Entscheidungsdatum
19.11.2021Index
41/02 AsylrechtNorm
FrPolG 2005 §15 Abs2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Dr. Rieser über die Beschwerde der S Staatsangehörigen AA, geboren am **.**.****, vertreten durch RA BB, Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 14.05.2021, Zl ***, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren nach dem FPG eingestellt.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Sachverhalt und rechtliche Erwägungen:
Der Beschwerdeführerin wurde von der Landespolizeidirektion Tirol als belangte Behörde mit dem angefochtenen Straferkenntnis Folgendes angelastet:
„1. Datum/Zeit: 25.08.2020, 14:05 Uhr
Ort: **** Y, Im fahrenden Zug von Italien kommend,
EC ***
Sie sind als Fremde (§ 2 Abs. 4 Z 1 FPG) am 25.08.2020 um 14.05 Uhr, in Y ins Bundesgebiet eingereist und wurden am 25.08.2020 in Y betreten, ohne im Besitz eines Visums zu sein, obwohl passpflichtige Fremde, soweit dies nicht durch ein Bundesgesetz, durch zwischenstaatliche Vereinbarungen oder durch unmittelbar anwendbare Rechtsakte der Europäischen Union anders bestimmt ist, zur rechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet ein Visum, gültigen Aufenthaltstitel oder einen Schengentitel brauchen.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:
1. § 120 Abs. 1 FPG i.V.m. § 15 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 idgF.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:
Geldstrafe von
falls diese uneinbringlich ist,
Ersatzfreiheitsstrafe von
Freiheitsstrafe von
Gemäß
1. € 200,00
2 Tage(n) 18 Stunde(n)
0 Minute(n)
§ 120 Abs, 1 Fremdenpolizeigesetz
2005 idgF.
Weitere Verfügungen (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:
€ 20,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher
€ 20,00“
In der rechtzeitig eingebrachten Beschwerdeschrift vom 16.06.2021 wurde Folgendes ausgeführt:
„In umseits bezeichneter Verwaltungsstrafsache erhebt die Beschwerdeführerin durch ihren ausgewiesenen Vertreter gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 14.05.2021 zu GZ ***, zugestellt am 19.05.2021, sohin binnen offener Frist nachstehende
BESCHWERDE
an das Landesverwaltungsgericht Tirol wegen Rechtswidrigkeit.
Der angefochtene Bescheid wird in seinem ganzen Umfang bekämpft.
1. Zum Sachverhalt:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wird der Beschwerdeführerin vorgeworfen, sie wäre als Fremde am 25.08.2020 um 14:05 Uhr in Y ins Bundesgebiet eingereist und sie wäre am 25.08.2020 in Y betreten worden, ohne im Besitz eines Visums zu sein, obwohl passpflichtige Fremde, soweit dies nicht durch ein Bundesgesetz, durch zwischenstaatliche Vereinbarungen oder durch unmittelbar anwendbare Rechtsakte der Europäischen Union anders bestimmt ist, zur rechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet ein Visum, gültigen Aufenthaltstitel odereinen Schengentitel brauchen.
Die Beschwerdeführerin hätte dadurch gegen § 120 Abs 1 FPG iVm § 15 Abs 2 FPG verstoßen und wurde über die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe in Höhe von € 200,00 verhängt. Zudem wurde die Beschwerdeführerin zu einem Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von € 20,00 verpflichtet.
Aufgrund der im Spruch des angefochtenen Bescheides genannten Anhaltung hat die Beschwerdeführerin bereits eine Beschwerde gemäß Art. 130 Abs 1 Z 2 iVm Art. 132 Abs 2 B-VG an das Landesverwaltungsgericht erhoben. Mit rechtskräftiger Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 25.01.2021 zu GZI. VwG-*** wurde festgestellt, dass die am 25.08.2020 von 15:20 Uhr bis 15:25 Uhr im Zuge der Anhaltung auf der PI X erfolgte Durchsuchung der Beschwerdeführerin, wobei sie den BH ausziehen und die Unterhose herunterlassen musste, sowie die im Zuge der Anhaltung der Beschwerdeführerin bei der PI X zwischen ca. 15:00 Uhr und 17:20 Uhr erfolgte Einbehaltung von € 200,00 als vorläufige Sicherheitsleistung rechtswidrig waren.
2. Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde:
Der angefochtene Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 19.05.2021 zugestellt, sodass die Beschwerde innerhalb offener Rechtsmittelfrist erhoben bzw. eingebracht wurde.
3. Beschwerdebehauptungen und Begründung:
Der angefochtene Bescheid ist in mehrfacher Hinsicht mit Rechtswidrigkeit in Folge von Verletzung von Verfahrensvorschriften und mit Rechtswidrigkeit des Inhalts behaftet.
3.1. unrichtiger bzw. unvollständiger Sachverhalt:
Entgegen dem Standpunkt der belangten Behörde entspricht es nicht den Tatsachen, dass die Beschwerdeführerin am 25.08.2020 illegal in das Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist wäre.
Wie bereits im Einspruch vom 16.10.2020 ausgeführt, handelt es sich bei der Beschwerdeführerin um eine bekannte S Musikerin, welche bereits seit langem in W, Italien dauerhaft wohnhaft ist. Die Beschwerdeführerin ist dort als Orchesterinspektorin für eine renommierte italienische Privatstiftung tätig, welche sich im Bereich Kunst und Kultur engagiert. Zu den Tätigkeitsbereichen der Beschwerdeführerin zählt u.a. die organisatorische Abwicklung der Proben, der Aufführungen und des Reisebetriebs des Orchesters. Die Beschwerdeführerin hält sich rechtmäßig in Italien auf und verfügte zum Zeitpunkt der Einreise nach Österreich am 25.08.2020 über eine gültige italienische Aufenthaltsgenehmigung (permesso di soggiorno).
Ursprünglich war diese Aufenthaltsgenehmigung entsprechend der darüber ausgestellten Urkunde zwar bis zum 11.05.2020 befristet. Im Zusammenhang mit den Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19 Pandemie wurde jedoch von Seiten der italienischen Regierung ein Gesetz erlassen, wonach zwischen 31.01.2020 und 31.07.2020 auslaufende Aufenthaltsgenehmigungen bis zum 31.08.2020 ex lege verlängert wurden, (legge n. 27 del 24 aprile 2020) Die Aufenthaltsgenehmigung der Beschwerdeführerin war sohin bis zum 31.08.2020 rechtsgültig, ohne dass darüber eine gesonderte Urkunde ausgestellt worden wäre.
Im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit als Orchesterinspektorin musste die Beschwerdeführerin am 25.08.2020 nach Z reisen, zumal das von ihr betreute Orchester an den CC teilnahm. Vorab versicherte sich die Beschwerdeführerin bei den italienischen Behörden hinsichtlich der Gültigkeit der Aufenthaltsgenehmigung bis 31.08.2020, was unter Verweis auf die Gesetzeslage ausdrücklich von der zuständigen Questura in W bestätigt wurde. Von Seiten der italienischen Behörden wurde der Beschwerdeführerin auch mitgeteilt, dass die (verlängerte) Aufenthaltsgenehmigung nach dem geltenden EU-Recht auch zum Aufenthalt im europäischen Ausland berechtigt. Der Beschwerdeführerin wurde lediglich angeraten, zusätzlich zur Aufenthaltsgenehmigung eine Bestätigung des Arbeitgebers sowie einen Nachweis über die beantragte Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung (über den 31.08.2020 hinaus) mitzuführen. Die Beschwerdeführerin hatte nämlich zeitgerecht vor Ablauf der Aufenthaltsgenehmigung am 31.08.2020 eine Verlängerung derselbigen beantragt.
Bei einer richtigen und objektiven Beweiswürdigung wäre die belangte Behörde insbesondere zu dem Ergebnis gelangt, das die Angaben der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der Auskunftserteilung durch die italienischen Behörden definitiv keine Schutzbehauptungen waren.
Am 25.08.2020 hat sich die Beschwerdeführerin im Zug von W nach Z befunden und wurde auf Höhe der Gemeinde Y von Beamten der PI Steinach-Wipptal einer Kontrolle unterzogen. Die Beschwerdeführerin konnte sich mit ihrem Reisepass und der rechtsgültigen italienischen Aufenthaltsgenehmigung (permesso di soggiorno) legitimieren. Um allfällige Missverständnisse vorzubeugen, wies die Beschwerdeführerin die Beamten in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich darauf hin, dass die ursprünglich bis zum 11.05.2020 befristete Aufenthaltsgenehmigung nach italienischem Recht ex lege bis zum 31.08.2020 verlängert wurde, wobei die einschreitenden Beamten zur Abklärung der Rechtslage mit den italienischen Behörden Kontakt aufnehmen mögen, sollten diesbezüglich offenen Fragen bestehen. Zudem legte die Beschwerdeführerin einen Nachweis über die beantragte Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung (über den 31.08.2020 hinaus), einen Ausdruck einer Webseite der italienischen Polizei und eine Bestätigung ihres Arbeitgebers vor,
wonach es sich gegenständlich um eine Geschäftsreise nach Z handelte.
Ohne die Sach- und Rechtslage zu überprüfen unterstellten die einschreitenden Beamten der Beschwerdeführerin jedoch eine illegale Einreise und wurde um 14:20 Uhr sogleich die Festnahme ausgesprochen. Im Zuge der Festnahme wurde die Beschwerdeführerin auch erkennungsdienstlich behandelt und wurde ihr ein Bargeld in Höhe von € 200,00 mit der Begründung abgenommen, dass eine vorläufige Sicherheit gemäß § 37a Abs 1 Z 2 VStG einzuheben wäre. Erst nach 3 Stunden erfolgte die Freilassung und wurde die Beschwerdeführerin angewiesen, unverzüglich nach Italien zurückzukehren. Die Beschwerdeführerin leistete dieser Aufforderung Folge und kehrte unverzüglich nach Italien zurück.
Mit rechtskräftiger Entscheidung vom 25.01.2021 zu GZI. VwG-*** hat das Landesverwaltungsgericht Tirol bereits festgestellt, dass die am 25.08.2020 von 15:20 Uhr bis 15:25 Uhr im Zuge der Anhaltung auf der PI X erfolgte Durchsuchung der Beschwerdeführerin sowie die im Zuge der Anhaltung der Beschwerdeführerin bei der PI X zwischen ca. 15:00 Uhr und 17:20 Uhr erfolgte Einbehaltung von € 200,00 als vorläufige Sicherheitsleistung rechtswidrig waren.
Beweis:
• Einvernahme der Beschwerdeführerin,
• Einholung des Aktes LVwG-*** LVwG Tirol,
• weitere Beweise in Vorbehalt;
3.2. Zur Rechtswidrigkeit des Inhaltes:
Aufgrund der aufgezeigten unrichtigen Darstellung des Sachverhaltes verkennt die belangte Behörde, dass der Beschwerdeführerin kein Verstoß gegen § 120 Abs 1 FPG iVm § 15 Abs 2 FPG vorgeworfen werden kann. Insbesondere übersieht die belangte Behörde, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Kontrolle vom 25.08.2020 berechtigt war, aufgrund ihres gültigen italienischen Aufenthaltstitels nach Österreich einzureisen.
Nach Art. 21 Abs. 1 SDÜ können Drittstaatsangehörige, die Inhaber eines gültigen, von einer der Vertragsparteien ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sich aufgrund dieses Dokumentes und eines gültigen Reisedokumentes (höchstens bis zu 3 Monaten) frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedsstaaten bewegen, soweit sie die in Art. 5 Abs. 1 lit. a), c) und e) SDÜ aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste der betroffenen Vertragsparteien stehen. Die Beschwerdeführerin hat die in Art. 5 Abs. 1 lit. a), c) und e) SDÜ angeführten Einreisevoraussetzungen erfüllt. Insbesondere hat die Beschwerdeführerin die für den Grenzübertritt erforderlichen Dokumente, nämlich den Reisepass, die ex lege bis 31.08.2020 verlängerte italienische Aufenthaltsbewilligung und eine Bestätigung des Arbeitgebers mitgeführt und vorgezeigt.
Entgegen dem Standpunkt der belangten Behörde war die Einreise der Beschwerdeführerin aber auch unter Zugrundelegung der Bestimmungen des Schengener Grenzkodex rechtmäßig und gesetzeskonform. Nach der Bestimmung des Art. 2 Z 16 lit. b) Schengener Grenzkodex sind „Aufenthaltstitel“ alle sonstigen von einem Mitgliedstaat einem Drittstaatsangehörigen ausgestellten Dokumente, die zum Aufenthalt in seinem Hoheitsgebiet berechtigten, wenn diese Dokumente gemäß Art. 39 Schengener Grenzkodex der Kommission mitgeteilt und veröffentlicht wurden.
Der italienische Aufenthaltstitel in Form der „Permesso di Soggiorno“ wurde von Seiten der Republik Italien entsprechend den europäischen Vorgaben nach Art. 2 Z 16 lit. b) iVm Art. 39 des Schengener Grenzkodex der Europäischen Kommission mitgeteilt und veröffentlicht, sodass die „Permesso di Soggiorno“ auch im Anhang 22 des Schengen-Handbuches bzw. in der Anlage 2 des EU-Visakodex aufgelistet ist. Entgegen dem Standpunkt der belangten Behörde war sohin eine ergänzende Mitteilung der Republik Italien oder eine Änderung in der Anlage 22
des Schengen-Handbuches bzw. in der Anlage 2 des EU-Visakodex nicht erforderlich. Schließlich war und ist der italienische Aufenthaltstitel in Form der „Permesso di Soggiorno“ dort bereits aufgelistet. Die Beschwerdeführerin verfügte sohin zum Zeitpunkt der Einreise nach Österreich am 25.08.2020 über einen gültigen italienischen Aufenthaltstitel, welcher in der Anlage 22 des Schengen-Handbuches bzw. in der Anlage 2 des EU-Visakodex aufgelistet war, sodass die Beschwerdeführerin rechtmäßig nach Österreich eingereist ist.
Aber selbst unter der (unrichtigen) Annahme, dass die ex lege verlängerte „Permesso di Soggiorno“ formaljuristisch nicht zur Einreise nach Österreich berechtigt hätte, kann der Beschwerdeführerin kein Verschulden unterstellt werden.
Schließlich versicherte sich die Beschwerdeführerin vorab bei den italienischen Behörden hinsichtlich der Gültigkeit der Aufenthaltsgenehmigung bis 31.08.2020, was unter Verweis auf die Gesetzeslage ausdrücklich von der zuständigen Questura in W bestätigt wurde. Von Seiten der italienischen Behörden wurde der Beschwerdeführerin auch mitgeteilt, dass die (verlängerte) Aufenthaltsgenehmigung nach dem geltenden EU-Recht auch zum Aufenthalt im
europäischen Ausland berechtigt. Ohne eine solche Zusicherung von Seiten der Behörden hätte die Beschwerdeführerin die Reise nach Z auch nicht angetreten, was angesichts der großen Verantwortung der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit dem Reisebetrieb des Orchesters auch vollkommen glaubhaft und nachvollziehbar ist. Die Beschwerdeführerin durfte sohin jedenfalls davon ausgehen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Grenzübertritt vorlagen und mangelt es daher an einem schuldhaften Verhalten. Auch aus diesem Grund kann der Beschwerdeführerin kein Verstoß gegen § 120 Abs 1 FPG iVm § 15 Abs
FPG unterstellt werden.
Hinsichtlich der Strafbemessung wird der Vollständigkeit halber ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin unbescholten ist und bis dato noch nie mit dem Gesetz oder der Fremdenpolizei in Konflikt geraten ist, wobei der Unrechtsgehalt der behaupteten Übertretung nicht gravierend ist, sodass sich die verhängte Geldstrafe von € 200,00 jedenfalls als überhöht erweist und wäre diese im Sinne des § 20 VStG spürbar herabzusetzen.
Beweis:
• wie vor,
• weitere Beweise in Vorbehalt;
4. Anträge
Aufgrund der vorstehenden Ausführungen werden gestellt die
ANTRÄGE:
1.
Das Landesverwaltungsgericht Tirol möge eine mündliche Verhandlung anberaumen und die beantragten Beweise aufnehmen;
2.
Das Landesverwaltungsgericht Tirol möge der Beschwerde Folge geben und das angefochtene Straferkenntnis der belangten Behörde vom 14.05.2021 zu GZ *** ersatzlos aufheben und das Verwaltungsstrafverfahren einstellen.
in eventu
Das Landesverwaltungsgericht Tirol möge der Beschwerde Folge geben und die verhängte Geldstrafe im Sinne des § 20 VStG spürbar herabsetzen.
Z, 16.06.2021 AA“
Zur Sachverhaltsfeststellung wurde in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde Einsicht genommen. Weiters wurde bei dem für den Vollzug des Fremdenpolizeigesetzes 2005 in Österreich zuständigen Innenministerium eine Stellungnahme zur Frage der Rechtmäßigkeit der verfahrensgegenständlichen Einreise am 25.08.2020 eingeholt, und am 16.08.2021 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt. Dem Beschwerdeakt wurden auch ein Ausdruck des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 25.01.2021, LVwG-***, betreffend eine Maßnahmenbeschwerde der Beschwerdeführerin angeschlossen, mit der die Durchsuchung der Beschwerdeführerin am 25.08.2020 und die Einbehaltung einer vorläufigen Sicherheitsleistung in der Höhe von Euro 200,00 für rechtswidrig erklärt wurden, und das in diesen Verfahren erstellte Verhandlungsprotokoll vom 14.01.2021 angeschlossen. Die diesbezüglichen Schriftstücke wurden im Beschwerdeverfahren dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin und der belangten Behörde zugestellt.
Im Beschwerdeverfahren übermittelte das Bundesministerium für Inneres auf Anfrage mit E-Mail vom 30.06.2021 den bezüglich der gesetzlichen Verlängerung aller zwischen 31.01.2020 und 31.07.2020 abgelaufenen italienischen Aufenthaltsgenehmigung bis 31.08.2020 (legge n. 27 del 24 aprile 2020) geltenden italienischen Gesetzesausschnitt sowie die deutsche Übersetzung. Ebenso wurde ein Schreiben des Italienischen Innenminsteriums vom 20.04.2021 an den österreichischen Verbindungsbeamten bei der ÖB T übermittelt, mit dem seitens des Italienischen Innenministerium klargestellt werde, dass der Besitz solcher Aufenthaltstitel den Inhaber nur zu einer Einreise nach Italien aus einem Drittland berechtige. Die Gültigkeit des Aufenthaltstitels innerhalb des Schengenraumes sei dagegen ausgeschlossen. Das Schreiben des italienischen Innenministeriums vom 20.04.2021 samt Übersetzung war der Anfragebeantwortung angeschlossen.
Zur Sachverhaltsfeststellung wurde am 16.08.2021 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung gab der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin an, dass ihm die genaue Einkommens-, Familien- und Vermögenssituation der Beschwerdeführerin nicht bekannt sei. Die Beschwerdeführerin sei Berufsmusikerin in Italien und auch Orchesterleiterin und organisiere auch Orchesterreisen. Dargetan wurden der von der belangten Behörde vorgelegte Verwaltungsstrafakt und die eingeholte Stellungnahme des Österreichischen Innenministeriums. Die Anfrage und das Antwortschreiben an das Innenministerium vom 30.06.2021 wurde dem Rechtsvertreter bereits vorab zur Wahrung des Parteigehörs übermittelt. Der Inhalt dieses Antwortschreibens wurde verlesen. Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin verwies vorerst auf die Ausführungen in der Beschwerde bzw vor der belangten Behörde. Zur eingeholten Stellungnahme führte der Rechtsvertreter ergänzend aus, dass das Bundesministerium für Inneres die Oberbehörde der belangten Behörde sei und daher im gegenständlichen Verfahren nicht geeignet sei, eine objektive Stellungnahme abzugeben. Zudem werde darauf verwiesen, dass in der Stellungnahme des Italienischen Innenministeriums auf ein Gesetz Bezug genommen werde, welches auf Aufenthaltstitels abstellt, die bis 30.04.2021 verlängert worden seien und es sich dabei nicht um jenes Gesetz handeln würde, mit welcher seinerzeit der Aufenthaltstitel bis 31.08.2020 verlängert worden sei.
Der Vertreter der belangten Behörde gab an, dass zurückgewiesen werde, dass das Bundesministerium für Inneres im gegenständliche Verfahren wegen einer geringfügigen Strafe eine Gefälligkeitsstellungnahme gegenüber einem Gericht abgeben würde. Mit dem zuletzt bis Ende April 2021 gültigen Gesetzen sei nur eine innerstaatliche Verlängerung nochmals verlängert worden. Es sei dies auf die Coronasituation in Italien zurückzuführen.
Weitere Beweisanträge wurden in der Beschwerdeverhandlung nicht gestellt. Der Vertreter der belangten Behörde gab folgende abschließende Stellungnahme ab:
„Ich verweise vorerst auf Annex 41 des Schengen Handbuches. Ich gebe diese Ausdrucke in englischer und deutscher Sprache zur Verhandlungsschrift. Auf ein Verlesen wird verzichtet. Weiters lege ich einen Ausdruck einer ausgedruckten Liste der Republik Österreich vor, aus der sich österreichische Aufenthaltstitel ergeben, die für eine Ausreise in einen anderen Schengenstaat gültig sind. Beispielhaft wird ausgeführt, dass Österreich auch ausgeführt hat, dass Beschäftigungsbewilligungen nach § 32c Ausländerbeschäftigungsgesetz iVm einem gültigen oder bereits abgelaufenen Visum für Saisoniers oder gem § 22a FPG ausgehend von Österreich für die Ausreise in einen anderen Schengenstaat gültig sind. Italien hat eine solche Bestimmung, die den gegenständlichen Fall abdecken würde, nicht abgegeben. Ich gebe auch hierzu die italienische Liste ab. Es sind auch hier die verschiedenen Aufenthaltstitel angeführt, aber es fehlt ein abgelaufener Aufenthaltstitel, wie im gegenständlichen Fall, bei dem eine rechtzeitige Verlängerung eingebracht wurde. Auch diese Listen werden zur Verhandlungsschrift genommen. Die Länderliste ist nach unserer Ansicht verbindlich, weil sie im Schengenhandbuch als Anlage 22 angeführt sind, im Visakodex ist sie die Anlage 02. Die vorgelegten Schriftstücke und Auszüge entsprechen der Auskunft des italienischen Innenministeriums vom April 2021.
Die diesbezüglichen Ausführungen im Schengenhandbuch bzw die Auskunft von italienischen Behörden ist stimmig und passt überein. Es lag eine unrechtmäßige Einreise ohne den im Schengenraum erforderlichen Aufenthaltstitel für eine Drittstaatsangehörige vor. Deshalb erfolgte die Bestrafung zu Recht. Es wird daher beantragt, dass dieBeschwerde als unbegründet abgewiesen wird.“
Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin gab seinerseits folgende abschließende Stellungnahme ab:
„Das von der belangten Behörde zitierte Schengenhandbuch hat keinen verbindlichen Charakter und ist daher für die gegenständlich zu lösende Rechtsfrage auch nicht relevant. Im Lichte der europäischen Bestimmungen war die Beschwerdeführerin mit dem ex lege verlängerten italienischen Aufenthaltstitel berechtigt nach Österreich einzureisen. Unabhängig davon ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführerin keinesfalls ein Verschulden unterstellt werden kann. Vor Abreise hat man sich gewissenhaft mit den italienischen Behörden in V nach den Erfordernissen für einen Grenzübertritt nach Österreich erkundigt. Der Beschwerdeführerin bzw ihrer Arbeitgeberin (eine italienische Privatstiftung, die das Orchester leitet) wurde von der Behörde in V ausdrücklich mitgeteilt, dass die Beschwerdeführerin mit dem abgelaufenen und ex lege verlängerten Aufenthaltstitel berechtigt sei, nach Österreich einzureisen. Sie möge diesbezüglich die Aufenthaltsgenehmigung, den Antrag auf Verlängerung sowie eine Bestätigung des Arbeitgebers mitführen, dann wäre eine Einreise legitim und problemlos möglich. Der Beschwerdeführerin kann daher keinesfalls ein Verschulden unterstellt werden. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde handelte es sich dabei keinesfalls auch um eine Schutzbehauptung, zumal die Beschwerdeführerin für das gesamte Orchester verantwortlich ist und es daher ausgeschlossen erscheint, dass die Beschwerdeführerin mit dem gesamten Orchester die Reise nach Z zu den CC angetreten wäre, ohne sich vorab ausreichend zu informieren. Es wird daher die Einstellung des Beschwerdeverfahrens beantragt.“
Einer schriftlichen Entscheidungsausfertigung wurde von beiden Verfahrensparteien ausdrücklich zugestimmt.
Aufgrund des durchgeführten Beschwerdeverfahrens ergibt sich folgender im Wesentlichen unstrittiger Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin ist S Staatsbürgerin und lebt in Italien. Die Beschwerdeführerin ist Berufsmusikerin und reiste aus beruflichen Gründen am 25.08.2020 gegen 14:15 Uhr aus Italien kommend mit dem Zug über den Grenzübergang U nach Österreich ein, um in Z einer beruflichen Verpflichtung nachzukommen. Im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle im Zug wurde im Gemeindegebiet von Y festgestellt, dass die Beschwerdeführerin im Besitz eines gültigen S Reisepasses und einer Aufenthaltsberechtigung für Italien war. Die Aufenthaltsberechtigung (permesso di soggiorno) wurde am 13.05.2019 ausgestellt und war laut Aufdruck auf der ausgestellten Aufenthaltsberechtigungskarte bis 11.05.2020 gültig. Weiters führte die Beschwerdeführerin eine gültige italienische ID-Karte mit. Die Gültigkeitsdauer des mitgeführten Aufenthaltstitels wurde ex lege bis 31.08.2020 aufgrund eines diesbezüglichen italienischen Gesetzes verlängert (gazzetta ufficiale, supplemento ordinario n. 16/L, 29.4.2020: „I permessi di soggiorno dei cittadini di Paesi terzi conservano la loro validità fino al 31 agosto 2020“ – Übersetzung: „Die Aufenthaltstitel von Drittstaatsangehörigen behalten ihre Gültigkeit bis zum 31. August 2020.“). Weiters wurde eine Bestätigung über den beruflich bedingten Aufenthalt vom 24.08. bis 31.08.2020 und ein Einzahlungsnachweis der Beschwerdeführerin an die Questura di W vom 20.07.2020 über einen Betrag von Euro 30,00 mitgeführt. Dieser Einzahlungsnachweis sollte als Nachweis des rechtzeitig eingebrachten Verlängerungsantrages betreffend den am 11.05.2020 abgelaufenen Aufenthaltstitel (permesso di soggiorno) dienen. Laut glaubhaften und nicht widerlegbaren Ausführungen der Beschwerdeführerin hat sich diese vor der beruflich bedingten Fahrt über den U nach Z bei der in fremdenrechtlichen Angelegenheit vor Ort in Italien zuständigen Questura in W übe die gesetzlich verlängerte Gültigkeit der Aufenthaltsgenehmigung bis 31.08.2020 und einer etwaigen möglichen Einreise nach Österreich erkundigt. Von Seiten der italienischen Behörde wurde der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass die (verlängerte) Aufenthaltsgenehmigung nach dem geltenden EU-Recht sie auch zum Aufenthalt im europäischen Ausland berechtigt. Der Beschwerdeführerin wurde lediglich angeraten, zusätzlich zur Aufenthaltsgenehmigung eine Bestätigung des Arbeitgebers sowie einen Nachweis über die beantragte Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung (über den 31.08.2020 hinaus) mitzuführen. Auch die bei der Amtshandlung am 25.08.2020 involvierte Polizeibeamtin, DD, gab wahrheitsbelehrt im Maßnahmenbeschwerdeverfahren an, dass, soweit sie informiert ist, in Italien solchen Personen (gemeint wie die Beschwerdeführerin), die Verlängerungsanträge stellen, mitgeteilt wird, dass sie mit diesem Verlängerungsantrag reisen dürfen. In dem vom Vertreter der belangten Behörde im Rahmen der Beschwerdeverhandlung vorgelegten und der Verhandlungsschrift angeschlossenen Annex 41 des Schengenhandbuchs zum Thema Verlängerung des rechtmäßigen Aufenthaltes im Zusammenhang mit COVID-19 - Praxis der einzelnen Mitgliedsstaaten (Fassung vom 08.06.2020) wird unter der Rubrik Italien Folgendes textlich ausgeführt:
„Die Aufenthaltstitel von Drittstaatsangehörigen, die zwischen dem 31.01.2020 und dem 31.07.2020 ablaufen bzw abgelaufen sind, werden automatisch bis zum 31.08.2020 verlängert, wie dies in den kürzlich erlassenen Sonderbestimmungen (Gesetz 27/2020 Art 103) vorgesehen ist. Verlängerte Dokumente sind jedoch nach Ablauf des darin genannten Gültigkeitsdatums nicht für die Ausreise gültig. Die obengenannten Drittstaatsangehörigen benötigen ein Wiedereinreisevisum, wenn sie über Schengen-Staat nach Italien einreisen. Aufgrund des Schreibens des italienischen Innenministeriums Zentraldirektion für Migration und Grenzpolizei vom 20.04.2021 an den österreichischen Verbindungsbeamten und die österreichische Botschaft in T wird seitens Italiens klargestellt, dass die Gültigkeit von abgelaufenen und von Gesetzes wegen letztmalig bis zum 30.04.2021 verlängerte Aufenthaltstitel nur zu einer Einreise nach Italien aus einem Drittland berechtigten. Für das italienische Innenministerium ist die Gültigkeit des Aufenthaltstitels innerhalb des Schengenraums ausgeschlossen.“
Aufgrund des durchgeführten Beschwerdeverfahrens und des vorliegenden Sachverhaltes liegt der objektive Tatbestand der der Beschwerdeführerin im angefochtenen Straferkenntnis angelasteten Verwaltungsübertretung vor. Die Beschwerdeführerin hat für die Einreise am 25.08.2020 zusätzlich zum mitgeführten gültigen S Reisepass ein Einreisevisum oder einen gültigen Aufenthaltstitel oder einen vorhandenen und im Sinne des Schengener-Grenzkodex vom Mitgliedsstaat Italien der EU-Kommission mitgeteilten gültigen Aufenthaltstitel benötigt. Der vorgezeigte und am 11.05.2020 abgelaufenen italienische Aufenthaltstitel (permesso di soggiorno) war zum Zeitpunkt der fremdenpolizeilichen Kontrolle am 25.08.2020 für eine Einreise nach Österreich nicht mehr gültig. Die erfolgte ex lege Verlängerung bis 31.08.2020 war für einen weiteren Aufenthalt der Drittstaatsangehörigen in Italien ausreichend, berechtigte die Beschwerdeführerin nicht zu einer visumsfreien Einreise nach Österreich.
Für eine Bestrafung wegen einer begangenen Verwaltungsübertretung ist neben dem Vorliegen des objektiven Tatbestandes auch das Vorliegen des subjektiven Tatbestandes, also auch ein Verschulden im Sinne des § 5 VStG, erforderlich. Für die gegenständlich angelastete Verwaltungsübertretung ist grundsätzlich für eine Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten im Sinn des § 5 Abs 1 VStG ausreichend. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Im gegenständlichen Verfahren wurde von der Beschwerdeführerin glaubhaft nachgewiesen, dass ihr bei der für ihren Wohnsitz zuständigen Fremdenbehörde in W die Auskunft erteilt wurde, dass eine Einreise mit dem ex lege bis 31.08.2020 verlängerten italienischen Aufenthaltstitel nach Österreich erlaubt sei und dass sie als Nachweise die bereits angeführten Dokumente mitführen sollte. Dass diese Auskünfte von den zuständigen italienischen Behörden in dieser Form auch an Fremde erteilt wurden, wurde auch von der im Maßnahmenbeschwerdeverfahren einvernommenen österreichischen Polizeibeamtin bestätigt. Es ist daher im gegenständlichen Falle davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin aufgrund der von ihr eingeholten Informationen bei der für sie zuständigen Fremdenbehörde in Italien von einer rechtmäßigen Einreise am 25.08.2020 ausgegangen ist. Auch die Textierung des vom Vertreter der belangten Behörde vorgelegten Annex 41 des Schengenhandbuches ist in der Formulierung nicht so klar und eindeutig, dass ein Rechtsirrtum gänzlich ausgeschlossen werden kann („verlängerte Dokumente sind jedoch nach Ablauf des darin genannten Gültigkeitsdatum nicht für die Ausreise gültig“). Die Formulierung nach Ablauf des darin genannten Gültigkeitsdatums könnte durchaus auch so verstanden werden, dass damit das im Gesetz genannte verlängerte Gültigkeitsdatum 31.08.2020 gemeint sein könnte. Da auch für die oberste Fremdenbehörde in Österreich, dem Bundesministerium für Inneres, die Regelung eventuell nicht klar und unmissverständlich gewesen sein könnte, war für die Auslegung dieser Bestimmung die Einholung einer Stellungnahme des Italienischen Innenministeriums notwendig.
Nach der Rechtsprechung des VwGH haben sich Fremde – sowie Inländer – über die einschlägig geltenden Vorschriften zu informieren und zwar gegebenenfalls bereits vor der Einreise nach Österreich (siehe zum Beispiel VwGH 19.06.1996, 95/21/1030). Im gegenständlichen Fall ist die Beschwerdeführer ihrer Erkundungspflicht vor Ort bei der für sie zuständigen Fremdenbehörde in Italien nachgekommen und ist aufgrund einer, wie sich im Nachhinein herausstellte, unrichtigen Auskunft einer italienischen Fremdenbehörde mit einem bereits abgelaufenen aber ex lege für einen rechtmäßigen Aufenthalt über das Einreisedatum hinaus verlängerten italienischen Aufenthaltstitel zur angegebenen Tatzeit am angegebenen Tatort mit dem Zug aus beruflichen Zwecken nach Österreich eingereist. Die Beschwerdeführerin ist aufgrund der eingeholten Information davon ausgegangen, dass ihre Einreise nach Österreich aufgrund des mitgeführten Reisedokumentes und der noch zusätzlich mitgeführten Unterlagen, insbesondere des mit 11.05.2020 abgelaufenen und aufgrund einer auf die damalige, außerordentlichen „Corona-Situation“ in Italien zurückzuführende Ex-lege-Verlängerung der Gültigkeit des Aufenthaltstitels bzw. der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts in Italien bis 31.08.2020 rechtmäßig sei.
Aufgrund des durchgeführten Verfahrens und der aufgezeigten rechtlichen Erwägungen lag zwar der objektive Tatbestand der der Beschwerdeführerin von der belangten Behörde angelasteten Verwaltungsübertretung nach § 15 Abs 2 iVm § 120 Abs 1 FPG vor, ein nach § 5 VStG vorwerfbares Verschulden, insbesondere ein vorsätzliches oder fährlässiges Verhalten bei der im objektiven Sinne begangenen Verwaltungsübertretung konnte der Beschwerdeführerin aber nicht nachgewiesen und vorgeworfen werden.
Es war daher spruchgemäß der Beschwerde stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren nach dem FPG einzustellen.
II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag. Dr. Rieser
(Richter)
Schlagworte
kein Vorwerfbares Verschulden;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.30.1631.6Zuletzt aktualisiert am
09.12.2021