TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/2 W203 2245294-2

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Veröffentlicht am 02.09.2021
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Entscheidungsdatum

02.09.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
SchUG §17 Abs5
SchUG §60

Spruch


W203 2245294-2-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER über die Beschwerde der mj. XXXX als Erstbeschwerdeführerin, vertreten durch ihre Erziehungsberechtigte XXXX als Zweitbeschwerdeführerin, diese vertreten durch Dr. Michael HASENÖHRL, RA in 1010 Wien, Schottenbastei 6/6, gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Wien vom 28.07.2021, GZ. 9131.003/1483-Präs3a/2020, mit dem der Widersprich gegen eine Entscheidung der Schulkonferenz der von der Erstbeschwerdeführerin besuchten Schule vom 29.06.2021 abgewiesen wurde, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid sowie die Entscheidung der Schulkonferenz werden ersatzlos behoben.

Es wird festgestellt, dass ein Wechsel der Erstbeschwerdeführerin in die nächstniedrigere Schulstufe während des Unterrichtsjahres 2020/21 nicht erfolgt ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Die am XXXX 2012 geborene Erstbeschwerdeführerin absolvierte im Schuljahr 2020/21 die 2. Schulstufe an der XXXX (im Folgenden: gegenständliche Schule).

2. Am 24.06.2021 beantragte der Vater der Erstbeschwerdeführerin für diese einen „Wechsel der Schulstufe“ gemäß § 17 Abs. 5 SchUG.

3. Per E-Mail vom 25.06.2021 und vom 28.06.2021 teilte die Zweitbeschwerdeführerin über ihre rechtsfreundliche Vertretung gegenüber der Direktion der gegenständlichen Schule mit, dass sie den Antrag auf Schulstufenwechsel für die Erstbeschwerdeführerin zurückziehe.

4. Am 29.06.2021 entschied die Schulkonferenz der gegenständlichen Schule „auf Antrag des erziehungsberechtigten Vaters“, dass die Erstbeschwerdeführerin in die 1. Schulstufe wechselt und begründete diese Entscheidung nach Wiedergabe des hier einschlägigen § 17 Abs. 5 SchUG wie folgt: „Die Schulkonferenz hat mit Beschluss vom 28.06.2021 entschieden, dass die Schülerin ab 29.06.2021 in die 1. Schulstufe wechselt“.

5. Am 29.06.2021 brachte die Zweitbeschwerdeführerin über ihre rechtsfreundliche Vertretung Widerspruch gegen die Entscheidung der Schulkonferenz vom 29.06.2021 ein.

6. Mit Bescheid der Bildungsdirektion für Wien (im Folgenden: belangte Behörde) vom 28.07.2021, GZ. 9131.003/1483-Präs3a/2020 (im Folgenden: angefochtener Bescheid), wurde der Widerspruch abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens feststehe, dass mit dem Wechsel von der 2. In die 1. Schulstufe der Lernsituation der Erstbeschwerdeführerin aus pädagogischer Sicht eher entsprochen werde und eine Unterforderung in körperlicher und geistiger Hinsicht nicht zu befürchten sei. Dies gehe aus einem schlüssigen und nachvollziehbaren pädagogischen Gutachten der zuständigen Schulqualitätsmanagerin vom 07.07.2021 sowie aus den Stellungnahmen der Schulleiterin und der Klassenlehrerin hervor.

7. Am 11.08.2021 erhob die Zweitbeschwerdeführerin über ihre rechtsfreundliche Vertretung Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 28.07.2021 und begründete diese auf das Wesentliche zusammengefasst wie folgt:

Die Erstbeschwerdeführerin habe sich mit Hilfe ihrer Mutter und Großmutter sehr bemüht und sowohl die erste als auch die zweite Klasse mit positiven Noten abgeschlossen.

Der aggressive Vater der Erstbeschwerdeführerin habe die Klassenlehrerin und die Schuldirektorin durch wiederholte Drohungen mit Strafanzeigen eingeschüchtert und zur „Rückstufung“ der Erstbeschwerdeführerin genötigt.

Die Erstbeschwerdeführerin wäre nicht durch das normale Aufsteigen in die 3. Schulstufe psychisch überfordert, sondern vielmehr durch das Wiederholen des ganzen Schuljahres trotz positiver Noten.

Das sehr kurz gehaltene „Gutachten“ der Schulqualitätsmanagerin erfülle nicht die Anforderungen an ein schlüssiges, nachvollziehbares und überprüfbares Gutachten.

Die „Rückstufung“ basiere auf einem im Namen der Erstbeschwerdeführerin gestellten Antrag des Vaters der Erstbeschwerdeführerin, den jedoch die Zweitbeschwerdeführerin – ebenfalls im Namen der Erstbeschwerdeführerin – vor der Entscheidung der Schulkonferenz zurückgezogen habe.

8. Einlangend am 25.08.2021 wurde die Beschwerde von der belangten Behörde – ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - samt zugehörigem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die am XXXX 2012 geborene Erstbeschwerdeführerin absolvierte im Schuljahr 2020/21 die 2. Schulstufe an der gegenständlichen Schule.

Am 29.06.2021 entschied die Schulkonferenz der gegenständlichen Schule „auf Antrag des Vaters“, dass die Erstbeschwerdeführerin in die 1. Schulstufe wechselt.

Zum Zeitpunkt der Entscheidung der Schulkonferenz vom 29.06.2021 lag weder ein wirksamer Antrag der Erziehungsberechtigten der Erstbeschwerdeführerin noch des Klassenlehrers derselben vor.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde. Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen.

Die Feststellung, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung durch die Schulkonferenz kein Antrag der Erziehungsberechtigten vorlag, ergibt sich insbesondere aus den an die Direktion der gegenständlichen Schule gerichteten E-Mails des Rechtsvertreters der Zweitbeschwerdeführerin vom 25. und 28. Juni 2021, aus denen klar und unzweifelhaft hervorgeht, dass diese den „Antrag auf Schulstufenwechsel“ des Vaters der Erstbeschwerdeführerin vom 24.06.2021 zurückzieht.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122 (im Folgenden: VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Zu Spruchpunkt A) (Stattgabe der Beschwerde)

3.2.1. Die im gegenständlichen Fall maßgeblichen Bestimmungen lauten wie folgt:

Gemäß § 17 Abs. 5 Schulunterrichtsgesetz (SchUG) sind innerhalb der Vorschulstufe und der ersten drei Schulstufen der Volksschule und der Sonderschule die Schüler berechtigt, während des Unterrichtsjahres in die nächsthöhere oder nächstniedrigere Schulstufe zu wechseln, wenn dadurch der Lernsituation des Schülers eher entsprochen wird und eine Unter- oder Überforderung in körperlicher oder geistiger Hinsicht nicht zu befürchten ist. Über den Wechsel von Schulstufen während des Unterrichtsjahres hat die Schulkonferenz auf Antrag der Erziehungsberechtigten oder des Klassenlehrers zu entscheiden. Diese Entscheidung ist den Erziehungsberechtigten unverzüglich unter Angabe der Gründe und einer Belehrung über die Widerspruchsmöglichkeit bekanntzugeben.

Gemäß § 60 Abs. 1 SchUG sind unter den Erziehungsberechtigten im Sinne dieses Bundesgesetzes die Personen zu verstehen, denen im Einzelfall nach bürgerlichem Recht das Erziehungsrecht zusteht.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. ist - steht das Erziehungsrecht hinsichtlich eines Schülers mehr als einer Person zu - jeder von ihnen mit Wirkung auch für den anderen handlungsbefugt.

3.2.2. Voraussetzung für eine Entscheidung über einen Wechsel in die nächsthöhere oder nächstniedrigere Schulstufe im Sinne des § 17 Abs. 5 SchUG durch die Schulkonferenz ist ein entsprechender Antrag entweder der Erziehungsberechtigten oder des Klassenlehrers. Wie sich aus den im Akt aufliegenden Unterlagen und insbesondere auch aus dem Inhalt der Entscheidung der Schulkonferenz vom 29.06.2021 ergibt, lag zu keinem Zeitpunkt ein entsprechender Antrag des Klassenlehrers vor, sondern erging die Entscheidung „auf Antrag des erziehungsberechtigten Vaters“ der Erstbeschwerdeführerin.

Dazu ist Folgendes festzuhalten: Verfahrensgegenständlich sind sowohl der Vater der Erstbeschwerdeführerin als auch die Zweitbeschwerdeführerin – als deren Mutter – als „Erziehungsberechtigte“ iSd § 17 Abs. 5 SchUG anzusehen und somit berechtigt, einen Antrag auf Wechsel der Schulstufe zu stellen und ebenso dazu, einen derartigen Antrag auch „in jeder Lage des Verfahrens“ (vgl. § 13 Abs. 7 AVG) wieder zurückzuziehen. Wie sich aus den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen und insbesondere auch aus der Bestimmung des § 60 Abs. 2 SchUG ergibt, kann dabei eine von einem Erziehungsberechtigten im Namen eines Kindes gesetzte Vertretungshandlung durch einen (späteren) sogenannten „contrarius actus“ eines anderen, hinsichtlich desselben Kindes ebenfalls Erziehungsberechtigten, wieder rückgängig gemacht werden. Verfahrensgegenständlich wurde in diesem Sinn zwar von einem Erziehungsberechtigten, nämlich dem Kindesvater, ein Antrag iSd § 17 Abs. 5 SchUG gestellt, dieser aber durch einen anderen Erziehungsberechtigten, nämlich die Kindesmutter, rechtswirksam vor der Entscheidung der Schulkonferenz wieder zurückgezogen. Im Ergebnis lag somit zum Zeitpunkt der Entscheidung der Schulkonferenz kein rechtswirksamer Antrag vor. Da es sich bei der Entscheidung über einen Wechsel der Schulstufe um eine antragsgebundene Entscheidung handelt und aus den aufgezeigten Gründen kein wirksamer Antrag vorlag, war die Entscheidung der Schulkonferenz der gegenständlichen Schule vom 29.06.2021 nicht zulässig.

Die Entscheidung der Schulkonferenz war daher ebenso wie der in der Folge diese – rechtswidrig ergangene – Entscheidung bestätigende Bescheid der belangten Behörde ersatzlos zu beheben und festzustellen, dass ein Wechsel der Schulstufe nicht erfolgte.

3.2.3. Zur Unterlassung einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann – soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist – das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Im gegenständlichen Fall konnte das Unterlassen einer mündlichen Verhandlung darauf gestützt werden, dass der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erschien. Weder war der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat vorliegend daher ausschließlich über eine Rechtsfrage zu erkennen (vgl. EGMR 20.6.2013, Appl. Nr. 24510/06, Abdulgadirov/AZE, Rz 34 ff).

3.2.4. Es war daher ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Spruchpunkt A) zu entscheiden.

3.3. Zu Spruchpunkt B) (Unzulässigkeit der Revision)

3.3.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.3.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Die hier anzuwendenden Regelungen des Schulunterrichtsgesetzes erweisen sich als klar und eindeutig (vgl. OGH 22.03.1992, 5 Ob 105/90; vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, VwGH vom 28.05.2014, Ro 2014/07/0053 und vom 27.08.2014, Ra 2014/05/0007). Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.

3.3.3. Es ist daher gemäß Spruchpunkt B) zu entscheiden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung ersatzlose Behebung Erziehungsberechtigter Schulkonferenz Schulstufenwechsel Vertretung Volksschule Widerspruch Zurückziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W203.2245294.2.00

Im RIS seit

09.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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