Entscheidungsdatum
11.11.2021Index
82/02 Gesundheitsrecht allgemeinNorm
COVID-19-MG §2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Spielmann über die Beschwerde des AA, Adresse 1, **** Z, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 2, **** Z, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Z vom 06.05.2020, Zahl ***, betreffend eines Strafverfahrens nach dem COVID-19-MG, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,
zu Recht:
1. Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die verhängte Geldstrafe in Höhe von € 150,- auf € 50,- und die Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden auf 5 Stunden herabgesetzt wird.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahren:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer Folgendes zur Last gelegt:
„Sie, AA, geb. am **.**.****, haben am 23.03.2020 um 14:15 Uhr in Z, Adresse 3, folgende Verwaltungsübertretung begangen:
Sie haben den angeführten öffentlichen Ort betreten obwohl dies gemäß § 1 der Verordnung des Bürgermeisters der Stadt Z vom 20.03.2020 (kundgemacht 21.03.2020) iVm § 2 Z 3 COVID-19-Maßnahmengesetz BGBl. I Nr. 12/2020 verboten war.“
Daher wurde über ihn gemäß § 3 Abs 3 COVID-19-MG eine Verwaltungsstrafe in Höhe von € 150,- (Ersatzfreiheitsstrafe: 14 Stunden) verhängt. Ein Verfahrenskostenbeitrag gemäß § 64 VStG wurde nicht vorgeschrieben.
Dagegen richtet sich die fristgerechte Beschwerde vom 03.06.2020, wonach der Beschwerdeführer nicht über die Sperre der Y informiert gewesen sei und ihm aufgrund einer psychischen Beeinträchtigungen ein allfälliges unrechtmäßiges Verhalten nicht bewusst gewesen sei. Im Übrigen widerspreche die herangezogene Verordnung wesentlichen rechtsstaatlichen Prinzipien und sei zwischenzeitig aufgehoben worden, sodass das Verwaltungsstrafverfahre aufgrund eines Günstigkeitsvergleiches nach Art 7 EMRK einzustellen sei.
Aufgrund dieser Beschwerde hat das Landesverwaltungsgericht Tirol am 27.11.2020 beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art 139 Abs 1 Z 1 B-VG die Aufhebung des § 1 (bzw § 1 Abs 20) der Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 20.03.2020 (Bote für Tirol Nr 167/2020) in der Fassung der Verordnung vom 21.03.2020 (Bote für Tirol Nr 169/2020) beantragt (LVwG-***).
Am 10.03.2021 hat der Verfassungsgerichtshof mit seiner Entscheidung *** und *** diesen Antrag ab- bzw zurückgewiesen.
Am 17.05.2021 hat der Beschwerdeführer sein Vorbringen ergänzt und das Günstigkeitsprinzip des § 1 Abs 2 VStG geltend gemacht. Die Verordnung sei voreilig erlassen worden, der Verordnungsgeber habe diesen „Fehler“ schnellst möglich verbessern wollen und die Verordnung nach nur 9 Tagen wieder behoben. Das Unwerturteil sei mit der Aufhebung des Verbotes weggefallen. Außerdem werde mit der Verwaltungsstrafe gegen das Doppelbestrafungsverbot verstoßen, weil es aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers im Zuge der polizeilichen Anhaltung am Tatort zu einer Anklage wegen Wiederstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 StGB gekommen sei. Dieses Verfahren sei diversionell erledigt worden (Landesgericht Z zu ***). Damit habe der Beschwerdeführer die Verantwortung für sein Handeln übernommen und sei bereits entsprechend sanktioniert worden.
Das Landesverwaltungsgericht hat am 29.10.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in der der Beschwerdeführer und der anzeigende Polizeibeamte CC einvernommen wurden.
Am 02.11.2021 hat der Beschwerdeführer das psychiatrisch/neurologische Sachverständigengutachten von DD vom 15.05.2020 vorgelegt, welches im Rahmen des Strafverfahrens vor dem Landesgericht eingeholt wurde.
II. Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer befand sich am 23.03.2020 um 14.15 Uhr in **** Z an der Adresse 3. Er betrat dabei den aufgrund der Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 20.03.2020 (Bote für Tirol Nr 167/2020) in der Fassung der Verordnung vom 21.03.2020 (Bote für Tirol Nr 169/2020) aufgrund des Covid-19-Maßnahmengesetzes abgesperrten Bereich. Die Diskretionsfähigkeit des Beschwerdeführers war im Tatzeitpunkt intakt. Er war trotz einer kombinierten Persönlichkeitsstörung fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen.
III. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus der Anzeige der Polizeiinspektion X vom 25.03.2020 sowie aus der Einvernahme des Zeugen CC (PI X) und des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung des Landesverwaltungsgerichtes am 29.10.2021. Unstrittig ist dabei, dass der Beschwerdeführer im Tatzeitpunkt den mit einem rotweißen Band abgesperrten Tatort betreten hat.
Die Feststellung zum Vorliegen der Diskretionsfähigkeit ergeben sich aus folgender gutachterlichen Schlussfolgerung von DD (OZl ***):
„Der Beschuldigte leidet an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung wie oben beschrieben. Er hat die ihm zur Last gelegte Tat nicht unter dem Einfluss einer Geisteskrankheit, einer geistigen Behinderung, einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder einem einer dieser Zustände gleichwertigen Störung begangen. Folgend dem im Anlassbericht der Polizei geschilderten Tatverhalten, den diesbezüglichen Angaben des Beschuldigten und dem Aufnahmebefund der Universitätsklinik Z, wohin der Beschuldigte nach seiner Festnahme verbracht wurde, ist aus forensisch-psychiatrischer Sicht davon auszugehen, dass die Diskretionsfähigkeit zum Tatzeitpunkt intakt war. Die Fähigkeit zu einsichtsgemäßem Handeln war durch eine vorbestandene Missgestimmtheit, die sich durch die Polizeiintervention aggraviert und zu einer Lockerung der Impulskontrolle im Rahmen der bekannten Persönlichkeitsstörung geführt hat, beeinträchtigt, keinesfalls jedoch aufgehoben. Die medizinischen Voraussetzungen des § 11 StGB haben zum Tatzeitpunkt 23.03.2020 nicht vorgelegen.“
IV. Rechtslage:
COVID-19-Maßnahmengesetz (COVID-19-MG), BGBl I Nr 12/2020 in der Fassung BGBl I Nr 16/2020:
„Betreten von bestimmten Orten
§ 2. Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten untersagt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. Die Verordnung ist
(…)
3. von der Bezirksverwaltungsbehörde zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf den politischen Bezirk oder Teile desselben erstreckt.
Das Betretungsverbot kann sich auf bestimmte Zeiten beschränken.
(…)
Strafbestimmungen
§ 3. (…)
(3) Wer einen Ort betritt, dessen Betreten gemäß § 2 untersagt ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3 600 Euro zu bestrafen.
Inkrafttreten
§ 4. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2020 außer Kraft.“
Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 20.03.2020 nach § 2 Z 3 des COVID-19-Maßnahmengesetzes (Bote für Tirol Nr 167/2020), in der Fassung der Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 21.03.2020, mit der die Verordnung gemäß § 2 Z 3 des COVID-19-Maßnahmengesetzes (II-VA-V-006515/2020) geändert wird (Bote für Tirol Nr 169/2020):
„Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Innsbruck verordnet gem. § 2 Z 3 des Covid-19-Maßnahmengesetzes, BGBl I Nr. 12/2020:
§ 1
Zur Verhinderung der weiteren Verbreitung von COVID-19 ist das Betreten und Befahren folgender öffentlicher Orte verboten:
(…)
(20) Fußweg, Radweg an der Innpromenade, nördlich des Inns, zwischen der Gemeindegrenze zu Zirl und der Gemeindegrenze zu Rum.
(…)
§ 4
Wer dieser Verordnung zuwiderhandelt, begeht gemäß § 3 Abs. 3 COVID-19-Maßnahmengesetz eine Verwaltungs-übertretung und ist mit Geldstrafe von bis zu € 3.600,–im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen, zu bestrafen.
§ 5
(1) Diese Verordnung tritt mit dem Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft.
(2) Die Änderungen durch die Novelle II-VA-006520/2020 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.“
Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 28.03.2020 nach COVID-19-Maßnahmengesetz Betretungs- und Befahrungsverbote (Bote für Tirol Nr 190/2020):
„§ 1
Zur Verhinderung der Ausbreitung von COVID-19 ist das Betreten und Befahren folgender öffentlicher Orte verboten:
(…)
(19) Fußweg und Radweg an der Innpromenade nördlich des Inns:
(…)
b. von der Freiburger Brücke bis zur Kreuzung Prandtauerufer / Hutterweg
(…)
§ 5
Die Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 20. März 2020 nach § 2 Z. 3 COVID-19-Maßnahmengesetz (II-VA-V-006515/202, Bote für Tirol Nr. 168) und die Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 21. März 2020 (II-VA-V-006520/2020, Bote für Tirol Nr. 169), mit der die Verordnung gemäß COVID-19-Maß-nahmengesetz (II-VA-V-006515/2020) geändert wurde, werden aufgehoben.
§ 6
Diese Verordnung tritt mit 30. März 2020 in Kraft.“
V. Erwägungen:
Vorweg wird festgehalten, dass die vorliegende Beschwerde am 04.06.2020 bei der Behörde einlangt ist. Eine Verjährung nach § 43 Abs 1 VwGVG ist aber noch nicht eingetreten, da gemäß § 43 Abs 2 iVm § 34 Abs 2 VwGVG die Zeit des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof nicht in die Entscheidungsfrist einzurechnen ist.
Sofern der Beschwerdeführer das gegenständliche Betretungsverbot als rechtswidrig erachtet und auf eine mediale Berichterstattung verweist, wonach der Bürgermeister die Y aus heutiger Sicht nicht mehr sperren würde, genügt der Hinweis, dass der Verfassungsgerichtshof dem Antrag des Landesverwaltungsgerichts auf Behebung des Betretungsverbots nicht gefolgt ist. Es liegt somit ein im Tatzeitpunkt gültiges und wirksames Betretungsverbot vor.
Auch der Einwand des Beschwerdeführers, dass die Bestrafung aufgrund des „Günstigkeitsprinzips“ des § 1 Abs 2 VStG zu beheben sei, ist unzutreffend. Zwar sieht § 1 Abs 2 VStG vor, dass sich die Strafe dann nicht nach dem zur Tatzeit geltenden Recht zu richten hat, wenn das im Entscheidungszeitpunkt geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung für den Täter günstiger wäre. Dieses Günstigkeitsprinzip gilt allerdings nicht für „Zeitgesetze“. Dabei handelt es sich um Gesetze, die von vorn herein nur für einen bestimmten Zeitraum gegolten haben und der Wegfall der Regelung somit nicht auf einem geänderten Unwerturteil des Normgebers basiert (vgl dazu etwa generell VwGH 22.07.2019, Ra 2019/02/0107). Das gegenständliche Betretungsverbot war von Anfang an als Zeitgesetz konzipiert, was sich auch aus § 4 Abs 1 des damaligen COVID-19-MG ergibt, wonach dieses Bundesgesetz – und damit auch die aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen – spätestens mit Ablauf des 31.12.2020 außer Kraft treten sollten. Das gegenständliche Verbot wurde auch nicht nach 9 Tagen ersatzlos behoben, sondern mit der Verordnung vom 28.03.2020 in § 1 Abs 19 konkretisiert und blieb auch nach der neuen Verordnung am Tatort aufrecht. Zumal auch der Verfassungsgerichtshof das Betretungsverbot bestätigt hat, kann keine Rede davon sein, dass das Unwerturteil weggefallen sei.
Der Beschwerdeführer hat ins Treffen geführt, dass gegen ihn vor dem Landesgericht Z bereits ein Strafverfahren wegen Wiederstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 StGB geführt worden sei. Aufgrund des Verbots der Doppelbestrafung sei somit eine erneute Strafverfolgung unzulässig bzw sei er dadurch bereits genug gestraft. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Unrechtsgehalt von strafbaren Handlungen gegen die Staatsgewalt nicht auch den Unrechtsgehalt von Übertretungen der COVID-19-Schutzbestimmungen umfasst. Damit liegt auch keine Doppelbestrafung iSd Art 4 7. ZP-EMRK vor (vgl VwGH 18.02.2010, 2009/07/0131).
Im Übrigen steht unbestritten fest, dass der Beschwerdeführer im Tatzeitpunkt den Tatort betreten hat. Die Übertretung steht daher in objektiver Hinsicht fest.
Gemäß § 5 Abs 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Im Falle eines "Ungehorsamsdeliktes" – als welches sich auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung darstellen – tritt somit insofern eine Verlagerung der Behauptungslast ein, als die Behörde lediglich die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes zu beweisen hat, während es Sache der Täterin ist, glaubhaft zu machen, dass sie an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Der Beschwerdeführer hat diesbezüglich eine eingeschränkte Schuldfähigkeit geltend gemacht. Allerdings ergibt sich aus dem vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachten eindeutig, dass seine Diskretionsfähigkeit im Tatzeitpunkt intakt war. Erst durch die polizeiliche Anhaltung – also erst nach Vollendung des tatbildmäßigen Verhaltens – wurde seine vorbestandene Missgestimmtheit aggraviert und damit seine Fähigkeit zu einsichtsgemäßem Handeln beeinträchtigt – nicht aber aufgehoben.
Gemäß § 5 Abs 2 VStG entschuldigt Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte. Die Verbotsunkenntnis ist vorwerfbar, wenn sich der Täter trotz Veranlassung über den Inhalt der einschlägigen Normen nicht näher informiert hat. Es besteht also insoweit eine Erkundigungspflicht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich jedermann mit den einschlägigen Normen seines Betätigungsfeldes ausreichend vertraut zu machen (vgl VwGH 14.01.2010, 2008/09/0175). Eine derartige Erkundigungspflicht ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Existenz einschlägiger Regeln für die jeweilige Tätigkeit erkennbar ist. Dies trifft im vorliegenden Fall zu, da für die Betretung eines offenkundig abgesperrten Bereiches des öffentlichen Raums im Tatzeitpunkt schon allein aufgrund der medialen Berichterstattung jedenfalls Anlass bestanden hat, sich mit den einschlägigen Regeln zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 vertraut zu machen. Der Beschwerdeführer hat vor dem Landesverwaltungsgericht auch eingeräumt, dass ihm die COVID-19-Thematik im damaligen Zeitpunkt bewusst war. Die Übertretung steht somit auch in subjektiver Hinsicht fest, wobei beim Ausmaß des Verschuldens von Fahrlässigkeit auszugehen ist.
Nach § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Nach § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten der Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Über den Beschwerdeführer wurde bei einem gemäß § 3 Abs 3 COVID-19-MG zur Verfügung stehenden Strafrahmen in Höhe von € 3.600,- eine Geldstrafe in Höhe von € 150,- und damit im Ausmaß von lediglich ca 4 % des Strafrahmens verhängt. Die Behörde hat dabei die damalige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers als Milderungsgrund herangezogen. Im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht ist aber nicht nur die schwierige psychische Situation des Beschwerdeführers, sondern auch seine prekäre finanzielle Lage zu Tage getreten. Aus diesen Gründen ist die Strafe auf € 50,- herabzusetzten, sodass der Strafrahmen nur noch zu ca 1,4 % ausgeschöpft wird. Ein noch weiteres Herabsetzen der Strafe kommt aber aus generalpräventiven Überlegungen nicht in Betracht.
Zu den Verfahrenskosten wird festgehalten, dass die Behörde in ihrem Straferkenntnis dem Bestraften zwar gemäß § 64 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorzuschreiben gehabt hätte, dass dies aber im angefochtenen Bescheid unterlassen wurde. Im nunmehrigen Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht ist die Nachholung eines derartigen Kostenspruches gemäß § 64 VStG nicht mehr zulässig (vgl etwa VwGH 28.04.2004, 2001/03/0128). Auch für das Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht sind keine Kosten nach § 52 VwGVG aufzuerlegen, da der Beschwerdeführer mit seinem Rechtsmittel zumindest hinsichtlich der Strafhöhe durchgedrungen ist.
Abschließend wird der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass er gemäß § 54b Abs 3 VStG bei der belangten Behörde einen Antrag auf Ratenzahlung einbringen kann, sofern er die Strafe auf Grund seiner finanziellen Situation nicht sofort zur Gänze bezahlen kann.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Hinweis:
Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag. Spielmann
(Richter)
Schlagworte
Missachtung BetretungsverbotEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.44.0308.8Zuletzt aktualisiert am
09.12.2021