TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/22 W222 2245035-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.11.2021
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Entscheidungsdatum

22.11.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch


W222 2245035-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch seine Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, vertreten durch den Verein Legal Focus, Gudrunstraße 143/19, 1100 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 02.02.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am Tag der Antragstellung wurde er vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer niederschriftlichen Erstbefragung unterzogen. Hiebei gab er zu seinen Fluchtgründen zu Protokoll, dass er Vorsitzender der TRS Partei (Telangana Rasthr Shamity) in seinem Dorf gewesen sei. Er sei auf diese Funktion aufgestiegen und habe diese vom Vorsitzenden der TRS Partei auf Provinzebene zugewiesen bekommen. Er habe regelmäßig in sozialen Medien politische Meinungen geäußert. Er habe deshalb von der gegnerischen Partei anonyme Drohanrufe bekommen und wurde mit dem Tode bedroht. Es hätte auch Auseinandersetzungen gegeben und wäre die Unterkunft des Beschwerdeführers 2-3-mal angegriffen worden. 1-mal hätte der Beschwerdeführer gerade noch entkommen können und sei in einem anderen Dorf für 4 Tage untergetaucht gewesen. Schließlich sei er nach Mumbai geflohen, wo er auch arbeitete. Leute aus dem Dorf des Beschwerdeführers hätten herausgefunden, dass er in Mumbai lebe und hätten ihn auch in Mumbai verfolgt.

Am 27.05.2021 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er soweit wesentlich folgendes zu Protokoll (sprachliche Unzulänglichkeiten im Original):

„[…]

Allgemeine Fragen

LA: Hindi ist Ihre Muttersprache! Sind Sie dieser Sprache mächtig und damit einverstanden, in dieser Sprache einvernommen zu werden?

VP: Ja.

LA: Liegen Befangenheitsgründe oder sonstigen Einwände gegen die anwesenden Personen vor?

VP: Nein.

LA: Werden Sie in gegenständlichem Verfahren vertreten? Liegt diesbezüglicheine Vollmacht vor? In welchem Umfang?

VP: Verein Legal Focus

[…]

LA: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten?

VP: Ja.

[…]

LA: Haben Sie diese Informationen verstanden und sind Ihnen die damit

verbundenen Rechte und Pflichten bewusst?

VP: Ja habe ich verstanden.

LA: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben

gemacht?

VP: Ja.

LA: Wurde(n) Ihnen diese (jeweils) rückübersetzt?

VP: Ja.

Fragen zu Ihrer Person

LA: Verfügen Sie über Dokumente, die Ihre Identität bestätigen?

VP: Nein.

LA: Können Sie einen Reisepass vorlegen?

VP: Nein.

LA: Wo haben Sie im Heimatland zuletzt gelebt? Nennen Sie die Adresse?

VP: Im Bezirk und Dorf Jagital im Bundesland Telangana

LA: Wie lange haben Sie an der genannten Adresse gelebt?

VP: Seit der Kindheit. Nachgefragt bis wann: bis vor ca. 2 Jahren.

LA: Wie schaut das Dorf aus? Können Sie das kurz beschreiben?

VP: Es ist ein großes Dorf. Es wohnen ca. 1,5 Millionen Menschen dort.

Nachgefragt: Es gibt schon richtige Häuser dort. Ich habe in einem Miethaus gewohnt. Nachgefragt: Ich habe das Haus nur gemietet. Nachgefragt: Das Haus war unter dem

Namen meines Vaters angemietet, mein Vater ist bereits verstorben und dort wohnt niemand mehr.

Fragen zu Ihren Lebensumständen

LA: Welcher Volksgruppe und welcher Religionsgemeinschaft gehören Sie an?

VP: Religion: Hindu und Volksgruppe: Gouds

LA: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?

VP: Ich bin gesund.

LA: Welche Schulausbildung haben Sie absolviert?

VP: 10 Jahre Grundschule, danach nichts.

LA: Welchen Beruf haben Sie erlernt bzw. ausgeübt?

VP: nichts gelernt und auch nicht gearbeitet.

LA: Womit haben Sie in Ihrem Heimatland bisher Ihren Lebensunterhalt bestritten?

VP: Die Familie hat mich erhalten.

LA: Haben Sie irgendwelche Besitztümer in Ihrem Heimatland?

VP: Nein, keine.

LA: Wie würden Sie Ihre wirtschaftliche/ finanzielle Situation zuletzt (vor der Flucht) im Heimatland gemessen am landesüblichen Durchschnitt bezeichnen (zB. gut/mittel/schlecht)?

VP: arm. Nachgefragt: schlecht.

LA: Haben Sie im Herkunftsland, oder hier Strafrechtsdelikte begangen?

VP: Nein.

LA: Besteht ein offizieller Haftbefehl gegen Sie im Heimatland?

VP: Nein.

LA: Sind Sie vorbestraft?

VP: Nein.

LA: Waren Sie in Ihrem Heimatland politisch tätig oder gehören Sie einer politischen Partei an?

VP: Ja. Nachgefragt: TRS Partei.

LA: Welche Aufgabe haben Sie in der Partei gehabt?

VP: Innerhalb von der Partei von der Jugendarme war ich der Präsident.

LA: Was waren Ihre Aufgaben?

VP: Ich habe mich für die Partei bei Wahlen eingesetzt. Wir haben uns gegenüber der Oppositionspartei behauptet. Wir haben sehr viel Feldarbeit gemacht.

LA: Können Sie Ihre Tätigkeit bitte genauer beschreiben?

VP: Der Bundesvorstand hat mich zum Präsident von meinem Dorf bestellt. Dann habe ich weiterhin die Partei auf meiner Ebene aufgebaut und Leute rekrutiert, die sind aufgebrochen um in den Dörfern Wählerstimmen zu bekommen.

LA: Wann haben Sie diese Funktion bekommen?

VP: Ca vor 3 oder 4 Jahren.

LA: Waren Sie vorher schon für diese Partei tätig?

VP: Nein, davor war ich nicht in der Partei.

LA: Was waren Ihre genauen Aufgaben in Ihrer Funktion?

VP: Wie gesagt, bin ich von Dorf zu Dorf gegangen, um Wählerstimmen zu bekommen. Ich musste auch die Instruktionen von oben auf meiner Ebene umsetzen.

LA: Welche Instruktionen haben Sie da bekommen?

VP: Um die anderen Mitglieder bei den Wahlen zu unterstützen bzw., den anderen Mitgliedern in meinem Bezirk zu helfen.

LA: Wie weit war Ihr Wirkungskreis?

VP: Meine Aufgaben waren auf mein Dorf und meinen Bezirk beschränkt.

LA: Können Sie mir die Partei kurz beschreiben, bei der Sie da waren?

VP: Meine Partei ist momentan an der Macht in meinem Bundesland. Ich war hauptsächlich für die Wahlen zuständig und war jetzt in Kontakt mit den Gruppenleitern meines Dorfes.

LA: Ist es eine hohe Funktion, die Sie da bekommen haben?

VP: Es war eine Funktion auf normaler Ebene und nicht in der Parteileitung

LA: Hatten Sie persönlich jemals Probleme mit den Behörden (oder staatsähnlichen Institutionen) Ihres Heimatlandes?

VP: Ja mit der anderen Partei habe ich Probleme bekommen. Nachgefragt: Wir waren sehr aktiv in den sozialen Medien. Die haben und auf den sozialen Medien beschimpft. Wir haben sie auch beschimpft. Dann ist es ernst geworden.

Fragen zu Ihren Familienangehörigen

LA: Welchen Familienstand haben Sie?

VP: ledig.

LA: Haben Sie Kinder? Wenn ja, wie viele?

VP: Nein

LA: Haben Sie Angehörige in Ihrem Heimatland?

VP: Ja. Nur einen Onkel sonst niemanden. Nachgefragt: Mein Bruder wohnt in Dubai. Nachgefragt: Meine Mutter ist schon in der Kindheit gestorben und mein Vater ist auch gestorben.

LA: Wie war/ist das Verhältnis zu Ihrem Bruder?

VP: Wir haben keinen Kontakt.

LA: Wie haben Sie das vorher gemeint, dass Sie von Ihrer Familie unterstützt

werden?

VP: Mein Onkel hat mich unterstützt. Das ist der Bruder von meiner Mutter.

LA: Wann hatten Sie zuletzt mit jemand aus Ihrem Herkunftsland Kontakt?

VP: ca. vor 9 Monaten mit dem Onkel. Nachgefragt: Nein keinen Kontakt mehr.

Nachgefragt: Wir haben nicht so eine gute Beziehung mehr zueinander und daher besteht auch kein Interesse mehr von meiner Seite.

Fragen zum Fluchtweg

LA: Waren Sie nach Ihrer Flucht aus Ihrem Heimatland jemals wieder in Indien?

VP: Nein.

LA: Wer organisierte Ihre Flucht?

VP: Meine Freunde.

LA: Was hat Sie Ihre Flucht insgesamt gekostet? (Schlepperkosten)

VP: 600.000 Rupien. Nachgefragt: Meine Freunde haben das organisiert.

Nachgefragt: Ja, die haben meine Kosten übernommen.

LA: Von welchem Ort aus begann Ihre Flucht?

VP: von meinem Dorf nach Hyderabad nach Mumbai, dann mit dem Flugzeug nach Frankreich. Und von dort mit einem LKW nach Österreich.

LA: Waren Sie nicht in Russland?

VP: Nein. Nachgefragt: Ich bin mit dem Schlepper gereist und wusste nicht in welchem Land ich war. Ich bin von Mumbai doch nach Russland gereist.

Nachgefragt: Ich war einen Tag in Russland. Wir sind nach einem Tag mit dem LKW weitergefahren. Ich war 2 oder 3 Tag in dem LKW, dann war ich schon in Österreich.

LA: Wann hatten Sie beschlossen zu flüchten?

VP: Im März 2020 habe ich den Entschluss gefasst Indien zu verlassen. Ich war lange Zeit dann in verschiedenen Dörfern aufhältig.

LA: Wann haben Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen?

VP: Im September 2020 bin ich nach Hyderabad gereist, von dort nach Mumbai, wo ich 1 Monat gelebt habe. Ich bin dann von Mumbai nach Russland geflogen.

LA: Haben Sie Ihr Heimatland legal verlassen?

VP: Das hat alles der Schlepper gehabt. Nachgefragt: auch den Reisepass.

LA: Wo haben Sie den Schlepper getroffen?

VP: In Mumbai

Vorhalt: Das sind schon wieder widersprüchliche Angaben, bei der Erstbefragung haben Sie angegeben, dass Sie den Schlepper erst in Russland getroffen haben.

VP: Ich habe auch in der Erstbefragung das gleiche gesagt, dass ich den Schlepper in Mumbai getroffen haben und der mit mir nach Russland gereist ist.

Vorhalt: Auf Seite 5 Punkt 9.6. haben Sie angegeben, dass Sie den Schlepper erst in Russland getroffen hätten.

VP: Nein, der ist mit mir nach Russland gekommen.

Fragen zur Flucht

LA: Aus welchem Grund haben Sie nunmehr Ihren Heimatstaat verlassen?

Schildern Sie Ihre Fluchtgründe. Versuchen Sie chronologisch vorzugehen, schildern Sie es so, dass es auch unbeteiligte Personen nachvollziehen können und verzetteln Sie sich nicht zu sehr in Details. Wenn ich etwas näher wissen möchte, frage ich explizit nach.

VP: Wie gesagt, wurde ich zum Präsident von meiner Partei auf Dorfebene gemacht. Wir haben in den sozialen Medien sehr viel Werbung für die Partei gemacht. Die andere Partei hat mich in den sozialen Medien dann sehr angegriffen.

Es ist dann eskaliert, es ist ernst geworden. Menschen von der anderen Partei sind gekommen, um mich umzubringen. Ich bin dann geflüchtet. Als ich das erfahren habe, bin ich nach Hydrabad geflüchtet. Die haben dann aber auch erfahren, dass ich in Hydrabad

bin. Ich bin dann nach Mumbai geflüchtet. Dann hat die andere Partei auch mitbekommen, dass ich dort bin. Dann habe ich mich entschlossen, das Land zu verlassen.

LA: Wo waren Sie in diesen Städten jeweils untergebracht?

VP: Ich bin bei Bekannten untergekommen und in Mumbai gibt es auch Menschen aus meinem Dorf, dort bin ich untergekommen.

LA: Berichten Sie ausführlich über Ihre Partei: Aufbau Mitglieder Ziele etc.

VP: Ich habe über soziale Medien Werbung gemacht. Nachgefragt Inhalte der Partei: KTR ist der Präsident von der Partei. Der Name des Präsidenten ist Kalavakuntla Tarakaramnarao. Der Vizepräsident heißt: T. Harishrao und die Partei heißt Telangana Rasta Samathi – TRS.

LA: Von wem haben Sie Ihre Anordnungen bekommen?

VP: Über mir war der Präsident des Bezirkes. Der Präsident ist von der Jugendpartei. Er heißt D. Sambath. Er ist auf der Bundesstattebene.

LA: Was haben Sie in den sozialen Medien gepostet?

VP: Über die laufenden Aktivitäten der Partei auf unserer Sprache. Wir haben die Leute über die Aktivitäten unserer Partei informiert.

LA: Warum hat das jemandem gestört?

VP: Das hat der Oppositionspartei nicht gefallen. Wir haben uns gegenseitig auf den sozialen Medien beschimpft. Nachgefragt wie kann man sich das vorstellen?

Auf unsere Sprache. Nachgefragt was genau? Die haben unsere Partei runtergemacht und wir haben dasselbe gemacht. Nachgefragt was genau wurde geschrieben? Das wir arme Menschen unterstützen bei der Arbeit. Arme Frauen verheiraten usw.

Die haben uns vorgeworfen, dass das alles nicht stimmen würde.

Das wir lügen und das nicht machen würden. Nachgefragt: Ja sowas.

LA: Das klinge aber nicht so schlimm, wiese ist die Situation dann eskaliert? Was

war ausschlaggebend?

VP: Dann ist die Situation bei den Wahlen eskaliert. Die haben mich mehrmals bedroht, dass sie mich ficken würden. Anmerkung der Vertretung: Das genannte

Wort (ficken) könnte auch mehr bedeuten.

LA: Hat es Verfolgungshandlungen gegeben, die direkt gegen Sie gerichtet waren?

VP: Die sind gekommen um mich zu töten.

LA: Wer ist gekommen und warum?

VP: 5 bis 10 Menschen sind gekommen, weil die Sachen in den sozialen Medien, so sehr eskaliert sind.

LA: Wann war das? Schildern Sie den Vorfall genau!

VP: Ich kann mich an das Datum nicht erinnern. Sie sind in der Nacht gegen Abend gekommen.

LA: Schildern Sie den Vorfall im Detail?

VP: Die sind gekommen, um mich zu schlagen und zu töten und ich bin geflüchtet. Nachgefragt genauere Schilderung: Ich bin gerade nach Hause gekommen, dann sind die gekommen. Nachgefragt genauer: Ich bin geflüchtet.

Anmerkung: Der AW wird aufgefordert genauer zu schildern. Wer hat was wann

wie und wo gemacht?

VP: Da waren 10 Leute, die haben Stöcke in der Hand gehabt. Ich habe gesehen, dass sie vor dem Haus stehen und ich bin durch den Hinterausgang geflüchtet.

LA: Wie haben Sie das gesehen?

VP: Ich habe sie zuerst gehört und dann durch das Fenster gesehen.“

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 21.07.2021 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien ab (Spruchpunkt II.), erteilte ihm einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.) und setzte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das BFA unter anderem aus: „Absolut nicht glaubhaft sind all jene Ausführungen, die Sie zum Anlass, der Sie zum Verlassen der Heimat bewogen haben soll, im Rahmen Ihres Asylverfahrens darlegten.

Sie sprachen lediglich davon, dass Sie für eine führende Partei mit regionaler Zuständigkeit tätig waren. Sie hätten eine Randfunktion gehabt und wären aufgrund von Konflikten, welche über soziale Medien ausgetragen wurden, bedroht worden. Das Vorbringen scheint vollkommen konstruiert, da Sie keine hinreichenden Angaben über die Vorfälle machen können. Sofern Sie von einem realen Erlebnis gesprochen hätten, so wären Sie in der Lage gewesen, aus eigenem ihr Vorbringen zu konkretisieren und nicht nur auf die gestellten Fragen zu reagieren. Ihre Angaben bleiben jedenfalls sehr oberflächlich und können nicht glaubhaft nachvollzogen werden, auch speziell nicht im Hinblick auf Ihre innerstaatlichen Fluchtversuche, da man Sie in Indien jedenfalls nicht auffinden könnte, da es kein zuverlässiges Meldesystem gibt, weshalb ihrem Vorbringen auch betreffend diese Ausführung jede Glaubwürdigkeit zu versagen war.

Gaben Sie bei Ihrer Erstbefragung zu Ihrer Fluchtrute und Ausreise befragt noch an, dass Sie legal ausgereist wären und zunächst nach Russland geflogen und erst dort auf den Schlepper getroffen wären, so änderten Sie dieses Vorbringen während ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dahingehend ab, als Sie gänzlich andere Angaben machen. Auf Vorhalt können Sie diesen Widerspruch auch nicht aufklären. Wenn Sie nun anführen, Sie hätte andere Angaben gemacht, so ist dem eine Schutzbehauptung zu unterstellen, welches keinesfalls glaubhaft nachvollzogen werden konnte.

Soweit Sie angeben, dass Sie in Indien von Parteigegnern bedroht werden würden, ist anzumerken, dass aus Ihren Angaben nicht hervorgeht, dass Sie durch diesen Umstand tatsächlich in Indien der Gefahr einer konkreten Verfolgung ausgesetzt sind. Selbst bei Vorliegen der von Ihnen behaupteten Gefährdung ist den Länderfeststellungen keinesfalls mangelnder Schutzwille oder mangelnde Schutzfähigkeit des Staates Indien zu entnehmen auch wurde in Ihrem Fall kein Hinweis darauf auffällig. Der Staat Indien ist in Ihrem Fall jedenfalls sowohl schutzfähig als auch schutzwillig und hat sich im Verfahren nichts Anderes ergeben, sodass Ihnen jedenfalls Schutz und Hilfe in Indien zuteilwerden würde. Sie haben jedenfalls die Möglichkeit entgegen Ihrer Angaben, sich in Indien an die dortigen Polizeibehörden zu wenden. Dass Ihnen dies –unter objektiven Gesichtspunkten betrachtet- nicht möglich oder zumutbar wäre, hat sich im Verfahren nicht ergeben. Aufgrund der oa. Erwägungen ist es für die ho. Behörde erwiesen, dass Ihr Vorbringen unglaubhaft ist und keine Asyl Relevanz aufweist.“

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 30.07.2021 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien und wurde in Indien in XXXX im indischen Bundesstaat Telanganga am XXXX geboren. Am 02.02.2021 hat der Beschwerdeführer im Bundesgebiet den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Er gehört der Religionsgemeinschaft der Hindu und der Volksgruppe der Gouds an und ist ledig und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer hat in seinem Herkunftsstaat jedenfalls einen Onkel und Freunde, die den Beschwerdeführer finanziell unterstützen. Der Beschwerdeführer verfügt über eine zehnjährige Schulbildung.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Indien in der Lokalpolitik als Funktionär für die Parteijugend der politischen Regionalpartei Telangana Rashtra Samithi („Vereinigung für Telangana“) gearbeitet hat, welche zurzeit die stärkste Partei im südindischen Bundesstaat Telangana ist. Der Beschwerdeführer spricht Hindi und Telugu. Im Bundesgebiet verfügt der Beschwerdeführer über keinerlei Familienangehörige, er lebt auch nicht in einer Lebensgemeinschaft. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer die deutsche Sprache beherrscht, einer regelmäßigen, legalen Beschäftigung nachgeht, sich sozial engagiert oder hier Freunde gefunden hat. Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland aus den von ihm genannten Gründen verlassen hat.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Indien einer Verfolgung von staatlicher oder privater Seite unterliegt.

Den Länderberichten folgend kann festgestellt werden, dass die indischen Behörden sowohl willens als auch in der Lage sind den Beschwerdeführer vor privater Verfolgung zu schützen, welche jedoch nicht festgestellt wurde.

Der Beschwerdeführer gehört keiner vom Coronavirus SARS-CoV-2 besonders betroffenen Risikogruppe wie ältere Personen (mit stetig steigendem Risiko für einen schweren Verlauf ab etwa 50–60 Jahren; 86 % der in Deutschland an COVID-19 Verstorbenen waren 70 Jahre alt oder älter [Altersmedian: 82 Jahre]), adipöse (BMI >30) und stark adipöse (BMI >35) Menschen, Menschen mit Down-Syndrom (Trisomie 21) oder Personen mit bestimmten Vorerkrankungen ([ohne Rangfolge] des Herz-Kreislauf-Systems [z. B. koronare Herzerkrankung und Bluthochdruck], chronische Lungenerkrankungen [z. B. COPD], chronische Nieren- und Lebererkrankungen, psychiatrische Erkrankungen [z. B. Demenz], Patienten mit Diabetes mellitus [Zuckerkrankheit], Patienten mit einer Krebserkrankung, Patienten mit geschwächtem Immunsystem [z. B. aufgrund einer Erkrankung, die mit einer Immunschwäche einhergeht oder durch die regelmäßige Einnahme von Medikamenten, die die Immunabwehr beeinflussen und herabsetzen können, wie z. B. Cortison]) an (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html; abgerufen am 14.10.2021).

Zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Indien wird Folgendes festgestellt:

Derzeit herrscht weltweit die als COVID-19 bezeichnete Pandemie. COVID-19 wird durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursacht. Im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wurden bisher 33.716.451 Fälle von mit diesem Coronavirus infizierten Personen nachgewiesen, wobei bisher 447.751 diesbezügliche Todesfälle bestätigt (https://coronavirus.jhu.edu/map.html, abgerufen am 29.09.2021).

COVID-19:

Letzte Änderung: 21.05.2021

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie verhängte die indische Regierung am 25. März 2020 eine Ausgangssperre über das gesamte Land, die nur in Einzelfällen (Herstellung lebensnotwendiger Produkte und Dienstleistungen, Einkaufen für den persönlichen Bedarf, Arztbesuche, usw.) durchbrochen werden durfte. Trotz der Ausgangssperre sanken die Infektionszahlen nicht. Seit der ersten Aufsperrphase, die am 8. Juni 2020 begann, schießt die Zahl der Infektionen noch steiler als bisher nach oben. Größte Herausforderung während der Krise waren die Millionen von Wanderarbeitern, die praktisch über Nacht arbeitslos wurden, jedoch auf Grund der Ausgangssperre nicht in ihre Dörfer zurückkehren konnten (ÖB 9.2020; vgl. HRW 13.1.2021). Viele von ihnen wurden mehrere Wochen in Lagern unter Quarantäne gestellt (also de facto eingesperrt), teilweise mit nur schlechter Versorgung (ÖB 9.2020). Menschen mit Beeinträchtigungen sind von coronabedingten Maßnahme wie Abriegelungen und sozialen Distanzierungen besonders betroffen. Der Zugangs zu medizinischer Versorgung und lebenswichtigen Gütern und der Ausübung sozialer Distanzierung, insbesondere für diejenigen, die persönliche Unterstützung für Aufgaben des täglichen Lebens erhalten (HRW 13.1.2021). Während der ersten Wochen der COVID-19 Pandemie, wurden Muslime für die Verbreitung des Coronavirus, auch von Vertretern der Regierungsparteien verantwortlich gemacht (FH 3.3.2021; vgl. HRW 13.1.2021).

Nach Angaben des indischen Gesundheitsministeriums vom 11. Oktober 2020 wurden seit Beginn der Pandemie mehr als sieben Millionen Infektionen mit COVID registriert. Die täglichen offiziellen Fallzahlen stiegen zwar zuletzt weniger schnell als noch im September, die Neuinfektionen nehmen in absoluten Zahlen jedoch schneller zu als in jedem anderen Land der Welt. Medien berichten in einigen Teilen des Landes von einem Mangel an medizinischem Sauerstoff in Krankenhäusern (BAMF 12.10.2020).

Die Lage in Indien, dass mit Bezug auf das Infektionsgeschehen (neben den USA und Brasilien) zu den am schwersten von der COVID-19-Pandemie betroffenen Ländern weltweit zählt, hat sich sich gegenüber dem Sommer 2020 mit damals fast 100.000 Neuinfektionen pro Tag inzwischen etwas entspannt. Es erkranken offiziellen Angaben zufolge nach wie vor etwa 40.000 Menschen täglich am Virus. In den Ballungszentren kann die medizinische Versorgung weitestgehend aufrecht erhalten werden (GTAI 3.12.2020). Indiens Wirtschaft wurde durch die COVID-19-Pandemie stark beeinträchtigt (DFAT 10.12.2020; vgl. GTAI 3.12.2020). Das Land rutschte im zweiten Quartal des Geschäftsjahres 2020-21 erstmals in eine wirtschaftliche Rezession (PRC 18.3.2021). Es wird allgemein erwartet, dass das Land ab 2021 zu einem nachhaltigen Wachstum zurückkehren wird (DFAT 10.12.2020; vgl. GTAI 3.12.2020). Nach dem zweimonatigen harten Lockdown im Frühjahr 2020 hat die indische Regierung das öffentliche Leben im Rahmen ihrer Unlock-Strategie schrittweise wieder hochgefahren. Die Bundesstaaten und Unionsterritorien haben dabei weitreichendere Entscheidungsbefugnisse, welche Lockerungen sie umsetzen und welche nicht. Mit den bestehenden Einschränkungen sollen vor allem Superspreader-Events wie religiöse Großveranstaltungen und Hochzeiten eingedämmt werden. Massentests, Kontaktnachverfolgung, Isolierung von Infizierten und die Abschottung von Gebieten mit hohen Fallzahlen (Containment Zones) sollen helfen, das Virus zurückzudrängen (GTAI 3.12.2020; vgl. WKO 13.1.2021). Es kann daher vereinzelt und regional sowie zeitlich begrenzt zu erneuten Lockdowns kommen. Eine Skizzierung in „Red Zone“, „Orange Zone“ und „Green Zone“ wird von der Regierung des Bundesstaates/Unionsterritoriums in Absprache mit dem Gesundheitsministerium und der nationalen Regierung entschieden (WKO 13.1.2021).

Gegen regierungskritische Äußerungen, auch im Zusammenhang mit Maßnahmen der Regierung im Umgang mit der COVID-19 Pandemie wurden mittels aus der Kolonialzeit stammenden Gesetzen zur Staatsverhetzung und dem im Jahr 2000 erlassenen IT-Gesetz vorgegangen (FH 3.3.2021). Medienvertreter sehen sich Drohungen, Verhaftungen, Strafverfahren oder körperlichen Angriffen durch Mobs oder der Polizei wegen der Berichterstattung über die Pandemie ausgesetzt (HRW 13.1.2021). Mehrere von der Regierung zur Eindämmung einer Verbreitung der Pandemie getroffenen Maßnahmen wurden von Menschenrechtsanwälten als invasiv angesehen (FH 3.3.2021).

Im ersten Quartal 2021 wird Indien mit einem Anstieg der Fallzahlen vor einer zweiten COVID-19 Welle erfasst (TOI 21.3.2021; vgl. TFE 20.3.2021) und verzeichnete im Zeitraum ab April/Mai 2021 die höchsten Zahlen an täglichen Todesfällen wegen des Coronavirus seit Beginn der Pandemie (BAMF 3.5.2021). Kritik äußert sich aus dem Umstand heraus, dass Indien, ob seiner Pharmaindustrie, als "Apotheke der Welt" durch die Lieferung von Covid-19-Impfstoffen an viele Länder der Welt genießt (FE 20.3.2021; vgl. TOI 21.3.2021), gleichzeitig jedoch bei der Durchimpfung der eigenen Bevölkerung landesweit lediglich einen Wert von rund zwei Prozent erreicht (HO 28.4.2021).

Auch der Umstand, dass im Zuge der Regionalwahlen in einigen Bundesstaaten große Kundgebungen mit zum Teil Zehntausender Besucher abgehalten wurden, wie auch die Durchführung des hinuistischen Festes Kumbh-Mela in Haridwar im nördlichen Bundesstaat Uttarakhand, an dem im Zeitraum von Jänner 2021 bis zum 27. April knapp 25 Millionen Hindus vor Ort teilgenommen haben, attestieren der indischen regierung eine "praktizierte Sorglosigkeit". Die Aussage der BJP bei einer Wahlveranstaltung im Bundestaat Assam in der verkündet wurde, "Wahlveranstaltungen und religiöse Zusammenkünfte tragen nicht zur Verbreitung von Covid-19 bei", wird kritisiert (BAMF 3.5.2021; vgl. HO 28.4.2021).

Seit Mai 2021 sind alle Erwachsenen impfberechtigt, davor nur über 45-Jährige. In mehreren Bundesstaaten des Landes ist der Impfstoff ausgegangen, Hilfsgüter aus mehreren Ländern wie Beatmungsgeräte, Anlagen zur Sauerstofferzeugung, Medikamente und Impfstoff werden Indien von der internationalen Staatengemeionschaft zur Verfügung gestellt. Medienberichten zufolge will Indien die eigene Impfstoffproduktion bis Juni 2021 erhöhen, von der staalichen indischen Eisenbahngesellschaft gab bekannt, 4.000 Waggons mit einer Kapazität von 64.000 Betten als provisorische Stationen für Corona-Patienten bereitzustellen (BAMF 3.5.2021).

Alle Experten davon aus, dass kurzfristig die Fallzahlen wie auch die Zahlen der Toten weiter ansteigen werden, da das staatliche Gesundheitssystem in vielen Landesteilen schon jetzt an seine Grenzen gestoßen ist. Eine mittelfristige Prognose ist noch unklar. Eine Hoffnung stellt, bedingt durch den bereits erfolgten sehr breiten Ansteckung der Bevölkerung das Erreichen einer Herdenimmunität dar (HO 25.4.2021).

Quellen:

-        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (3.5.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw18-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff 7.5.2021

-        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (12.10.2020): https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2020/briefingnotes-kw42-2020.pdf;jsessionid=91E533F0FC7A0F35C0751A9F00F3D711.internet572?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 12.10.2020

-        DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (10.12.2020): DFAT Country Information Report India, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043026/country-information-report-india.pdf, Zugriff 18.1.2021

-        FE – Financial Express (20.3.2021): Coronavirus Lockdown 2021 News Highlights: Only partial relaxation from lockdown in Nagpur from Monday, https://www.financialexpress.com/lifestyle/health/coronavirus-lockdown-2021-live-news-coronavirus-india-latest-march-20-updates-narendra-modi-covid-lockdown-night-curfew-maharashtra-mumbai-pune-nagpur-uttar-pradesh-delhi-bengaluru-hyderabad-punjab-gu/2216571/, Zugriff 22.3.2021

-        FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046516.html, Zugriff 22.3.2021

-        GTAI – German Trade & Invest [Deutschland] (3.12.2020): Indien sieht erste Anzeichen einer Konjunkturbelebung, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/indien/indien-sieht-erste-anzeichen-einer-konjunkturbelebung-234424, Zugriff 18.1.2021

-        HO – Heise Online (25.4.2021): Telepolis: Corona in Indien: Sorglosigkeit, Mutanten und himmelschreiende Ungleichheit, https://www.heise.de/tp/features/Corona-in-Indien-Sorglosigkeit-Mutanten-und-himmelschreiende-Ungleichheit-6030218.html, Zugriff 7.5.2021

-        HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043608.html, Zugriff 18.1.2021

-        ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht Indien

-        PRC – Pew Research Center (18.3.2021): In the pandemic, India’s middle class shrinks and poverty spreads while China sees smaller changes, https://www.pewresearch.org/fact-tank/2021/03/18/in-the-pandemic-indias-middle-class-shrinks-and-poverty-spreads-while-china-sees-smaller-changes/, Zugriff 22.3.2021

-        TOI – Times of India (21.3.2021): Government failed to control Covid spread, must vaccinate all within months: Congress,

-        http://timesofindia.indiatimes.com/articleshow/81618736.cms?utm_source=contentofinterest&utm_medium=text&utm_campaign=cppst, Zugriff 22.3.2021

-        WKO – Wirtschaftskammer Österreich [Österreich] (13.1.2021): Coronavirus: Situation in Indien, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-infos-indien.html, Zugriff 18.1.2021

Politische Lage:

Letzte Änderung: 21.05.2021

Indien ist mit über 1,3 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA 27.4.2021; vgl. AA 23.9.2020). Indien hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer regionalen Hegemonialmacht in Südostasien entwickelt. Nachdem sich das Land während des Kalten Krieges vor allem innerhalb der Blockfreienbewegung profilierte, verfolgt es heute eine eindeutig pro-westliche Politik (BICC 1.2021).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 30.3.2021). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Ebene der Bundesstaaten (AA 23.9.2020). Im Einklang mit der Verfassung haben die 28 Bundesstaaten und acht Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 30.3.2021).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister der Regierungschef ist (USDOS 30.3.2021). Der Präsident nimmt weitgehend repräsentative Aufgaben wahr. Die politische Macht liegt hingegen beim Premierminister und seiner Regierung, die dem Parlament verantwortlich ist. Präsident ist seit 25. Juli 2017 Ram Nath Kovind, der der Kaste der Dalits (Unberührbaren) entstammt (GIZ 1.2021a).

Der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist nach britischem Muster durchgesetzt (AA 23.9.2020). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit ist verfassungsmäßig garantiert, der Instanzenzug ist dreistufig (AA 23.9.2020). Das oberste Gericht (Supreme Court) in New Delhi steht an der Spitze der Judikative und wird gefolgt von den High Courts auf Länderebene (GIZ 1.2021a).

Die Verfassung garantiert Rede- und Meinungsfreiheit (USDOS 30.3.2021). Unabhängigen Medien drücken eine große Bandbreite von Meinungen und Ansichten ohne Einschränkungen aus (USDOS 30.3.2021; vgl. FH 3.3.2021). Allerdings haben die Angriffe auf die Pressefreiheit unter der Regierung Modi zugenommen (FH 3.3.2021).

Im April/Mai 2019 wählten etwa 900 Mio. Wahlberechtigte ein neues Unterhaus. Im System des einfachen Mehrheitswahlrechts konnte die Bharatiya Janata Party (BJP) unter der Führung des amtierenden Premierministers Narendra Modi ihr Wahlergebnis von 2014 nochmals verbessern (AA 23.9.2020).

Als deutlicher Sieger mit 352 von 542 Sitzen stellt das Parteienbündnis "National Democratic Alliance (NDA)", mit der BJP als stärkster Partei (303 Sitze) erneut die Regierung. Der BJP-Spitzenkandidat und amtierende Premierminister Narendra Modi wurde im Amt bestätigt. Die United Progressive Alliance rund um die Congress Party (52 Sitze) erhielt insgesamt 92 Sitze (ÖB 9.2020; vgl. AA 19.7.2019). Die Wahlen verliefen, abgesehen von vereinzelten gewalttätigen Zusammenstößen v. a. im Bundesstaat Westbengal, korrekt und frei. Im Wahlbezirk Vellore (East) im Bundesstaat Tamil Nadu wurden die Wahlen wegen des dringenden Verdachts des Stimmenkaufs ausgesetzt und werden zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt (AA 19.7.2019). Mit der BJP-Regierung unter Narendra Modi haben die hindu-nationalistischen Töne deutlich zugenommen. Die zahlreichen hindunationalen Organisationen, allen voran das Freiwilligenkorps RSS [Rashtriya Swayamsevak Sangh], fühlen sich nun gestärkt und versuchen verstärkt, die Innenpolitik aktiv in ihrem Sinn zu bestimmen (GIZ 1.2021a). Mit der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts treibt die regierende BJP ihre hindunationalistische Agenda weiter voran. Die Reform wurde notwendig, um die Defizite des Bürgerregisters des Bundesstaats Assam zu beheben und den Weg für ein landesweites Staatsbürgerregister zu ebnen. Kritiker werfen der Regierung vor, dass die Vorhaben vor allem Muslime und Musliminnen diskriminieren, einer großen Zahl von Personen den Anspruch auf die Staatsbürgerschaft entziehen könnten und Grundwerte der Verfassung untergraben (SWP 2.1.2020; vgl. TG 26.2.2020). Kritiker der Regierung machten die aufwiegelnde Rhetorik und die Minderheitenpolitik der regierenden Hindunationalisten, den Innenminister und die Bharatiya Janata Party (BJP) für die Gewalt verantwortlich, bei welcher Ende Februar 2020 mehr als 30 Personen getötet wurden. Hunderte wurden verletzt (FAZ 26.2.2020; vgl. DW 27.2.2020).

Bei der Wahl zum Regionalparlament der Hauptstadtregion New Delhi musste die Partei des Regierungschefs Narendra Modi gegenüber der regierenden Antikorruptionspartei Aam Aadmi (AAP) eine schwere Niederlage einstecken. Diese gewann die Regionalwahl erneut mit 62 von 70 Wahlbezirken. Die AAP unter Führung von Arvind Kejriwal, punktete bei den Wählern mit Themen wie Subventionen für Wasser und Strom, Verbesserung der Infrastruktur für medizinische Dienstleistungen sowie die Sicherheit von Frauen, während die BJP für das umstrittene Staatsbürgerschaftsgesetz warb (KBS 12.2.2020). Modis Partei hat in den vergangenen zwei Jahren bereits bei verschiedenen Regionalwahlen in den Bundesstaaten Maharashtra und Jharkhand heftige Rückschläge hinnehmen müssen (quanatra.de 14.2.2020; vgl. KBS 12.2.2020).

Bei Regionalwahlen in vier indischen Bundesstaaten und einem Unionsterritorium hat die konservative Regierungspartei BJP von Premierminister Modi offenbar keine Zugewinne erzielt. In Westbengalen liegt die BJP deutlich hinter der Regionalpartei All India Trinamool Congress (TMC) von Chefministerin Mamata Banerjee. Auch in Assam, Tamil Nadu, Kerala und Puducherry fanden Wahlen statt. Nur in Assam konnte die BJP an der Macht festhalten, aber auch dort erzielte sie – wie in den anderen Bundesstaaten – keine Zugewinne. Der Wahlkampf fand inmitten der Corona-Pandemie zum Teil mit riesigen Wahlkundgebungen statt. Viele Experten sehen darin die Ursache für den dramatischen Anstieg der Infektionszahlen im Land. Modi hatte sich im Wahlkampf besonders in Westbengalen engagiert, das an der Grenze zu Bangladesch liegt und eine starke muslimische Minderheit hat. Die BJP versprach, hunderttausende Muslime auszuweisen, die vor Jahrzehnten aus Bangladesch nach Indien geflohen sind (DS 3.5.2021).

Trotz der Annäherung an die USA und der zunehmenden Spannungen mit China betont Indien weiterhin seine strategische Autonomie. Diese beinhaltet auch den Anspruch auf eine eigenständige Rolle im Kontext der geopolitischen Spannungen zwischen China und den USA im Indo-Pazifik. So haben Indien und China in den letzten Jahren auch immer wieder kooperiert, zum Beispiel in der Shanghaier Orga-nisation für Zusammenarbeit. Innerhalb der Quad hat sich Indien für ein inklusives Verständnis des Indo-Pazifiks ausgesprochen, das im Unterschied zu den Vorstellungen der USA bislang immer die Einbeziehung Chinas beinhaltete (SWP 7.2020). Ein ständiger Sitz im UN-Sicherheitsrat ist weiterhin ein strategisches Ziel Indiens (GIZ 1.2021a).

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 15.10.2020

-        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (19.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Mai 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014276/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Mai_2019%29%2C_19.07.2019.pdf, Zugriff 15.10.2020

-        AA – Auswärtiges Amt (11.2.2021): Indien: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/politisches-portrait/206048, Zugriff 6.5.2021

-        BICC – Bonn International Centre for Conversion (1.2021): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http://www.ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2020_Indien.pdf, Zugriff 23.3.2021

-        CIA - Central Intelligence Agency (27.4.2021): The World Factbook – India, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/india/#people-and-society, Zugriff 6.5.2021

-        DS Der Standard (3.5.2021): Indien: Regionalwahl-Schlappe für Modi inmitten steigender Corona-Zahlen, https://www.derstandard.at/story/2000126330932/indienregionalwahl-schlappe-fuer-modi-inmitten-steigender-corona-faelle, Zugriff 6.5.2021

-        DW – Deutsche Welle (27.2.2020): Sierens China: Schwieriges Dreiecksverhältnis, https://www.dw.com/de/sierens-china-schwieriges-dreiecksverh%C3%A4ltnis/a-52556817, Zugriff 28.2.2020

-        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.2.2020): Immer mehr Tote nach Unruhen in Delhi, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/indien-tote-bei-gewalt-zwischen-hindus-und-muslimen-in-delhi-16652177.html, Zugriff 28.2.2020

-        FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046516.html, Zugriff 6.5.2021

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (1.2021a): Indien, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/, Zugriff 11.5.2021

-        KBS – Korean Broadcasting System (12.2.2020): Niederlage für Indiens Regierungschef Modi bei Wahl in Neu Delhi, http://world.kbs.co.kr/service/contents_view.htmlang=g&board_seq=379626, Zugriff 14.2.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht Indien

-        Quantara.de (14.2.2020): Herbe Niederlage für Indiens Regierungschef Modi bei Wahl in Neu Delhi, https://de.qantara.de/content/herbe-niederlage-fuer-indiens-regierungschef-modi-bei-wahl-in-neu-delhi, Zugriff 20.2.2020

-        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (7.2020): Indisch-chinesische Konfrontation im Himalaya. Eine Belastungsprobe für Indiens strategische Autonomie, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2020A63_IndienChina.pdf, Zugriff 11.5.2021

-        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (8.2019): Indiens Ringen um die Staatsbürgerschaft, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2020A02_wgnArora_WEB.pdf, Zugriff 18.2.2020

-        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (8.2019): Keine Ruhe in Kaschmir. Die Auflösung des Bundesstaats und die Folgen für Indien, https://www.swp-berlin.org/10.18449/2019A45/, Zugriff 16.1.2020

-        TG – The Guardian (26.2.2020): Anti-Muslim violence in Delhi serves Modi well, https://www.theguardian.com/commentisfree/2020/feb/26/violence-delhi-modi-project-bjp-citizenship-law, Zugriff 28.2.2020

-        USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048124.html, Zugriff am 6.5.2021

Sicherheitslage:

Letzte Änderung: 28.05.2021

Indien hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer regionalen Hegemonialmacht in Südostasien entwickelt. Nachdem sich das Land während des Kalten Krieges vor allem innerhalb der Blockfreienbewegung profilierte, verfolgt es heute eine eindeutig pro-westliche Politik. Das Land ist ein wichtiger Handelspartner der EU und der Vereinigten Staaten (BICC 1.2021).

Es gibt in Indien eine Vielzahl von Spannungen und Konflikten, Gewalt ist an der Tagesordnung (GIZ 1.2021a). Aufstände gibt es auch in den nordöstlichen Bundesstaaten Assam, Manipur, Nagaland sowie in Teilen Tripuras. In der Vergangenheit konnte eine Zunahme von Terroranschlägen in Indien, besonders in den großen Stadtzentren, verzeichnet werden. Mit Ausnahme der verheerenden Anschläge auf ein Hotel in Mumbai im November 2008, wird Indien bis heute zwar von vermehrten, jedoch kleineren Anschlägen heimgesucht (BICC 1.2021). Aber auch in den restlichen Landesteilen gab es in den letzten Jahren Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund. Im März 2017 platzierte eine Zelle des „Islamischen Staates“ (IS) in der Hauptstadt des Bundesstaates Madhya Pradesh eine Bombe in einem Passagierzug. Die Terrorzelle soll laut Polizeiangaben auch einen Anschlag auf eine Kundgebung von Premierminister Modi geplant haben (bpb 12.12.2017). Das Land unterstützt die US-amerikanischen Maßnahmen gegen den internationalen Terrorismus. Intern wurde eine drakonische neue Anti-Terror-Gesetzgebung verabschiedet, die Prevention of Terrorism Ordinance (POTO), von der Menschenrechtsgruppen fürchten, dass sie auch gegen legitime politische Gegner missbraucht werden könnte (BICC 1.2021).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir (ÖB 9.2020; vgl. BICC 1.2021) und der von separatistischen Gruppen bedrohte Nordosten Indiens (ÖB 9.2020; vgl. BICC 1.2021, AA 23.9.2020). Der Punjab blieb im vergangenen Jahren von Terroranschlägen und Unruhen verschont (im Punjab wurden 2020 insgesamt 18 Vorfälle im Zusammenhang mit Terrorismus registriert (SATP 3.5.2021a). Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People’s Liberation Front etc.) einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.9.2020). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, sondern vielmehr als „communal violence“ bezeichnet (ÖB 9.2020).

Gewalttätige Operationen maoistischer Gruppierungen in den ostzentralen Bergregionen Indiens dauern an (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.7.2020, FH 3.3.2021). Rebellen heben illegale Steuern ein, beschlagnahmen Lebensmittel und Unterkünfte und beteiligen sich an Entführungen und Zwangsrekrutierungen von Kindern und Erwachsenen. Zehntausende Zivilisten wurden durch die Gewalt vertrieben und leben in von der Regierung geführten Lagern. Unabhängig davon greifen in den sieben nordöstlichen Bundesstaaten Indiens mehr als 40 aufständische Gruppierungen, welche entweder eine größere Autonomie oder die vollständige Unabhängigkeit ihrer ethnischen oder Stammesgruppen anstreben, weiterhin Sicherheitskräfte an. Auch kommt es weiterhin zu Gewalttaten unter den Gruppierungen, welche sich in Bombenanschlägen, Morden, Entführungen, Vergewaltigungen von Zivilisten und in der Bildung von umfangreichen Erpressungsnetzwerken ausdrücken (FH 3.3.2021).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2017 insgesamt 812 Todesopfer durch terroristische Gewalt. Im Jahr 2018 wurden 940 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2019 kamen 621 Menschen durch Terrorakte. 2020 belief sich die Opferzahl terroristischer Gewalt landesweit auf insgesamt 591 Tote. 2021 wurden bis zum 3. Mai insgesamt 164 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 3.5.2021b).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen (z. B. Maoistisch-umstürzlerische) Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 23.9.2020).

Bauernproteste, die sich gegen die von der indischen Regierung verabschiedeten Gesetze zur Liberalisierung des Agrarsektors richten, dauern seit Monaten an. Widerstand hat sich vor allem bei Sikhs im Punjab – dem Brotkorb Indiens - formiert. Inzwischen protestieren aber auch Bauern in anderen Teilen des Landes. Als im Januar 2021 die Proteste in New Delhi gewalttätig wurden, antwortete die Regierung mit harten Maßnahmen. Da bei den Protesten viele Sikhs beteiligt sind und u.a. eine Sikh-Flagge im Roten Fort in Delhi gehisst wurde, unterstellt die indische Regierung eine Beteiligung der Khalistan-Bewegung an den Protesten (BAMF 22.3.2021).

Indien und Pakistan:

Indien und Pakistan teilen sprachliche, kulturelle, geografische und wirtschaftliche Verbindungen, doch sind die Beziehungen der beiden Staaten aufgrund einer Reihe historischer und politischer Ereignisse in ihrer Komplexität verstrickt und werden durch die gewaltsame Teilung Britisch-Indiens im Jahr 1947, dem Jammu & Kashmir-Konflikt und die zahlreichen militärischen Konflikte zwischen den beiden Nationen bestimmt (EFSAS o.D.).

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (Piazolo 2008). Die äußerst angespannte Lage zwischen Indien und Pakistan hat sich in der Vergangenheit immer wieder in Grenzgefechten entladen, welche oft zu einem größeren Krieg zu eskalieren drohten. Seit 1947 gab es bereits drei Kriege aufgrund des umstrittenen Kaschmir-Gebiets (BICC 1.2021; vgl. BBC 23.1.2018, DFAT 10.12.2020). Bewaffnete Zusammenstöße zwischen indischen und pakistanischen Streitkräften entlang der sogenannten "Line of Control (LoC)" haben sich in letzter Zeit verschärft und Opfer auf militärischer wie auch auf ziviler Seite gefordert. Seit Anfang 2020 wurden im von Indien verwalteten Kaschmir 14 Personen durch Artilleriebeschuss durch pakistanische Streitkräfte über die Grenz- und Kontrolllinie hinweg getötet und fünf Personen verletzt (FIDH 23.6.2020; vgl. KO 25.6.2020).

Indien wirft Pakistan dabei unter anderem vor, in Indien aktive terroristische Organisationen zu unterstützen. Pakistan hingegen fordert eine Volksabstimmung über die Zukunft der Region, da der Verlust des größtenteils muslimisch geprägten Gebiets als Bedrohung der islamischen Identität Pakistans wahrgenommen wird (BICC 1.2021). Es kommt immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir (BICC 1.2021). So drang die indische Luftwaffe am 26.2.2019 als Vergeltung für einen am 14. Februar 2019 verübten Selbstmordanschlag erstmals seit dem Krieg im Jahr 1971 in den pakistanischen Luftraum ein, um ein Trainingslager der islamistischen Gruppierung Jaish-e-Mohammad in der Region Balakot, Provinz Khyber Pakhtunkhwa, zu bombardieren (SZ 26.2.2019; vgl. FAZ 26.2.2019, WP 26.2.2019).

Modi nutzte den Konflikt mit Pakistan zur politischen Mobilisierung im Wahlkampf 2019. Dadurch wurde die pakistanfeindliche Stimmung in Indien so stark angeheizt, dass eine erneute Annäherung Indiens an Pakistan immer schwieriger wird. Seit der Veränderung des Status von Jammu und Kaschmir haben die Verletzungen des Waffenstillstands am Grenzverlauf zwischen Indien und Pakistan ("Line of Control") deutlich zugenommen (bpb 29.4.2021).

In einer Vereinbarung zwischen Indien und Pakistan mit dem Ziel "einen gegenseitig vorteilhaften und nachhaltigen Frieden zu erreichen", heißt es, dass nach längeren Verhandlungen die zuletzt bestehende Vereinbarung von 2003 über eine Waffenruhe "in Wort und Geist" ab dem 25. Februar 2021 umsetzen ist (Gov. o. I. 25.2.2021; vgl. SZ 26.2.2021).

Indien und China:

Indien und China teilt eine 4.056 km lange Grenze (DFAT 10.12.2020). Der chinesisch-indische Grenzverlauf im Himalaya ist weiterhin umstritten (FAZ 27.2.2020). Nach wie vor gibt es zwischen Indien und China eine Reihe ungelöster territorialer Streitigkeiten, die 1962 zu einem kurzen Krieg zwischen den beiden Nachbarstaaten und zu mehreren Unruhen führten, darunter 2013, 2017 und 2020. Zusammenstöße zwischen Grenzpatrouillen an der 1996 vereinbarten "Line of Actual Control" (LAC), der De-facto-Grenze zwischen der von Indien verwalteten Region des Ladakh Union Territory und der von China verwalteten Region Aksai Chin sind häufig (DFAT 10.12.2020; vgl. FIDH 23.6.2020) und forderten am 15.6.2020 mindestens 20 Tote auf indischer Seite und eine unbekannte Anzahl von Opfern auf chinesischer Seite (FIDH 23.6.2020; vgl. BBC 3.7.2020, BAMF 8.6.2020). Dies waren die ersten Todesopfer an der LAC seit 1975. Von beiden Seiten wurden eine Reihe von Gesprächen auf politischer, diplomatischer und militärischer Ebene geführt. Die Situation bleibt jedoch festgefahren (DFAT 10.12.2020). Viele indische Experten sehen in der Entscheidung der Modi-Regierung vom August 2019, den Bundesstaat Jammu und Kaschmir aufzulösen, einen Auslöser für die gegenwärtige Krise (SWP 7.2020; vgl. Wagner C. 2020). Die chinesischen Gebietsübertretungen können somit als Reaktion auf die indische Politik in Kaschmir in der letzten Zeit gesehen werden (SWP 7.2020). Weitere Eskalationen drohen auch durch Gebietsverletzungen an anderen Stellen der mehr Grenze (FAZ 27.2.2020; vgl. SWP 7.2020). Sowohl Indien als auch China haben Ambitionen, ihren Einflussbereich in Asien auszuweiten (BICC 1.2021).

Zwar hat der amerikanisch-chinesische Handelskrieg die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Indien und China gestärkt und neue Möglichkeiten für indische Unternehmen auf dem chinesischen Markt geschaffen, dennoch fühlt sich Indien von Peking geopolitisch herausgefordert, da China innerhalb seiner „Neuen Seidenstraße“ Allianzen mit Indiens Nachbarländern Pakistan, Bangladesch, Nepal und Sri Lanka geschmiedet hat. Besonders der Wirtschaftskorridor mit dem Erzfeind Pakistan ist den Indern ein Dorn im Auge (FAZ 27.2.2020).

Indien und Bangladesch:

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze. Indien kontrolliert die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs und war historisch maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs während seines Unabhängigkeitskrieges beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert (GIZ 1.2021a). In Nordost-Indien leben etwa 100.000 illegal eingewanderte Personen aus Bangladesch. Diese Einwanderer werden als ein erhöhtes Konfliktpotential wahrgenommen (BICC 1.2021). Auch bestehen kleinere Konflikte zwischen den beiden Ländern (BICC 1.2021).

Indien und Bangladesch:

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze. Indien kontrolliert die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs und war historisch maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs während seines Unabhängigkeitskrieges beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert (GIZ 1.2021a). In Nordost-Indien leben etwa 100.000 illegal eingewanderte Personen aus Bangladesch. Diese Einwanderer werden als ein erhöhtes Konfliktpotential wahrgenommen (BICC 1.2021). Auch bestehen kleinere Konflikte zwischen den beiden Ländern (BICC 1.2021).

Indien und Nepal

Die Beziehungen zwischen Indiens zu Nepal haben sich im Laufe des vergangenen Jahres [2020] verschlechtert (HRW 13.1.2021), nachdem das nepalesische Parlament im Juni 2020 eine Aufnahme dreier umstrittener Grenzgebiete in das nepalesische geographische Kartenwerk abgesegnet hat. Die kratographische Erfassung der umstrittenen Gebiete ist eine Reaktion auf den Bau einer Straße durch eines der umstrittenen Gebiete durch Indien, von welchem in einer im November 2019 überarbeitete Karte als zu Indien gehörig ausgewiesen wurde (HRW 13.1.2021). Nepal ist für Indien von besonderer sicherheitspolitischer Bedeutung (GIZ 1.2021a). Indien unterstützt die nepalesische Regierung mit Waffen und Gerät in ihrem Kampf gegen die maoistischen Guerilla (BICC 1.2021).

Indien und Sri Lanka:

Die beiden Staaten pflegen ein eher ambivalentes Verhältnis (GIZ 1.2021a). Indien belieferte in der Vergangenheit Waffen die LTTE ("Tamil Tigers") in Sri Lanka (BICC 1.2021). Die tamilische Bevölkerungsgruppe in Indien umfasst ca. 65 Millionen Menschen, woraus sich ein gewisser Einfluss auf die indische Außenpolitik ergibt (GIZ 1.2021a). Indiensetzt sich für einen Prozess der Versöh

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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