvollziehbaren Angaben zum Ausreisegrund treffen können.
Der BF habe auch angegeben, im 9. Monat des Jahres 2015 seine Religion gewechselt zu haben, wohingegen er an anderer Stelle des Vorbringens behauptet habe, sich seit seiner Taufe am 14.08.2016 als Christ zu fühlen, worin ein weiterer Widerspruch in den Angaben des BF zu erblicken sei.
Der XXXX umfasse ca. 20.000 Mitglieder und sei gerade in der Flüchtlingshilfe engagiert und falle durch die starke Missionierungstätigkeit auf. Es sei durch die Taufe des BF eine Win-Win Situation entstanden, indem die Kirchengemeinde ein neues Mitglied und der BF ein Dokument bekommen habe.
Der BF sei bereits vier Monate nach dem Besuch des ersten Bibelkurses getauft worden, was ebenso für die Win-Win Situation spreche.
Auch habe der BF angegeben, die islamische Religion nicht praktiziert zu haben und kein gläubiger Moslem gewesen zu sein, sodass nicht nachvollziehbar sei, wie der BF den Islam und das Christentum verglichen haben soll und habe der BF hinsichtlich des angegebenen Religionsvergleiches lediglich dürftige und pauschale Angaben machen können und hätten sich im Zuge dessen gravierende Mängel im Hinblick auf den Islam offenbart.
Auch seien die Kenntnisse und das Wissen über die Glaubenssätze einer Religion bei Menschen, die im Erwachsenenalter konvertieren, in der Regel höher als bei jenen die vom Kindesalter an einer gewissen Religion angehört haben. Der Religionswechsel im Erwachsenenalter beruhe auf einer bewussten Entscheidung, sodass im Vorfeld entsprechende Informationen im Sinne einer vergleichenden und vertiefenden Auseinandersetzung über die neue Religion eingeholt werden, weshalb an einen Konvertiten im Erwachsenenalter ein strengerer Maßstab anzulegen sei als bei einem „gebürtigen Christen“. Der BF scheine sich nie wirklich mit dem Islam beschäftigt oder diesen mit dem Christentum verglichen zu haben, weshalb ein Abfall vom Islam mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne.
Der BF habe zwar auf bestimmte Fragen ein theoretisches Wissen gezeigt, doch habe es seiner Schilderung an einer tiefsinnigen Interpretation gemangelt, welche von einem überzeugten Christen zu erwarten wäre. Der BF habe die Behörde nicht von einer engen Gottesbindung mit dem dauerhaften, ernsthaften Bedürfnis, ein zentral christlich geprägtes Leben zu führen, zu überzeugen vermocht.
Wenn der BF davon spreche, dass er nunmehr eine positive Gemütswandlung erfahren habe und nicht mehr zornig und aggressiv sei, so stelle dies einen Umgang dar, welcher unabhängig von religiöser Moral in verschiedensten Kulturen gepflegt werde und könne daraus nicht zwangsläufig geschlossen werden, dass der BF Christ sei.
Die innere Überzeugung könne angesichts mangelnder einschlägiger Kenntnis der christlichen Religion sowie wenig tiefgreifenden Verständnis der einzelnen Glaubenssätze nicht geglaubt werden. Auch das ungenaue Zitat einer Bibelstelle spreche gegen eine tiefgreifende Überzeugung des BF und habe der BF nicht vermocht, anzugeben, wo sich diese Stelle befinde und habe der BF insgesamt nicht aufzeigen können, sich mit dem heiligen Buch der Christen beschäftigt zu haben.
Der BF habe auch nicht gewusst, was zu Pfingsten gefeiert werde und habe er zu Weihnachten ausgeführt, dass Eier gefärbt werden würden, doch sei dieser Brauch dem Osterfest zuzuordnen. Insgesamt hätten die Antworten auf die dem BF gestellten Wissensfragen eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben vermissen lassen und habe der BF auch lediglich detailarme Angaben zum protestantischen Glauben gemacht.
Zu den Aktivitäten des BF auf sozialen Netzwerken wurde beweiswürdigend festgehalten, dass sich darin keine Konversion aus tiefster Überzeugung manifestierte, sondern sei daraus vielmehr zu erkennen gewesen, dass der BF zweckbezogen agiert habe. Aufgrund des seitens des BF verwendeten Nicknamens könne kaum auf die Identität des BF geschlossen werden, woran auch die Fotos des BF nichts zu ändern vermögen, zumal aus den seitens des BF vorgelegten Beweismitteln kein Foto vorliege, welches auf die Person des BF schließen lasse. Die seitens des BF geführte Seite mit dem Status „Jesus ist mein Gott“, wo auch christliche Inhalte zur Schau getragen werden, lasse keinen Rückschluss auf die Person des BF zu und könne diesbezüglich asylrelevante Verfolgung ausgeschlossen werden.
Aus den genannten Gründen sei von einer Scheinkonversion des BF auszugehen.
Spruchpunkt II. begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG zu verneinen sei.
In den weiteren Spruchpunkten hielt das BFA fest, dass dem BF keine Aufenthaltsberechtigung gem. § 57 zu erteilen sei, die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung für den Beschwerdeführer keinen Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle und die Abschiebung des BF zulässig sei; letztlich wurde begründet, aus welchem Grund die vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt wurde und dem BF das Aufenthaltsrecht gem. § 13 AsylG entzogen worden sei.
1.9. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schriftsatz seines gleichzeitig bevollmächtigten Vertreters vom 02.11.2018 innerhalb offener Frist vollinhaltlich Beschwerde. Zu deren Inhalt im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise: VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).
Zur behördlichen Beweiswürdigung wurde moniert, dass diese antizipierend sei und die Behörde kein ordentliches Ermittlungsverfahren durchgeführt habe. Zwischen dem BF und dem Dolmetscher habe es in der Einvernahme laufend Verständigungsschwierigkeiten gegeben und sei der BF etwas gestresst gewesen.
Der in Österreich als anerkannter Flüchtling lebende Bruder habe angefangen, mit dem BF über das Christentum zu sprechen und diesen auf religiöse Sendungen im TV aufmerksam gemacht. Im Jahr 2013 habe sich das Interesse des BF verstärkt und sich im Jahr 2015 intensiviert. Auch habe der BF an einem Chatroom, an der sehr viele christlich interessierte Personen beteiligt seien, teilgenommen, wobei er den bereits erwähnten Decknamen verwendet habe. In weiterer Folge habe ihm der Bruder zur Ausreise geraten.
In Österreich habe der BF Leute zum Christentum gebracht und rede er in verschiedenen Asylheimen mit Asylwerbern.
Der BF habe während der Einvernahme nicht erkannt, dass seine Angaben missverstanden worden seien und sei seitens der Behörde auch nicht nachgefragt worden.
Der BF habe nicht ausdrücklich widerrufen, dass er einen Brief von der Regierung erhalten habe und sei davon ausgegangen, dass die Klarstellung, wonach er legal ausgereist sei auch beinhaltet habe, dass er tatsächlich keinen solchen Brief erhalten habe. Nach seiner Ankunft in Österreich sei ihm zu derart unrichtigen Angaben geraten worden, um eine Rückschiebung zu verhindern. In weiterer Folge wurden die Angaben des BF zur Antragsbegründung wiederholt und festgehalten, dass er seit Oktober 2018 jeden Samstag um 16:00 Uhr die Kirche ‚ XXXX ‘ besuche und habe dieser entgegen der behördlichen Beweiswürdigung sehr wohl ein großes Wissen das Christentum betreffend, jedoch sei er im Laufe der Einvernahme zunehmend nervös und unkonzentriert geworden.
Am 23. Oktober 2018 habe er von seiner Schwester erfahren, dass seine Tante und Cousinen von seiner Konversion wissen, da ihn diese auf Instagram gefunden hätten und hätten diese geschworen, dass sie den BF bei der Polizei anzeigen werden, was sicherlich bereits geschehen sei. Die Nachricht habe der BF erst nach der behördlichen Einvernahme erhalten, weshalb diese nicht vom Neuerungsverbot umfasst sei. Letztlich wurden Ausführungen zur Asylrelevanz einer Konversion getroffen.
1.10. Die betreffende Beschwerde langte samt Bezug habendem Verwaltungsakt am 09.11.2018 in der damals zuständigen Gerichtsabteilung ein.
1.11. Am 27.12.2018 langte hg. ein Abschlussbericht der LPD XXXX vom 04.12.2018 ein, wonach gegen den BF der Verdacht der versuchten schweren Körperverletzung bestehe und langte am 14.01.2019 eine Verständigung von der betreffenden Hauptverhandlung ein.
1.12. Am XXXX 2019 langte hg. die Einstellung hinsichtlich des Strafverfahrens zu XXXX nach Erbringung von 50 Stunden gemeinnütziger Leistungen durch den BF sowie der Bescheid des BFA vom XXXX 2019 über das Wiederaufleben des Aufenthaltsrechts des BF im Bundesgebiet ein.
1.13. Am 17.05.2019 langte hg. ein Abschluss der LPD XXXX vom 24.04.2019 wegen des Verdachts des Diebstahls betreffend den BF ein.
1.14. Am 03.10.2019 langte hg. die Information des LG für Strafsachen XXXX über die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Urteils gegen den BF wegen versuchter vorsätzlich schwerer Körperverletzung (unbedingte Geldstrafe in der Höhe von 1.440,- Euro und Freiheitsstrafe 12 Monate bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren nachgesehen) ein.
1.15. Am XXXX 2019 fand vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu der der BF und das BFA geladen wurden.
1.16. Mit Bescheid vom XXXX 2019 erließ das BFA aufgrund der Verurteilung des BF durch das LG XXXX wegen des Verbrechens der versuchten schweren Körperverletzung gegen den BF gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG, BGBl Nr. 100/2005 (FPG) idgF ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt I.) und stellte fest, dass der BF gem. § 13 Abs. 2 Z 2 AsylG sein Rechte zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab 28.12.2018 verloren habe.
1.17. Die dagegen erhobene Beschwerde langte samt dem Bezug habenden Verwaltungsakt am 22.07.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
1.18. Am XXXX 2019 fand vor der damals zuständigen Richterin eine mündliche Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht statt. Zusammengefasst führte der Beschwerdeführer aus, aufgrund seiner Konversion zum Christentum nicht in den Iran zurückkehren zu können.
1.19. Mit Erkenntnis vom XXXX 2019 wies die zur Entscheidung berufene Richterin die Beschwerden gegen die Bescheide des BFA vom XXXX 2018, Zl. XXXX und vom XXXX 2019, Zl. XXXX hinsichtlich aller Spruchpunkte ab.
2. Verfahren über den zweiten Antrag auf internationalen Schutz (in Rechtskraft erwachsen):
2.1. Der BF stellte am XXXX 2020 den zweiten Antrag auf internationalen Schutz, zu welchem er am selben Tag von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt wurde. Zu den Gründen für seine neue Antragstellung befragt, gab der BF im Wesentlichen an, dass er seine alten Fluchtgründe aufrechterhalte. Er sei auf Instagram sehr aktiv geworden und habe dort ca. 1500 Follower. Er würde als Admin bzw. Veranstalter von christlichen Messen online auftreten. Darüber hinaus gebe er Bibelunterricht online für Iraner und Irannerinnen mit christlichen Glauben. Weiters würde seine Tante, die Mutter des BF bedrohen, da dieser zum christlichen Glauben konvertiert sei.
2.2. Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA vom XXXX 2020 gab der BF zunächst an, dass sein Bruder mit dessen Familie in XXXX wohnhaft sei. Ein gemeinsamer Haushalt mit den angeführten Verwandten oder ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bestehe nicht. Befragt zu den Gründen der neuerlichen Antragstellung führte der BF aus, dass er seit Anfang 2020 über eine Instagram Account verfüge. Er habe seine dortigen Aktivitäten verfünffacht. Der BF sei der Administrator des Accounts und werde dieser von den Kirchenmitgliedern genutzt. Inzwischen sei der Kreis der Nutzer auf über 1000 Mitglieder angewachsen. Zum Zeitpunkt der Erlassung des vorangegangenen Bescheides wären es 500 aktive Mitglieder gewesen. Nachgefragt führte der BF aus, dass dieser Account bereits zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung im Vorverfahren Bestand gehabt habe. Zurzeit wären fünf Personen mit der Erweiterung dieses Accounts befasst. Der BF führte weiter aus, dass er auf dieser Website Informationen zu den nächsten Sitzungen und gebeten online gestellt habe. Es würde auch über Instagram missionarisch tätig werden. Er würde über die Bibel sprechen und auch Videos posten.
2.3. Mit Bescheid vom XXXX 2021, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den zweiten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache sowohl hinsichtlich des Status des Asylberichtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) zurück.
Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der ledige, kinderlose, iranische Staatsangehörige gesund und arbeitsfähig sei. Er sei illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und bereits mehrfach strafrechtlich verurteilt worden. Ein glaubhafter, neuer Sachverhalt liege nicht vor, sodass die belangte Behörde weiterhin vom Umstand der entschiedenen Sache auszugehen habe. Der BF habe keine konkrete, gegen seine Person gerichtete Verfolgung oder Bedrohung durch staatliche Stellen, heimatliche Behörden, Militär oder private Dritte, glaubhaft machen können. Im Heimatland verfüge der BF über familiäre Anknüpfungspunkte. Der BF sei seit vier Jahren in Österreich aufhältig und verfüge über keine sozialen Kontakte die ihn an Österreich binden würden. Er habe in Österreich keine Erwerbstätigkeit ausgeübt. Eine Einsichtnahme in die von ihm angeführten Profile auf sozialen Medien habe aus Sicht der belangten Behörde keine Hinweise darauf ergeben, dass der BF online Messen abhalte oder Bibelkurse veranstalte. Auch sei das Wissen des BF um den christlichen Glauben, welches eine essenzielle Basis für missionarische Tätigkeit darstelle, aus Sicht der belangten Behörde mehr als begrenzt anzusehen und für missionarische Tätigkeiten bei weiten nicht ausreichend. Dies sei auch im Vorverfahren bereits festgestellt worden. Zu den beiden vom BF angeführten Profilen auf Instagram führte die belangte Behörde aus, dass diese bereits vor Abschluss des ersten Verfahrens des BF bestanden hätten und eine Änderung seiner Tätigkeiten auf diesen Profilen nicht erkennbar gewesen sei. In einer Gesamtschau der Aussagen des BF kam die belangte Behörde zum Schluss, dass sich aus dem Aktivitätsmuster auf den Instagramprofilen des BF weder qualitative noch quantitative Änderungen seit dem Vorverfahren erkennen ließen und daher kein neuer Sachverhalt vorliege. Hinsichtlich der in der Erstbefragung behaupteten Bedrohung des BF, dass seine Mutter durch die Tante des BF aufgrund dessen missionarische Tätigkeit bedroht werden würde, führte die belangte Behörde aus, dass dies nicht glaubhaft sei, da der BF dieses Vorbringen in seiner mündlichen Einvernahme vor der belangten Behörde nicht mehr wiederholte. Aus Sicht der belangten Behörde, lege daher ein neuer Sachverhalt, welcher im gegenständlichen Fall eine andere Entscheidung der Sache rechtfertigen würde, nicht vor. Da weder in der maßgeblichen Sachlage, und zwar im Hinblick auf ihren Sachverhalt, der in der Sphäre des BF gelegen sei, noch auf jenem, welcher von Amts wegen aufzugreifen gewesen wäre, noch im Begehren und auch nicht in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten sei, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, steht aus Sicht der belangten Behörde die Rechtskraft des ergangenen Bescheides vom XXXX 2018, dem gegenständigen Antrag sowohl hinsichtlich des Status des Asylberichtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten entgegen, weswegen die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückwies.
2.4. Der BF erhob gegen den unter Pkt. 2.3. angeführten Bescheid fristgerecht Beschwerde und führte zusammengefasst aus, dass es die belangte Behörde unterlassen habe, auf das individuelle Vorbringen des BF vor dem Hintergrund der verfügbaren Länderinformationen einzugehen. Darüber hinaus habe die belangte Behörde aktenwidrig festgestellt, dass der BF sich erst seit vier Jahren in Österreich aufhalte, keinen Deutschkurs besucht habe und nicht festgestellt, dass der asylberechtigte Bruder des BF in XXXX aufhältig sei. Der BF würde über eine Vielzahl an sozialen Kontakten in XXXX verfügen und strebe die B1 Prüfung an. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde sei insofern mangelhaft, als der BF sehr detailreich und lebensnah über die ihm drohende Verfolgung gesprochen habe. Die belangte Behörde hätte eine inhaltliche Entscheidung treffen müssen, da sich aus dem rechtskräftigen Bescheid neue Beweise und auch eine Lageänderung ergeben hätten. Aufgrund der massiven Steigerung der Reichweite der Instagram-Accounts, der Missionierungstätigkeiten und dem Umstand, dass die Tante des BF von dessen Konversion erfahren habe, liegen zweifellos neue Sachverhaltselemente vor, weshalb eine nähere inhaltliche Prüfung des Antrags notwendig gewesen sei.
2.5. Die Beschwerde samt angeschlossenem Verwaltungsakt langte am 04.02.2021 in der damals zuständigen Gerichtsabteilung ein.
2.6. Mit Erkenntnis zur Zahl XXXX vom XXXX 2021 wies der zur Entscheidung berufene Richter die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom XXXX 2021, Zl. XXXX , gemäß § 68 Abs. 1 AVG als unbegründet ab.
3. Verfahren über den gegenständlichen dritten Antrag auf internationalen Schutz:
3.1. Den nun gegenständlichen dritten Folgeantrag auf internationalen Schutz stellte der BF am XXXX 2021. Am gleichen Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt. Dazu befragt, was sich seit rechtskräftigem Abschluss (12.02.2021) des letzten Asylverfahrens geändert habe, gab er zunächst an, dass er seine damals angeführten Fluchtgründe aufrechterhalte. Zu seinem neuen Fluchtgrund führte er an, dass er vor ca. drei Wochen von seiner Mutter per WhatsApp einen Brief von einem iranischen Gericht bekommen habe. Dieses Gericht wolle ihn verurteilen, weil er Christ geworden sei. Außerdem würde er beschuldigt werden, dass er mit dem israelischen Geheimdienst zusammenarbeite, für das Gericht sei er ein Zionist. Seine Schwester und seine Tante hätten den BF im Iran beim iranischen Geheimdienst angezeigt. Sie hätten dem Geheimdienst mittgeteilt, dass der BF in Österreich als Christ leben und christliche Tätigkeiten ausüben würde. Der BF und die Kirche hätten jeweils eine eigene Instagram-Seite in Österreich. Mit diesen Seiten würden sie auch Online-Gottesdienste anbieten.
3.2. Am XXXX 2021 wurde der BF, im Beisein seines Rechtsvertreters, vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Darin gab er an, dass seine Schwierigkeiten immer noch bestehen würden und nunmehr seine Schwester ihn angezeigt habe, weil er Christ sei. Seine Tante habe wiederholt seine Mutter bedroht und weiters immer Druck und Stress gemacht, um die Mutter gegen den BF aufzubringen. Dann habe die Tante mit der Schwester des BF gesprochen, woraufhin die Schwester gegen den BF eine Anzeige erstattet habe. Wenige Tage vor der Anzeige habe sich der BF noch normal mit seiner Schwester verstanden. Das Schreiben, welches die gegen den BF erstattete Anzeige bescheinigen würde, habe seine Schwester der Mutter des BF über WhatsApp geschickt, der BF habe es folglich ebenso über WhatsApp von seiner Mutter bekommen. Dem BF sei nicht bekannt wie seine Schwester das betreffende Schreiben erhalten habe. In den Nachrichten seiner Mutter stehe, dass seine Schwester mit seiner Tante bei der iranischen Polizei gewesen wäre. Das Schreiben sei von einem Polizisten unterschrieben worden, dessen Name sei auch unten vermerkt, es handle sich um ein öffentliches Amt. Der Schwiegersohn der Tante des BF sei zudem bei der Ethelat, für den Schwiegersohn sei es sehr einfach, an den BF heranzukommen. Noch als der BF im Iran lebte, habe er gewusst, dass der Schwiegersohn seiner Tante bei der Ethelat sei.
3.3. Mit dem im Spruch angegebenen Bescheid wurde sein Antrag auf internationalen Schutz vom XXXX 2021 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache sowohl hinsichtlich des Status des Asylberichtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) zurückgewiesen.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der volljährige, iranische Staatsangehörige an keinen schweren, lebensbedrohlichen Krankheiten leiden würde und nicht immungeschwächt sei. Im neuerlichen Asylverfahren habe er keine asylrelevanten Gründe vorgebracht bzw. hätte sich kein neuer objektiver Sachverhalt ergeben. Unter Berücksichtigung seiner wiederholten Angaben, wonach der BF ein gutes Verhältnis zu seinen Angehörigen im Heimatland hätte und er sich dies nicht erklären habe können, sei hiernach im neuen Vorbringen des BF, demzufolge die Schwester ihn beim iranischen Geheimdienst bzw. bei der Cyberpolizei angezeigt habe, das erste Indiz für dessen Unwahrheit zu erblicken. Schon im ersten Asylverfahren habe er angegeben, dass die Eltern und Geschwister des BF über seine Konversion Bescheid wüssten, weshalb nicht nachvollzogen werden könne, warum seine Schwester ihn nach fünf Jahren nach seiner Ausreise anzeigen würde. Zudem sei nicht erklärbar, wie seine Schwester in Besitz eines solchen behördlichen Schriftstückes von einem iranischen Gericht gelangt wäre. Ein Originaldokument habe der BF nicht herbeischaffen können. Aufgrund der dilettantischen Ausführung und mangels amtlichen Charakters komme diesem in Kopierform vorgelegten Schriftstück ohnehin keine Beweiskraft zu. Es entspräche dem Amtswissen des BFA, dass die Ausstellung von gefälschten oder verfälschten Gefälligkeitsdokumenten jeglichen Inhalts ohne großen Aufwand möglich und eine solche Praxis auch weitverbreitet sei. Aus den Länderfeststellungen gehe klar hervor, dass gefälschte bzw. mit falschen Angaben erstellte Dokumente im Iran einfach erhältlich seien. Absolut nicht nachvollziehbar sei das jetzige Vorbringen, wonach der Schwiegersohn der Tante des BF Mitglied beim Geheimdienst bzw. bei einer Cyberpolizei wäre, denn diesen nicht unbedeutenden Umstand hätte er mit Sicherheit schon in seinen Vorverfahren erwähnt. Der Umstand, dass der BF mit einer gewissen Regelmäßigkeit Bilder oder kurze Videos von Dritten posten und Bibelstellen hinzufügen bzw. online Bibelkurse besuchen oder auch abhalten würde, sei aus den Vorverfahren schon bekannt und dort ausführlich erörtert worden. Dass sein christlicher Glaube mittlerweile tatsächlich ein wesentlicher Bestandteil seiner Identität geworden sei, bzw. er tatsächlich zwischenzeitlich missionarisch tätig geworden wäre, habe er auch im gegenständlichen Verfahren nicht untermauern können. Zur Beweiskraft eines Chat-Verlaufes auf einer Social Media Plattform führte die belangte Behörde aus, dass jedermann einen „account“ bei diesen sozialen Netzwerken, auch unter dem Namen eines anderen und auch mit dem Bild eines anderen einrichten lassen könne, und man dazu nur irgendeine Email-Adresse bekanntgeben müsse und auch kein Identitätsdokument benötige. Aus diesem Grund hätten die vom BF vorgelegten Beweise nur wenig Beweiskraft, da man solche jederzeit leicht manipulieren und somit zweckmäßig konstruieren könne. Die vorgelegte Austrittserklärung von der islamischen Glaubensgemeinschaft und die Taufkarte seien bereits von der Rechtskraft seines Erstverfahrens umfasst. Das Unterstützungsschreiben des Pastors XXXX wiederhole bereits bekannte Tatsachen. Das Vorbringen, wonach der BF aufgrund einer von seiner Tante und Schwester erhobenen Anzeige beim iranischen Gericht einer Bedrohung ausgesetzt wäre, sei eine nacherzählte Geschichte und habe keine Beweiskraft.
3.4. Gegen den im Spruch genannten Bescheid richtet sich die im Wege seiner Rechtsvertretung erhobene Beschwerde, welche fristgerecht bei der belangten Behörde am 11.08.2021 einlangte. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die innerliche Konversion des BF mittlerweile noch weiter fortgeschritten sei und der BF dies auch beweisen könne. Seine Schwester habe ihn bei der Ettelaat und bei der Cyberpolizei aufgrund seiner Missionierungstätigkeit angezeigt, diesen Umstand könne er mittels Dokument beweisen. Er habe sich zudem Farsi Bibeln in sein Grundversorgungsquartier bestellt und betreibe auch dort aktiv Missionierung. Ein Foto zum Beweis dieser Tätigkeit wurde der Beschwerde beigefügt. Es seien wesentliche Änderungen der für die Beurteilung des Parteibegehrens maßgeblichen Umstände eingetreten, welche einen glaubhaften Kern aufweisen würden. Was das iranische Schriftstück anbelangt, welches die gegen den BF erhobene Anzeige bestätigen würde, habe die belangte Behörde Ermittlungstätigkeiten hinsichtlich der Glaubwürdigkeit dieses Beweises in antizipierender Beweiswürdigung und unter grober Missachtung der allgemein anerkannten Beweiswürdigungsregeln abgelehnt. Die belangte Behörde verweise diesbezüglich auf die Aussage eines Dolmetschers, dessen einzige Qualifikation, über diesen Beweis abzusprechen, der Umstand sei, dass er im Iran geboren worden sei. Aufgrund dieses Ermittlungsmangels stellte der BF den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Plausibilitätskontrolle, dass es sich beim vorgelegten Schriftstück um ein vom Geheimdienst bzw. der Cyberpolizei ausgestelltes Schriftstück handeln würde. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde sei insofern mangelhaft, als der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht vollständig erhoben worden sei, wesentliche Aspekte des Parteivorbringens und vorgelegte Beweismittel seien nicht berücksichtigt und ordnungsgemäß überprüft worden. Außerdem fehle eine Plausibilitätskontrolle des Vorbringens des BF vor dem Hintergrund aktueller und ausgewogener Länderberichte. Die belangte Behörde hätte eine inhaltliche Entscheidung treffen müssen, da der BF neue Beweise zur Asylrelevanz seines Vorbringens im Vorverfahren habe vorlegen können. Darüber hinaus habe er ein neues Vorbringen erstattet – nämlich, dass er angezeigt worden sei und es deshalb sehr wahrscheinlich sei, dass die iranischen Behörden nicht nur von seiner Konversion, sondern auch von seiner Missionierungstätigkeit wissen würden – und könne es beweisen.
3.5. Die Beschwerde wurde samt dem bezugnehmenden Verwaltungsakt am 16.08.2021 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
3.6. Mit Schreiben vom 06.09.2021 legte der BF Fotos vor, die nach seinen Angaben die Taufe von 6 Konvertiten darstellten, die der BF selbst missioniert habe sowie ein Posting auf Instagram dazu.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zum Verfahrensgang:
Der unter I. dargelegte Verfahrensgang wird festgestellt und der Entscheidung zugrunde gelegt.
1.2. Zur Person des BF und seinen Fluchtgründen:
Der BF ist ein volljähriger, iranischer Staatsangehöriger, dessen Identität feststeht.
Der BF ist nicht immungeschwächt und leidet an keinen schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen, die einer Rückführung in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden. Er ist auch arbeitsfähig.
Neue individuelle Fluchtgründe bzw. Gefährdungsmomente, die im Drittverfahren vom BF behauptet wurden, werden nicht festgestellt. Ebensowenig hat sich eine maßgebliche Änderung der vom BF seit dem Erstverfahren vorgebrachten Fluchtgründe ergeben.
Im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat würde der BF nicht in eine existenzgefährdende Notlage geraten und wäre ihm die notdürftigste Lebensgrundlage nicht entzogen. Eine maßgebliche Änderung der individuellen Lage des BF oder der Lage im Herkunftsstaat des BF ist diesbezüglich seit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens über den zweiten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz nicht eingetreten.
1.4. Zur maßgeblichen Lage in der islamischen Republik Iran:
Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Aktualisierungen bis zum 01.07.2021:
Politische Lage
Iran ist seit 1979 eine Islamische Republik (AA 4.3.2020b). Das Staatssystem beruht auf dem Konzept der ’velayat-e faqih’, der Stellvertreterschaft des Rechtsgelehrten. Dieses besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage ist, eine legitime Regierung zu führen, bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten wird. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel ’Revolutionsführer’ (GIZ 12.2020a; vgl. BS 2020). Der Revolutionsführer (auch Oberster Führer, Oberster Rechtsgelehrter) ist seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei (ÖB Teheran 10.2020; vgl. USDOS 30.3.2021, FH 3.3.2021). Er wird von einer Klerikerversammlung (Expertenrat) auf Lebenszeit gewählt (AA 4.3.2020a; vgl. FH 3.3.2021, USDOS 30.3.2021), ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und wesentlich mächtiger
als der Präsident. Des weiteren unterstehen ihm unmittelbar die Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC), die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative. Für die entscheidenden Fragen ist letztlich der Revolutionsführer verantwortlich (ÖB Teheran 10.2020; vgl. FH 3.3.2021, USDOS 30.3.2021). Doch obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Diese Zugehörigkeiten und Allianzen unterliegen dabei einem ständigen Wandel. Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt (AA 26.2.2020).
Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidiales: an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident. Amtsinhaber ist seit 2013 Hassan Rohani, er wurde im Mai 2017 wiedergewählt (ÖB Teheran 10.2020). Am 18.6.2021 fanden in Iran erneut Präsidentschaftswahlen statt (Tagesschau.de 18.6.2021). Der derzeitige Präsident Rohani darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidieren (DW 19.6.2021). Gewonnen hat die Wahl der konservative Hardliner und derzeitige Justizchef Ibrahim Raisi mit mehr als 62% der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei unter 50% und war somit niedriger als jemals zuvor in der Geschichte der Islamischen Republik. In der Hauptstadt Teheran lag die Wahlbeteiligung sogar bei nur 26%.
Zudem wurden mehr als 3,7 Millionen Stimmzettel für ungültig erklärt (Standard.at 19.6.2021; vgl. DW 19.6.2021). Wie bei jeder Wahl hat der Wächterrat die Kandidaten im vorhinein ausgesiebt (Tagesschau.de 18.6.2021). Raisi wurde mehr oder weniger von Revolutionsführer Khamenei ins Amt gehievt. Der neue Präsodent tritt sein Amt im August 2021 an. Es ist möglich, dasst er nicht lange Präsident bleibt, da er als Favorit für die Nachfolge des Revolutionsführers Khamenei, der 82 Jahre alt ist, gilt (Zeitonline 23.6.2021).
Der Präsident ist, nach dem Revolutionsführer, der zweithöchste Beamte im Staat (FH 3.3.2021). Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive, zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann (GIZ 12.2020a). Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird das Einkammerparlament, genannt Majles, mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 10.2020). Hauptaufgabe des Parlaments ist die Ausarbeitung neuer Gesetze, die von der Regierung auf den Weg gebracht werden. Es hat aber auch die Möglichkeit, selbst neue Gesetze zu initiieren. Die letzten Parlamentswahlen fanden im Februar 2020 statt (GIZ 12.2020a). Erstmals seit der Islamischen Revolution von 1979 lag die Wahlbeteiligung unter 50%. Zahlreiche Anhänger des moderaten Lagers um Präsident Hassan Rohani hatten angekündigt, der Wahl aus Enttäuschung über die politische Führung fernzubleiben. Tausende moderate Kandidaten waren zudem von der Wahl ausgeschlossen worden (DW 23.2.2020). Nach dem die Erwartungen des Volks vom moderat-reformorientierten Parlament nicht erfüllt wurden und die Wirtschaftslage und die finanzielle Situation des Volks nach den US-Sanktionen immer schlechter wurde, kamen nach den Parlamentswahlen 2020 hauptsächlich die konservativen und erzkonservativen Kräfte ins Parlament. Die Mehrheit der Abgeordneten der neuen Legislaturperiode verfolgt sowohl gegenüber der Regierung von Rohani als auch gegenüber westlichen Werten eine sehr kritische Linie (ÖB Teheran 10.2020). Vor der Abstimmung disqualifizierte der Wächterrat mehr als 9.000 der 16.000 Personen, die sich für eine Kandidatur angemeldet hatten, darunter eine große Anzahl reformistischer und gemäßigter Kandidaten. Die Wahlbeteiligung lag bei 42,6%, was als die niedrigste Wahlbeteiligung in die Geschichte der Islamischen Republik einging (FH 3.3.2021).
Entscheidende Gremien sind des Weiteren der vom Volk direkt gewählte Expertenrat mit 86 Mitgliedern, sowie der Wächterrat mit zwölf Mitgliedern (davon sind sechs vom Obersten Führer ernannte Geistliche und sechs von der Judikative bestimmte Juristen). Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen. Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch wesentlich mächtiger. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei allen nationalen Wahlen (ÖB Teheran 10.2020; vgl. GIZ 12.2020a, FH 3.3.2021, BS 2020). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 12.2020a). Des weiteren gibt es noch den Schlichtungsrat. Er vermittelt im Gesetzgebungsverfahren und hat darüber hinaus die Aufgabe, auf die Wahrung der ’Gesamtinteressen des Systems’ zu achten (AA 4.3.2020a; vgl. GIZ 12.2020a). Er besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Die Interessen des Systems sind unter allen Umständen zu wahren und der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 12.2020a).
Die Basis des Wahlsystems der Islamischen Republik sind die Wahlberechtigten, also jeder iranische Bürger ab 16 Jahren. Das Volk wählt das Parlament, den Präsidenten sowie den Expertenrat (GIZ 12.2020a) in geheimen und direkten Wahlen (AA 26.2.2020). Das System der Islamischen Republik kennt keine politischen Parteien. Theoretisch tritt jeder Kandidat für sich alleine an. In der Praxis gibt es jedoch Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die westlichen Vorstellungen von Parteien recht nahe kommen (GIZ 12.2020a; vgl. AA 4.3.2020a). Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Folglich können iranische Wähler nur aus einem begrenzten und vorsortierten Pool an Kandidaten auswählen (FH 3.3.2021). Von den 1.499 Männern und 137 Frauen, die sich im Rahmen der Präsidentschaftswahl 2017 für die Kandidatur zum Präsidentenamt registrierten, wurden sechs männliche Kandidaten vom Wächterrat zugelassen. Frauen werden bei Präsidentschaftswahlen grundsätzlich als ungeeignet abgelehnt. Die Wahlbeteiligung 2017 betrug 73%. Unabhängige Wahlbeobachter werden nicht zugelassen. Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen sind in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert (AA 26.2.2020).
Sicherheitslage
Der Iran verfügt über eine stabile politische Ordnung und Infrastruktur. Es bestehen jedoch gewisse Spannungen, die periodisch zunehmen. Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken. Die schwierige Wirtschaftslage und latente Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten sowie mit Straßenblockaden gerechnet werden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 14.6.2021).
Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Diese haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. Im September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte (EDA 14.6.2021; vgl. AA 14.6.2021b). 2019 gab es einen Anschlag auf einen Bus der Revolutionsgarden in der Nähe der Stadt Zahedan (AA 14.6.2021b).
In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zum Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht (AA 14.6.2021b).
In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrt Sicherheits- und Personenkontrollen (AA 14.6.2021b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan, stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 14.6.2021).
In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen sowie Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 14.6.2021b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften(EDA 14.6.2021). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 10.2020). Gelegentlich kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften. Auch für unbeteiligte Personen besteht das Risiko, unversehens in einen Schusswechsel zu geraten (EDA 14.6.2021).
Religionsfreiheit
In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Bah ‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (BFA 23.5.2018). Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten ’Buchreligionen’ (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als ’mohareb’ (Waffenaufnahme gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2020). Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran (DIS/DRC 23.2.2018). Religiöse Minderheiten werden mit Argwohn betrachtet und als Bedrohung für das theokratisches System gesehen (CSW 3.2021). Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2020). Selbst anerkannte religiöse Minderheiten – Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen – werden also diskriminiert. Vertreter dieser religiösen Minderheiten betonen aber immer
wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung – im Vergleich mit anderen Ländern der Region – nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen. Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa – unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke – eigene Vertreter im Parlament (ÖB Teheran 10.2020). Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten (BFA 23.5.2018; vgl. FH 3.3.2021, IRB 9.3.2021). Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden (BFA 23.5.2018; vgl. FH 3.3.2021, BAMF 3.2019) und ihre politische Vertretung bleibt schwach (FH 3.3.2021). Wichtige politische Ämter stehen ausschließlich schiitischen Muslimen offen (AI 7.4.2021).
Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück (ÖB Teheran 10.2020; vgl. Open Doors 2021). Nicht anerkannte religiöse Gruppen – Baha’i, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten – werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert (ÖB Teheran 10.2020).
Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt (AI 7.4.2021).
Die Regierung überwacht weiterhin die Aussagen und Ansichten hochrangiger schiitischer religiöser Führer, die die Regierungspolitik oder die Ansichten des Obersten Führers Ali Khamenei nicht unterstützten. Diese werden durch Behörden weiterhin mit Festnahmen, Inhaftierungen, Mittelkürzungen, Verlust von geistlichen Berechtigungsnachweisen und Beschlagnahmungen von Eigentum unter Druck gesetzt (USDOS 12.5.2021). Die Inhaftierung von Angehörigen religiöser Minderheiten, welche ihre Kultur, ihre Sprache oder ihren Glauben praktizieren, ist weiterhin ein ernstes Problem (HRC 11.1.2021).
Personen, die sich zum Atheismus bekennen, laufen Gefahr, willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt oder wegen Apostasie (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (AI 7.4.2021). In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie jedoch sehr selten (wenn überhaupt noch vorhanden), bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gab es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war (ÖB Teheran 10.2020).
Christen
Glaubwürdige Schätzungen sprechen von 100.000 bis 300.000 Christen in Iran, von denen der Großteil den armenischen Christen angehört. Diese leben hauptsächlich in Teheran und Isfahan (BFA 23.5.2018). Das Christentum ist in der iranischen Verfassung als Religion anerkannt, allerdings werden evangelikale Freikirchen von der Regierung nicht als ’christlich’ anerkannt. Den historisch ansässigen Kirchen, die vorwiegend ethnische Gruppierungen abbilden (die armenische, assyrische und chaldäische Kirche) wird eine besondere Stellung zuerkannt. Religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020); christliche Gottesdienste auf Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020, BAMF 3.2019, IRB 9.3.2021), ebenso die Verbreitung christlicher Schriften (AA 26.2.2020).
Die armenischen Christen gehören zu den anerkannten religiösen Minderheiten, die in der Verfassung genannt werden. Ihnen stehen zwei der 290 Sitze im iranischen Parlament zu. Laut den konsultierten Quellen können armenische Christen – solange sie sich an die Gesetze der Islamischen Republik Iran halten – ihren Glauben relativ frei ausüben (BFA 23.5.2018; vgl. BAMF 3.2019, FH 3.3.2021). Sonstige zahlenmäßig bedeutende Gruppen stellen Katholiken und Protestanten, die ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes haben. Die Mitglieder sind meist Konvertiten aus dem Islam (ÖB Teheran 10.2020). Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an [abgesehen von Juden und Zoroastriern], da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Sabäer-Mandäer werden auch als Christen geführt, obwohl sie sich selbst nicht als Christen bezeichnen. Staatsbürger, die nicht den anerkannten Religionsgemeinschaften angehören, oder die nicht beweisen können, dass ihre Familien schon vor der Islamischen Revolution Christen waren, werden als Muslime angesehen. Mitglieder der anerkannten Minderheiten müssen sich registrieren lassen (USDOS 12.5.2021; vgl. IRB 9.3.2021).
Grundrechtlich besteht ’Kultusfreiheit’ innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der Kirchen (ÖB Teheran 10.2020). Jedoch haben Nichtmuslime weder Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, noch Meinungsfreiheit oder Versammlungsfreiheit. Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten (Proselytismusverbot) und wird streng bestraft (ÖB Teheran 10.2020; vgl. BAMF 3.2019, BFA 23.5.2018, Open Doors 2021). Missionierung kann im Extremfall mit dem Tod bestraft werden (BFA 23.5.2018; vgl. ÖB Teheran 10.2020), wobei es in den letzten Jahren zu keinem derartigen Urteil kam. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen (’Hauskirchen’) oft hart vorgegangen (u.a. Verhaftungen und Beschlagnahmungen). Autochthone Kirchen halten sich meist penibel an das Verbot. Kirchenvertreter sind angehalten, die Behörden zu informieren, bevor sie neue Mitglieder in ihre Glaubensgemeinschaft aufnehmen (ÖB Teheran 10.2020). Es gibt aber auch Einschränkungen, mit denen auch anerkannte religiöse Minderheiten zu leben haben, beispielsweise Nachteile bei der Arbeitssuche, islamische Bekleidungsvorschriften und Benachteiligungen insbesondere im Familien- und Erbrecht (BFA 23.5.2018; vgl. Open Doors 2021). Im Weltverfolgungsindex 2021 von Christen von Open Doors befindet sich Iran auf dem achten Platz (2020: Platz 9). Der Weltverfolgungsindex ist eine Rangliste der 50 Länder, in denen Christen der stärksten Verfolgung und Diskriminierung wegen ihres Glaubens ausgesetzt sind. Je niedriger die Zahl, desto höher die Verfolgung. Im Berichtszeitraum ist die Zahl der verhafteten Christen des Weltverfolgungsindex 2021 im Gegensatz zum Vorjahr (169) gesunken. Es gab keine breitangelegte Verhaftungswelle, auch wenn es im Juni 2020 eine Razzia gab. Eine genaue Zahl wird im Bericht nicht genannt (Open Doors 2021). Christen werden weiterhin schikaniert, willkürlich inhaftiert und wegen der Ausübung ihres Glaubens verurteilt (AI 7.4.2021; vgl. CSW 3.2021). Dies betrifft auch Personen, die zum Christentum konvertiert waren (AI 7.4.2021; vgl. HRW 13.1.2021). Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden (AA 26.2.2020).
Es gibt Kirchen, die auch von außen als solche erkennbar sind. Sie haben das Recht, religiöse Riten und Zeremonien abzuhalten, Ehen nach den eigenen religiösen Gesetzen zu schließen und auch Privatschulen zu betreiben (BFA 23.5.2018). Persönliche Angelegenheiten und religiöse Erziehung können dem eigenen religiösen Kanon nach geregelt werden (BFA 23.5.2018; vgl. IRB 9.3.2021). Es gehört zum Erscheinungsbild in den Großstädten, dass christliche Symbole im Modebereich als Accessoires Verwendung finden und auch in den entsprechenden Geschäften angeboten werden. Auch Dekorationen mit christlichen Motiven sind nicht ungewöhnlich. Eine solche kommerzielle Präsentation führte bisher nach Darstellung der in Teheran vertretenen westlichen Botschaften zu keinen Strafverfahren. Laut der Nachrichtenseite der iranischen Christen, Mohabat News, können Christen öffentlich im ganzen Land Weihnachtsgeschenke, Tannenbäume oder Schmuckwaren für ihre Feste kaufen. Vor einigen Kirchen in Teheran stehen anlässlich der Weihnachtsfeiertage, zu denen von staatlicher Seite immer wieder Glückwünsche übermittelt werden, Weihnachtsbäume (BAMF 3.2019).
Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen
Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist in Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch, aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 10.2020). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel ’mohareb’ (’Waffenaufnahme gegen Gott’), ’mofsid-fil-arz/fisad-al-arz’ (’Verdorbenheit auf Erden’), ’Handlungen gegen die nationale Sicherheit’ (ÖB Teheran 10.2020; vgl. DIS/DRC 23.2.2018), ’Organisation von Hauskirchen’ und ’Beleidigung des Heiligen’, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 26.2.2020). In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie sehr selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen ’mohareb’ (ÖB Teheran 10.2020; vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen, keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2021; vgl. AA 26.2.2020). Quellen zufolge fand 1990 die einzige ’offizielle’ Hinrichtung eines Christen wegen Apostasie in Iran statt (IRB 9.3.2021). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt (AA 12.1.2019).
Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 26.2.2020; vgl. Open Doors 2021). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf (ÖB Teheran 10.2020).
Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 10.2020).
Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit Konversion vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese Konversion ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich ’konvertierte’ Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 10.2020).
Die Versammlung in – meist evangelischen – Hauskirchen oder Hausgemeinden wird laut Behörden ’kontrolliert’, de facto aber untersagt, weshalb die einzelnen Gemeinden meist klein bleiben und ständig den Standort wechseln, um Razzien auszuweichen. Dennoch sind Hau