Entscheidungsdatum
22.11.2021Index
50/01 GewerbeordnungNorm
GewO 1994 §360 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hohenhorst über die Beschwerde von AA, Adresse 1, **** Z, vertreten durch BB, Adresse 2, **** Y, vom 07.09.2021, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 05.08.2021, ***, betreffend Verfahren gemäß § 360 Abs 1 GewO 1994 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit Verfahrensanordnung der Bezirkshauptmannschaft Y vom 16.06.2021, ***, wurde AA als Betreiber des Restaurants „CC“ am Standort **** X, Adresse 3, Gp Nr **1 KG X, gemäß § 360 Abs 1 GewO zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes Folgendes angeordnet:
- Der im Eingangsbereich eingerichtete Raucherbereich in Form eines Fasses mit 2 Sitzplätzen
ist unverzüglich außer Betrieb zu nehmen, da hiefür keine entsprechende gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung vorliegt.
- Der Betrieb des Gastgartens ist unverzüglich bis 22.00 Uhr gem § 76a Abs 2 GewO 1994
idgF. einzuschränken.
- Die im Gastgarten augenscheinlich vorgefundenen 55 Verabreichungsplätze sind unverzüglich auf die genehmigte Sitzplatzanzahl von 30 lt. ha. Bescheid vom 06.06.1995 ZI: *** zu reduzieren.
Die belangte Behörde führte am 13.07.2021 und 05.08.2021 Überprüfungen durch und kam dabei zur Ansicht, dass der Verfahrensanordnung keine Folge geleistet wurde, weshalb mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid die in der Verfahrensanordnung angeordneten drei Aufträge gemäß § 360 Abs 1 GewO bescheidmäßig angeordnet wurden.
Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Beschwerde, in welcher Herr AA den Bescheid seinem gesamten Inhalt nach anficht und durch seinen Rechtsvertreter im Wesentlichen ausführt, dass es sich beim Restaurant „CC“ um das frühere Restaurant „DD“ handle. Er betreibe dieses Restaurant als Pächter, Eigentümerin sei die EE. Im Zuge der Übernahme des früheren Restaurants „DD“ durch ihn habe die belangte Behörde am 28.07.2020 eine amtswegige gewerbebehördliche Überprüfung gemäß § 338 GewO vorgenommen. Darüber sei eine Verhandlungsschrift aufgenommen worden, in welcher der gewerbetechnische Amtssachverständige gegen einen Weiterbetrieb des Restaurants DD keine Bedenken äußerte. Im Befund sei festgehalten, dass der Gastgarten mit ca 40 Verabreichungsplätzen bis 23.00 Uhr betrieben wird und an die öffentliche Verkehrsfläche angrenzt. Festgehalten sei dort auch, dass im Außenbereich auf einem Fass ein Aschenbecher aufgestellt wird, welcher ab 23.00 Uhr wieder entfernt wird. Die belangte Behörde habe sich mit den Argumenten des Beschwerdeführers nicht ausreichend auseinandergesetzt; das gegenständliche Verfahren sei ausschließlich aufgrund von Beschwerden der Nachbarn FF und GG eingeleitet worden. Das Schreiben vom 16.06.2021 sei vom zuständigen Verwaltungsorgan an das KK-Referat der belangten Behörde zu Handen von JJ übermittelt worden. Bei ihm handle es sich um den Sohn von GG. Mit dem Schreiben vom 16.06.2021 seien JJ verschiedenste Unterlagen, betreffend die Betriebsanlage des Beschwerdeführers übermittelt und Rechtsauskünfte erteilt worden. Das KK-Referat müsse in dieser Angelegenheit mit Sicherheit nicht informiert werden, offensichtlich habe das Schreiben vom 16.06.2021 indirekt der Information der Nachbarn FF und GG gedient. In einem Verfahren nach § 360 Abs 1 GewO komme diesen aber keine Parteistellung zu. Verwaltungsorgane hätten sich der Ausübung ihres Amtes zu enthalten, wenn iSd § 7 Abs 1 Z 3 AVG Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Das verfahrensführende Verwaltungsorgan sei als befangen anzusehen. Wenn der bekämpfte Bescheid feststelle, dass im Eingangsbereich nach wie vor ein Raucherbereich in Form eines Fasses mit zwei Sitzplätzen vorhanden sei, wäre diese Feststellung unrichtig. Bei der gewerbebehördlichen Überprüfung vom 28.07.2020 sei festgehalten worden, dass im Außenbereich auf einem Fass ein Aschenbecher aufgestellt wird und habe der Gewerbetechniker dagegen keine Bedenken geäußert. Der Beschwerdeführer habe das Fass mit den zwei Sitzplätzen unverzüglich nach Zustellung der Verfahrensanordnung vom 16.06.2021 entfernt. Rechtswidrig sei eine Einschränkung des Betriebs des Gastgartens bis 22.00 Uhr. Dieser grenze ohne Zweifel an eine Straße mit öffentlichem Verkehr an. Noch im Straferkenntnis vom 02.06.2021 halte die belangte Behörde fest, dass direkt vor dem Gastgarten eine Straße vorbeiführt, für die kein Fahrverbot bestehe und die von jedermann benützt werden kann. Der Gastgarten grenze also ohne jeden Zweifel an eine Straße mit öffentlichem Verkehr an und verwundere es daher, dass die Behörde nunmehr von dieser richtigen rechtlichen Beurteilung abgehe. Der Bescheid vom 30.07.1997, ***, genehmige für den Gastgarten im Hofbereich des DD von 15. Juni bis einschließlich 15. September eine Betriebszeit bis 23.00 Uhr. Dieser Bescheid beziehe sich auf das seinerzeitige Pub „LL“, trotzdem handle es sich beim Gastgarten im Hofbereich um den gegenständlichen Gastgarten, weshalb dieser Bescheid nach wie vor wirksam sei. Auch in diesem Bescheid führe die Behörde aus, dass der Gastgarten an einen öffentlichen Zufahrtsweg angrenzt. Mit diesem Bescheid sei auch der Einwand des Nachbarn FF, die Verlängerung der Sperrstunde bis 23.00 Uhr würde zu einer unzumutbaren Lärmbelästigung führen, abgewiesen.
Bezüglich der Reduzierung der Verabreichungsplätze im Gastgarten auf 30 wird auf den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 11.10.1982, ***, verwiesen. Dort werde das Lokal mit ca 60 Sitzplätzen genehmigt samt einer Terrasse mit ca 50 Sitzplätzen. Dieser Bescheid sei niemals außer Kraft getreten. Der Befund der Verhandlungsschrift vom 28.07.2020 erachte ca 40 Verabreichungsplätze als zulässig. Der Bescheid vom 06.06.1995 beziehe sich ausschließlich auf die gewerbebehördliche Genehmigung zur Änderung bzw Erweiterung des bestehenden und genehmigten Restaurants DD in Form der Errichtung und des Betriebes einer Hotel-Appartementanlage. Die Genehmigung des Betriebes eines Gastgartens sei weder antrags- noch verfahrensgegenständlich gewesen. Lediglich in der Beschreibung des Bestandes sei festgehalten, dass sich vor dem Restaurant eine Terrasse mit sechs Tischen für ca 30 Sitzplätze befinde. Es sei also keineswegs so, dass der Bescheid vom 06.06.1995 eine Beschränkung der Sitzplätze im Gastgarten verfügt hätte. Im Befund der Überprüfung vom 28.07.2020 habe der gewerbetechnische Amtssachverständige gegen einen Betrieb im Umfang der Befundaufnahme aus fachlicher Sicht keine Bedenken geäußert, was als konkrete Genehmigung des Raucherbereiches zu werten wäre. Es werde deshalb die ersatzlose Behebung des Bescheides beantragt, in eventu Bescheidaufhebung und Widerruf der Verfahrensanordnung vom 16.06.2021, in eventu Bescheidaufhebung und Zurückverweisung zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde.
Darüberhinausgehend führte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Folgendes aus:
„Wenn mich der Verhandlungsleiter fragt, ob eine betriebsanlagenrechtliche Bewilligung für den Raucherbereich mit Fass und zwei Sitzplätzen vorliegt, so schildere ich die Situation in der Weise, dass ich das Lokal am 14.07.2020 aufgesperrt habe. Dabei haben wir das Fass mit den zwei Sitzplätzen im Eingangsbereich für die Raucher aufgestellt. Am 28.07.2020 fand seitens der Bezirkshauptmannschaft Y eine amtswegige gewerbebehördliche Überprüfung gemäß § 338 GewO statt. Aus dem dabei angefertigten Protokoll ergibt sich, dass für die Raucher im Außenbereich auf einem Fass ein Aschenbecher aufgestellt ist, welcher ab 23.00 Uhr wieder entfernt wird. Deswegen, weil der gewerbetechnische Amtssachverständige sich dahingehend äußerte, dass aus gewerbetechnischer Sicht keine Bedenken gegen den Weiterbetrieb des gegenständlichen Restaurants in der vorseits beschriebenen Form bestehen, bin ich davon ausgegangen, dass der Betrieb des Lokals sowohl hinsichtlich des Fasses als auch hinsichtlich der Verabreichungsplätze und der Betriebszeit seine Richtigkeit hat. Bezüglich der Terrassenmöblierung (10 Tische mit 4 Sesseln und 3 Tische unter den Lauben mit jeweils insgesamt 14 oder 15 Sitzplätzen) war es so, dass ich Möglichkeit hatte, dieselben Möbel wieder zu verwenden, die der Vorgänger des Lokals bereits verwendet hatte. Diese waren irgendwo eingelagert und befanden sich noch in einem sehr guten Zustand, sodass ich sie günstig erwerben konnte. Ich habe das Fass mit den 2 Sitzplätzen nach Erhalt der Verfahrensanordnung vom 16.06.2021 entfernt. Ich muss dies insofern korrigieren, als das Fass heute noch dort steht, entfernt haben wir die beiden Barhocker. Das Fass dient nunmehr als Dekoration im Eingangsbereich und nicht mehr als Raucherbereich. Auf das Fass wird von uns auch kein Aschenbecher gestellt, da sich die Aschenbecher ohnehin auf den Tischen im Gastgarten befinden. Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass einmal ein Gast mit einem Aschenbecher in der Hand herumgeht und diesen dann auf das Fass stellen könnte, von uns ist dieses Fass jedoch nicht als Raucherbereich bestimmt. Aus diesem Grund ist auch auf dem bei der Kontrolle am 05.08.2021 aufgenommenen Lichtbild das Fass im Eingangsbereich zu sehen, aber eben so, wie ich es beschrieben habe, als bloße Dekoration und nicht als Raucherbereich. Bezüglich des Raucherbereiches stellt sich die Situation so dar, dass neben dem auf dem Bild zu sehenden Fass der Eingang zu den Appartements ist (9 oder 10 Appartements auf dieser Seite); dort befindet sich auch die dazugehörige Rezeption, wo sich auch ein Aschenbecher befindet und Gäste rauchen. Es ist deswegen gar nicht feststellbar, ob im Freien rauchende Gäste meinem Lokal oder dem Appartementbetrieb zuzurechnen wären. Der Aschenbecher für die Appartements ist im Eingangsbereich der Rezeption. Das von mir aufgestellte Fass befindet sich in einer Entfernung von etwa 6 oder 7 m vom Eingang zur Rezeption.
Ich habe das frühere Restaurant „DD“ übernommen und betreibe es nun als Restaurant „CC“. Unter den Gästen wird das Lokal allerdings weiterhin unter dem bekannten Namen „DD“ bezeichnet. Ich habe das Lokal erstmals am 14.07.2020 aufgesperrt; das Lokal war in der Zwischenzeit rund 1,5 Jahre stillgestanden. Eigentümer ist Herr MM und das Lokal haben wir Anfang/Mitte Juni 2020 begonnen wieder herzurichten. Nach meinem Kenntnisstand wurde der Gastgarten vom Vorgänger auch so lange betrieben, wie er das Restaurant selbst betrieb. Ich betreibe den Terrassen-/Gastgarten an genau derselben Stelle wie der vorige Betreiber. An der Situierung des Gastgartens hat sich zwischen 2020 und 2021 nichts geändert. Es stimmt, dass der Gastgarten derzeit mit 54 oder 55 Verabreichungsplätzen von mir betrieben wird. Wir betreiben den Gastgarten bis 23.00 Uhr. Das Lokal selbst wird bis maximal 01.00 Uhr betrieben. Der Gastgarten grenzt an eine öffentliche Verkehrsfläche an, die sich unmittelbar vor dem Brunnen befindet. Ich verweise diesbezüglich auf die im Akt befindlichen Bilder, die die Situation zutreffend darstellen.
Das mit Bescheid vom 25.11.1994, Zl ***, genehmigte Cafè mit kleinem Gastgarten besteht nicht mehr. Mit diesem hatte ich nie etwas zu tun, es handelt sich bei diesem Cafè um einen vom Restaurant „DD“ völlig unabhängigen Betrieb. Dies ist auch im zweiten Absatz des Befundes des Bescheides vom 25.11.1994 ausdrücklich so festgehalten. Diese beiden Lokale sind auch örtlich völlig getrennt.
Wenn mich der Verhandlungsleiter fragt, wo die mit Bescheid vom 11.10.1982 erteilte Gastgewerbekonzession in X, Adresse 4, gelegen ist, so kann ich das jetzt auswendig auch nicht sagen, da es in X in der Vergangenheit einmal eine völlige Bereinigung der Adressen mit Neuverteilung der Anschriften gegeben hat. Dieser Bescheid stammt vom Eigentümer MM, der mir diesen Bescheid übergeben hat und ich deshalb davon ausgehe, dass sich dieser auf dem Standort mit der derzeitigen Anschrift Adresse 3 bezieht. Mein Rechtsvertreter sagt dem Verhandlungsleiter zu, dass er über den Liegenschaftseigentümer bzw das Gemeindeamt X klären wird, wo die damalige Anschrift Adresse 4 gelegen war und dem Verhandlungsleiter das Ergebnis seiner Erhebungen schriftlich mitteilen wird.
Zur grundsätzlichen Situation möchte ich erwähnen, dass wir das Lokal „DD“ als gehobenes Lokal betreiben, im Gastgarten keinerlei Beschallung stattfindet und das Gästepublikum auch gehobener ist, was ich auf die Lärmemmissionen insofern auswirkt, als diese anders sind, als es bei einem Pub beispielsweise wäre. Von uns werden die Gäste ab 22.45 Uhr gebeten, entweder zu bezahlen oder ins Innere des Lokales zu übersiedeln. Diejenigen Gäste, die dann noch ein „Remmidemmi“ wollen, begeben sich in das ca 70 m weiter entfernte Pub.
Auf Frage meines Rechtsvertreters führe ich an, dass bei der Kontrolle am 28.07.2020 der Gastgarten möbliert war mit Ausnahme des Bereiches unter den Lauben, wobei ich jedoch den Amtsorganen mitgeteilt habe, dass die dafür vorgesehene Möblierung kommt und aufgestellt werden wird.“
II. Sachverhalt:
Mit Bescheid vom 11.10.1982, Zl ***, erteilte die Bezirkshauptmannschaft Y gemäß §§ 203 und 206 GewO 1973 NN eine Konzession für das Gastgewerbe mit den Berechtigungen nach § 189 Abs 1 in der Betriebsart „Restaurant“ im Standort X, Adresse 4. In der Beschreibung von Betriebsräumen und –flächen wird beim Erdgeschoß angeführt: „Lokal mit ca 60 Sitzplätzen, eine Terrasse mit ca 50 Sitzplätzen, Küche“. Die damalige Adresse X, Adresse 4, ist identisch mit der heutigen Adresse X, Adresse 3, es handelt sich also um das Objekt des heutigen Restaurants „CC“, vormals „DD“.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 25.11.1994, ***, wurde die betriebsanlagenrechtliche Neugenehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Cafés mit kleinem Gastgarten auf GP **1 erteilt. Im Befund dieses Bescheides wird ausdrücklich festgehalten, dass die Räumlichkeiten des neuen Cafés bzw Pubs komplett vom Restaurations- bzw Hotelbetrieb des Gebäudes „DD“ getrennt sind. Für dieses Café-Pub wurde projektgemäß eine Terrasse mit maximal 20 Sitzplätzen bei einer Betriebszeit von 10.00 Uhr – 22.00 Uhr genehmigt. Im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 30.07.1997, ***, wurde die Genehmigung der Abstandsnahme von der im Bescheid vom 25.11.1994 festgelegten Sperrstunde von 22.00 Uhr für den Gastgarten auf GP **1 in der Weise erteilt, dass der Gastgarten mit maximal 20 Sitzplätzen im Hofbereich des benachbarten Gastbetriebes „DD“ von 15. Juni bis einschließlich 15. September bis 23.00 Uhr betrieben werden kann. Dieses Pub wurde unter der Bezeichnung „LL“ betrieben, es besteht nicht mehr.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 06.06.1995, ***, wurde hinsichtlich des Restaurants „DD“ eine betriebsanlagenrechtliche Änderungsgenehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Hotel-Appartementanlage auf GP **1 erteilt. In der Projektbeschreibung ist dazu ua festgehalten: „Vor dem Restaurant befindet sich eine Terrasse mit 6 Tischen für ca 30 Sitzplätze. Eine Beschallung erfolgt nicht. Auf der Terrasse befindet sich ein Schirm“.
Die erstinstanzlichen Änderungsbescheide vom 04.03.2013 und 04.12.2013 stehen in keinerlei Zusammenhang mit Gastgarten oder Betriebszeiten.
Im Konzessionsbescheid vom 11.10.1982 erfolgte keine Festlegung einer Betriebszeit für das Lokal oder dessen Terrasse.
Miteigentümer von Gst Nr **1 KG X, sind die EE und MM. Diese sind auch bücherliche Eigentümer der Gste **2, **3 sowie **4. Sie sind damit Eigentümer des Restaurants „CC“, welches früher unter dem Namen „DD“ betrieben wurde. Pächter dieses Restaurants ist der Beschwerdeführer AA. Er übernahm Anfang/Mitte Juni 2020 das in der Zwischenzeit ca eineinhalb Jahre stillgestandene Restaurant „DD“ und nahm dieses am 14.07.2020 unter dem Namen „CC“ in Betrieb. Die Terrasse bzw der Gastgarten werden von ihm an genau derselben Stelle betrieben wie vom vorigen Betreiber. An der Situierung des Gastgartens hat sich auch zwischen den Jahren 2020 und 2021 nichts geändert. Direkt vor dem Gastgarten führt eine Straße vorbei, dies sich im Eigentum der EE und von MM befindet, für die kein Fahrverbot besteht und die von Jedermann benützt werden kann. Der Beschwerdeführer betrieb den Gastgarten im Sommer 2021 mit 54 oder 55 Verabreichungsplätzen. Die Terrassenmöblierung hat er vom Vorgänger übernommen. Am 28.07.2020 fand beim Lokal „CC“ eine amtswegige gewerbebehördliche Überprüfung gemäß § 338 GewO statt. Im diesbezüglich angefertigten Protokoll ist unter anderem festgehalten, dass der vorgefundene Gastgarten mit ca 40 Verabreichungsplätzen bis 23.00 Uhr betrieben wird und an eine öffentliche Verkehrsfläche angrenzt. Weiters ist festgehalten, dass im Außenbereich auf einem Fass ein Aschenbecher aufgestellt ist, welcher ab 23.00 Uhr wieder entfernt wird. Dies wird unter der Rubrik „Raucher im Außenbereich“ angeführt. Der gewerbetechnische Amtssachverständige hält fest, dass aus gewerbetechnischer Sicht gegen einen Weiterbetrieb des gegenständlichen Restaurants in der vorseits beschriebenen Form keine Bedenken bestehen. Nach Erhalt der Verfahrensanordnung vom 16.06.2021 ließ AA den Raucherbereich auf, indem er die beiden dort stehenden Barhocker und den Aschenbecher entfernte; das Fass im Eingangsbereich blieb dort stehen, diente aber nur mehr als bloße Dekoration und nicht mehr als Raucherbereich. Dieser Zustand war auch bei den beiden behördlichen Überprüfungen am 13.07.2021 und 05.08.2021 gegeben.
III. Beweiswürdigung:
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den Akten der Bezirkshauptmannschaft Y und des Landesverwaltungsgerichtes Tirol. Der Beschwerdeführer AA schilderte in der mündlichen Verhandlung in nachvollziehbarer und glaubwürdiger Weise den Sachverhalt. Der Umstand, dass die vormalige Adresse 4 identisch ist mit der nunmehrigen Anschrift Adresse 3, ergibt sich aus der unzweifelhaften Bestätigung des Bürgermeisters der Gemeinde X vom 21.10.2021.
Die Rechtfertigung des Beschwerdeführers, dass er nach Erhalt der Verfahrensanordnung vom 16.06.2021 den Raucherbereich vor dem Eingang durch Entfernen der Barhocker und des Aschenbechers beim Fass aufgelassen hat, wird durch eines der am 05.08.2021 von der Behörde angefertigten Lichtbilder bestätigt, wo – wie vom Beschwerdeführer beschrieben – das Fass weiterhin aufgestellt ist, sich dort aber keine Sitzgelegenheit mehr befindet und auf dem Fass offensichtlich ein Blumenstock hingestellt ist.
Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 11.10.1982, ***, wurde vom Beschwerdeführer mit der Beschwerde vorgelegt.
Beim Ortsaugenschein am 16.06.2021 wurde festgestellt, dass der Gastgarten auf Gp **1 nicht an eine öffentliche Verkehrsfläche angrenzen würde. Die belangte Behörde hat in ihrem Bescheid vom 30.07.1997, in der Verhandlungsschrift vom 28.07.2020, im Schreiben an die Landesvolksanwaltschaft vom 25.08.2020, im Aktenvermerk vom 29.09.2020, im Schreiben an die Bundesvolksanwaltschaft vom 01.10.2020 und im Straferkenntnis vom 02.06.2021 festgestellt, dass der Gastgarten an eine öffentliche Verkehrsfläche angrenzt. Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, was sich bis zum 16.06.2021 am Gastgarten geändert haben sollte, dass dieser nun nicht mehr an eine öffentliche Verkehrsfläche angrenzt. Die belangte Behörde ist dafür jegliche Begründung schuldig geblieben, sie hat damit unter anderem ihre Verfahrensanordnung im bekämpften Bescheid begründet. Dass sich an der Situierung des Gastgartens jedenfalls zwischen 2020 und 2021 nichts geändert hat, ist für das Verwaltungsgericht sohin unzweifelhaft und damit, dass der Gastgarten an eine öffentliche Verkehrsfläche angrenzt; dies bestätigen auch die im Akt befindlichen Lichtbilder und die Tiris-Dokumentation.
Der Rechtsmittelwerber beschwert sich zu Recht über das Schreiben der belangten Behörde vom 16.06.2021 an das KK-Referat derselben Behörde, zu Handen JJ. Es ist in keiner Weise nachvollziehbar, womit das KK-Referat in diesem Verfahren nach § 360 Abs 1 GewO befasst werden sollte. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte dieses Schreiben mit den diversen Anlagen niemals an JJ gesandt werden dürfen, bei dem es sich um den Sohn von GG handelt, die zusammen mit FF rechtlich gegen diesen Gastgarten vorgeht. JJ wäre damit im höchsten Maße befangen und hätte – da seiner Mutter in diesem Verfahren keine Parteistellung zukommt – verhindert werden müssen, dass er an die dem KK-Referat übermittelten Informationen gelangt. Tatsächlich war es gerade so, dass JJ mit E-Mail vom 10.06.2021 im Gewerbereferat im Namen seiner Eltern um die Zustellung des gültigen Bescheides des Lokales Adresse 3 ansuchte und damit klar war, dass dies aus privatem und nicht dienstlichem Interesse erfolgte. Umso weniger hätten ihm diese Informationen zugänglich gemacht werden dürfen. Da die belangte Behörde sich im Rechtsmittelverfahren am Ermittlungsverfahren nicht beteiligt hat, konnten nähere Details zu dieser Vorgangsweise nicht geklärt werden. Das Verwaltungsgericht erachtet diese Vorgangsweise als äußerst bedenklich, eine Prüfung auf eventuelle strafrechtliche bzw disziplinarrechtliche Relevanz steht ihm hier nicht zu.
IV. Rechtslage:
Im gegenständlichen Verfahren sind folgende Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 maßgeblich:
„j) Einstweilige Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen
§ 360
(1) Besteht der Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z 1, 2 oder 3, so hat die Behörde unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens den Gewerbeausübenden bzw. den Anlageninhaber mit Verfahrensanordnung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes innerhalb einer angemessenen, von der Behörde zu bestimmenden Frist aufzufordern; eine solche Aufforderung hat auch dann zu ergehen, wenn der Verdacht einer Übertretung gemäß § 367 Z 25 besteht und nicht bereits ein einschlägiges Verfahren gemäß § 79c oder § 82 Abs. 3 anhängig ist. Kommt der Gewerbeausübende bzw. der Anlageninhaber dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes jeweils notwendigen Maßnahmen, wie die Stillegung von Maschinen oder die Schließung von Teilen des Betriebes oder die Schließung des gesamten Betriebes zu verfügen.
(…)
§ 376
(…)
14b. (Gastgewerbe:)
(1) Die Betriebsanlage eines Gastgewerbes, für das die Konzession gemäß den Bestimmungen der Gewerbeordnung 1973 in der Fassung vor dem In-Kraft-Treten der Gewerberechtsnovelle 1993, BGBl. Nr. 29/1993, erteilt worden ist, gilt im Umfang der Betriebsräume und der Betriebsflächen, auf die die Gastgewerbekonzession gemäß dem Konzessionserteilungsbescheid lautet, als gemäß § 74 Abs. 2 genehmigte Betriebsanlage. Weiters gilt auch die Betriebsstätte eines Gastgewerbes, für das eine Gast- und Schankgewerbekonzession gemäß den Bestimmungen der vor dem 1. August 1974 in Geltung gestandenen Gewerbeordnung erteilt worden ist, als gemäß § 74 Abs. 2 genehmigte Betriebsanlage, und zwar entsprechend den Plänen und Betriebsbeschreibungen, die Bestandteil des Konzessionserteilungsbescheides sind.“
(…)“
V. Erwägungen:
Bezüglich des vom Beschwerdeführer eingerichteten Raucherbereiches im Freien in Form eines auf das Fass gestellten Aschenbechers samt zwei daneben aufgestellten Barhockern ist es zutreffend, dass für diese Betriebsanlagenänderung keine Genehmigung vorlag. Die diesbezügliche Verfahrensordnung vom 16.06.2021 wurde zu Recht ausgesprochen. AA hat die beiden Barhocker und den Aschenbecher entfernt und das Fass als Dekorationsobjekt stehen gelassen. Auf dem am 05.08.2021 von der Behörde aufgenommenen Lichtbild ist das Fass weiterhin aufgestellt zu sehen, jedoch ohne irgendeine Sitzgelegenheit daneben. Somit ist die Rechtfertigung des Beschwerdeführers zutreffend, dass er auf die Verfahrensanordnung hin den Raucherbereich entfernt hat. Da das bloße Aufstellen des Fasses zu Dekorationszwecken nicht geeignet ist, die von § 74 Abs 2 GewO geschützten Interessen zu beeinträchtigen, bedarf das bloße Aufstellen des Fasses in der gegebenen Form keiner Genehmigung oder Anzeige im Sinn des § 81 GewO. Das maßgebliche Kriterium ist der Raucherbereich, der möglicherweise durch die von diesem ausgehenden Emissionen Nachbarn in relevanter Weise beeinträchtigen könnte. Da aber der Raucherbereich außer Betrieb genommen wurde, wurde der Verfahrensanordnung vom 16.06.2021 entsprochen und fehlt die Grundlage für eine bescheidmäßige Anordnung dieser Maßnahme.
Die Einschränkung des Gastgartenbetriebes bis 22.00 Uhr stützt die belangte Behörde auf § 76a Abs 2 GewO 1994. Dabei übersieht sie, dass durch die Gastgartenregelung dieser Gesetzesstelle im gewerblichen Betriebsanlagenrecht keine Eingriffe in den betriebsanlagenrechtlich genehmigten Bestand bewirkt werden. Ein Betreiben im Rahmen des bestehenden betriebsanlagenrechtlichen Konsenses ist daher ohne Einschränkung durch die Voraussetzungen des § 76a Abs 1 oder Abs 2 möglich. Andererseits haben Gastgärten, deren betriebsanlagenrechtlicher Konsens im Vergleich zu den Voraussetzungen des § 76a Abs 1 oder Abs 2 eingeschränkt war, die Möglichkeit, ohne das Erfordernis einer Genehmigung der Änderung den Rahmen dieser Bestimmung auszuschöpfen. Genehmigte Gastgärten sind solche, die von einem bestehenden Genehmigungsbescheid erfasst sind. Genehmigte Gastgärten sind daher auch jene, welche Bestandteil einer entsprechend der Übergangsbestimmung des § 376 Z 14b als gemäß § 74 Abs 2 genehmigt geltende Betriebsanlagen sind. Dies ist im gegenständlichen Verfahren durch den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 11.10.1982, ***, der Fall. Aufgrund der dinglichen Wirkung des Bescheides kann AA als Pächter die Terrasse bzw den Gastgarten mit den gleichen Zeiten betreiben, wie das Lokal selbst. Mangels bescheidmäßiger Festlegung von Betriebszeiten für dieses Lokal wird unter Anwendung von § 1 Abs 1 Sperrzeitenverordnung eine genehmigte Betriebszeit auch des Gastgartens bis 02.00 Uhr anzunehmen sein. Die bescheidmäßige Einschränkung der Betriebszeit des Gastgartens auf Grundlage des § 76a geht daher schon dem Grunde nach fehl; auch dann, wenn § 76a anzuwenden gewesen wäre, hätte dessen Abs 1 aufgrund des Angrenzens des Gastgartens an öffentliche Verkehrsflächen zur Anwendung gebracht werden müssen, und nicht Abs 2. Die bescheidmäßige Einschränkung der Betriebszeit des Gastgartens war daher als rechtswidrig aufzuheben.
Im bereits mehrfach erwähnten Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 10.11.1982 wird an diesem Standort eine Terrasse mit ca 50 Sitzplätzen genehmigt. Die belangte Behörde stützt ihre Einschränkung auf 30 Sitzplätze auf den Bescheid vom 06.06.1995, ***. Gegenstand der dort genehmigten Anlagenänderung ist die Erweiterung des bestehenden und genehmigten Restaurants „DD“ in Form der Errichtung und des Betriebes einer Hotel-Appartementanlage. In der Betriebsbeschreibung ist unter Anderem angeführt, dass sich vor dem Restaurant eine Terrasse mit sechs Tischen für ca 30 Sitzplätze „befindet“. Dies stellt offenbar den Ist-Zustand zum Zeitpunkt der Antragstellung dar, kann jedoch aus der Formulierung „befindet“ nicht der Wille des Anlagenbetreibers geschlossen werden, damit eine Einschränkung der im Bescheid vom 11.10.1982 konsentierten Sitzplatzanzahl herbeiführen zu wollen. Dafür hätte es einer eindeutigen in diese Richtung gehenden Formulierung bedurft. Da im Bescheid vom 11.10.1982 die Anzahl der Sitzplätze auf der Terrasse mit „ca 50“ angegeben wird, sind die im Sommer 2021 vorgefundenen 55 bzw 54 Verabreichungsplätze (Divergenz zwischen Spruch und Begründung des bekämpften Bescheides) als vom Konsens umfasst anzusehen, weshalb die vorgeschriebene Reduktion der Sitzplatzanzahl auf 30 rechtlich nicht gedeckt ist und den Beschwerdeführer in seinem bestehenden Rechten verletzen würde. Somit war auch der dritte Punkt der Anordnungen als rechtswidrig aufzuheben.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Hohenhorst
(Richter)
Schlagworte
Einstweilige Zwangsmaßnahmen und SicherheitsmaßnahmenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.25.2618.5Zuletzt aktualisiert am
09.12.2021