Index
Baurecht - NÖNorm
AVG §45 Abs3 implizitBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rath und die Hofräte Dr. Hrdlicka Dr. Straßmann, Mag. Onder und Dr. Baumgartner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsrat Dr. Thumb, über die Beschwerde der MB in W, vertreten durch Dr. Ernst Schilcher, Rechtsanwalt in Wr. Neustadt, Hauptplatz 31, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Wiener Neustadt vom 10. Jänner 1977, Zl. 4B/493/75/St/R, betreffend die Erteilung eines baupolizeilichen Auftrages, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Stadt Wiener Neustadt hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 3.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 3. Juni 1975 hatte der Magistrat der Stadt Wiener Neustadt der Beschwerdeführerin - soweit für den vorliegenden Beschwerdefall von Bedeutung - gemäß § 113 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 3 der Niederösterreichischen Bauordnung den baupolizeilichen Auftrag erteilt, die in ihrem Eigentum stehende Liegenschaft Grundstück Nr. nn/5, EZ 5539 KG W, bis längstens 15. Juli 1975 von sämtlichen dort lagernden Materialien (Autobus, Gerümpel, Abfälle) zu räumen. Die belangte Behörde hatte der dagegen von der Beschwerdeführerin eingebrachten Berufung mit Bescheid vom 3. September 1975 keine Folge gegeben, die Frist zur Erfüllung des erteilten Auftrages jedoch bis zum 15. Oktober 1975 verlängert. Dieser Berufungsbescheid war in Stattgebung einer von der Beschwerdeführerin dagegen erhobenen Beschwerde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Februar 1976, Zl. 1773/75 (Slg. N.F. Nr. 8988/A), auf das zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben worden.
Mit Bescheid (Ersatzbescheid) vom 10. Jänner 1977 gab die belangte Behörde der von der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wiener Neustadt vom 3. Juni 1975 erhobenen Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit den §§ 93 Z. 3 und 4 lit. a und b sowie 109 Abs. 3 NÖ Bauordnung 1976 abermals keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, daß der Endtermin für die Entfernung des konsenslos deponierten Lagergutes mit 31. März 1977 neu festgesetzt werde. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei einem Teil der mit dem Bescheid vom 3. Juni 1975 erteilten Aufträgen nachgekommen, doch habe sie jenem Teil des baupolizeilichen Auftrages nicht entsprochen, demzufolge die gesamte Liegenschaft von sämtlichen dort lagernden Materialien (Autobus, Gerümpel, Abfälle) zu räumen sei. Der Autobus befinde sich noch immer auf dem Grundstück und das Gerümpel sei lediglich ca. 20 m in Richtung F transportiert und an der Grenze zum Grundstück Nr. nn/6 abgelagert worden. Gemäß § 93 Z. 3 NÖ Bauordnung 1976 bedürfe die überwiegende Verwendung von Grundstücken im Bauland als Abstellplatz für Fahrzeuge einer Bewilligung durch die Baubehörde. Die überwiegende Verwendung des Grundstückes sei dabei in zeitlicher und nicht in örtlicher Hinsicht zu verstehen, wobei im gegenständlichen Fall hinzukomme, daß das betreffende Grundstück funktionell und zeitlich ausschließlich als Abstell- bzw. Ablagerungsplatz verwendet werde. Obwohl der betreffende Autobus bereits seit einiger Zeit nicht mehr zum Fahren verwendet werde, sei er dennoch als Fahrzeug aufzufassen, da er Reifen, Lenkung und Handbremse in funktionierendem Zustand sowie an der Vorderseite eine Anhängevorrichtung aufweise. Bei der Bestimmung des Begriffes „Fahrzeug“ sei dabei nicht unbedingt von § 2 Abs. 1 Z. 19 StVO auszugehen, der „Fahrzeug“ als „Beförderungsmittel oder fahrbare Arbeitsmaschine im Straßenverkehr“ definiere, da sich diese Definition ausschließlich auf das durch die Straßenverkehrsordnung geregelte Gebiet, nämlich den Straßenverkehr bzw. die Verwaltung öffentlicher Verkehrsflächen, beziehe und sich der Autobus auf einem Privatgrundstück befinde und daher nicht dem Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung unterliege. Ob der Autobus als Fahrzeug im Sinne der NÖ Bauordnung aufzufassen sei, sei entsprechend den allgemeinen Denkgesetzen aus dem Wortsinn zu beurteilen. Da der Autobus, wie oben angeführt, Reifen, Lenkung und Bremsen aufweise, sei er zum Fahren zweifellos geeignet, wenn auch nicht mit eigener Kraft. § 93 Z. 4 lit. a der NÖ Bauordnung 1976 binde die dauernde Verwendung von Grundstücken als Lagerplatz für Materialien aller Art dann an eine Bewilligung der Baubehörde, wenn das Lagergut die Höhe von 1 m überschreite und mehr als 10 m2 oder ohne Rücksicht auf die Höhe mehr als 20 m2 des Grundstückes beansprucht werden. Da das Gerümpel auf der Liegenschaft eine Ausdehnung von ca. 24 m2 und eine Höhe von durchschnittlich 1,20 - 1,40 m habe, erfülle es somit beide Bedingungen der Regelung des § 93 Z. 4 lit. a; da es ferner nicht für die Durchführung eines gemäß Z. 1 und 2 leg. cit. bewilligten Vorhabens gebraucht werde, erfülle es auch den Tatbestand des § 93 Z. 4 lit. b des mehrfach zitierten Gesetzes. Eine baubehördliche Bewilligung sei nicht erwirkt worden, weshalb die konsenslose Fortsetzung der Lagerung auf der Grundlage des § 109 Abs. 3 NÖ Bauordnung zu untersagen sei.
Gegen diesen Bescheid ist die vorliegende Beschwerde gerichtet, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Darüber sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gegenstand dieser Beschwerde ist - so wie schon der Berufung - nur mehr der der Beschwerdeführerin erteilte Auftrag, die gesamte Liegenschaft von sämtlichen dort lagernden Materialien zu räumen. Dabei handelt es sich um den von den Parteien übereinstimmend als nicht mit eigener Kraft fahrtüchtig bezeichneten Autobus und um das Gerümpel bzw. die Abfälle, die in, unter und neben diesem Fahrzeugwrack liegen. Die belangte Behörde stützte in Änderung der im erstinstanzlichen Bauauftrag angeführten Rechtsgrundlagen den angefochtenen Bescheid auf die Bestimmungen der §§ 93 Z. 3 und 4 lit. a und lit. b sowie 109 Abs. 3 der NÖ Bauordnung 1976.
Soweit die Beschwerdeführerin eine wesentliche Verletzung von Verfahrensvorschriften darin erblicken will, daß sie „der Feststellung des Umfanges und der Höhe der lagernden Materialien des Fahrzeuges nicht beigezogen“ worden sei, ist ihr entgegenzuhalten, daß sie - wie sie selbst in der Beschwerde vorbrachte - am 16. September 1976 Gelegenheit nahm, zu den ihr von der Behörde bekanntgebenden Ergebnissen der Beweisaufnahme vom 18. Juni 1976 ausführlich Stellung zu nehmen und im übrigen die belangte Behörde gemäß § 46 AVG 1950 als Beweismittel alles verwenden konnte, was zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes geeignet und nach Lage des Falles (hier Besichtigung des Grundstückes durch ein Organ der Baubehörde) zweckdienlich war. Auch aus § 112 Abs. 3 NÖ Bauordnung 1976 kann nicht - wie die Beschwerdeführerin meint - geschlossen werden, daß die Behörde nur im Beisein des Betroffenen berechtigt wäre, den ihr maßgeblich erscheinenden Sachverhalt auf einem Grundstück festzustellen. Im übrigen hat die Beschwerdeführerin das Ausmaß des in Rede stehenden Lagergutes (Autobus mit einer Fläche von 18,63 m2 und einer Höhe von 2,75 m, ferner verschiedene Materialien wie Abfallholz, alte Möbel und Türen sowie anderes Altmaterial im Ausmaß von 36,25 m2 und einer Durchschnittshöhe von 1,20 m) in ihrer Stellungnahme vom 16. September 1976 gar nicht bestritten. Wenn die belangte Behörde die in der Stellungnahme vom 16. September 1976 aufgestellte Behauptung der Beschwerdeführerin, sie lasse ohnedies von Zeit zu Zeit Material wegschaffen, zum Anlaß genommen hat, am 24. November 1976 eine entsprechende Überprüfung vorzunehmen, deren Ergebnis (Autobus sowie Gerümpel mit einer Ausdehnung von ca. 24 m2 und einer Höhe von durchschnittlich 1,20 - 1,40 m) sie der Beschwerdeführerin allerdings nicht vorgehalten, sondern erst im mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid zur Kenntnis gebracht hat, kann darin eine zur Aufhebung des bekämpften Bescheides führende Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften deshalb nicht erblickt werden, weil die Beschwerdeführerin in der Beschwerde selbst nicht bestreitet, daß noch im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides auf ihrem Grundstück Altmaterial (im zuletzt angeführten Ausmaß) gelagert war.
Gemäß § 93 Z. 3 der NÖ Bauordnung 1976 bedürfen einer Bewilligung der Baubehörde „die überwiegende Verwendung von Grundstücken im Bauland als Abstellplatz für Fahrzeuge“. Gemäß § 93 Z. 4 dieses Gesetzes ist „die dauernde Verwendung von Grundstücken als Lagerplatz für Materialien aller Art, wenn das Lagergut a) die Höhe von 1 m überschreitet und mehr als 10 m2 oder ohne Rücksicht auf die Höhe mehr als 20 m2 des Grundstückes beansprucht oder b) nicht zur Durchführung eines gemäß Z. 1 und 2 bewilligten Vorhabens gebraucht wird“, bewilligungspflichtig. Da der auf der Liegenschaft abgestellte Autobus als „Fahrzeug“ anzusehen ist, kann er jedenfalls nur unter die Bestimmung des § 93 Z. 3 der BO für NÖ fallen. Damit erweist sich der Einwand der Beschwerdeführerin, daß die Subsumtion für das Abstellen des Fahrzeuges unter die Bestimmung des § 93 Z. 4 leg. cit. im Gesetz keine Deckung finde, als zutreffend. Hinsichtlich der Anwendung des § 93 Z. 3 leg. cit. betreffend das Abstellen des Autobusses ist davon auszugehen, daß es sich bei dem in dieser Vorschrift enthaltenen Begriff „überwiegend“ um einen solchen handelt, der für sich allein weder nur zeitlich, noch nur räumlich, noch nur rein flächenmäßig oder nur allein auf die Intensität der (sonstigen) Nutzung des Grundstückes abstellt, sondern durch den zum Ausdruck gebracht wird, daß Grundstücke im Bauland, die - bei Bedachtnahme auf alle zuvor genannten Umstände - dem äußeren Erscheinungsbild nach Abstellplätze für Fahrzeuge sind, einer Bewilligung der Baubehörde bedürfen. Im vorliegenden Fall ist die belangte Behörde davon ausgegangen, daß das in Rede stehende Grundstück von der Beschwerdeführerin ausschließlich als Abstellplatz (für den Autobus) und als Ablagerungsplatz (für Gerümpel) verwendet wird. Die belangte Behörde hat aber im angefochtenen Bescheid nicht hinreichend begründet, daß sich das - unbestrittenermaßen im Bauland liegende - Grundstück durch den abgestellten Autobus dem äußeren Erscheinungsbild nach als Abstellplatz für Fahrzeuge darstellt. Sie hat ferner mit dem angefochtenen Bescheid der Beschwerdeführerin den Auftrag erteilt, die gesamte Liegenschaft von sämtlichen dort lagernden Materialien (Autobus, Gerümpel, Abfälle) zu räumen und dabei - wie die Beschwerdeführerin zutreffend geltend macht - außer acht gelassen, daß die dauernde Verwendung eines Grundstückes als Lagerplatz für Materialien aller Art keiner Bewilligung durch die Baubehörde bedarf, soweit das Lagergut die in § 93 Z. 4 lit. a leg. cit. bestimmten Ausmaße nicht überschreitet. Die belangte Behörde hat schließlich übersehen, daß der - auf § 109 Abs. 3 NÖ Bauordnung 1976 gestützte - Auftrag nur ergehen durfte, wenn eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt werden kann. Der angefochtene Bescheid enthält aber zur Frage der Möglichkeit einer solchen Bewilligung keinerlei Ausführungen. Wie sich aus diesen Darlegungen ergibt, beruht demnach der angefochtene Bescheid auf einer Verkennung der Rechtslage. Dies belastet diesen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben und über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nicht mehr gesondert abzusprechen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 31. Oktober 1977, BGBl. Nr. 542/1977. Das Mehrbegehren auf Zuerkennung der gesondert geltend gemachten Umsatzsteuer war abzuweisen, da diese bereits im Pauschbetrag enthalten ist.
Wien, am 18. Jänner 1979
Schlagworte
Parteiengehör Unmittelbarkeit Teilnahme an BeweisaufnahmenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1979:1977000359.X00Im RIS seit
10.12.2021Zuletzt aktualisiert am
10.12.2021