TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/17 W277 2233827-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.08.2021
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Entscheidungsdatum

17.08.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W277 2233828-1/24E

W277 2233830-1/11E

W277 2233829-1/11E

W277 2233827-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a ESCHLBÖCK, MBA, über die Beschwerden von 1.) XXXX alias XXXX alias XXXX , geboren am XXXX , StA der Russischen Föderation, vertreten durch die XXXX , sowie der minderjährigen 2.) XXXX XXXX , geboren am XXXX , StA der Russischen Föderation 3.) XXXX , geboren am XXXX , StA der Russischen Föderation, und 4.) XXXX , geboren am XXXX , StA der Russischen Föderation, vertreten durch ihre Mutter XXXX als deren gesetzliche Vertreterin und die XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zlen. 1.) XXXX , 2.) XXXX , 3.) XXXX und 4.) XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht:

A)

I. Die Beschwerden werden mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass

II. die Frist für freiwillige Ausreise achtundzwanzig Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Erstbeschwerdeführerin (in der Folge: BF1), XXXX , geboren am XXXX , ist die Mutter sowie gesetzliche Vertretern der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin (in der Folge: BF2), XXXX , geboren am XXXX , der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin (in der Folge: BF3), XXXX , geboren am XXXX , und der minderjährigen Viertbeschwerdeführerin (in der Folge: BF4), XXXX , geboren am XXXX .

Die Beschwerdeführer (in der Folge: BF) sind Staatsangehörige der Russischen Föderation.

1. Die BF1 stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz in XXXX , welcher in allen Spruchpunkten abgewiesen wurde (EURODAC Ergebnis vom XXXX , XXXX , AS 5).

2. Die BF1 stellte (für sich und ihre minderjährige Tochter XXXX , geb. XXXX ) nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am XXXX ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet und wurde am selben Tag von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdiensts erstbefragt.

Die BF1 habe von XXXX in XXXX , sowie von XXXX in XXXX eine Grundschule besucht und verfüge über einen Schulabschluss. Die BF1 sei gesund. Ihre Schwester XXXX lebe im Herkunftsstaat.

Sie sei mit einem russischen Reisepass und einem Inlandreisepass aus dem Herkunftsstaat ausgereist. Die Ausreise aus dem Herkunftsstaat sei in Eigenorganisation erfolgt. Den Entschluss zur Ausreise habe sie im XXXX gefasst und sei gemeinsam mit ihrer Tochter XXXX am XXXX aus XXXX ausgereist. Sie wäre XXXX gefahren, habe ebendort bis zum XXXX in einer Mietwohnung gelebt. Dann sei sie weiter nach XXXX gefahren, wo sie ihren Vater getroffen hätte. Gemeinsam seien sie nach XXXX gefahren.

Als Fluchtgrund gab sie an, dass sie von ihrem Ex-Mann missbraucht worden wäre. Da sie streng religiös sei, würde sie eine Kopfbedeckung tragen.

Bei einer Rückkehr habe sie weder unmenschliche Behandlung oder Strafe, noch sonstige Sanktionen zu befürchten.

2.1. Mit Bescheiden des damals zuständigen Bundesasylamts (in der Folge: BAA) vom XXXX wurde der Antrag der BF1 und ihrer Tochter XXXX auf internationalen Schutz vom XXXX als unzulässig zurückgewiesen und die BF1 und ihre Tochter aus dem österreichischen Bundesgebiet nach XXXX ausgewiesen.

2.2. Die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden der BF1 und ihrer Tochter wurden mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofs vom XXXX als unbegründet abgewiesen.

2.3. Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom XXXX wurden die dagegen erhobenen Revisionen abgewiesen.

2.4. Am XXXX wurde ein Festnahmeauftrag gegen die BF1 erlassen.

2.4.1. Die BF1 und ihre Tochter XXXX wurden im XXXX nach XXXX überstellt.

2.4.2. Im April XXXX kehrte die BF1 im Beisein ihrer Tochter XXXX freiwillig in die Russische Föderation, Teilrepublik XXXX , zurück.

3. Die BF1 stellte (für sich und ihre minderjährige Tochter XXXX ) am XXXX ihren zweiten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet. Die BF1 wurde hierzu am XXXX erstbefragt.

3.1. Mit Bescheiden des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) vom XXXX wurden die Anträge der BF1 und ihrer Tochter auf internationalen Schutz vom XXXX als unzulässig zurückgewiesen und die Abschiebung der BF1 und ihrer Tochter nach XXXX für zulässig erklärt.

3.2. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX wurden die Beschwerden gegen diese Bescheide als unbegründet abgewiesen.

4. Die BF1 stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz XXXX (EURODAC Ergebnis vom XXXX , XXXX , AS 5). Dem Aufnahmeersuchen der XXXX an Österreich nach der DUBLIN III-VO wurde zugestimmt.

5. Die BF1 stellte am XXXX (für sich und ihre Tochter XXXX ) ihren dritten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet (Aktenkonvolut zu XXXX , in der Folge: Akt I, AS 1 ff) und wurde am selben Tag erstbefragt.

5.1. Hierbei gab sie an, seit drei Jahren geschieden zu sein. Zu ihren Fluchtgründen befragt gab die BF1 an, dass sie Ende des Jahres XXXX XXXX erfahren habe, dass sie „an XXXX leide“. Sie habe akute Schmerzen im Unterbeckenbereich und würde dringend eine medizinische Behandlung und eine psychologische Betreuung benötigen. Zudem könne sie aufgrund ihrer „alten“ Fluchtgründe nicht in ihre Heimat zurückkehren, da ihr ansonsten die „Festnahme und in weiterer Folge Vergewaltigung bzw. auch Tötung“ durch „ XXXX “ drohe (Akt I AS 3).

5.2. Die BF1 wurde am XXXX niederschriftlich einvernommen (Akt I AS 27 ff). Hierbei gab sie im Wesentlichen an, dass sie in psychotherapeutischer Behandlung sei und ein „Verdacht auf XXXX “ bestehe. In XXXX hätte man ihr gesagt, dass sie eine Krebserkrankung habe. Diesbezügliche Befunde könne sie nicht vorlegen. Ihr Gesundheitszustand habe sich verschlechtert. Sie habe bei der Befragung am XXXX betreffend ihren zweiten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet nicht alles sagen können, weil der einvernehmende Beamte sehr kritisch gewesen sei und Vorurteile gegen ihre Verschleierung gehabt habe. Das habe sie daran erkannt, wie er sie angesehen und die Fragen gestellt habe.

Bis zu ihrem siebenten Lebensjahr habe sie im Dorf XXXX mit ihren Eltern gelebt. Nach ihrer Eheschließung habe sie in XXXX gelebt.

Weiters gab sie an, dass sie seit drei Jahren geschieden sei und zuletzt in XXXX gelebt habe. Ihre Onkel, Tanten und die Schwester XXXX seien in XXXX wohnhaft. In XXXX würden weitere Familienangehörige leben.

Sie habe im Herkunftsstaat Probleme aufgrund ihres Religionsbekenntnisses gehabt, weil in Tschetschenien das Tragen des Hidschab und das Zudecken des Kinns verboten seien. XXXX habe einen „Erlass verabschiedet“, wonach alle Muslime, welche nicht die sufistische Konfession hätten und somit XXXX seien, des Landes zu verweisen oder zu „eliminieren“ wären. Die BF1 gehöre den XXXX an. Sie habe in den bisherigen Befragungen immer angegeben Sunnitin zu sein, weil die Sunniten Nachfolger eines Gelehrten namens Abdull Wahab seien. Sie würde den Hidschab auch nicht ablegen, weil sie XXXX sei.

In XXXX habe sie keinen Hidschab getragen, weshalb sie auch auf ihrem im Jahre 2009 ausgestellten Reisepassfoto ohne Kopfbedeckung abgelichtet sei. Den Hidschab habe sie erst im Jahre XXXX getragen. Ihre Brüder hätten ihr Bücher über den Islam gebracht und sie hätte den wahren Islam verstanden, sowie aus freiem Willen beschlossen den Hidschab zu tragen. Der Bruder habe sie diesbezüglich über Skype unterrichtet und ihr Bücher geschickt.

Weiters gab sie an, dass sie erst im Bundesgebiet den Hidschab getragen hätte.

In XXXX wolle man, dass Frauen einen schmal geschnittenen Hidschab bzw. ein farbiges Tuch tragen, bei welchem die Kinnpartie offen sei. Die Sufisten würden einen etwas offeneren Hidschab tragen. Sie trage einen sehr geschlossenen Hidschab mit verschlossener Kinnpartie. Das Tragen eines weiten, dunkelfarbigen, nach sunnitischer Art geschlossenen Hidschab sei in XXXX verboten.

Im Herkunftsstaat sei sie vergewaltigt, sowie vier Tage lang, konkret vom XXXX , in einem Keller aufgehalten, gequält und geschlagen worden. Auch sei sie gefoltert worden. In weiterer Folge gab sie an vom XXXX festgehalten worden zu sein. Weiters gab sie an vierundzwanzig Stunden lang angehalten, geschlagen und gefoltert worden zu sein. XXXX Anhänger hätten sie angehalten und sie habe weder zu Essen noch zu Trinken erhalten. Sie hätte Probleme mit dem Innenministerium bzw. mit der Polizei im Herkunftsstaat gehabt.

Am 20.08.2013 sei sie in einem Nachbardorf ebenfalls angehalten worden und misshandelt worden. Man habe ihr die Haare „komplett“ mit einem Rasierapparat abrasiert.

5.2.1. Die BF1 wurde am XXXX beim BFA ein weiteres Mal niederschriftlich einvernommen (Akt I AS 5 ff). hierbei gab sie im Wesentlichen an, an XXXX zu leiden und diesbezüglich „Tabletten“ einzunehmen. Sie habe keine weiteren gesundheitlichen Beschwerden. Psychisch gehe es ihr gut.

Sie sei standesamtlich mit einem Mann namens XXXX , verheiratet, lebe jedoch in Trennung. Die nach traditionellem Ritus geschlossene Ehe zu ihrem Ehemann sei nicht mehr aufrecht. Die BF1 habe im Herkunftsstaat mit ihrem Ehemann, in der Stadt XXXX gelebt. An dieser Adresse sei ihr Ehemann weiterhin wohnhaft. Nach der Scheidung habe sie mit ihrem Onkel und dessen Familie in „ XXXX “gewohnt. Ebendort würden weiterhin der Onkel der BF1 mit seiner Frau und den Kindern leben. Das Verhältnis zu ihrem Onkel sei gut und sie würden regelmäßigen Kontakt pflegen.

Die BF1 habe in XXXX XXXX Jahre lang eine Schule besucht. Ihren Lebensunterhalt im Herkunftsstaat habe sie durch die finanzielle Hilfe ihres im Bundesgebiet wohnhaften Bruders bestritten.

In den Jahren XXXX habe sie den Entschluss gefasst ihren Herkunftsstaat zu verlassen. Von XXXX sei sie in Österreich aufhältig gewesen. Nach ihrer Abschiebung nach XXXX sei sie im XXXX freiwillig in die XXXX zurückgekehrt und habe sich bis XXXX ebendort aufgehalten, bis sie in das Bundesgebiet Österreich erneut eingereist wäre. Ihr Onkel und ihr Bruder hätten ihre Ausreise organisiert und die diesbezüglichen Kosten in der Höhe von XXXX Euro finanziert.

Die BF1 gab weiters an sunnitisch-muslimischen Glaubens zu sein und aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit und ihres Religionsbekenntnisses keine Probleme im Herkunftsstaat gehabt zu haben.

Zu ihren Fluchtgründen befragt gab die BF1 an, auch aufgrund „ihrer Religion“ geflüchtet zu sein. Sie habe sich scheiden lassen und wolle gemeinsam mit ihrer Tochter XXXX leben, nach der Scheidung würden die Kinder jedoch „zum Mann kommen“. Weitere Fluchtgründe habe sie nicht.

Weiters gab sie an, dass sie XXXX sei und im Herkunftsstaat den Hidschab mit Verschleierung des Kinns nicht tragen könne, wie sie es im Bundesgebiet tragen würde. XXXX würde „keine XXXX in der XXXX wollen“. Sie sei im Herkunftsstaat einmal im XXXX festgenommen und einvernommen worden. Das zweite Mal sei sie vom XXXX von der Polizei angehalten und festgenommen worden, weil sie einen Hidschab trage.

Darauf hingewiesen, dass ihre diesbezüglichen Angaben widersprüchlich zu ihren Angaben in dem Verfahren betreffend ihren zweiten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet wären, führte die BF1 aus, dass Sie „Probleme mit dem Gedächtnis“ und es vergessen habe. Ihre Angaben im Vorverfahren, dass sie vom XXXX vom XXXX gehöre, XXXX worden sei, wären richtig. Sie sei von drei bis vier in schwarzer Uniform gekleideten Männern in einem „Keller“ festgehalten worden und habe zwei Tage lang nur Wasser bekommen, weil sie einen Hidschab getragen habe. Danach sei sie freigelassen worden, weil ihr Onkel tausendfünfhundert Euro für ihre „Freilassung“ bezahlt habe. Man habe ihr gesagt, dass sie „weggehen“ solle, um keine weiteren Probleme zu bekommen.

XXXX wolle, dass die Frauen einen „einzigartigen Hidschab“ tragen, sie jedoch wolle so gekleidet sein, wie es im Koran stehe. Wenn sie zurückkehren würde, müsste sie den „ XXXX “ tragen.

Auf die Frage, weshalb sie bei den von ihr angegebenen Problemen aufgrund ihrer Religion wieder freiwillig in ihren Herkunftsstaat zurückgekehrt sei, gab sie zunächst an, dass sie nicht nach XXXX in die XXXX zurückgekehrt sei. In weitere Folge gab sie an, dass sie nicht in das Bundesgebiet zurückkehren konnte und eine Rückkehr nach XXXX ihre einzige Möglichkeit gewesen wäre. Sie habe sich bei ihrem Onkel aufgehalten und sei immer „zu Hause“ geblieben.

Den Hidschab habe sie erst in XXXX getragen, weil der im Bundesgebiet wohnhafte Bruder ihr über Skype erzählt habe, wie wichtig „die Religion“ sei. Weiters gab sie an, den Hidschab das erste Mal in Österreich im Jahre XXXX getragen zu haben.

Die BF1 sei sehr religiös und gegen außereheliche Geschlechtsbeziehungen. Die BF1 sei seit XXXX geschieden und wäre gleich „schwanger geworden“. Im XXXX habe sie einen XXXX durchführen lassen. Sie habe in XXXX im XXXX einen XXXX Jahre alten Mann namens „ XXXX “ geheiratet. Dies sei möglich, weil sie nach muslimischen Ritus von XXXX geschieden sei und vier Monate nach der Scheidung nach islamischen Ritus wieder heiraten dürfe. In weiterer Folge gab sie an, weiterhin mit XXXX verheiratet zu sein, um dann auszuführen, dass sie sich von XXXX scheiden habe lassen und zum Zeitpunkt der Befragung ledig sei.

Von ihrem ersten Ehemann habe sie sich scheiden lassen, weil er sehr eifersüchtig gewesen wäre und sie nicht „ausgehen“ habe dürfen. Der zweite Mann sei gewalttätig gewesen und habe sie mehrmals geschlagen. Die Mutter des zweiten Ehemanns wäre „gegen“ die BF1 gewesen und habe sie nicht „in Ruhe“ gelassen.

Damals sei sie aus ihrem Herkunftsstaat geflüchtet, weil sie mit ihrer Tochter XXXX in Österreich leben haben wollen und es in der Teilrepublik XXXX keine Wohnmöglichkeit gegeben hätte. Ihre Flucht habe nichts mit ihrer Religion zu tun gehabt.

Sie sei mit ihrer Tochter im Jahre XXXX alleine ausgereist und in Weißrussland von ihrem Vater abgeholt worden. Danach sei sie freiwillig in den Herkunftsstaat zurückgekehrt um ihre kranke Schwester zu besuchen. Nach ihrer Rückkehr habe sie bei ihrer Schwester gewohnt, welche neben ihrem Onkel wohne. Sie sei in dieser Zeit weder von ihrem ersten Ehemann bedroht worden, noch habe es weitere Probleme mit ihm gegeben. Weiters gab sie an, dass ihr erster Ehemann ihr die Tochter XXXX „weggenommen“ habe und die BF1 ohne sein Wissen mit dieser geflüchtet wäre.

Zudem habe sie vergessen anzuführen, dass sie im Juni XXXX einen Termin bei einer Psychologin im Bundesgebiet habe.

Im Falle einer negativen Entscheidung würde sie freiwillig in den Herkunftsstaat zurückkehren (BF1 AS 18). Wenn Sie zurückkehren müsse, würde sie mit ihrer Tochter zu ihrem Ex-Mann gehen (BF1 AS 17).

5.2.2. Nach Rückübersetzung des Protokolls der niederschriftlichen Einvernahme am XXXX gab die BF1 an, dass sie keine XXXX sei, jedoch als solche bezeichnet worden wäre. Sie gehöre ebenso wie ihre Familienmitglieder dem sunnitisch-moslemischen Glauben an. Sie sei „Sunnitin“.

5.3. Mit Bescheiden des BFA vom XXXX wurden die Anträge der BF1 und ihrer Tochter XXXX vom XXXX in allen Spruchpunkten abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen wurde nicht erteilt und Rückkehrentscheidungen gegen sie erlassen. Die Zulässigkeit ihrer Abschiebung in die Russische Föderation wurde festgestellt und eine Frist für ihre freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen festgelegt.

6. Die BF1 stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz in XXXX (EURODAC Ergebnis vom XXXX , XXXX , AS 5).

7. Die BF1 stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz in XXXX (EURODAC Ergebnis vom XXXX , XXXX , AS 5).

8. Die BF1 stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am XXXX für sich und als gesetzliche Vertreterin ihrer Töchter XXXX ihren vierten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet und wurde am selben Tag von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdiensts erstbefragt. Die BF1 war zum Zeitpunkt der Antragsstellung nach eigenen Angaben im 6. Monat schwanger (BF1 AS 31).

Die BF1 gab an, sich von circa XXXX in Chemnitz XXXX und im Anschluss bis XXXX aufgehalten zu haben. Sie sei in XXXX geboren, dem sunnitischen Islam zugehörig, beherrsche die Sprachen Russisch und XXXX und habe „schlechte“ Deutschkenntnisse.

Sie sei mit XXXX , geb. XXXX , verheiratet, welcher gegenwärtig in XXXX aufhältig sei.

Befragt, weshalb sie nach rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens betreffend ihren Antrag auf internationalen Schutzes vom XXXX nunmehr einen (neuerlichen) Asylantrag stelle bzw. was sich seit der Rechtskraft konkret geändert hätte, gab sie an, dass ihre alten Fluchtgründe nicht mehr aufrecht seien. Sie habe jetzt Probleme mit ihrem jetzigen Ehemann und habe sich aus diesem Grund entschieden, den Herkunftsstaat zu verlassen und nach Österreich zu reisen. Die Änderung ihrer Situation bzw. ihrer Fluchtgründe sei ihr seit dem Jahr XXXX , seit die BF2 geboren worden sei, bekannt (BF1 AS 32).

Für ihre minderjährigen Kinder BF2 und BF3 würden diese dieselben Asylgründe gelten, wie für sie. Beide würden sich seit der Geburt in ständiger Obhut der BF1 befinden.

Zu ihren Rückkehrbefürchtungen gab sie an, dass sie Angst habe, dass sie und ihre Kinder von ihrem jetzigen Ehemann getötet werden würden.

Vorgelegt wurden zwei Urkundenkopien mit dem Nummernvermerk XXXX in russischer Sprache sowie eine Reisepasskopie mit Nr. XXXX (BF1 AS 33, AS 35, AS 37).

8.1. Am XXXX wurde Folgendes nachgereicht (BF1 AS 53 ff.):

- ein Laborbefund (Routine) des XXXX vom XXXX

-ein Befundbericht des XXXX , welchem Folgendes zu entnehmen ist:

- Ergebnis: Die Zwechfellkuppen (sind) glatt begrenzt und in regulärer Lage. Keine Pleuraergüsse. Kein Hinweis auf umschriebene pneumonische Konsolidierungen oder spezifische Veränderungen. Unauffälliger Herz- und Gefässschatten. Die Hili und das Mediastinums nicht verbreitet.

- ein Befundbericht des XXXX vom XXXX , welchem die Analyse: Tuberkulin- induziertes IFN-G plus/Blut negativ zu entnehmen ist.

-ein Befund betreffend BF1 der Krankenanstalt XXXX vom XXXX , Pat.AZ: XXXX mit folgendem Inhalt:

-Quantiferon: negativ

-Bei negativem Quantiferon und unauffälligem Thoraxröntgen besteht derzeit KEIN Hinweis auf ein spezifisches Geschehen. Es ist daher derzeit auch keine Therapie erforderlich

-Keine TB-Anamnese und kein wissentlicher Kontakt zu TBC, TBC- Impfung: positiv

-Thorax Röntgen (in 1 Ebene): Die Zwerchfellkuppen (sind) glatt begrenzt und in regulärer Lage. Keine Pleuraergüsse. Kein Hinweis auf umschriebene pneumonische Konsolidierung oder spezifische Veränderung. Unauffälliger Herz- und Gefäßschatten. Die Hili und das Mediastinum nicht verbreitet.

-Zuweisung erfolgt durch XXXX wegen positiver Medizinischer Trainingstherapie (MMT). Patientin ist seit drei Wochen in Österreich und kommt aus XXXX , aktuell in der 27. Schwangerschaftswoche. Die Patientin gibt keinerlei spezifische Klinik an. Der MMT kann auch durch die positive Impfanamnese bedingt sein. Radiologisch zeigt sich kein Hinweis auf ein recentes, spezifisches Geschehen.

- eine Konventionspasskopie lautend auf XXXX , sowie ein Auszug des Zentralen Melderegisters,

- eine Konventionspasskopie lautend auf XXXX , sowie ein Auszug des Zentralen Melderegisters.

9. Am XXXX wurde die BF4 XXXX im Bundesgebiet geboren (BF4 AS 7). In der vorgelegten Geburtsurkunde vom XXXX , des Standesamtes- und Staatsbürgerschaftsverbands XXXX , ist zu entnehmen, dass die BF1 als Mutter der BF4 angeführt ist. Der Kindsvater ist in der Geburtsurkunde nicht angeführt.

10. Die BF1 wurde am XXXX unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Russisch beim BFA niederschriftlich einvernommen (BF1 AS 83 ff). Hierbei gab sie an, dass im Protokoll der Erstbefragung bei Punkt 5.1. ein Fehler vorliege. Sie habe sich nicht wie dort protokolliert in XXXX befunden (BF1 AS 31; „ XXXX ), sondern in XXXX .

Die Frage, ob sie jemals um einen Aufenthaltstitel in Österreich oder einem anderen Land der XXXX angesucht hätte, verneinte sie. Darauf hingewiesen, dass sie -nach behördlich vorliegender Aktenlage- bereits im Bundesgebiet, der Bundesrepublik XXXX und XXXX Anträge auf internationalen Schutz gestellt habe, gab sie an, dass über alle bisherigen Anträge negativ entschieden worden wäre. Die Entscheidung aus XXXX habe sie nicht erhalten.

Die BF1 gab an, am XXXX im Bundesgebiet operiert worden zu sein, weil sie Probleme mit der Nase gehabt habe und deswegen kaum Luft bekommen hätte. Ein Arzt im Bundesgebiet habe gesagt, dass sie vielleicht nochmals an der Nase operiert werden müsse. Unterlagen betreffend diese Operation könne sie nicht vorlegen. Gegenwärtig nehme sie Vitamine, Nasenspray und eine Salbe.

Die Probleme mit ihrer Nase hätte sie bereits im Herkunftsstaat gehabt und es würde ebendort auch Behandlungsmöglichkeiten bestehen, welche sie nicht wahrgenommen habe, weil sie schwanger gewesen wäre.

Der minderjährigen BF2 würde es gut gehen. Sie hätte gesehen, was der Kindsvater der BF1 angetan habe und hätte Panikattacken.

Die minderjährigen BF2 und BF3 würden weder Medikamente einnehmen, noch in ärztlicher Behandlung sein.

Sie habe im Herkunftsstaat XXXX Jahre lang die Grundschule besucht, könne gut nähen und habe im Herkunftsstaat Näharbeiten verrichtet. Auch habe sie „in der Maniküre und Pediküre gearbeitet“.

Die BF1 gab an, gegenwärtig nach islamischen Ritus mit dem Kindsvater der BF2, BF3 und BF4 namens XXXX verheiratet zu sein, welcher vor ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat in XXXX gelebt habe. Sie habe ihn über Bekannte kennengelernt. Der Ehemann habe mit XXXX in einer Polizeibehörde gearbeitet und habe einen Offizierstitel. Die Beziehung zu ihm sei von XXXX aufrecht gewesen. Sie habe XXXX zuletzt am XXXX gesehen und kenne seinen aktuellen Aufenthaltsort nicht.

Ihre letzte Adresse im Herkunftsstaat habe „ XXXX “ gelautet. Ebendort habe sie mit ihrem „Ex-Mann“ und ihren Kindern gelebt.

Zu ihrer in XXXX lebenden, verheirateten Schwester XXXX habe sie aktuell häufigen, fernmündlichen Kontakt. Fünf Geschwister des Vaters der BF1 und zwei Geschwister der Mutter der BF1 würden aktuell in XXXX leben. Andere Familienangehörige würden in Europa bzw. im XXXX aufhältig sein. Die älteste Tochter, XXXX , würde gegenwärtig bei ihrem Vater in XXXX wohnhaft sein und es bestehe kein Kontakt zu dieser. Der Kindsvater der erstgeborenen Tochter sei Inhaber einer „Taxifirma“.

Die BF1 gab an sunnitisch- muslimischen Glaubens zu sein und sei in XXXX ebenso gekleidet gewesen wie in Österreich. Aufgrund ihres religiösen Bekenntnisses bzw. ihrer XXXX Volksgruppenzugehörigkeit hätte sie keine Probleme im Herkunftsstaat gehabt. Auch hätte es nie Probleme mit den Behörden im Herkunftsstaat gegeben. Auch sei sie nicht in Haft gewesen.

Ihre „alten Fluchtgründe“ seien nicht aufrecht und sie habe neue Probleme, welche im XXXX begonnen hätten.

Ihr Ehemann habe „Leute“ bzw. zwei Männer in einem Jeep nach XXXX geschickt, um die BF1 nach XXXX zu holen. Sie sei ohne Reisepass von XXXX in die Russische Föderation gereist.

Ihr Ehemann hätte die Telefonnummer der BF1 gehabt, als sie in XXXX gewesen wäre, und hätte ihr Sprachnachrichten gesendet. Diese Aufzeichnungen wurden durch die Behörde einer Übersetzung zugeführt und beinhalten Folgendes:

Nachricht 1: „Du hör mich zu, wo bist du mit meinen Kindern hin. Ich finde dich und werde dich vernichten.“

Nachricht 2: „Du hör mich zu, du bist mit meinen Kindern abgehauen, wenn du denkst, dass ich dich nicht finde täuschst du dich. Auch wenn andere dich nicht finden, werde ich dich suchen. Ich lasse dich nicht so. Hast du es kapiert? Deine Verwandten müssen sich nicht bei mir entschuldigen, wenn ich dich finde. Ich werde dich überall suchen. Wenn nicht ich selbst dann werden dich andere Leute (Verwandte von mir) dich suchen. Wenn nicht meine Leute dich finden dann meine Kollegen, sie sind überall. Dich zu finden und zu suchen ist kein Problem für mich. Ich werde dich an deinen Haaren ziehen und in ein Gefängnis stecken und dort vernichten. Du wirst in dem Gefängnis lebenslang bleiben und wie eine Frucht verfaulen. Die Kinder wirst du nie wieder sehen. Auch wenn ich dich nicht ins Gefängnis stecke, töte ich dich selbst. Ich werde dich auf den Boden schlagen und töten.“

Die BF1 brachte in ihrer niederschriftlichen Einvernahme weiters vor, dass ihr Mann sie seit der Geburt der BF2 „immer geschlagen und eingesperrt“ hätte. Er sei sehr besorgt gewesen und ein aggressiver Mensch. Es habe Jahre gedauert, bis sie sich dazu entschieden habe, ihn zu verlassen. Sie habe immer Angst gehabt, dass ihr Ehemann sie töten würde. Das letzte Mal habe er sie so stark geschlagen, dass sie ohnmächtig geworden sei. Sie habe sich daher dazu entschieden, „zu gehen“. Er habe ihr mehrmals gesagt, dass er sie töten würde und er würde dies auch machen. Die Kinder hätten alles mitbekommen, so auch, dass der Ehemann der BF1 „die Pistole gegen den Kopf“ gehalten habe. Auch wenn er sie ermorden würde, würde ihm nichts passieren, weil mit „solchen Leuten“ nichts passiere.

Als der Ehemann zu Arbeit gegangen wäre, sei sie mit dem Taxi zum Flughafen gefahren und nach XXXX mit einem Inlandsreisepass geflogen. Diesen Inlandsreisepass hätte ihr der Schlepper bei der Ausreise aus dem Herkunftsstaat abgenommen. Ihre Kinder BF2 und BF3 hätte sie bei diesem Flug nach XXXX nur mit deren Geburtsurkunde ausweisen können. In XXXX hätten sie sich vom XXXX bei Bekannten versteckt.

Ihr Bekannter habe dem Landeskrankenhaus im Herkunftsstaat Geld gegeben, damit die Daten der BF1 nicht veröffentlicht werden, sowie sie nicht von der Polizei „abgeschleppt“ werde. Weil er „gezahlt“ hätte, hätte sie keine Probleme gehabt.

Als sie geflohen sei, hätte ihr Ehemann sie in der „ganzen Russischen Föderation als gesucht gemeldet“. Es sei „wegen einer Straftat“, welche Straftat das sein solle, wisse sie jedoch nicht. Dies sei passiert, als sie in XXXX gewesen wäre. Ihre Schwester habe ihr erzählt, dass „man“ bei ihr gewesen wäre und die BF1 „als gesucht gemeldet“ sei. Die Schwester habe dies circa am XXXX erfahren. Weiters gab die BF1 an, dass ihr Ehemann mit der Schwester Kontakt aufgenommen und dieser gesagt habe, dass die BF1 gesucht werde.

Die BF1 sei wegen einer Straftat angezeigt worden. Als die BF1 erfahren habe, dass sie im Herkunftsstaat seit dem XXXX in der Teilrepublik XXXX und seit dem XXXX in der gesamten Russischen Föderation gesucht werde, habe sie beschlossen ihren Herkunftsstaat zu verlassen. Die Ausreise hätten ihre Bekannten innerhalb von vierundzwanzig Stunden organisiert. Die Reisekosten von XXXX in die XXXX hätten ihre Bekannten aus XXXX bezahlt, die Ausreisekosten von der XXXX in das Bundesgebiet hätte ihre Tante mütterlicherseits, welche in XXXX wohnhaft ist, finanziert.

Bei einer Rückkehr würde sie ihr Mann in der Russischen Föderation finden und töten. Wenn sie gesucht werden würde, würde man sie an der Grenze ihres Herkunftsstaates verhaften.

Weiters gab die BF1 an, Fotos auf ihrem Handy zu haben, auf denen ihr Ehemann mit der Offiziersuniform von XXXX und seinen Freunden zu sehen sei.

10.1. Im Zuge ihrer niederschriftlichen Einvernahme wurde folgendes vorgelegt:

-ein XXXX in russischer Sprache (BF1 AS 101), welcher einer Übersetzung zugeführt wurde und beinhaltet, dass die BF1 zum Entlassungszeitpunkt schwanger sei, sowie XXXX gehabt habe und deswegen behandelt worden sei,

- eine Anwesenheitsbestätigung des XXXX vom XXXX welchem zu entnehmen ist, dass die BF1 an diesem Tag von 11:00 bis 12:00 Uhr ebendort in der Beratungsstelle anwesend war.

10.2. Die BF1 wurde aufgefordert sämtliche medizinischen Unterlagen betreffend die Operation an der Nase bzw. Verschreibungen zu den von ihr aktuell eingenommenen Medikamenten, sowie Fotos bis zum XXXX nachzureichen

10.2.1. Nachgereicht wurde Folgendes:

- ein „Vorläufiger Gynäkologischer Ambulanzbericht“ des XXXX vom XXXX betreffend die BF1, welchem im Wesentlichen die Diagnose: „PAP III in Grav, SW 33“, die Anamnese „Zuweisung zu Facharzt“ zu entnehmen ist (BF1 AS 139)

- ein undatierter Schriftsatz betreffend die BF1, welchem als „weitere empfohlene Maßnahme“ eine „körperliche Schonung für eine Woche“, sowie „Kontrolle beim Hausarzt“ zu entnehmen ist. Weiters ist Folgendes angeführt: „Der peri- und postoperative Verlauf ist komplikationslos. Die Entlassung erfolgt bei unauffälligem Wundverhältnis am XXXX “. Angeführt sind die Medikamente “Xefo 8mg“ und „Pantoloc 40mg“ (BF1 AS 137),

-ein undatierter Schriftsatz betreffend die BF1, welchem im Wesentlichen folgendes zu entnehmen ist: „Zystologisch reichlich Zellen, gut repräsentativ, Superfizial und Intermediärzellen, Atypische Zellgruppen und einzelne Zellen mit vergrößerten, ungleich großen Zellen“ und weiters „PNII: Unklares Zellbild, Verdacht auf höhergradidige Dysplasie, Kontrolle laut ÖGGG empfohlen“ (BF1 AS 141),

-ein Kurzarztbrief XXXX betreffend die BF1, welchem die Diagnose: “ XXXX “ zu entnehmen ist (BF1 AS 143),

- Kopie eines Fotos, auf welchem die BF1 mit zwei Frauen und einem Kleinkind abgelichtet ist (BF1 AS 119),

- Kopie eines Fotos, auf welchem die BF1 mit einer weiteren Frau abgelichtet ist (BF1 AS 123),

- Kopie eines Fotos, auf welchem fünf Männer abgelichtet sind und der Text „Ehemann mit Leuten XXXX “ vermerkt ist. Weiters wurde ein blauer Pfeil, welcher auf einen der Männer zeigt, hinzugefügt (BF1 AS 125),

- Kopie eines Fotos, auf welchem zwei Männer abgelichtet sind. Weiters wurde ein blauer Pfeil, welcher auf einen der Männer zeigt, hinzugefügt (BF1 AS 127),

- Kopie eines Fotos, auf welchem vier Männer abgelichtet sind. Weiters wurde ein blauer Pfeil, welcher auf einen der Männer zeigt, sowie der Text „Ehemann mit Leuten XXXX “ hinzugefügt (BF1 AS 129),

- Kopie eines Fotos, auf welchem drei Männer abgelichtet sind. Im Hintergrund sind weitere Menschen erkennbar. Weiters wurde ein blauer Pfeil, welcher auf einen der Männer zeigt, hinzugefügt (BF1 AS 135),

10.3. Mit Parteiengehör vom XXXX forderte das BFA die BF1 auf, innerhalb einer Frist von zwei Wochen folgende Fragen zu beantworten (BF1 AS 133):

„- Gibt es Fotos mit Ihnen und Ihrem Ehemann oder den Kindern und dem Vater?

- Wo befinden sich die Geburtsurkunden Ihrer Kinder, mit welchen Sie nach XXXX geflogen sind? Bitte übermitteln Sie der Behörde (…) diese Geburtsurkunden.

- Warum hat ihr Ehemann, welcher für XXXX arbeitet, Sie als XXXX nach dem islamischen Recht geheiratet? Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Russischen Föderation vom 27.03.2020:

(…)

In XXXX setzt XXXX seine eigenen Ansichten bezüglich des Islams durch. Dieser soll moderat, aber streng kontrolliert sein. Salafismus und Wahhabismus duldet er nicht (USCIRF 4.2019).

(…)

Deshalb ist es für die Behörde nicht nachvollziehbar, warum ein Anhänger von XXXX Sie als XXXX heiraten sollte- obwohl XXXX selbst solche nicht duldet.“

10.3.1. Mit Schriftsatz vom XXXX antwortete die BF1 auf die im Parteiengehör vom XXXX an sie gestellten Fragen. Sie gab an, dass sie leider gemeinsamen keine Fotos mit ihrem Ehemann habe. Auch habe sie keine gemeinsamen Fotos von ihrem Ehemann mit ihren Kindern.

Ihr Ehemann sei „ganz selten“ zu Hause gewesen sei, immer unterwegs gewesen und „nur nachts nach Hause gekommen“. Deswegen habe sich keine Möglichkeit für ein Familienfoto ergeben.

Zur Aufforderung, die Geburtsurkunden ihrer Kinder vorzulegen gab die BF1 an, dass sie die Geburtsurkunden im Auto des Fahrers von der XXXX vergessen habe. Ihr sei die Kontaktaufnahme zu dem Fahrer nicht gelungen und daher könne sie nur die Kopien der Geburtsurkunden vorlegen, die digital vorhanden gewesen seien.

Auf die Frage, weshalb ihr Ehemann, welcher für XXXX gearbeitet hätte, die BF1 als XXXX nach islamischen Recht geheiratet hätte, gab die BF1 an, dass sie keine XXXX sei, sie sich in XXXX modern angezogen habe bzw. dass sie einen modernen, traditionellen Hijab wie alle Frauen in XXXX getragen habe. In der Folge habe ihr Ehemann daher auch keine Probleme bekommen, weil er sie geheiratet habe (BF1 AS 155 und 156).

11. Mit Bescheiden des BFA vom XXXX , Zlen. 1.) XXXX , 2.) XXXX , 3.) XXXX und 4.) XXXX wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz vom XXXX abgewiesen (Spruchpunkt I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen wurde nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung gegen die BF erlassen. Die Zulässigkeit ihrer Abschiebung in die Russische Föderation festgestellt und eine Frist für ihre freiwillige Ausreise von 14 Tagen festgelegt (BF1 AS 251).

Festgestellt wurden im Wesentlichen die Identitäten der BF. Die BF1 verfüge über eine Schulbildung und Berufserfahrung und sei arbeitsfähig, sowie gesund.

Die BF1 habe keine Verfolgung oder Bedrohung im Herkunftsstaat zu befürchten. Es könne auch kein fluchtauslösendes Ereignis und „nicht annähernd ein zeitlicher Zusammenhang zwischen den behaupteten Ereignissen und der Ausreise der BF festgestellt werden“.

Es sei nicht glaubhaft, dass die BF1 von „ihrem angeblichen Ehemann „ XXXX “ gesucht werde.

Die BF2, BF3 und BF4 hätten keine eigenen Fluchtgründe. Deren Fluchtgründe würden sich auf die Fluchtgründe der BF1 beziehen. Sie seien gesund.

Die BF seien nicht immungeschwächt.

Die BF würden über familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat verfügen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die BF1 in der Einvernahme keinen Beweis für ihre Ehe zu XXXX vorgelegt hat. Zudem habe sie – trotz Aufforderung durch das BFA im Zuge eines Parteiengehörs – keine Fotos von sich bzw. ihren Kindern mit ihrem Ehemann vorgelegt. Für die Behörde sei es unvorstellbar, weshalb es nicht zumindest Fotos von der Hochzeit der BF1 gäbe. Die Ehe der BF1 zu ihrem Ehemann habe daher nicht zweifelsfrei festgestellt werden können.

Die belangte Behörde ginge in der Folge davon aus, dass die BF1 ihr Fluchtvorbringen frei erfunden habe, um einen Aufenthaltstitel in Österreich zu erhalten. Zudem werde darauf hingewiesen, dass die BF1 bereits in ihren zuvor im Bundesgebiet gestellten Asylanträgen Probleme mit einem damaligen Exmann vorgebracht hätte und in den bereits rechtskräftigen Entscheidungen weder das BFA noch das BVwG dem Vorbringen der BF1 Glaubwürdigkeit geschenkt haben. Die aktuell vorgebrachte, gesteigerte Fluchtgeschichte habe die BF1 erfunden.

Dass die BF1 Fotos vorgelegt habe, auf denen angeblich ihr Ehemann abgebildet sei, diene nicht als Beweis, dass sie eine Beziehung oder gar eine Ehe mit diesem Mann geführt habe. Zudem sei auch „in der Geburtsurkunde der Kinder kein Vater eingetragen“. Es hätte daher auch diesbezüglich nicht festgestellt werden können, ob ein Mann namens XXXX der Vater der BF2, BF3 und BF4 sei.

Auch könne nicht nachvollzogen werden, weshalb der Ehemann „Leute“ nach XXXX geschickt habe um die BF1 nach XXXX zurückzubringen, sie jedoch im Bundesgebiet in Ruhe lasse, obwohl er wisse, dass sie sich aktuell in Österreich befinde.

Zudem seien die Angaben der BF1 widersprüchlich.

11.1. Den BF wurde amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

12. Gegen diese Bescheide erhoben die BF mit Schriftsatz vom XXXX , vertreten durch den XXXX , innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde und brachten vor, dass sie der Ansicht sei, dass sich das BFA nicht mit ihrem individuellen Fluchtvorbringen auseinandergesetzt hätte, sondern davon ausgegangen wäre, dass die BF1 dieselbe, gesteigerte Fluchtgeschichte der vorherigen drei Asylanträge vorgebracht hätte (BF1 AS 327ff). Die BF sei in ihrem Herkunftsstaat zum Opfer einer „völlig neuerlichen“ Bedrohung „von Seiten der nichtstaatlichen Akteure“ geworden. Im Jahre XXXX habe sie zwischen ihrer dritten und vierten Antragstellung auf internationalen Schutz eine neue, nach islamischen Recht abgeschlossene, eheliche Beziehung zu einem Mann XXXX Herkunft geführt. Die BF1 sei diesbezüglich bei der behördlichen Befragung im Bundesgebiet „ins Detail gegangen“.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt habe sich im Vergleich zu ihren vorigen drei Asylverfahren geändert und eine neuerliche Überprüfung ihres (vierten) Asylantrages sei durchzuführen gewesen.

Die BF1 sei gleich nach ihrer zweiten Eheschließung mit XXXX von diesem gezwungen worden, die Ehe ausschließlich nach XXXX , „in welcher das Patriarchat in den Familien eine große Rolle spiele und welches die Frauen auch besonders zu spüren bekommen“, führen zu müssen. Die BF1 sei somit unter Berufung auf den Islam stets unterdrückt und erniedrigt worden. Nachdem die Situation für sie unerträglich gewesen wäre, habe sie sich entschlossen, die Flucht zu ergreifen. Sie habe folglich „nicht aus Spaß ihre Heimat verlassen“, sondern weil sie von ihrem Ehemann immer wieder verbal und körperlich attackiert worden sei. Ihr Ehemann habe zudem aufgrund seiner Beschäftigung im Sicherheitsdienst intensive Kontakte zum Sicherheitsapparat XXXX gepflegt. Das Vorliegen einer begründeten Furcht vor Verfolgung könne aufgrund „kumulativer Gründe“ angenommen werden.

Die Situation der Frauen im Nordkaukasus unterscheide sich zum Teil von der in anderen Regionen in der Russischen Föderation. Es bestehe keine innerstaatliche Fluchtalternative, da der tatsächliche und effektive Schutz der BF auch in einem anderen Gebietsteil XXXX ebenfalls nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit gegeben sei.

Die BF1 könnte als Mutter von drei minderjährigen Kindern keinen effektiven staatlichen Schutz vor weiteren Verfolgungen und Misshandlungen in Anspruch nehmen. Die belangte Behörde habe sich zudem auch nicht mit der bestehenden Gefahr der Blutrache gegen Personen wie die BF1, die sich der traditionellen Gesellschaftsordnung XXXX widersetzt habe, auseinandergesetzt.

Weiters habe die belangte Behörde - trotz diesbezüglichen Vorbringens der BF1 in der Erstbefragung – auch nicht mit der Praxis der Ehrenmorde in XXXX auseinandergesetzt. Ein solches Vorgehen werde zudem vom Sicherheitsapparat XXXX nicht strafrechtlich verfolgt.

Auch habe sich die belangte Behörde nicht mit der Drohung des Ehemannes der BF1 im Hinblick auf die in XXXX herrschende Praxis der Wegnahme der gemeinsamen Kinder auseinandergesetzt. Es wäre daher auch zu prüfen gewesen, ob die minderjährigen Kinder der BF1 aufgrund der durch ihren Vater angedrohten Wegnahme von ihrer Mutter eigene Fluchtgründe hätten.

Zudem bestehe ein Privat- und Familienleben der BF zu ihren in Österreich lebenden Verwandten.

Dem Beschwerdeschriftsatz wurden erneut die unter I.8. angeführten Urkundenkopien mit dem Nummernvermerk XXXX beigelegt (BF1 AS 347ff). Weiters wurde folgendes in Kopie übermittelt:

- Geburtsurkunde von XXXX , Übersetzung aus dem Russischen ins Deutsche, Ausstellungsdatum XXXX (BF2 AS 103),

- Geburtsurkunde von XXXX , Übersetzung aus dem Russischen ins Deutsche, Ausstellungsdatum XXXX (BF2 AS 105).

12.1. Mit Schriftsatz vom XXXX übermittelte die BF1 dem BVwG eine Bestätigung des Zeugnisses zur Integrationsprüfung auf dem Sprachniveau A2 (BF1 OZ 6).

12.2. Einem nachgereichten Befundbericht der BF1 des XXXX vom XXXX ist Folgendes zu entnehmen: XXXX (Akt 2 AS 63).

13. Am XXXX übermittelte das BFA dem Bundesverwaltungsgericht einen elektronischen Schriftverkehr des BFA mit der BF1 via E-Mail (BF1 OZ7), welchem im Wesentlichen zu entnehmen ist, dass die BF1 gegenüber dem BFA bekanntgab, freiwillig in die Russische Föderation zurückkehren zu wollen, jedoch kein Reisedokument zu besitzen und deswegen nicht zurückkehren zu können:

-E-Mail der BF1 vom XXXX : „Guten Tag. Ich bin XXXX geb. Ich möchte wissen wann bekomme ich eine bescheid von BFA , wenn es möglich bitte schicken sie mir ein antwort. Mit Grüße XXXX “.

- E-Mail der BF1 vom XXXX : „Hallo ,ich möchte ein negativ bekommen und sofort Abschiebung ???? das meine ich“

- Email der BF1 vom XXXX : (…) „aber ich habe kein pass dabei, das wegen ich kann nicht zurück, aber wenn ich ein Abschiebung haben ,dann brauche ich kein Pass, alles macht BFA. Ist das richtig?“.

14. Mit Schriftsatz vom XXXX gaben die BF dem Bundesverwaltungsgericht die Begründung eines Vollmachtsverhältnisses zur XXXX bekannt (OZ 9).

15. Mit Parteiengehör vom XXXX informierte das Bundesverwaltungsgericht die BF1 über die Vorlage des unter II.13. angeführten E-Mail-Schriftverkehrs durch das BFA.

15.1. Am XXXX teilte die rechtsfreundliche Vertretung der BF dem BVwG fernmündlich mit, dass der letzte Kontakt mit der BF1 am XXXX stattgefunden habe und der Wunsch einer freiwilligen Rückkehr der BF der rechtsfreundlichen Vertretung nicht bekannt sei (BF1 OZ 12).

15.2. Mit Schriftsatz vom XXXX teilten die BF dem Bundesverwaltungsgericht mit, dass sie ihre Beschwerden nicht zurückziehen möchten und die BF1 sich „nach nochmaliger, reiflicher Überlegung“ dafür entschieden habe, das Angebot der freiwilligen Rückkehr nicht in Anspruch zu nehmen (BF1 OZ 14).

15.3. Am XXXX verständigte das Bundesverwaltungsgericht bezugnehmend auf den Schriftsatz der BF vom XXXX das BFA vom Ergebnis der Beweisaufnahme. Dem BFA wurde der Schriftsatz übermittelt und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme bis zum XXXX gewährt (BF1 OZ 15). Innerhalb dieser Frist erfolgte hierzu keine Stellungnahme.

16. Am XXXX stellte die BF1 einen Antrag auf Unterstützungsleistungen im Rahmen der unterstützten freiwilligen Rückkehr in die Russische Föderation für sich sowie die minderjährigen BF2, BF3 und BF4 und gab bekannt, dass sie in die Russische Föderation zurückkehren wollen (BF1 OZ 18). Dem Antragsformular ist zu entnehmen, dass die BF1 verheiratet und alleinerziehend sei. Sie habe eine Hauptschulausbildung und Arbeitserfahrungen als XXXX . Zuletzt habe sie im Herkunftsstaat in „ XXXX “ gelebt. Ihr Bruder XXXX lebe im Herkunftsstaat. Angeführt wurde weiters die Telefonnummer des Bruders.

17. Mit Schriftsatz vom XXXX gaben die BF bekannt, dass sie ihre Beschwerde nicht zurückziehen möchten (BF1 OZ 19).

18. Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX eine öffentliche, mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Russisch durch. Das BFA teilte nach erfolgter Ladung vorab mit Schreiben vom XXXX mit, dass aus dienstlichen und personellen Gründen kein informierter Vertreter an der mündlichen Verhandlung teilnehmen könne (BF1 OZ 21). Ein Vertreter des BFA ist folglich nicht erschienen.

Die BF1 wurde in Anwesenheit ihrer rechtsfreundlichen Vertretung ausführlich zu ihrer Person und ihren Fluchtgründen sowie den Fluchtgründen der BF2 und den BF3 und BF4 befragt. Es wurde ihr Gelegenheit gegeben, die Fluchtgründe umfassend darzulegen sowie zu den im Rahmen der Verhandlung eingeführten und ihnen mit der Ladung zugestellten, aktuellen Länderberichten Stellung zu nehmen.

18.1. Die BF1 brachte in der mündlichen Verhandlung vor, dass sie ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz in XXXX im Jahre XXXX „einstellen“ habe lassen und das diesbezügliche Ergebnis nicht abgewartet hätte.

Die BF1 sei gesund und nehme keine Medikamente ein. Auch leide sich nicht mehr an dem Humanen Papilomavirus ( XXXX ) und habe diesbezüglich keine weiteren Beschwerden. Der BF1 seien im Bundesgebiet „ XXXX “ entnommen worden, die Operation sei komplikationslos verlaufen und diesbezüglich habe sie keine weiteren Probleme. Die BF1 befinde sich aktuell weder in einer medizinischen, noch einer therapeutischen Behandlung.

Die minderjährigen Beschwerdeführer BF2, BF3 und BF4 seien gesund. Bei der BF4 bestehe der Verdacht, dass sie „ XXXX “ habe, weshalb für diese ein Kinderarzttermin am XXXX vereinbart worden wäre.

Die BF1 gab weiters an, dass das Protokoll der niederschriftlichen Befragung beim BFA einen Fehler enthielte: Ihre Originalunterlagen seien ihr nicht vom Schlepper abgenommen worden, sondern die BF1 hätte die Dokumente im Taxi bei der Einreise in das Bundesgebiet vergessen. Sie würde immer eine Kopie von ihren Dokumenten ausfertigen lassen, „so zu sagen als Ersatz“, weshalb sie die Dokumentkopien vorlegen könne.

Betreffend den von ihr im Bundesgebiet gestellten Antrag auf freiwillige Rückkehr gab die BF1 folgendes an:

„R: Sie haben am XXXX dem BFA geschrieben, dass Sie nicht in die Russische Föderation zurückkehren können, weil Sie keinen Reisepass hätten. Weiters haben Sie angegeben, dass Sie eine negative Entscheidung in Ihrem Asylverfahren möchten und wollen, dass man Sie sofort abschiebt. Das BFA hat Sie davon in Kenntnis gesetzt, dass Sie Ihre Beschwerde zurückziehen können (OZ 7). Mit Schriftsatz vom XXXX haben Sie dem Gericht mitgeteilt, dass Sie Ihre Beschwerde „nach reiflicher Überlegung“ nicht zurückziehen wollen (OZ 13). Am XXXX haben Sie einen Antrag auf Unterstützungsleistungen im Rahmen der unterstützten, freiwilligen Rückkehr in die Russische Föderation für sich sowie die minderjährigen BF2, BF3 und BF4 gestellt und gaben bekannt, dass sie in die Russische Föderation zurückkehren wollen. Sie wurden auch darüber informiert, dass mit Ihrer Ausreise das Asylverfahren eingestellt wird (OZ 18). Mit Schriftsatz vom XXXX gaben sie dem Gericht bekannt, dass sie ihre Beschwerde nicht zurückziehen möchten. Das ist nicht nachvollziehbar. Wollen Sie in die Russische Föderation zurückkehren?

BF1: Nein, ich stehe unter Stress und habe Angst. Mir geht es nicht gut. Ich will nicht zurück. Wenn ich zurückfahre, dann verliere ich meine Kinder. Ich könnte auch umgebracht werden oder ins Gefängnis gebracht werden. Ich habe das Verfahren einstellen lassen, weil ich mir Sorgen um meine Kinder mache.

R: Wann haben Sie das Verfahren einstellen lassen?

BF1: XXXX .

R: Haben Sie die Beschwerde zurückgezogen?

BF1: Nein.

R: Was meinen Sie mit „einstellen lassen“?

BF1: Ich bin zur XXXX gegangen und habe gesagt, dass ich das Verfahren einstellen lassen möchte. Weil ich unter großen Stress stehe und ständig unter Depression bin. Ich lebe in einer 3-Zimmer-Wohnung, aber außer mir leben dort noch zwei Familien. Meine Kinder spielen und dann beschweren sich meine Nachbarn ständig Sie sagen, dass sie laut sind. Ich kann meine Kinder deswegen ja nicht schlagen und deswegen bin ich ständig unter Stress. Kinder wollen ja spielen, sie sind ja noch klein. Ich kann meinen Kindern nicht verbieten zu spielen. Das ist sehr schwer in einem Zimmer zu leben. Deswegen habe ich das gesagt, ich wollte das meine Kinder einen Platz zum Spielen bekommen und es keine Beschwerden mehr gibt. Es gab ständig Druck und deswegen habe ich „Stopp“ gemacht. Aber in Wirklichkeit will ich das gar nicht.

R: Das heißt, Sie haben bewusste einen Antrag auf freiwillige Rückkehr gestellt, obwohl Sie gar nicht zurückwollen?

BF1: Ja, weil ich depressiv bin und nicht weiß, was ich machen soll.

R: Also Sie wollen nicht zurück?

BF1: Nein. Ich habe Europa verlassen und habe geheiratet. Wenn man wieder nach Europa kommt, dann wird das neu überprüft. Ich habe Europa verlassen und war 2 oder 3 Jahre in XXXX .“

Die BF1, sowie BF2, BF3 und BF4 seien keine XXXX , sondern würden dem sunnitischen Islam angehören.

Die BF1 sei nicht -wie in der Erstbefragung angegeben- in XXXX geboren, sondern im Dorf XXXX im Rayon XXXX . Sie glaube, dass in der Erstbefragung ein Fehler passiert sei und die BF1 das verwechselt habe. Sie könne sich nicht mehr erinnern, wo sie wann im Herkunftsstaat gelebt habe. Ihr Geburtsort sei in XXXX und im Alter von sieben Jahren seien sie mit ihrer Familie in die XXXX zurückgekehrt. Als der Krieg begonnen habe, sei sie mit ihrer Familie nach OMSK in Russland gezogen und habe ebendort glaublich bis XXXX gelebt. Danach habe sei sie mit der Familie wieder in die XXXX gezogen.

Im Jahre XXXX habe sie das erste Mal geheiratet. Der erste Ehemann heiße XXXX , sei am XXXX geboren und der Vater ihrer Tochter XXXX . Sie vermute, dass beide in XXXX leben würden und es bestehe seit dem Jahre XXXX kein Kontakt. Von ihrem ersten Ehemann habe sie sich im Jahre XXXX scheiden lassen. Weiters gab sie an, dass die Ehe nach ihrer Rückkehr nach XXXX im Jahre XXXX geschieden worden sei.

Nach islamischen Ritus sei sie gegenwärtig mit ihrem ersten Ehemann verheiratet, „offiziell“, sei sie jedoch nicht verheiratet.

Von XXXX habe die BF1 in der Russischen Föderation gelebt. Zuletzt habe sie in XXXX , in der XXXX , mit ihrem zweiten Ehemann namens XXXX in einer Mietwohnung gewohnt. Die Ehe sei am XXXX bzw. XXXX geschlossen worden und sei bis XXXX aufrecht gewesen.

Sie sei insgesamt zwei Mal verheiratet gewesen und habe eine Beziehung zu einem Mann XXXX in XXXX namens XXXX . Sein Nachname sei vermutlich XXXX . Sie sei mit diesem Mann nicht verheiratet gewesen und wisse nicht weshalb sie im Verfahren betreffend ihren dritten Antrag auf internationalen Schutz angegeben habe, dass sie mit ihm verheiratet sei. Es habe sich um eine außereheliche Beziehung gehandelt, welche vier bis fünf Monate aufrecht gewesen wäre.

Ihr Geschwister namens XXXX , sowie die Eltern der BF1 und ein Onkel würden im Bundesgebiet leben. Zu ihren Eltern und den im Bundesgebiet wohnhaften Geschwistern bestehe wöchentlicher Kontakt.

Zu ihrem in XXXX in der XXXX wohnhaften Bruder XXXX habe sie aktuell regelmäßigen und häufigen, fernmündlichen Kontakt. Die BF1 selbst habe an dieser Adresse nie gelebt. Bei der Einvernahme beim BFA am XXXX betreffend ihren dritten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet habe sie -entgegen des diesbezüglichen Protokollinhalts auf S. 5 (Akt I, AS 9) ebendort bei ihrem Onkel gewohnt zu haben-dies nie behauptet. Auf diese Widersprüchlichkeit hingewiesen, gab die BF1 an, vor ihrer Eheschließung doch von XXXX bei ihrem Onkel väterlicherseits namens XXXX und auch bei ihrer Schwester namens XXXX gelebt zu haben. Zu dieser gegenwärtig im Herkunftsstaat wohnhaften Schwester habe sie regelmäßigen Kontakt.

Der Onkel XXXX lebe in XXXX . Eine Tante und ein Onkel mütterlicherseits würden im Herkunftsstaat leben. Eine Tante und ein Onkel väterlicherseits würden in XXXX leben. Zwei Tanten väterlicherseits würden in XXXX leben.

Die Eltern der BF1 hätten vermutlich Kontakt zu den Tanten und Onkel der BF1.

Zwei Onkel der BF1 würden in XXXX leben. Weitere Verwandtschaft sei in anderen Ländern der XXXX wohnhaft.

Weiters gab die BF1 an die Adresse XXXX nicht zu kennen. Darauf hingewiesen, dass sie bei der Einvernahme beim BFA am XXXX betreffend ihren dritten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet angegeben hatte, ebendort im Herkunftsstaat wohnhaft gewesen zu sein (Akt I, AS 9), gab sie an, dass sie dort nie gelebt hätte und sie sich außerdem nicht erinnern könne, was „in den ganzen acht Jahren“ passiert sei.

Die BF habe XXXX Jahre lang die Grundschule im Herkunftsstaat besucht, könne nähen und habe im Herkunftsstaat „Nähaufträge“ erledigt. Manchmal habe sie Maniküre- und Pediküre-tätigkeiten wahrgenommen. Finanziell sei sie vor ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat durch ihre Schwester und ihren Onkel unterstützt worden. Teilweise habe sie auch der in Österreich wohnhafte Bruder finanziell unterstützt und der BF1 Geld geschickt. Auch von ihrer in XXXX wohnhaften Tante mütterlicherseits namens XXXX sei sie unterstützt worden. Weiters hätten die Cousinen väterlicherseits, welche in XXXX leben würden, der BF1 geholfen, indem sie ihr Kleidung in die Russische Föderation geschickt und der im Herkunftsstaat wohnhaften Tante väterlicherseits namens XXXX Geld geschickt hätten, damit diese der BF1 Lebensmittel kaufe.

Auch der in XXXX wohnhafte Bruder erhalte von der Verwandtschaft finanzielle Unterstützung. Er lebe im Elternhaus der Familie. Sie wisse nicht auf wen dieses Haus registriert sei, aber es sei „unser gemeinsames Haus“ und gehöre den Eltern, ihren Geschwistern und ihr selbst.

Die BF habe insgesamt zwei Anträge auf internationalen Schutz in XXXX gestellt, könne sich jedoch nicht erinnern, wann dies gewesen sei und welchen Fluchtgrund sie damals angegeben habe. Über den ersten Antrag sei negativ entschieden worden, das Ergebnis der zweiten Antragsstellung ebendort habe sie nicht abgewartet. XXXX habe sie insgesamt zwei Anträge auf internationalen Schutz gestellt und könne sich nur erinnern, dass die letzte Antragsstellung im Jahre XXXX gewesen sei, könne sich jedoch nicht erinnern, welchen Fluchtgrund sie damals angegeben habe. Am XXXX habe sie einen Antrag auf internationalen Schutz in XXXX gestellt und habe als Fluchtgrund „Probleme mit dem Ehemann“ angegeben. Das Ergebnis dieses Antrages habe sie nicht abgewartet, weil „man dorthin gekommen“ und sie am XXXX „nach XXXX geholt“ hätte. In XXXX habe sie sich mit der BF2 und BF3 in einem Flüchtlingslager aufgehalten und in dieser Zeit keinen Kontakt zu ihrem Ehemann gehabt. Dieser habe sie in XXXX finden können, weil sie dorthin über XXXX gefahren sei. In XXXX gäbe es sehr „ XXXX “ und über diese Leute habe er erfahren, dass ich nach XXXX gefahren sei. Sie hätte weder ihren Namen, noch sonstige Daten bekanntgegeben, jedoch hätten diese ihrem Mann beschrieben, dass in XXXX eine Frau mit Kindern gewesen sei und so hätte er sie finden können. Sie wisse auch nicht, ob in dem Flüchtlingslager andere Frauen mit Kindern gewesen wären.

Zwei der BF1 unbekannte Männer mit einem schwarzen Jeep hätten die BF1 mit der BF2 und der BF3 nicht aus dem Lager in XXXX , sondern zu einem Zeitpunkt in das Auto gezwungen, als sie sich in einem Lebensmittelgeschäft befunden hätten. Sie seien in die XXXX zurückgebracht worden.

Weiters gab die BF1 an, von XXXX gemeinsam mit der BF2 und der BF3 bei einer Freundin namens „ XXXX “ XXXX gelebt zu haben. Diese habe sie finanziell unterstützt. Sie kenne weder den Nachnamen dieser Bekannten, noch wisse sie wo wie ihre Adresse in XXXX laute, weil sie sich dort versteckt hätte. „ XXXX “ habe sie vom Flughafen abgeholt und an ihre Wohnadresse gebracht. Aktuell habe sie keinen Kontakt zu ihr. Dies sei auch nicht dieselbe Bekannte in XXXX , bei welcher sie sich nach ihren Angaben zu ihrem dritten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet (Akt II, AS 93) vor ihrem ersten Mann versteckt hätte.

Auf die Widersprüchlichkeit ihre Angabe, sich XXXX bei ihrer Bekannten versteckt zu haben, zu der vorgelegten Kopie in AS 101, wonach sich die BF1, wohnhaft in XXXX vom XXXX in der stationären Behandlung in dem klinischen und wissenschaftlichen Zentrum der Abteilung für Gesundheitsschutz der Stadt XXXX befunden habe, gab die BF1 an, dass sie vergessen habe zu sagen, dass sie sich in diesem Zeitraum in XXXX im Krankenhaus befunden habe. XXXX habe ihren Krankenhausaufenthalt finanziert.

Ihr Ehemann sei ein „ XXXX “ und habe „viele Sterne“. Welchem konkreten Beruf er nachgehe wisse sie nicht, aber er habe „für XXXX bei der Polizei“ gearbeitet. Bei welcher Polizeibehörde er arbeite, wisse sie nicht. Manchmal sei der Ehemann in der Nacht von der Arbeit gekommen und manchmal in der Früh.

Ihre Eltern hätten den Herkunftsstaat verlassen „wegen der Religion“ und XXXX . Die BF1 hätte vor der Eheschließung nicht gewusst, dass ihr Ehemann für XXXX arbeite. Sie hätte ihn über Bekannte kennengelernt. Weiters gab sie an, dass sie ihn durch ihren Onkel XXXX kennengelernt habe. und es eine kleine Hochzeit in Anwesenheit seiner Eltern und seiner Freunde gewesen sei. Die Familie der BF1 sei nicht anwesend gewesen, „weil dies nicht üblich sei“. Weiters gab sie an, dass ihr Onkel bei der Hochzeit anwesend gewesen sei.

Die BF1 habe ihren Ehemann verlassen, weil er sie immer geschlagen habe. Einen Monat nach der Geburt ihrer Tochter XXXX im Jahre XXXX hätten sie gestritten, er hätte „ein Küchenmesser genommen“ und der BF1 ein „paar Messerstiche“ versetzt.

Sie selbst, die BF3 und die BF4 hätten zuletzt am XXXX Kontakt zu ihrem zweiten Ehemann gehabt. Er habe ihr eine Sprachnachricht geschickt und sie hätte ihn in ihrem Handy sofort blockiert. Dieses Handy würde sie nicht mehr haben. Der Ehemann habe sie „ XXXX “. Der fluchtauslösende Moment sei gewesen, dass er sie verprügelt und sie Angst gehabt hätte, ihr ungeborenes Kind, die BF4, zu verlieren. Als es die Möglichkeit gegeben hätte vor ihm zu flüchten, hätte sie diese wahrgenommen und sei geflüchtet. Als er in die Arbeit gegangen sei, wäre sie gleich geflüchtet. Die Ausreisekosten aus dem Herkunftsstaat hätten Bekannte organisiert und sei von der Tante der BF1 namens XXXX finanziert worden.

Die BF1 wisse weder wo sich der Ehemann, noch seine Familie aktuell befinden. Auch die Familie der BF1 hätte keinen Kontakt zu ihrem zweiten Ehemann.

Im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat würde sie ihr Ehemann verfolgen. Sie hätte nicht gesagt, dass er sie „sicher umbringen wird“, denke aber dass es so sein werde, weil er sie ständig bedroht hätte. Sie glaube, dass er sie suchen würde, wisse aber nicht konkret, ob er sie tatsächlich suche. Auch wisse sie nicht konkret, ob nach ihr im Herkunftsstaat gefahndet werde. Sie würde nur gesagt haben, dass nach ihr gefahndet werde, weil ihr Ehemann „es so gesagt“ hätte. Auch hätte sie keine Straftat im Herkunftsstaat begangen.

Die BF2, BF3 und BF4 hätten keine eigenen Fluchtgründe. Auch sei der Kindsvater gegenüber BF2 und BF3 nicht gewalttätig gewesen. Aber ihre Töchter hätten alles gesehen und hätten Angst. Weiters gab sie an, dass die BF2 alles miterlebt hätte. Sie sei jedoch diesbezüglich nicht in Behandlung. Weil die BF1 Angst vor einer Behandlung habe, hätte sie sie nicht behandeln lassen im Bundesgebiet. Im Herkunftsstaat sei sie diesbezüglich bei einem Arzt gewesen, aber es hätte nicht geholfen.

Die vorgelegten Kopien von Bildern ihres Ehemannes (AS 125, AS 126, AS 129, AS 135) hätte sie „ XXXX “. Darauf hingewiesen, dass es sich -mit freiem Auge e

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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