TE Vwgh Beschluss 2021/11/17 Ra 2021/13/0138

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Veröffentlicht am 17.11.2021
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

BAO §279 Abs1
BAO §303 Abs1
EStG 1988 §47 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des P in M, vertreten durch die Eckhardt Wirtschaftsprüfung und Steuerberatungs GmbH in 7033 Pöttsching, Hauptstraße 58, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 19. Juli 2021, Zl. RV/7101977/2018, betreffend Wiederaufnahme (Einkommensteuer 2006, 2007 und 2009 bis 2014, Umsatzsteuer 2006 bis 2014) sowie Einkommensteuer 2006, 2007 und 2009 bis 2014 sowie Umsatzsteuer 2006 bis 2014, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Schreiben vom 1. Dezember 2016 (Zl. Sn 2016/00825) teilte das Finanzamt (als Finanzstrafbehörde) dem Revisionswerber mit, dem Finanzamt sei bekannt geworden, dass der Revisionswerber in den Jahren 2006 bis zumindest 2012 von der M GmbH und der P GmbH Provisionen erhalten habe, die steuerlich zu erklären gewesen wären. Dies sei aber nur zum Teil geschehen; die daraus erlangten Einnahmen seien bisher nur zum Teil versteuert. Es bestehe daher der begründete Verdacht, dass der Revisionswerber als Abgabepflichtiger unter Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, nämlich durch Abgabe unrichtiger Abgabenerklärungen für 2006 bis 2015 eine Verkürzung der bescheidmäßig festzusetzenden Abgabe, und zwar an Umsatzsteuer und Einkommensteuer ab dem Jahr 2006 bis 2015 bewirkt habe.

2        Mit Bescheiden vom 2. Dezember 2016 nahm das Finanzamt die Verfahren betreffend Einkommensteuer 2006 und Umsatzsteuer 2006 gemäß § 303 Abs. 1 BAO wieder auf und setzte Einkommensteuer 2006 und Umsatzsteuer 2006 (jeweils gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig) neu fest. In der Begründung der Wiederaufnahmebescheide wurde auf die neuen Sachbescheide verwiesen und zum Ermessen ausgeführt, im vorliegenden Fall überwiege das Interesse der Behörde an der Rechtsrichtigkeit der Entscheidung. Das Interesse auf Rechtsbeständigkeit und die Auswirkungen könnten nicht als geringfügig angesehen werden. In den neuen Sachbescheiden wurde begründend ausgeführt, es werde auf das Schreiben vom 1. Dezember 2016 verwiesen. Da nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss sei, werde die Veranlagung gemäß § 200 BAO vorläufig durchgeführt.

3        In einem Bericht der Finanzpolizei vom 28. Dezember 2016 (zur Zahl 061/10883/8216) an das Finanzamt ist insbesondere auch eine mit dem Revisionswerber aufgenommene Niederschrift vom 12. Dezember 2016 enthalten; darin wurden ebenfalls die vom Revisionswerber von seinen Auftraggebern in den Jahren ab 2006 bezogenen Provisionen (Verdacht der Abgabenhinterziehung betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer in den Jahren 2006 bis 2015) erörtert.

4        Der Revisionswerber erhob gegen diese Bescheide Beschwerden. Betreffend Wiederaufnahme rügte er die Begründung der Ermessensübung. In den Beschwerden gegen die neuen Sachbescheide machte er geltend, eine vorläufige Bescheiderlassung sei unbegründet; aufgrund der dem Schreiben vom 1. Dezember 2016 beigeschlossenen Aufstellung sei ganz genau der Betrag an nicht erklärten Umsätzen eruiert worden. Weiters verwies er auf die Niederschrift vom 12. Dezember 2016 und machte zusammengefasst geltend, es sei ein Dienstverhältnis anzunehmen. Auch rügte er die Höhe der Bemessungsgrundlagen.

5        Das Finanzamt wies die Beschwerde betreffend Wiederaufnahme mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet ab. Der Beschwerde gegen die neuen Sachbescheide gab das Finanzamt hingegen mit Beschwerdevorentscheidung teilweise statt und änderte die Bescheide ab. Die Veranlagung erfolgte nunmehr endgültig; die Bemessungsgrundlagen und die Steuerbeträge wurden abgeändert. Dem Vorbringen, es handle sich um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, wurde hingegen nicht gefolgt.

6        Der Revisionswerber beantragte, die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

7        Mit Bescheiden vom 18. Dezember 2017 nahm das Finanzamt die Verfahren betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2007 und 2009 bis 2014 und betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2007 bis 2014 gemäß § 303 Abs. 1 BAO wieder auf setzte diese Abgaben für diese Zeiträume neu fest. In der Begründung der Wiederaufnahmebescheide wurde jeweils auf die Begründung der neuen Sachbescheide verwiesen. Zum Ermessen wurde ausgeführt, im vorliegenden Fall überwiege das Interesse der Behörde an der Rechtsrichtigkeit der Entscheidung. Das Interesse auf Rechtsbeständigkeit und die Auswirkungen könnten nicht als geringfügig angesehen werden. In den neuen Sachbescheiden wurde begründend auf die „Niederschrift der Finanzpolizei vom 2.12.2016“, auf die „Niederschrift der Finanzpolizei“, auf die „Niederschrift der Finanzpolizei GZ 061/10883/8216“ oder auf die „Niederschrift der Finanzpolizei GZ 061/0883/8216“ verwiesen.

8        Der Revisionswerber erhob auch gegen diese Bescheide Beschwerden. Betreffend Wiederaufnahme rügte er neuerlich die Begründung der Ermessensentscheidung. Zu den neuen Sachbescheiden verwies er wiederum darauf, dass dem Schreiben des Finanzamts vom 1. Dezember 2016 eine Aufstellung nicht erklärter Umsätze beigeschlossen sei. Weiters führte er aus, es sei ein Dienstverhältnis anzunehmen.

9        Das Finanzamt wies mit Beschwerdevorentscheidung diese Beschwerden als unbegründet ab. Der Revisionswerber beantragte, die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

10       Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2006 (im Sinne der Beschwerdevorentscheidung) teilweise Folge und änderte die Bescheide ab. Im Übrigen wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerden als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

11       In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe als Handelsvertreter in den Jahren 2006 bis 2014 Einkünfte aus Gewerbebetrieb und entsprechende Umsätze erklärt. Aufgrund von Ermittlungen der Finanzpolizei sei dem Finanzamt bekannt geworden, dass die erhaltenen Provisionen steuerlich nicht vollständig erfasst worden seien.

12       Unbestritten sei, dass der Abgabenbehörde bisher nicht versteuerte Provisionen zur Kenntnis gelangt seien und dies einen geeigneten Wiederaufnahmegrund darstelle. Geltend gemacht werde aber, dass die neu hervorgekommenen Umstände in den Wiederaufnahmebescheiden nicht bezeichnet seien. Diesem Vorbringen sei entgegenzuhalten, dass in den Wiederaufnahmebescheiden 2006 auf das an den Revisionswerber gerichtete Schreiben des Finanzamts vom 1. Dezember 2016 verwiesen werde, wonach der Revisionswerber seine Provisionen bisher nur zum Teil versteuert habe. Bezüglich der Jahre 2007 bis 2014 sei auf eine Niederschrift der Finanzpolizei (teils mit unterschiedlichen Ergänzungen hiezu) verwiesen worden. Auch wenn die Niederschrift mit dem Revisionswerber richtigerweise am 12. Dezember 2016 aufgenommen worden sei, komme nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts einem Schreibfehler bei der Ausfertigung der Bescheide (betreffend Datum bzw. Geschäftszahl) keine ausschlaggebende Bedeutung zu, zumal mit dem Revisionswerber nur eine Niederschrift aufgenommen worden sei und damit eindeutig sei, welche gemeint sei. Die Begründung von Wiederaufnahmebescheiden durch Verweise sei zulässig. Der Verweis auf das Schreiben vom 1. Dezember 2016 bzw. die Niederschrift vom 12. Dezember 2016 werde als ausreichend erachtet.

13       Betreffend Ermessen sei grundsätzlich der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor der Rechtsbeständigkeit einzuräumen. Die steuerlichen Auswirkungen sowohl in den einzelnen Verfahren als auch insgesamt seien im vorliegenden Fall auch nicht gering. Die Verfahrenswiederaufnahmen schienen auch in Hinblick auf die offenkundige Abgabenverkürzungsabsicht des Revisionswerbers als nicht unbillig. Konkrete Umstände, die für eine Ermessensentscheidung zu Gunsten des Revisionswerbers und damit gegen eine Wiederaufnahme sprächen, würden von ihm nicht dargetan.

14       Es bestehe kein Anlass, die Vollständigkeit der für das Jahr 2006 ermittelten Provisionen in Zweifel zu ziehen; die Ungewissheit sei damit beseitigt, die Umsatzsteuer und Einkommensteuer 2006 seien - wie in der Beschwerdevorentscheidung - endgültig festzusetzen.

15       Der Revisionswerber sei in den Jahren 2006 bis 2014 als Handelsvertreter im Außendienst tätig gewesen. Der Revisionswerber besitze einen Gewerbeschein für das Handelsgewerbe. In den Streitjahren sei er bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft versichert gewesen. Lohnabgaben seien durch die jeweiligen Auftraggeber nicht entrichtet worden. Zwischen dem Revisionswerber und den Auftraggebern seien nur mündliche Vereinbarungen geschlossen worden. Der Revisionswerber habe in den Streitjahren näher angeführte Provisionen erwirtschaftet. Diese Provisionen seien nur zum Teil in seinen Steuererklärungen erfasst worden. Der Revisionswerber habe in den Streitjahren seine Einkünfte aus der Tätigkeit als Handelsvertreter als Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärt; er habe auch Umsatzsteuererklärungen eingereicht. Er habe Betriebsausgaben in Abzug gebracht.

16       Nach umfangreicher Darlegung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führte das Bundesfinanzgericht aus, der Revisionswerber habe ausschließlich bei erfolgreichen Vertragsabschlüssen entsprechende Provisionen erhalten. Eine erfolgsunabhängige Entlohnung sei nicht gewährt worden. Seine Einnahmen seien daher der Höhe nach sehr unregelmäßig gewesen. Er habe für seine Aufwendungen von ca. 20.000 € bis 30.000 € jährlich selbst aufkommen müssen und habe keinen Aufwandersatz von seinen Auftraggebern erhalten. Schon allein diese Umstände zeigten, dass der Revisionswerber nicht iSd § 47 Abs. 2 EStG 1988 seine Arbeitskraft geschuldet habe, sondern es sich um eine erfolgsorientierte Tätigkeit gehandelt habe. Gegen eine Umqualifizierung in ein Dienstverhältnis spreche auch der Wille der Vertragspartner, die eindeutig kein Dienstverhältnis hätten abschließen wollen. Die vom Revisionswerber für eine persönliche Weisungsgebundenheit ins Treffen geführten Merkmale (Entgegennahme von Terminlisten, Einsatz von vorgegebenem Prospektmaterial und von Auftragsformularen) seien mit der sachlichen Weisungsgebundenheit in Zusammenhang zu sehen.

17       Zusammenfassend sei festzuhalten, dass eine „Eingebundenheit“ des Revisionswerbers in organisatorische Abläufe der Auftraggeber nur in einer für die Auftragserfüllung erforderlichen Weise erfolgt sei, es sei aber keine für ein Dienstverhältnis typische organisatorische Eingliederung vorgelegen. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse stelle sich die strittige Tätigkeit für die Auftraggeber als selbständige Tätigkeit dar. Eine Umqualifizierung der Vertragsverhältnisse in Dienstverhältnisse sei nicht gerechtfertigt.

18       Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision.

19       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

20       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

21       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

22       Zur Zulässigkeit wird in der Revision zunächst geltend gemacht, es sei bereits in der Beschwerde gegen die das Jahr 2006 betreffenden Bescheide dargelegt worden, dass eine nichtselbständige Tätigkeit anzunehmen sei; es seien auch die Eckpunkte dieses Sachverhalts dargelegt worden. Zu diesem Sachverhalt sei am 7. Jänner 2021 eine umfangreiche Stellungnahme abgegeben worden. Sodann sei die Beantwortung einer 12 Fragen umfassenden Fragenliste von der Geschäftsführerin der Auftraggeber abverlangt worden. Die Antworten seien im Jänner 2021 beim Bundesfinanzgericht eingelangt, dem steuerlichen Vertreter jedoch erst bei der mündlichen Verhandlung im Juni 2021 übergeben worden. Dies stelle einen Verstoß gegen das Überraschungsverbot dar.

23       Ein Verstoß gegen das Überraschungsverbot - also die Einbeziehung von Sachverhaltselementen in die rechtliche Beurteilung, die der Partei nicht bekannt waren (vgl. VwGH 14.9.2017, Ra 2016/15/0015; vgl. auch VwGH 19.6.2019, Ra 2019/02/0098, mwN) - liegt hier schon deswegen nicht vor, weil diese Sachverhaltselemente dem steuerlich vertretenen Revisionswerber in der mündlichen Verhandlung bekannt gegeben wurden; dem Revisionswerber wurde die Möglichkeit eingeräumt, hiezu Stellung zu nehmen. Überdies nahm der Revisionswerber nach der mündlichen Verhandlung auch schriftlich zu diesen Sachverhaltselementen Stellung; das Bundesfinanzgericht setzte sich mit dieser weiteren Stellungnahme im angefochtenen Erkenntnis auseinander.

24       In der Revision wird weiters geltend gemacht, eine Schätzungsbefugnis setze die Unmöglichkeit der Ermittlung oder Berechnung der Besteuerungsgrundlagen voraus; dies sei hier nicht der Fall.

25       Dieses Vorbringen ist unverständlich, beruht doch die Festsetzung der Abgaben - jedenfalls seit der Abänderung der das Jahr 2006 betreffenden Sachbescheide mit Beschwerdevorentscheidung - nicht auf einer Schätzung der Bemessungsgrundlagen, sondern vielmehr auf Angaben, die offenbar von den „Auftraggebern“ („Unternehmern“ iSd Handelsvertretergesetzes) des Revisionswerbers stammen.

26       Sodann macht der Revisionswerber geltend, es sei von einem sozialversicherungsrechtlichen und einkommensteuerrechtlichen Dienstverhältnis auszugehen.

27       Diesem Vorbringen ist zunächst entgegenzuhalten, dass es sich beim Begriff des Dienstverhältnisses iSd § 47 Abs. 2 EStG 1988 um einen eigenständigen Begriff des Steuerrechts handelt; es kommt nicht entscheidend darauf an, wie dies in anderen Rechtsgebieten - etwa im Sozialversicherungsrecht (worauf sich der Revisionswerber u.a. auch durch Zitate aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bezogen hatte) - beurteilt wird (vgl. z.B. VwGH 8.3.2021, Ra 2021/15/0010, mwN).

28       Der Legaldefinition des § 47 Abs. 2 EStG 1988 sind zwei Kriterien zu entnehmen, die für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen, nämlich die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers. In Fällen, in denen beide Kriterien noch keine klare Abgrenzung zwischen einer selbständig und einer nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit ermöglichen, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf weitere Abgrenzungskriterien (wie etwa auf das Fehlen eines Unternehmerrisikos, oder die Befugnis, sich vertreten zu lassen, Bedacht zu nehmen (vgl. z.B. VwGH 28.6.2017, Ra 2016/15/0074; 21.11.2018, Ra 2018/13/0045, mwN). Ob bzw. in welcher Ausprägung und Intensität im konkreten Fall die einzelnen genannten Kriterien vorliegen, ist eine Sachverhaltsfrage. Zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen (vgl. z.B. VwGH 8.3.2021, Ra 2021/15/0010; 18.6.2021, Ra 2019/13/0094).

29       Das Bundesfinanzgericht hat sich ausführlich mit den einzelnen Merkmalen, die ein Dienstverhältnis begründen können, auseinandergesetzt und ist zu der Beurteilung gelangt, dass im Revisionsfall kein Dienstverhältnis vorliegt. Die Revision kann nicht aufzeigen, dass die Sachverhaltsannahmen des Bundesfinanzgerichts zu den einzelnen Merkmalen oder die darauf basierende Gesamtbeurteilung mit die Zulässigkeit der Revision begründenden Mängeln behaftet wäre.

30       Schließlich rügt der Revisionswerber, die Bescheide betreffend die Wiederaufnahme seien nicht begründet gewesen.

31       Bei einem Bescheid betreffend amtswegiger Wiederaufnahme des Verfahrens wird die Sache, über die das Bundesfinanzgericht zu entscheiden hat, durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde herangezogen wurde. Die Ergänzung einer mangelhaften Begründung stellt dabei kein unzulässiges Auswechseln von Wiederaufnahmegründen dar (vgl. z.B. VwGH 26.11.2015, Ro 2014/15/0035, mwN).

32       Aus der Begründung der Wiederaufnahmebescheide war durch den (zulässigen) Verweis auf die neuen Sachbescheide und den dort aufgenommenen - wenn auch zum Teil mangelhaft und unterschiedlich formulierten - Verweis auf Schreiben des Finanzamts oder Niederschriften der Finanzpolizei erkennbar, welchen Tatsachenkomplex das Finanzamt herangezogen hatte, nämlich den Umstand, dass der Revisionswerber in seinen Abgabenerklärungen nur einen Teil der ihm von der M GmbH und der P GmbH zugeflossenen Provisionen angeführt hatte (Schreiben des Finanzamts an den Revisionswerber vom 1. Dezember 2016; Niederschrift vom 12. Dezember 2016). Wie im Übrigen gerade auch aus der Beschwerde des Revisionswerbers gegen die das Jahr 2006 betreffenden neuen Sachbescheide hervorgeht, war dem Schreiben des Finanzamts vom 1. Dezember 2016 auch eine konkrete Aufstellung über die nicht erklärten Einnahmen (Umsätze) beigeschlossen. Das Bundesfinanzgericht hat somit den vom Finanzamt herangezogenen, aber mangelhaft begründeten Tatsachenkomplex nicht ausgetauscht, sondern die Begründung zutreffend ergänzt.

33       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 17. November 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021130138.L00

Im RIS seit

10.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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