TE Vwgh Erkenntnis 1996/11/12 95/19/1747

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.11.1996
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1994 §1;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995 §1;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995/389 §1;
AufG 1992 §6 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde der A in N, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Oktober 1995, Zl. 303.585/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Oktober 1995 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 7. März 1994 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes (FrG), sowie gemäß § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe schon im Zeitpunkt ihrer Antragstellung bei der österreichischen Botschaft in Zagreb die Absicht gehabt, in Österreich ihren Hauptwohnsitz zu begründen. Mit derselben Absicht sei sie am 16. Oktober 1994 nach Österreich eingereist. Es habe sich daher nicht um eine zulässige sichtvermerksfreie Einreise im Sinne des Art. 1 Abs. 1 des im damaligen Zeitpunkt gegenüber Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina noch anwendbaren Abkommens zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Regierung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 365/1965, gehandelt. Diese illegale Einreise und der danach fortgesetzte illegale Aufenthalt rechtfertige die Annahme, ein weiterer Aufenthalt der Beschwerdeführerin gefährde die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG. Im Hinblick auf die Einreise der Beschwerdeführerin ohne Aufenthaltsbewilligung sei auch dem gesetzlichen Erfordernis des § 6 Abs. 2 AufG nicht Genüge getan.

Im speziellen Fall der Beschwerdeführerin überwögen die öffentlichen Interessen deren persönliche Interessen an einem Aufenthalt im Inland, zumal eine Beispielswirkung der der Beschwerdeführerin zur Last liegenden Verletzung fremdenrechtlicher Bestimmungen auf andere Fremde zu befürchten sei.

Die Beschwerdeführerin bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zum Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ist nachstehendes auszuführen:

Der belangten Behörde ist beizupflichten, daß eine illegale Einreise und ein daran anschließender illegaler Aufenthalt im Bundesgebiet die Annahme rechtfertigt, der weitere Aufenthalt des Fremden gefährde die öffentliche Ordnung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. April 1996, Zl. 95/19/0438).

Zutreffend rügt die Beschwerdeführerin jedoch unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften, daß die belangte Behörde es unterlassen hat, sich mit ihrem Vorbringen in Richtung des Bestehens eines vorläufigen Aufenthaltsrechtes aufgrund der gemäß §§ 12 und 13 AufG ergangenen Verordnungen der Bundesregierung auseinanderzusetzen.

Die Beschwerdeführerin hat in diesem Zusammenhang vorgebracht, Staatsangehörige Bosniens und der Herzegowina zu sein (vgl. Seite 5 des Verwaltungsaktes), sie hat sich weiters darauf berufen, aus den Kriegsgebieten ihres Heimatstaates zu kommen, von dort zunächst vertrieben und in der Folge in einem Vertriebenenlager im serbisch besetzten Gebiet Kroatiens einer unmenschlichen Behandlung unterworfen worden zu sein (vgl. Seite 10 des Verwaltungsaktes). In ihrer Berufung (vgl. Seite 12 des Verwaltungsaktes) gab die Beschwerdeführerin an, sie sei zwar nach Kroatien geflüchtet, habe sich dort jedoch nicht länger aufgehalten und in diesem Staat auch keinen Schutz gefunden. Den Antrag bei der österreichischen Botschaft in Zagreb habe ihr Gatte für sie eingebracht. Sie sei in der Folge über den Grenzübergang Spielfeld mit einem deutschen Gastarbeiterbus nach Österreich eingereist. Eine Rückkehr nach Bosnien oder Kroatien sei ihr nicht möglich, weil dort keine Flüchtlinge aufgenommen würden.

Gemäß § 1 Abs. 1 der im Zeitpunkt der Einreise der Beschwerdeführerin in Kraft gestandenen Verordnung BGBl. Nr. 368/1994 hatten Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, die aufgrund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mußten, anderwertig keinen Schutz fanden und vor dem 1. Juli 1993 eingereist sind, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet. Gemäß § 1 Abs. 2 der in Rede stehenden Verordnung bestand dieses Aufenthaltsrecht weiters für die nach dem 1. Juli 1993 eingereisten und einreisenden Personen gemäß Abs. 1, sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgte, bei der sich der Fremde der Grenzkontrolle stellte und ihm entsprechend internationaler Gepflogenheit die Einreise gestattet wurde. Dieses Aufenthaltsrecht bestand in der Folge für den gleichen Personenkreis aufgrund jeweils des § 1 der Verordnungen BGBl. Nr. 1038/1994 und BGBl. Nr. 389/1995.

Sollten diese Verordnungen auf die Beschwerdeführerin Anwendung finden, so könnte von einer illegalen Einreise und einem illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht gesprochen werden, sodaß der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG nicht vorläge.

Eine Auseinandersetzung mit der Glaubwürdigkeit des diesbezüglichen Vorbringens der Beschwerdeführerin fehlt im angefochtenen Bescheid zur Gänze. In Ansehung des Versagungsgrundes nach § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG bedarf der Sachverhalt daher in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung.

Für den Fall, daß der Beschwerdeführer nach den in Rede stehenden Verordnungen ein vorläufiges Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zukäme, wäre auch die auf § 6 Abs. 2 AufG gestützte Entscheidung rechtswidrig. Nach dieser Bestimmung ist der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid hat die Beschwerdeführerin am 7. März 1994 den gegenständlichen Bewilligungsantrag gestellt und ist erst danach, nämlich am 16. Oktober 1994 in das Bundesgebiet eingereist. Damit hat sie im vorliegenden Fall der Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG Genüge getan (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 95/19/0532). Das von der Judikatur (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom 29. September 1994, Zl. 94/18/0603, und vom 18. Oktober 1995, Zl. 95/21/0026) in diesem Zusammenhang bisweilen erwähnte grundsätzliche Erfordernis des Abwartens der Entscheidung nach Antragstellung im Ausland ergibt sich aus § 6 Abs. 2 AufG vorliegendenfalls nach den dieser Judikatur zugrundeliegenden Erwägungen nicht. Wie in dem erwähnten Erkenntnis vom 29. September 1994 ausgeführt wird, ergebe sich aus § 10 Abs. 1 AufG zwingend, daß Fremde, die gemäß § 1 Abs. 1 AufG eine Bewilligung benötigten, vor der Erteilung einer solchen weder zur Einreise noch zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt seien. Hieraus sei der Grundsatz abzuleiten, daß der Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG nur Genüge getan sei, wenn der Fremde nach Antragstellung nicht in das Bundesgebiet einreise. Wäre die Beschwerdeführerin gemäß § 1 Abs. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 368/1994 eingereist und hätte sich in der Folge aufgrund dieser Verordnung im Bundesgebiet aufgehalten, so wäre sie keine Fremde, die zur Einreise und Aufenthaltsnahme eine Bewilligung im Sinne des § 1 Abs. 1 AufG benötigte.

Aus diesen Erwägungen war der Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995191747.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten