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50/05 Kammern der gewerblichen WirtschaftNorm
B-VG Art120c Abs1, Art130 Abs5, Art141 Abs1 litjLeitsatz
Keine Rechtswidrigkeit der Abberufung von der Funktion als Mitglied der Landesinnung Dachdecker, Glaser und Spengler Burgenland; Regelungen des WKG 1998 betreffend den nachträglichen Ausschluss der Wählbarkeit bei Eintritt der Insolvenz hinreichend bestimmt; Zurückweisung der Anfechtung der Abberufung von anderen Funktionen, weil die zugrundeliegenden Wahlen keine Urwahlen sind und die Mandatsaberkennung nur gemäß Art144 B-VG bekämpfbar istSpruch
I. Die Anfechtung wird, insoweit sie sich gegen die Abberufung von der Funktion eines Landesinnungsmeisters (Obmann) der Landesinnung Dachdecker, Glaser und Spengler Burgenland und der Funktion eines Mitgliedes der Spartenkonferenz der Sparte Gewerbe und Handwerk Burgenland richtet, zurückgewiesen.
II. Im Übrigen wird der Anfechtung nicht stattgegeben.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Anfechtungsvorbringen und Vorverfahren
1. Der Anfechtungswerber ist Mitglied des Ausschusses (Verlautbarung vom 6.3.2020 gemäß §97 Abs8 WKG iVm §18 Abs11 WKWO) und Landesinnungsmeister (Obmann) der Landesinnung Dachdecker, Glaser und Spengler Burgenland (Verlautbarung vom 8.10.2020 gemäß §99 Abs6 WKG) sowie Mitglied der Spartenkonferenz der Sparte Gewerbe und Handwerk Burgenland (Verlautbarung vom 6.4.2020 gemäß §§101 f. WKG).
2. Die Wahl des Anfechtungswerbers auf das Mandat im Ausschuss der Landesinnung Dachdecker, Glaser und Spengler Burgenland, seine Wahl zum Landesinnungsmeister (Obmann) der Landesinnung Dachdecker, Glaser und Spengler Burgenland sowie seine Wahl in die Spartenkonferenz der Sparte Gewerbe und Handwerk Burgenland erfolgte auf Grund seiner Tätigkeit als handelsrechtlicher Geschäftsführer bzw Gesellschafter sowie der Vorlage einer entsprechenden Einverständniserklärung der in der Anfechtung näher bezeichneten Gesellschaft mbH.
3. Mit Beschluss des Landesgerichtes Eisenstadt vom 19. Oktober 2020 wurde über die Gesellschaft ein Konkursverfahren mit Wirkung zum 20. Oktober 2020 eröffnet. Am 19. Oktober 2020 hat der Anfechtungswerber als Einzelunternehmer die Gewerbe Spengler und Dachdecker angemeldet.
4. Gemäß §53 Abs1 Z1 und Abs2 iVm §73 Abs7 Z2 WKG wurde der Anfechtungswerber mit Bescheid der Hauptwahlkommission bei der Wirtschaftskammer Burgenland vom 19. November 2020 aus seiner Funktion als Mitglied des Ausschusses und als Landesinnungsmeister (Obmann) der Landesinnung Dachdecker, Glaser und Spengler Burgenland sowie als Mitglied der Spartenkonferenz der Sparte Gewerbe und Handwerk Burgenland abberufen. Dem Antrag auf Übertragung des Mandates an das vom Anfechtungswerber gegründete Einzelunternehmen wurde keine Folge gegeben.
Die Hauptwahlkommission bei der Wirtschaftskammer Burgenland führte begründend dazu aus, dass gemäß §73 Abs7 Z2 WKG die Wählbarkeit aller physischen und juristischen Personen sowie sonstigen Rechtsträger, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist oder bei denen innerhalb der letzten zwei Jahre ein Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet oder aufgehoben wurde, ausgeschlossen sei. Über das Vermögen der in der Anfechtung näher bezeichneten Gesellschaft, von der sich das passive Wahlrecht des Anfechtungswerbers ableite, sei rechtskräftig und unwidersprochen das Insolvenzverfahren eröffnet worden, weshalb das Unternehmen seine Wählbarkeit eingebüßt habe. Auf Grund des Eintrittes nachträglicher Umstände, welche die Wählbarkeit des Rechtsträgers ausgeschlossen hätten, sei auch der Anfechtungswerber gemäß §53 Abs1 Z1 und Abs2 WKG abzuberufen. Die Begründung eines neuen Einzelunternehmens Spengler und Dachdecker und damit eines neuen Wahlrechtes sei ohne Relevanz, weil es ausschließlich um die Beurteilung des passiven Wahlrechtes der in der Anfechtung näher bezeichneten Gesellschaft gehe.
5. Mit Erkenntnis vom 12. März 2021 wies das Landesverwaltungsgericht Burgenland die gegen den Bescheid der Hauptwahlkommission bei der Wirtschaftskammer Burgenland eingebrachte Beschwerde des Anfechtungswerbers als unbegründet ab.
6. Gegen dieses Erkenntnis, mit dem der Verlust des Mandates ausgesprochen wurde, richtet sich die vorliegende, auf Art141 Abs1 litj B-VG gestützte Anfechtung. Der Anfechtungswerber begehrt, die Abberufung aus den Funktionen als Mitglied des Ausschusses und als Landesinnungsmeister (Obmann) der Landesinnung Dachdecker, Glaser und Spengler Burgenland sowie als Mitglied der Spartenkonferenz der Sparte Gewerbe und Handwerk Burgenland für nichtig zu erklären und ihm Kosten zuzusprechen.
Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der Ausspruch des Verlustes des Mandates rechtswidrig sei. Die Abberufung sei ohne Bestehen einer rechtlichen Grundlage für die Abberufung erfolgt und verletze den Anfechtungswerber in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Ausübung seines Mandates (passives Wahlrecht) sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B-VG und Art2 StGG). Zudem wären die Bestimmungen der §53 Abs1 und Abs2 iVm §73 WKG nicht hinreichend im Sinne des Art18 Abs2 B-VG bestimmt.
7. Das Landesverwaltungsgericht Burgenland legte die Gerichtsakten und den Akt der Hauptwahlkommission bei der Wirtschaftskammer Burgenland vor. Von der Erstattung einer Gegenschrift wurde abgesehen.
8. Die Hauptwahlkommission bei der Wirtschaftskammer Burgenland legte die bezughabenden Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, mit der sie der Anfechtung entgegentrat.
II. Rechtsgrundlagen
Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Kammern der gewerblichen Wirtschaft (Wirtschaftskammergesetz 1998 – WKG), BGBl I 103/1998 idF BGBl I 27/2021, lauten auszugsweise:
"Mitgliedschaft
§2
(1) Mitglieder der Wirtschaftskammern und Fachorganisationen sind alle physischen und juristischen Personen sowie sonstige Rechtsträger, die Unternehmungen des Gewerbes, des Handwerks, der Industrie, des Bergbaues, des Handels, des Geld-, Kredit- und Versicherungswesens, des Verkehrs, des Nachrichtenverkehrs, des Rundfunks, des Tourismus und der Freizeitwirtschaft sowie sonstiger Dienstleistungen rechtmäßig selbständig betreiben oder zu betreiben berechtigt sind.
(2) – (5) […]"
"4. Abschnitt
Fachgruppen
Errichtung, Aufgaben und Mitglieder
§43
(1) Die Landeskammern sind nach Maßgabe der Fachorganisationsordnung sowie der Beschlüsse des Erweiterten Präsidiums der Bundeskammer gemäß §15 Abs2 berechtigt, Fachgruppen zu errichten, wenn es die wirtschaftliche Bedeutung und die Interessenlage des Berufszweiges erfordern sowie die Bedeckung des Aufwandes gewährleistet ist. Der Beschluss über die Errichtung bedarf der Bestätigung durch das Erweiterte Präsidium der Bundeskammer. Dasselbe gilt für den Widerruf eines Beschlusses auf Errichtung einer Fachgruppe. Derartige Beschlüsse sind in einem Anhang zur Fachorganisationsordnung aufzunehmen.
(2) Wenn keine Fachgruppe errichtet wurde, ist die Vertretung der einschlägigen fachlichen Interessen dem gleichartigen Fachverband übertragen. Dieser hat sich in dem betreffenden Bundesland eigener Organe, der Fachvertreter, zu bedienen.
(3) Die Fachgruppen haben im eigenen Wirkungsbereich die fachlichen Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten. Als fachliche Angelegenheiten gelten insbesondere:
1. die Förderung der wirtschaftlichen, sozialen und humanitären Angelegenheiten der Mitglieder, die Stärkung des Gemeinschaftsgeistes und des Ansehens in der Gesellschaft,
2. die Sicherung der Chancengleichheit der Mitglieder im Wettbewerb, insbesondere die Beseitigung oder Verhütung von Gewohnheiten, Gebräuchen und Neuerungen, welche dem lauteren und leistungsgerechten Wettbewerb unter den Mitgliedern im Wege stehen, wozu insbesondere das Verhindern unbefugter Gewerbeausübung (Pfuscherbekämpfung) zählt,
3. die Förderung von Kooperationen und Gemeinschaftsaktivitäten, insbesondere der Errichtung von Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, sowie die Entwicklung von markt- und zukunftsorientierten Branchenkonzepten,
4. die Förderung des öffentlichen und privaten Unterrichtswesens im Interesse der Mitglieder, die Förderung der Aus- und Weiterbildung der Mitglieder und ihrer Mitarbeiter, die Förderung der Berufsausbildung, insbesondere des Lehrlingswesens, sowie die Unterstützung des einschlägigen Prüfungswesens und die Abhaltung von Befähigungsprüfungen, sofern hiefür nicht andere Stellen zuständig sind,
5. die den Fachgruppen durch Gesetz oder sonstige Vorschriften eingeräumte Mitwirkung an der Gewerbe- und Wirtschaftsverwaltung, insbesondere die Ausübung der Begutachtungsrechte nach der Gewerbeordnung, sowie die Mitwirkung in Berufsausbildungsangelegenheiten,
6. die Führung von Mitgliederdateien und Statistiken, sofern sie nicht von der Landeskammer zentral geführt werden,
7. der Abschluss von Kollektivverträgen,
8. die Werbung und Öffentlichkeitsarbeit und
9. die Beratung und Information der Mitglieder.
(4) §20 Abs1 gilt für Fachgruppen sinngemäß.
(5) Die Mitgliedschaft zu einer Fachgruppe wird durch die Fachorganisationsordnung bestimmt."
"Organe
§45
(1) Organe der Fachgruppe sind:
1. der Obmann,
2. der Ausschuss und
3. die Fachgruppentagung.
(2) Die Bestimmung des §22 gilt sinngemäß für den Obmann.
(3) Dem Ausschuss obliegt die Beschlussfassung in allen Angelegenheiten, die nicht in die Zuständigkeit der Fachgruppentagung oder des Obmannes fallen.
(4) Die Fachgruppentagung besteht aus allen Mitgliedern der Fachgruppe.
(5) Folgende Angelegenheiten fallen in die Zuständigkeit der Fachgruppentagung: 1. grundsätzliche Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Fachgruppe,
2. Erlassung der Geschäftsordnung nach Maßgabe des §58 Abs3,
3. Beschlussfassung über Grundumlage und über Gebühren für Sonderleistungen,
4. Beschlussfassung über den Voranschlag und Rechnungsabschluss,
5. Angelegenheiten, die eine über den Voranschlag hinausgehende Belastung des Haushalts nach sich ziehen, sofern hiefür nicht der Obmann oder der Fachgruppenausschuss zuständig ist und
6. Errichtung und Förderung von Wohlfahrts- und Unterstützungseinrichtungen."
"Abberufung
§53.
(1) Funktionäre sind abzuberufen, wenn
1. nachträglich Umstände eintreten, die ihre Wählbarkeit ausschließen,
2. nachträglich Umstände bekannt werden, die ihre Wählbarkeit bereits im Zeitpunkt der Wahl ausgeschlossen haben oder
3. sie sich eine gröbliche Verletzung oder Vernachlässigung ihrer Pflichten zuschulden kommen lassen.
(2) Die Abberufung hat in den Fällen des Abs1 Z1 und 2 von der zuständigen Hauptwahlkommission, in den Fällen des Abs1 Z3 von der Aufsichtsbehörde zu erfolgen. Gegen Bescheide gemäß Abs1 kann binnen vier Wochen ab Zustellung Beschwerde an das Verwaltungsgericht erhoben werden."
"3. Hauptstück
Wahlen
1. Abschnitt
Allgemeines
Wahlen, Wahlrecht und Wählbarkeit
§73.
(1) Die Wahlen der Organe der nach diesem Bundesgesetz gebildeten Organisationen haben auf Grund des allgemeinen, gleichen und geheimen Verhältniswahlrechtes zu erfolgen. Die Wahlen der Fachgruppenausschüsse und der Fachvertreter erfolgen direkt (Urwahlen), die übrigen Wahlen indirekt. Die Urwahlen können auch auf elektronischem Weg (e-voting) durchgeführt werden.
(2) Sofern in diesem Bundesgesetz nicht ausdrücklich eine andere Regelung vorgesehen ist, ist für das Verhältniswahlrecht das d`Hondtsche Verfahren gemäß §97 Abs2 und 3 anzuwenden.
(3) Wahlberechtigt sind alle Mitglieder der Landeskammern, sofern sie die das Wahlrecht begründende Berechtigung zum Stichtag der Wahl nicht ruhend gemeldet haben. Mitglieder, deren Berechtigung zum Stichtag ruhend gemeldet ist, sind auf Antrag in die Wählerliste aufzunehmen. Die Wahlkundmachung hat einen diesbezüglichen Hinweis zu enthalten. Das Wahlrecht juristischer Personen und sonstiger Rechtsträger ist durch mit Firmenvollmacht ausgestattete Vertreter auszuüben.
(4) Ausgeschlossen vom Wahlrecht und seiner Ausübung nach Abs3 sind alle physischen Personen,
1. die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben;
2. die wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt wurden, bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Vollstreckung der Strafe (dem Vollzug oder Wegfall einer mit der Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme), im Falle der Verbüßung der Strafe durch Anrechnung einer Vorhaft mit Rechtskraft des Urteils, oder sonst vom Wahlrecht zum Nationalrat ausgeschlossen sind oder bei Besitz der Staatsbürgerschaft ausgeschlossen wären.
(5) Ausgeschlossen vom Wahlrecht sind ferner alle physischen und juristischen Personen und sonstigen Rechtsträger, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren mit Ausnahme eines Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung eröffnet ist oder bei denen innerhalb der letzten zwei Jahre ein Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet oder aufgehoben wurde.
(6) Wählbar sind alle wahlberechtigten Personen, wenn die das Wahlrecht begründende Berechtigung durch den Wahlwerber, die juristische Person oder den sonstigen Rechtsträger, deren Vertreter gewählt werden soll, ausgeübt wird. Ein Ruhen der Berechtigung gilt als Nichtausübung; zur Ausübung eines Saisonbetriebes berechtigte Personen sind jedoch wählbar, wenn die Berechtigung in den letzten zwölf Monaten vor dem Stichtag wenigstens zeitweise ausgeübt wurde und sie in der Wählerliste eingetragen sind.
(7) Von der Wählbarkeit ausgeschlossen sind alle
1. wahlberechtigten Personen, die weder die österreichische Staatsbürgerschaft noch eine solche gemäß ArtI des Anpassungsprotokolles zum Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, BGBl Nr 910/1993, oder eine andere Staatsbürgerschaft besitzen, die im Falle der Gegenseitigkeit der österreichischen Staatsbürgerschaft gleich zu halten ist,
2. physischen und juristischen Personen sowie sonstige Rechtsträger, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet ist oder bei denen innerhalb der letzten zwei Jahre ein Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet oder aufgehoben wurde.
(8) Gegenseitigkeit gemäß Abs7 liegt vor, wenn österreichische Staatsbürger hinsichtlich der Wählbarkeit für Funktionen in vergleichbaren Organisationen des betreffenden Staates mit dessen Staatsbürgern gleich behandelt werden. Die Vergleichbarkeit ist insbesondere nach dem Zweck der Mitgliedschaft und den Aufgaben zu beurteilen. Das Erweiterte Präsidium der Bundeskammer stellt mit Beschluss fest, mit welchen Staaten Gegenseitigkeit besteht.
(9) Die Wiederwahl in ein- und dieselbe Funktion als Einzelorgan, ausgenommen die eines Obmann-Stellvertreters eines Fachverbandes und einer Fachgruppe, ist nur zulässig, wenn die betreffende Funktion bis zum Stichtag gemäß §85 Abs6 insgesamt nicht länger als 180 Monate ausgeübt wurde."
"Aktives und passives Wahlrecht
§85
(1) – (2) […]
(3) Wählbar in die Organe der Kammern und der Fachorganisationen sind die gemäß §73 Abs6 bis 8 passiv wahlberechtigten Personen.
(4) Bei juristischen Personen und sonstigen Rechtsträgern ist das passive Wahlrecht nicht an die Person gebunden, durch die das aktive Wahlrecht ausgeübt wird. Wählbar ist auch jeder andere Gesellschafter, jedes andere Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied und jeder andere Geschäftsführer oder Prokurist der juristischen Person oder des sonstigen Rechtsträgers, sofern diese juristische Person oder der sonstige Rechtsträger für den Betreffenden eine firmenmäßig gezeichnete Einverständniserklärung ausstellt und auch dieser die Voraussetzungen für die Wählbarkeit erbringt. Die Einverständniserklärung ist unwiderruflich. Sie erlischt jedoch bei Ausscheiden des Mandatars (Bewerbers) aus der betreffenden juristischen Person oder dem sonstigen Rechtsträger.
(5) Innerhalb einer Fachgruppe oder Fachvertretung hat jeder Wahlberechtigte nur eine Stimme und ist nur einmal wählbar.
(6) Nach dem Stichtag bestimmen sich die Voraussetzungen des aktiven und passiven Wahlrechts."
III. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit:
1.1. Das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland spricht über drei dem Anfechtungswerber zukommende Funktionen – nämlich als Mitglied des Ausschusses und als Landesinnungsmeister (Obmann) der Landesinnung Dachdecker, Glaser und Spengler Burgenland sowie als Mitglied der Spartenkonferenz der Sparte Gewerbe und Handwerk Burgenland – ab.
1.2. Gemäß Art141 Abs1 litj B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof unter anderem über die Anfechtung von selbstständig anfechtbaren Bescheiden und Entscheidungen der Verwaltungsbehörden sowie – sofern bundes- oder landesgesetzlich vorgesehen – der Verwaltungsgerichte.
Es liegt am zuständigen Bundes- oder Landesgesetzgeber, ob dieser eine Überprüfung der diesbezüglichen wahlbehördlichen Entscheidung durch das Verwaltungsgericht vorsieht. Die Anfechtbarkeit beim Verfassungsgerichtshof ergibt sich hingegen unmittelbar aus der Verfassung (vgl zB VfSlg 19.944/2015, 20.104/2016; VfGH 25.9.2018, WIV2/2018 ua; s. Art130 Abs5 iVm Art141 Abs1 litj B-VG), wobei im Falle der Einrichtung eines administrativen Instanzenzuges dieser vor Anrufung des Verfassungsgerichtshofes bestritten werden muss (vgl VfSlg 10.804/1986, 10.805/1986). Art141 Abs1 litj B-VG ist auch dann anwendbar, wenn durch ein Gesetz die bescheidmäßige Aberkennung von Mandaten – unter anderem in einem satzungsgebenden Organ einer gesetzlichen beruflichen Vertretung – vorgesehen ist (vgl Muzak, B-VG6, Art141 B-VG, Rz 10 [rdb.at, Stand 1.10.2020]).
Der Gesetzgeber hat von diesem ihm eingeräumten Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht: §53 Abs1 Z1 iVm Abs2 WKG sieht vor, dass gegen den Bescheid der Hauptwahlkommission, mit der ein Funktionär wegen des Eintrittes nachträglicher Umstände, die die Wählbarkeit ausschließen, abberufen wird, ein Instanzenzug an das Verwaltungsgericht besteht (vgl zur Möglichkeit der Einräumung dieses Instanzenzuges durch den einfachen Gesetzgeber Hörtenhuber/Metzler, Anfechtung direktdemokratischer Ergebnisse beim Verfassungsgerichtshof, JRP 2015, 1 [3]; vgl auch Urban, §71a VfGG, in: Eberhard/Fuchs/Kneihs/ Vašek [Hrsg.], VfGG-Kommentar, 2020, Rz 6).
Verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, die (gemäß Art130 Abs5 iVm Art141 Abs1 litj B-VG) in den Fällen der lita bis c und g bis i des Art141 Abs1 B-VG ergehen, sind keiner Beschwerde gemäß Art144 B-VG, sondern allein der Anfechtung auf Grund des Art141 B-VG zugänglich (vgl VfSlg 19.944/2015, 20.104/2016; VfGH 24.2.2020, WIV1/2020 ua).
1.3. Unter dem Begriff "gesetzliche berufliche Vertretungen" sind organisatorische Einrichtungen zur Wahrung der Interessen der durch eine gleichgerichtete und gleichgeartete Berufsausübung zusammengeschlossenen Personengruppen zu verstehen, die durch ein Gesetz im materiellen Sinn eingerichtet sind (VfSlg 4584/1963). Unter Hinweis auf die die beruflichen Vertretungen betreffenden Kompetenzbestimmungen hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass der Bundesverfassungsgesetzgeber unter diesem Begriff Vertretungen von Personen versteht, die selbstständig oder unselbstständig eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit ausüben (VfSlg 6751/1972). Die Wirtschaftskammer ist eine solche gesetzliche berufliche Vertretung (vgl VfSlg 16.164/2001).
1.4. Unter satzungsgebenden Organen sind jene Gremien zu verstehen, die aus allen Angehörigen einer gesetzlichen beruflichen Vertretung bestehen oder deren Mitglieder von diesen Angehörigen gewählt werden und deren Aufgabe es ist, grundlegende Anordnungen zu erlassen und in Angelegenheiten von grundlegender Bedeutung zu entscheiden (vgl VfSlg 14.418/1996 mwN).
1.5. Wie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 19.573/2011 ausgesprochen hat, hängt die Besetzung satzungsgebender Organe der Wirtschaftskammer indirekt vom Ergebnis der Urwahlen in die Fachgruppenausschüsse ab. Diese Urwahlen stellen die demokratische Legitimation des Selbstverwaltungskörpers durch direkte Wahl aller Mitglieder sicher; dadurch werden nämlich die Organe des Selbstverwaltungskörpers iSd Art120c Abs1 B-VG nach demokratischen Grundsätzen gebildet. Nur die Wahl zum Fachgruppenausschuss ist demnach nach Art141 Abs1 litj B-VG anfechtbar (vgl VfSlg 19.474/2011).
1.6. Die vorliegende Anfechtung richtet sich gegen die Aberkennung der Funktionen des Anfechtungswerbers als Mitglied des Ausschusses und als Landesinnungsmeister (Obmann) der Landesinnung Dachdecker, Glaser und Spengler Burgenland sowie als Mitglied der Spartenkonferenz der Sparte Gewerbe und Handwerk Burgenland. Jedoch stellt nur die Wahl des Anfechtungswerbers zum Ausschuss der Landesinnung Dachdecker, Glaser und Spengler Burgenland eine Urwahl gemäß §97 Abs8 WKG dar. Im Gegensatz dazu wird der Landesinnungsmeister (Obmann) des Ausschusses der Landesinnungen gemäß §99 Abs1 und 2 WKG durch die Mitglieder der jeweiligen Ausschüsse der Fachgruppen (Landesinnungen und Landesgremien) gewählt und die Mandate der Spartenkonferenz der Sparte Gewerbe und Handwerk sind gemäß §§101 f. WKG durch die Hauptwahlkommission bei der Wirtschaftskammer zu besetzen (vgl VfSlg 19.573/2011).
1.7. Die Wahl des Anfechtungswerbers als Landesinnungsmeister (Obmann) des Ausschusses der Landesinnung Dachdecker, Glaser und Spengler Burgenland und die Wahl in die Spartenkonferenz der Sparte Gewerbe und Handwerk Burgenland sind keine Urwahlen, weshalb die mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland erfolgte Mandatsaberkennung insoweit nicht nach Art141 B-VG, sondern nur im Wege des Art144 B-VG überprüfbar ist.
1.8. Im Übrigen ist die Anfechtung zulässig:
1.9. Nach §71a Abs1 VfGG kann die Anfechtung des Bescheides einer Verwaltungsbehörde, mit dem der Verlust der Funktion in einem satzungsgebenden Organ (Vertretungskörper) einer gesetzlichen beruflichen Vertretung ausgesprochen wird, nur nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides oder Erkenntnisses erhoben werden (VfSlg 16.480/2002). Die Anfechtung wurde nach Erschöpfung des Instanzenzuges rechtzeitig erhoben.
2. In der Sache:
2.1. Nach §71a VfGG hat der Verfassungsgerichtshof der Anfechtung stattzugeben und das angefochtene Erkenntnis aufzuheben, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit tatsächlich unterlief (Abs4 leg cit; vgl VfSlg 2890/1955, 13.060/1992, 14.804/1997, 16.480/2002).
2.2. Die in der Anfechtung behaupteten Rechtswidrigkeiten in Bezug auf die Aberkennung der Funktion als Mitglied der Landesinnung Dachdecker, Glaser und Spengler Burgenland liegen nicht vor:
2.3. Der Anfechtungswerber führt der Sache nach ins Treffen, dass die Mandatsaberkennung rechtswidrig sei, weil sie ihn in seinem Recht gewählt zu werden (passives Wahlrecht) bzw im Recht, das Mandat bis zum Ende der Funktionsperiode auszuüben, verletze. Die gesetzlichen Vorschriften über die Mandatsaberkennung verstießen gegen die demokratischen Grundsätze der Bundesverfassung. Zudem sei der Mandatsaberkennungsgrund nicht hinreichend iSd Art18 Abs2 B-VG bestimmt; weiters wende das Landesverwaltungsgericht Burgenland die §§53 und 73 WKG denkunmöglich an.
2.3.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes umfasst das passive Wahlrecht das Recht auf Beibehaltung und auf Ausübung des erworbenen Amtes während der gesamten Wahlperiode (vgl VfSlg 6106/1969, 13.060/1992, 14.804/1997, 15.266/1998). Auch müssen die Regeln zur Organkreation gemäß Art120c Abs1 B-VG ein aktives und passives Wahlrecht umfassen (vgl VfSlg 8644/1979, 17.023/2003, 18.938/2009), wobei nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auch im Rahmen der Selbstverwaltungskörper auf die Wahlgrundsätze für allgemeine Vertretungskörper abzustellen ist (VfSlg 18.946/2009). Es ist dabei aber von keinem vollständigen Entsprechen auszugehen, sodass die zu den allgemeinen Vertretungskörpern maßgeblichen Wahlgrundsätze nicht in uneingeschränktem Maße für die Wahlen zu den Selbstverwaltungskörpern gemäß Art120c B-VG gelten (VfSlg 14.440/1996). Bei der Ausgestaltung der in Art120c Abs1 B-VG vorgesehenen Grundsätze kommt dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zu (vgl VfSlg 17.023/2003, 19.751/2013, 20.361/2019).
Aus Art141 B-VG folgt, dass der einfache Gesetzgeber Mandatsverlustgründe vorsehen kann (vgl VfSlg 14.804/1997, 15.266/1998, 19.014/2010). §§53 iVm 73 WKG sieht einen solchen Mandatsverlustgrund vor, auf den das Landesverwaltungsgericht Burgenland nach Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes sein Erkenntnis stützt. Das Bedenken des Anfechtungswerbers betreffend die mangelnde Bestimmtheit der angewendeten Bestimmungen teilt der Verfassungsgerichtshof nicht (vgl zum rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zB VfSlg 4139/1962, 11.499/1987, 13.785/1994).
Der Verfassungsgerichtshof kann daher nicht finden, dass die angewendeten Rechtsvorschriften unter dem Blickwinkel des Anfechtungsvorbringens verfassungswidrig sind.
2.3.2. Gemäß §53 Abs1 Z1 und Abs2 iVm §73 Abs7 Z2 WKG sind Funktionäre durch die zuständige Wahlkommission unter anderem dann abzuberufen, wenn nachträgliche Umstände eintreten, die ihre Wählbarkeit ausschließen.
Gemäß §2 Abs1 WKG sind Mitglieder der Wirtschaftskammer und Fachorganisationen alle physischen und juristischen Personen sowie sonstige Rechtsträger, die näher bezeichnete Unternehmungen rechtmäßig selbständig betreiben oder zu betreiben berechtigt sind. Wählbar sind gemäß §73 Abs6 WKG alle wahlberechtigten Personen, wenn die das Wahlrecht begründende Berechtigung durch den Wahlwerber, die juristische Person oder den sonstigen Rechtsträger, deren Vertreter gewählt werden soll, ausgeübt wird. Gemäß §85 Abs4 WKG ist das passive Wahlrecht bei juristischen Personen und sonstigen Rechtsträgern nicht an die Person gebunden, durch die das aktive Wahlrecht ausgeübt wird. Wählbar ist nach dieser Bestimmung auch jeder andere Gesellschafter, jedes andere Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied und jeder andere Geschäftsführer oder Prokurist der juristischen Person oder des sonstigen Rechtsträgers, sofern diese juristische Person oder der sonstige Rechtsträger für den Betreffenden eine firmenmäßig gezeichnete Einverständniserklärung ausstellt und auch dieser die Voraussetzung für die Wählbarkeit erbringt. Ausgeschlossen von der Wählbarkeit sind gemäß §73 Abs7 Z2 WKG physische und juristische Personen sowie Rechtsträger, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist oder bei denen innerhalb der letzten zwei Jahre ein Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet oder aufgehoben wurde.
Im vorliegenden Fall wurde der in der Anfechtung näher bezeichnete Rechtsträger gewählt. Das Mandat des Anfechtungswerbers ergab sich auf Grund seiner Tätigkeit als handelsrechtlicher Geschäftsführer bzw Gesellschafter sowie der Vorlage einer entsprechenden Einverständniserklärung des Unternehmens. Über das Vermögen des Rechtsträgers wurde mit Beschluss des Landesgerichtes Eisenstadt vom 19. Oktober 2020 ein Konkursverfahren mit Wirkung zum 20. Oktober 2020 eröffnet, weshalb nachträgliche Umstände eingetreten sind, die die Wählbarkeit des Rechtsträgers ausschließen (§73 Abs7 Z2 WKG). Die Mandatsaberkennung nach §53 Abs1 Z1 iVm §73 Abs7 Z2 WKG ist demnach zu Recht erfolgt.
IV. Ergebnis
1. Die Anfechtung ist, insoweit sie sich gegen die Abberufung von der Funktion eines Landesinnungsmeisters (Obmann) der Landesinnung Dachdecker, Glaser und Spengler Burgenland und der Funktion eines Mitgliedes der Spartenkonferenz der Sparte Gewerbe und Handwerk Burgenland richtet, zurückzuweisen.
2. Im Übrigen ist der Anfechtung nicht stattzugeben.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Wirtschaftskammern, Mandatsverlust, Wahlrecht passives, berufliche Vertretungen, Rechtspolitik, Insolvenzrecht, WahlenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:WII1.2021Zuletzt aktualisiert am
20.12.2021