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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §42 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde
1. des J und 2. der A, beide in T, beide vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 18. April 1996, Zl. V/1-BA-9572, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einem Verfahren gemäß § 77 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: R-Gesellschaft m.b.H. in T), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 2. Oktober 1995 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt der mitbeteiligten Partei gemäß §§ 77, 74 Abs. 2, 82b, 359 GewO 1994 und § 27 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes die gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer gewerblichen Betriebsanlage für die Ausübung des Gewerbes Trockenbaggerung an einem näher bezeichneten Standort unter Vorschreibung von Auflagen.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 18. April 1996 wies der Landeshauptmann von Niederösterreich diese Berufung im Grunde des § 356 Abs. 3 GewO 1994 als unzulässig zurück. Zur Begründung führte der Landeshauptmann aus, der Erstbeschwerdeführer habe in der mündlichen Augenscheinsverhandlung erster Instanz gegen das geplante Projekt vorgebracht, er sei Eigentümer der direkt angrenzenden Liegenschaft und beabsichtige dort eine Bauschuttdeponie zu betreiben. Hiefür seien bereits die erforderlichen wasserrechtlichen und naturschutzbehördlichen Bewilligungen erteilt worden, ein gewerberechtliches Verfahren sei derzeit anhängig. Das Projekt der eigenen Bauschuttdeponie sähe vor, daß zwischen der Liegenschaft der mitbeteiligten Partei und der Liegenschaft des Erstbeschwerdeführers ein Begrenzungswall im derzeitigen Gebäudeniveau bestehen bleibe. Dieser Wall diene zur Abgrenzung der Bauschuttdeponie und zur Versickerung der Deponieoberflächengewässer. Das Projekt der mitbeteiligten Partei sähe jedoch eine Entfernung dieses Begrenzungswalles vor. Aus diesem Grund könne dem geplanten Vorhaben nicht zugestimmt werden. Der Erstbeschwerdeführer sei jedoch bereit, diesbezüglich auf privater Ebene Gespräche zu führen. Dazu sei vom Verhandlungsleiter festgestellt worden, daß dieses Vorbringen nicht als Einwendung im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO 1994 gewertet werden könne; es handle sich vielmehr um eine privatrechtliche Einwendung, welche im Zivilrechtsweg oder im beiderseitigen Einvernehmen zu lösen sei. Nach Darstellung des weiteren Verfahrensganges und der maßgeblichen Rechtslage führte der Landeshauptmann weiter aus, das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers in der mündlichen Augenscheinsverhandlung erster Instanz stelle keine Einwendung im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO 1994 dar. Insbesondere sei eine Gefährdung des Eigentums im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1994 nur möglich, wenn die Substanz des Eigentums bedroht sei oder wenn eine sinnvolle Benutzung der Sache wesentlich beeinträchtigt oder überhaupt nicht mehr möglich sei. Die gegenständliche Einwendung, wonach durch die Verwirklichung des Projektes der mitbeteiligten Partei die eigene geplante Bauschuttdeponie nicht in ihrer bereits bewilligten Ausführung errichtet werden könne, müsse als privatrechtliche Einwendung im Sinne des § 357 GewO 1994 gewertet werden. Daraus ergebe sich, daß die Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren keine rechtserheblichen Einwendungen erhoben und damit auch keine Parteistellung erlangt hätten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer in dem Recht auf rechtliches Gehör, in ihrem Recht auf Durchführung eines rechtlich richtigen Beweisverfahrens und in dem Recht, bei Erhebung von Einwendungen in einem verwaltungsrechtlichen Verfahren Parteistellung zu erlangen, verletzt. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen, daß sich die Beschwerdeführer infolge Verweigerung der meritorischen Erledigung ihrer Berufung in ihren aus dem Gewerberecht erfließenden Nachbarrechten verletzt erachten. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes führen die Beschwerdeführer aus, es ergebe sich bereits aus der Tatsache, daß der erstinstanzliche Bescheid an den Erstbeschwerdeführer zugestellt worden sei, daß die Erstbehörde offenbar davon ausgegangen sei, er sei Partei des Verfahrens geworden. Es hätte ihn daher auch die belangte Behörde als Partei werten müssen. Auch in ihrer Berufung hätten die Beschwerdeführer mehrfach und ausdrücklich auf die Verletzung von Eigentumsrechten hingewiesen. Es bleibe auch nach den Umständen kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln übrig, daß durch die Bewilligung eines Trockenbaggerungsprojektes am Nachbargrundstück für die Beschwerdeführer Eigentumsrechte und auch Immissionen wie Rauch, Staub und Lärm aufgetreten wären, was im übrigen im Verfahren als Einwendung vorgebracht worden sei. Die belangte Behörde hätte daher überprüfen müssen, ob nicht durch die Bewilligung des Trockenbaggerungsprojektes das bereits bewilligte Projekt der Beschwerdeführer in einer Art und Weise beeinträchtigt werde, daß eine Verletzung von Eigentumsrechten und auch des Rechtes auf Erwerbsfreiheit gegeben sei. Das erscheine schon auf Grund der Tatsache gegeben, daß es eine bereits rechtskräftig bewilligte Betriebsanlage gebe, welche früher von der Behörde bewilligt worden sei als das nunmehr bewilligte Vorhaben. Es könne auch nicht Sinn und Zweck sein, auf Grund einer später erfolgten Bewilligung eine früher bereits von der Behörde rechtskräftig bewilligte Betriebsanlage adaptieren zu müssen.
Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,
1.
das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne des Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z. 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,
2.
...
Zufolge § 75 Abs. 1 leg. cit. ist unter einer Gefährdung des Eigentums im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1994 die Möglichkeit einer bloßen Minderung des Verkehrswertes des Eigentums nicht zu verstehen.
Nach § 356 Abs. 3 erster Satz GewO 1994 sind in den Verfahren auf Grund eines Ansuchens um Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage oder um Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage, von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen, nur jene Nachbarn Parteien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2 oder 5 erheben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an.
Eine Einwendung in diesem Sinn liegt nur dann vor, wenn der Nachbar die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend macht. Dem betreffenden Vorbringen muß jedenfalls entnommen werden können, daß überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechtes behauptet wird, und ferner, welcher Art dieses Recht ist. Das heißt, es muß auf einen oder mehrere der im § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1994, im Falle des § 74 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. auf einen oder mehrere der dort vorgesehenen Alternativtatbestände (Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder eine "in anderer Weise" auftretende Einwirkung) abgestellt sein. Die Erlangung der Parteistellung durch Nachbarn im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1994 setzt daher das Vorliegen derart qualifizierter Einwendungen voraus; ein lediglich allgemein gehaltenes, nicht auf die konkreten Verhältnisse des Beteiligten abgestelltes Vorbringen stellt aber schon begrifflich keine Behauptung der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes im Sinne des Rechtsbegriffes einer Einwendung dar (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 16. Juli 1996, Zl. 95/04/0241). Wendet sich ein Nachbar gegen das zur Genehmigung eingereichte Projekt aus dem im § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1994 genannten Grund der Eigentumsgefährdung, so hat er daher durch ein konkretes Vorbringen geltend zu machen, daß durch die Betriebsanlage sein Eigentum über eine bloße Minderung des Verkehrswertes hinaus in seiner Substanz, wozu auch der Verlust der Verwertbarkeit zählt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1991, Zl. 91/04/0004), bedroht ist.
Diesen Anforderungen kommt das vom Erstbeschwerdeführer in der mündlichen Augenscheinsverhandlung erster Instanz erstattete Vorbringen insofern nicht nach, als daraus zwar die Befürchtung zu erkennen ist, der Erstbeschwerdeführer werde bei Verwirklichung des gegenständlichen Projektes eine ihm bereits behördlich genehmigte Bauschuttdeponie nicht in der geplanten Weise ausführen können, nicht aber daß damit ein die Grenze des § 75 Abs. 1 GewO 1994 überschreitender Eingriff in das Eigentum des Erstbeschwerdeführers an der Nachbarliegenschaft verbunden sein könnte.
Da die Zweitbeschwerdeführerin in der mündlichen Augenscheinsverhandlung erster Instanz Einwendungen gegen das zur Genehmigung eingereichte Projekt überhaupt nicht erhoben hat, vermag der Verwaltungsgerichtshof somit in der Rechtsansicht der belangten Behörde, beide Beschwerdeführer hätten mangels geeigneter Einwendungen im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1994 im gegenständlichen Verwaltungsverfahren keine Parteistellung erworben und seien daher auch zur Erhebung der Berufung nicht berechtigt, eine Rechtswidrigkeit nicht zu erblicken. Daran vermag das Vorbringen, die Beschwerdeführer hätten Einwendungen auch in ihrer Berufung erhoben, schon deshalb nichts zu ändern, weil nach § 356 Abs. 3 GewO 1994 der Erwerb der Parteistellung in einem Verfahren zur Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage oder zur Änderung einer genehmigten Betriebsanlage die Erhebung von Einwendungen bereits in der mündlichen Augenscheinsverhandlung erster Instanz voraussetzt, sodaß späteres Vorbringen präkludiert ist.
Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Gewerberecht Nachbar RechtsnachfolgerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996040137.X00Im RIS seit
11.07.2001