TE Bvwg Beschluss 2021/9/8 W212 2245681-1

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Veröffentlicht am 08.09.2021
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Entscheidungsdatum

08.09.2021

Norm

AsylG 2005 §4a
BFA-VG §21 Abs3 Satz2
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch


W212 2245681-1/4E

B E S C H L U S S

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Eva SINGER über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , afghanischer Staatsangehöriger, vertreten durch den Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.08.2021, Zahl: 1280027207/210953288:

A)       Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 2. Satz BFA-VG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 14.07.2021 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass der Beschwerdeführer bereits am 05.02.2020 in Griechenland einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte.

2. Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 14.07.2021 gab der Beschwerdeführer zunächst an, er habe keine Krankheiten oder Beschwerden, die ihn an der Einvernahme hindern würden. Er werde durch den Flüchtlingsdienst der Diakonie vertreten. Er sei im Iran geboren und habe dort gelebt bis er den Iran 2019 zu Fuß verlassen habe. Über die Türkei sei er nach Griechenland gelangt, wo er sich bis 01.07.2021 aufgehalten habe. Von Griechenland sei er nach Österreich geflogen. In Österreich oder einem anderen EU-Staat habe er keine Familienangehörige, seine Eltern seien bereits verstorben. Die Situation in Griechenland sei schlecht gewesen, es habe keine Arbeit und keine Weiterbildungen gegeben. Er habe einen Antrag auf internationalen Schutz in Griechenland gestellt und subsidiären Schutz erhalten, der noch fünf Monate lang bestehe. Nach Griechenland wolle er nicht zurück.

Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der Beschwerdeführer an, er habe kein religiöses Bekenntnis und deshalb Probleme im Iran gehabt, weshalb er den Iran verlassen habe. In Afghanistan wäre er noch nie gewesen.

3. Am 26.07.2021 fand – unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Dari und im Beisein eines Vertreters des Diakonie Flüchtlingsdienstes – die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers statt. Der Beschwerdeführer gab zunächst an, sich körperlich und geistig in der Lage zu fühlen, die Einvernahme durchzuführen. Er habe seit einem Jahr und zwei oder drei Monaten psychische Probleme seit einem Vorfall in der Unterkunft in Griechenland. In Griechenland habe er keine Medikamente erhalten, hier nehme er zwei verschiedene Medikamente. Zudem habe er eine Beule am Kopf, die in Griechenland nicht habe behandelt werden können. Der Beschwerdeführer sei ledig, kinderlos und habe zwei Brüder, die bereits verstorben sind. Seine Angaben im Zuge der Erstbefragung würden der Wahrheit entsprechen, es sei aber nicht protokolliert worden, dass er Griechenland verlassen habe, da er keine Hilfe und staatliche Unterstützung bekommen habe. Er leide unter Vergesslichkeit. Seine Reise nach Griechenland habe seine nunmehr verstorbene Mutter finanziert. Der Flug nach Österreich habe ihm € 30,- gekostet, die er von Sozialgeld angespart hatte. Im Bereich der EU, in Norwegen oder Island habe er keine Verwandten. Im Dezember 2020 habe er in Griechenland einen positiven Bescheid und Schutz bis Jänner 2022 erhalten. Die Papiere habe er erst drei Monate später erhalten. Monatlich habe er € 75,-- erhalten, € 2,-- oder € 3,-- davon wären für die Bank gewesen und der Rest für seinen Lebensunterhalt. Er habe für eine NGO im Camp gearbeitet, bei der Verteilung von Sachen im Camp geholfen und gedolmetscht. Dabei habe er eine Österreicherin kennengelernt, bei der er gewohnt habe, als er am 01.07.2021 nach Österreich kam. Kurse habe er in Griechenland nicht besucht, so etwas gäbe es nicht. Griechenland habe er verlassen, da er ein Monat nach Erhalt der positiven Asylentscheidung kein Geld mehr bekommen habe, das Essen im Camp sei nicht essbar gewesen und er habe das Camp binnen einer Woche verlassen müssen. Er sei für Unterstützung auf die Organisation „Helios“ verwiesen worden, die jedoch nur Familien und Kranke unterstütze. Er sei selbst mit dem Schiff nach Athen gereist, dort wäre er wegen seiner positiven Entscheidung nicht in einem Camp aufgenommen worden, weshalb er gezwungen gewesen wäre auf der Straße zu schlafen. Er habe keine Möglichkeit gehabt sich zu reinigen und Sicherheit habe es für ihn nicht gegeben. Arbeit habe er aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse nicht finden können und er habe kein Geld gehabt, um sich Essen zu kaufen. Seine psychischen Probleme wären noch schlimmer geworden. In Athen habe er sich neun oder zehn Tage lang aufgehalten. Auf die Frage, ob er in Griechenland persönlich verfolgt oder bedroht wurde, gab der Beschwerdeführer an, dass er nicht angegriffen worden sei, ihm sei aber ein gebrauchtes Handy weggenommen worden, eine Anzeige habe er nicht erstattet, da er die Polizeistation nicht habe betreten dürfen. Er könne nicht nach Griechenland zurück, dort habe er nichts und bekomme keine Unterstützung und Sicherheit. Er habe fast zwei Jahre in einem Zelt gelebt und konnte die Sprache nicht lernen. Es wäre nicht menschlich. Den Antrag auf internationalen Schutz in Österreich habe er erst nach etwa zwei Wochen gestellt, da er hier zunächst nur zur Ruhe habe kommen wollen. Er wäre bis dahin von der Person, die er in Griechenland kennengelernt und zu der er telefonisch Kontakt gehalten habe, mit Essen und einer Unterkunft versorgt worden. Finanziell wäre er nicht unterstützt worden.

Vorgelegt wurden insbesondere folgende Unterlagen (AS 147ff):

-        Mirtazapin Hexal Filmtabletten 30 mg

-        Bescheid über subsidiären Schutz in Griechenland vom 04.12.2020 (Zl: 44918/2020)

4. Mit Schriftsatz vom 28.07.2021 brachte der Beschwerdeführer über seine Vertretung eine Stellungnahme zu seinem Antrag ein. Darin wurde insbesondere ein Überblick zur Situation von Schutzberechtigen in Griechenland dargelegt und unter Bezug auf Judikatur ausgeführt, dass die Rückführung des Beschwerdeführers nach Griechenland eine Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK bedeuten würde. Der Beschwerdeführer würde aufgrund seiner besonderen Vulnerabilität in eine Situation extremer materieller Not geraten. Ergänzend wurde eine Kopie eines medizinischen Begleitblattes vorgelegt.

5. Mit dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.08.2021 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 14.07.2021 gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass er sich nach Griechenland zurückzubegeben habe (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt II.) und gegen ihn gemäß § 61 Abs 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge seine Abschiebung nach Griechenland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.).

Begründend führte das Bundesamt aus, der Beschwerdeführer habe in Griechenland subsidiären Schutz erhalten und er leide an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten. Die von ihm aktuell eingenommenen Medikamente seien laut Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 15.03.2010 in Griechenland erhältlich. Sein Gesundheitszustand habe ihn auch nicht an der Reise von Griechenland nach Österreich gehindert. In Österreich habe er keine Familienangehörigen und ein schützenswertes Privatleben im Bundesgebiet sei nicht feststellbar. Es bestehe kein Grund, daran zu zweifeln, dass Griechenland seine sich aus der Genfer Konvention und der Statusrichtlinie ergebenden Verpflichtungen erfülle, weshalb davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer in Griechenland Schutz vor Verfolgung gefunden habe.

6. Mit Schriftsatz vom 19.08.2021 wurde fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung angeregt. Inhaltlich wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die belangte Behörde es unterlassen habe, sich ausreichend mit der bei Überstellung nach Griechenland drohenden Obdachlosigkeit ohne Chance auf Zugang zu staatlicher Unterstützung auseinanderzusetzen. Dem Beschwerdeführer drohe mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche Behandlung iSd Art. 3 EMRK. Die Behörde habe keine Feststellungen zur Versorgung des Beschwerdeführers bei Rückkehr nach Griechenland getroffen. Aus den LIB würden sich schwer überwindbare Barrieren zur Erlangung von Unterkunft, Arbeit, Sozialleistungen und zum Gesundheitssystem ergeben. Die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers nach Griechenland stelle eine Verletzung seiner nach Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC gewährleisteten Rechte dar.

7. Die Beschwerdevorlage langte am 23.08.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

8. Während der Dauer des anhängigen Beschwerdeverfahrens wurden die aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie begleitend beobachtet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBL I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt. In Asylverfahren tritt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an die Stelle des Bundesasylamtes (vgl. § 75 Abs. 18 AsylG 2005 idF BGBGl. I 2013/144).

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) lauten:

"§ 4a Ein Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, in welchen Staat sich der Fremde zurück zu begeben hat. § 4 Abs. 5 gilt sinngemäß.

...

§ 4 (5) Kann ein Drittstaatsangehöriger, dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß Abs. 1 als unzulässig zurückgewiesen wurde, aus faktischen Gründen, die nicht in seinem Verhalten begründet sind, nicht binnen drei Monaten nach Durchsetzbarkeit der Entscheidung zurückgeschoben oder abgeschoben werden, tritt die Entscheidung außer Kraft.-

-

Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

----------

-1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

[...]

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.

...

§ 57 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

...

§ 58 (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

..."

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

§ 21 Abs. 3 BFA-VG lautet:

"(3) Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) lautet:

"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. ...

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."

3.2. Gemäß § 21 Abs. 3 2. Satz BFA-VG ist der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

3.3. Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass zum Entscheidungszeitpunkt eine Überstellung des Beschwerdeführers nach Griechenland nicht zulässig ist, da in casu die gegenständliche Entscheidung des Bundesamtes auf Basis eines insgesamt qualifiziert mangelhaften Verfahrens ergangen ist, weshalb eine Behebung und Zurückverweisung nach § 21 Abs. 3 2. Satz BFA-VG zu erfolgen hatte.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (z. B. VfGH 17.06.2005, B 336/05; 15.10.2004, G 237/03) und des Verwaltungsgerichtshofes (z. B. VwGH 23.01.2007, 2006/01/0949; 25.04.2006, 2006/19/0673; 08.09.2015, Ra 2015/18/0113-0120) ist im Zuständigkeitsverfahren nämlich aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sollte die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären. Erforderlich ist in diesem Zusammenhang eine prognostische Beurteilung der Verhältnisse im Aufnahmestaat, die auf der Grundlage einer Gesamtbeurteilung der aktuellen Berichtslage unter Bedachtnahme auf die individuelle Lage des betroffenen Beschwerdeführers zu erfolgen hat.

Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 10.04.2013, Zl. 2011/08/0169 sowie dazu Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren Band I2, E 84 zu § 39 AVG).

In casu gab der Beschwerdeführer an, dass er seit einem nicht näher beschriebenen Vorfall in einem griechischen Flüchtlingscamp unter psychischen Problemen leide. Zwar habe er in Griechenland einen Arzt aufgesucht, Medikamente habe er dort jedoch nicht bekommen. In Österreich habe er hingegen zwei verschiedene Medikamente verschrieben bekommen.

Aus den Länderfeststellungen ergibt sich, dass das griechische Gesundheitssystem unter den Folgen der Wirtschaftskrise litt und insbesondere für Flüchtlinge Hindernisse zum Zugang zu medizinischer Versorgung bestehen. In Bezug auf die in Österreich zur Behandlung seiner psychischen Probleme verschriebenen Medikamente verwies das Bundesamt lediglich auf die über zehn Jahre alte Anfragenbeantwortung der Staatendokumentation vom 15.03.2010.

Zusätzlich hat der Beschwerdeführer seit etwa zwei Jahren eine Beule in der Mitte der Stirn bei seinem Haaransatz. Dazu gab er in seiner Einvernahme an, dass in Griechenland diagnostiziert worden sei, dass diese mit Eiter gefüllt sei und entleert werden müsse. Vor Ort habe man jedoch keine Möglichkeit gehabt, diesen Eingriff vorzunehmen.

Das Bundesamt hat es verabsäumt, sich mit der Behandelbarkeit der Beule und mit durchführbaren Behandlungsmöglichkeiten in Griechenland auseinander zu setzen. Auch wurden keine Feststellungen zu Auswirkungen getroffen und keine Erhebungen durchgeführt, die eine Beurteilung einer möglichen Zukunftsprognose erlauben würden.

Folglich hat das Bundesamt im fortgesetzten Verfahren weitere Erhebungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers und der Behandelbarkeit seiner gesundheitlichen Probleme in Griechenland durchzuführen.

Im nunmehr angefochtenen Bescheid wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer widersprüchlich angegeben habe, in Griechenland zunächst Sozialgeld und zu essen bekommen zu haben, während er gleichzeitig erklärt habe, keinerlei Unterstützung erhalten zu haben. Bei dem Vorbringen des Beschwerdeführers handle es sich um gesteigertes Vorbingen, weshalb entsprechend der Schlussfolgerung der belangten Behörde nicht von einer Bedrohung einer Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte auszugehen sei.

Soweit der Beschwerdeführer Unterstützungsleistungen bzw. Versorgungsmängel angab, ist klar zu unterscheiden, ob er sich dabei auf jene Zeitspanne bezogen hat, bevor er in Griechenland einen Schutzstatus erhalten hatte oder um jene Zeit, nachdem ihm das Ergebnis seines Asylverfahrens mitgeteilt wurde. Die im Flüchtlingslager erhaltene Unterstützung, sei es Geldleistungen oder Nahrungsmittel und Kleidung, spielen in der Beurteilung jener Situation, in die der Beschwerdeführer zurückkehren soll keine wesentliche Rolle mehr. Nachdem er vom Erhalt eines Asylstatus informiert wurde, war der Beschwerdeführer verpflichtet seine Unterkunft im Camp zu verlassen und erhielt keine weiteren Unterstützungsleistungen mehr. Auch eine Inanspruchnahme von Hilfeleistungen durch das HELIOS Programm, wurde dem Beschwerdeführer seinen Angaben zufolge verweigert. Der Beschwerdeführer erklärte auch, während der gesamten Aufenthaltsdauer in Griechenland – von Februar 2020 bis Anfang Juli 2021 – nicht in den Genuss integrationsfördernder Maßnahmen, insbesondere hinsichtlich der Erlernung der griechischen Sprache, gekommen zu sein.

Den Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides können folgende Passagen entnommen werden:

„Residence Permit Card

Eine Residence Permit Card (RPC) ist Voraussetzung für den Erhalt finanzieller Unterstützung, einer Wohnung, einer legalen Beschäftigung, eines Führerscheins und einer Steuer- bzw. Sozialversicherungsnummer, für die Teilnahme an Integrationskursen, für den Kauf von Fahrzeugen, für Auslandsreisen, für die Anmeldung einer gewerblichen oder geschäftlichen Tätigkeit und – abhängig vom jeweiligen Bankangestellten - oftmals auch für die Eröffnung eines Bankkontos (VB 19.3.2021).

Der Erhalt einer RPC dauert jedoch in der Praxis Monate und die Behördengänge sind für Personen ohne Sprachkenntnisse und Unterstützung äußerst schwierig zu bewerkstelligen. Zur Beantragung der RPC reicht in Griechenland ein bestandskräftiger Anerkennungsbescheid der Asylbehörde, mit dem einer Person internationaler Schutz zuerkannt wurde, nicht aus. Zusätzlich wird ein sogenannter „ADET-Bescheid“ benötigt. […]

Phase zwischen positivem Bescheid und dem tatsächlichen Erhalt der RPC-Card

Tatsächlich gibt es bis zum Erlangen der RPC oder bis zur Teilnahme am Helios Programm keinerlei finanzielle oder anderweitige Unterstützung. Ohne gültige Aufenthaltserlaubnis können international Schutzberechtigte keine Sozialversicherungsnummer (AMKA) erhalten und diese wiederum ist Voraussetzung für den Zugang zu Sozialleistungen, zum Arbeitsmarkt und zur Gesundheitsversorgung. Ärztliche Untersuchungen und Behandlungen sowie ggf. benötigte Medikamente müssen ohne Vorliegen einer Sozialversicherungsnummer privat bezahlt werden (VB 12.4.2021; vgl. ProAsyl 4.2021).

Wohnungsmöglichkeiten

Ab Juni 2020 sind alle Schutzberechtigten gesetzlich verpflichtet, die Flüchtlingslager beziehungsweise Unterkünfte, in denen sie während des Asylverfahrens untergebracht waren, innerhalb von 30 Tagen ab Schutzzuerkennung zu verlassen. Verlängerungen des Aufenthalts in den Unterkünften sind nur in außergewöhnlichen Fällen möglich. In der Folge mussten in den vergangenen Monaten Tausende Menschen ihre Unterkünfte räumen, auch wenn eine Verlängerung des Aufenthalts in diversen Camps und Flüchtlingsunterkünften von der griechischen Regierung aufgrund fehlender Alternativen und der auch für Griechen schwierigen Situation toleriert wurde. Jedenfalls gab es zahlreiche Berichte über obdachlose Flüchtlinge. Medien und NGOs dokumentierten, dass viele von ihnen Schwierigkeiten beim Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen auf dem Festland hatten und in Athen im Freien schliefen (AI 7.4.2021, vgl. ProAsyl 4.2021, VB 19.3.2021).

In Griechenland existiert keine staatliche Unterstützung für international Schutzberechtigte beim Zugang zu Wohnraum, es wird auch kein Wohnraum von staatlicher Seite bereitgestellt (ProAsyl 4.2021). Auch gibt es keine Sozialwohnungen (VB 12.4.2021) und auch keine Unterbringung dezidiert für Schutzberechtigte. Laut einer Webseite der Stadt Athen gibt es vier Unterbringungseinrichtungen mit insgesamt 600 Plätzen, die jedoch bei weitem nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken. Viele Betroffene sind daher obdachlos, leben in besetzten Gebäuden oder überfüllten Wohnungen (AIDA 6.2020; vgl. VB 12.4.2021). Legale Unterkunft ohne RPC zu finden, ist fast nicht möglich. Da z.B. bei Arbeitssuche, Bankkontoeröffnung, Beantragung der AMKA usw. oftmals ein Wohnungsnachweis erforderlich ist, werden oft Mietverträge für Flüchtlinge gegen Bezahlung (300-600 Euro) temporär verliehen: d.h., der Mieter wird angemeldet, ein Mietvertrag ausgestellt und nach kurzer Zeit wieder aufgelöst. Wohnbeihilfe bekommt man erst, wenn man per Steuererklärung seinen Wohnsitz über mehr als 5 Jahre in Griechenland nachweisen kann (VB 1.3.2021). […]

Lebenshaltung

Auch die tägliche Lebenshaltung stellt viele Schutzberechtigte vor große Probleme. Da sie griechischen Staatsbürgern gleichgestellt sind, gibt es von offizieller Seite kaum Unterstützung für diesen Personenkreis. Einige NGOs in Athen (wie etwa KHORA, Network for Refugees, Hope Cafe,…) stellen kostenlos – aber bei weitem nicht in ausreichendem Maße, um alle Bedürftigen zu versorgen - Essen zur Verfügung. Die Bereitstellung von zB Hygiene- und Toilettenartikel gestaltet sich sehr schwierig; hierfür gibt es nur sehr wenige Anlaufstellen. Einige Gemeinden in Griechenland bieten anerkannten Schutzberechtigten auf freiwilliger Basis bzw. mittels Abkommen mit der griechischen Regierung monatliche Unterstützung für Essenszuteilungen an (nur Essen, kein Geld). Voraussetzungen hierfür sind das Vorliegen von RPC, AMKA-Nummer, Steuernummer, Bankkonto, Mietvertrag und Telefonvertrag für eine gültige SIM-Karte. Jede einzelne dieser Voraussetzungen ist schwierig zu erfüllen und mit großem Zeitaufwand verbunden. Somit kommen nur sehr wenige Berechtigte in den Genuss derartiger Unterstützungsleistungen (VB 12.4.2021).“

Zusammenfassend zeichnen diese Länderfeststellungen zu Griechenland für Schutzberechtigte ein Bild großer Schwierigkeiten und Hindernisse beim Zugang zu den wenigen verfügbaren Unterkünften und zu Versorgung, das insbesondere geprägt ist von komplexen Kettenvoraussetzungen.

Die vom Bundesamt getroffenen Länderfeststellungen verweisen zudem wiederholt auf das HELIOS Programm und führen dazu unter anderem Folgendes aus:

„Helios ist das einzige aktuell in Griechenland existierende offizielle Integrationsprogramm für internationale Schutzberechtigte. Die Finanzierung erfolgt aus Mitteln des europäischen Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF); Umgesetzt wird das Programm von IOM in Zusammenarbeit mit verschiedenen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Das Programm wurde im Juli 2019 gestartet und hat eine Laufzeit bis Juni 2021. Neben Integrationskursen sowie einzelnen Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration beinhaltet es Unterstützung bei der Anmietung von Wohnraum (ProAsyl 4.2021).“

Das Bundesamt verweist in dem am 04.08.2021 erlassenen Bescheid darauf, dass das HELIOS Programm das einzige offiziell Integrationsprogramm in Griechenland und bereits im Juni 2021 ausgelaufen sei. HELIOS soll Schutzberechtigte nicht nur beim Finden einer Unterkunft unterstützen, sondern auch Integrationsmaßnahmen, wie Integrations- und Sprachkurse, zur Verfügung stellen.

In seiner jüngsten Entscheidung (VfGH 25.06.2021, E 599/2021-12) verwies der Verfassungsgerichtshof im Fall von Überstellungen Schutzberechtigter nach Griechenland darauf, dass es einerseits Feststellungen dazu bedarf, ob die von Art. 34 der Richtlinie 2011/95/EU geforderten, über die Inländergleichbehandlung hinausgehende Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Andererseits müsse aus den Feststellungen hervorgehen, ob und wieweit für Beschwerdeführer im Falle ihrer Rückkehr nach Griechenland zumindest in der ersten Zeit Zugang zu einer Unterkunft, Nahrungsmitteln und sanitären Einrichtungen sichergestellt ist.

In ebengenannter Entscheidung, in der es um eine nicht vulnerable Beschwerdeführerin ging, führte der Verfassungsgerichtshof folgendermaßen aus:

„Zwar trifft zu, dass anerkannten Schutzberechtigten nach Art. 20 ff. der Richtlinie 2011/95/EU über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. 2011 L 337, 9, grundsätzlich "nur" ein Anspruch auf Inländergleichbehandlung zusteht. Das Bundesverwaltungsgericht setzt sich jedoch etwa nicht damit auseinander, ob die von Art. 34 der Richtlinie 2011/95/EU geforderten, über die Inländergleichbehandlung hinausgehenden Integrationsmaßnahmen angeboten werden (vgl. dazu das deutsche BVerfG 31.7.2018, 2 BvR 714/18, Rz 23). Insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch das Bundesverwaltungsgericht davon ausgeht, dass die Beschwerdeführerin für eine Übergangszeit auf staatliche Hilfe angewiesen sein wird, hätte es weiterer Feststellungen dazu bedurft, ob und wieweit für die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr nach Griechenland zumindest in der ersten Zeit Zugang zu einer Unterkunft, Nahrungsmitteln und sanitären Einrichtungen sichergestellt wird.“

Das Bundesamt ist nicht ausreichend auf die Situation des Beschwerdeführers bei dessen Rückkehr nach Griechenland eingegangen. Den Länderfeststellungen und den Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren ist – wie eben dargelegt – zu entnehmen, dass er keinen Zugang mehr zu einer Unterkunft in Flüchtlingscamps hat, hinzu kommen die Schwierigkeiten für Schutzberechtigte eine Unterkunft zu mieten. Abseits der drohenden Obdachlosigkeit hat keine ausreichende Auseinandersetzung mit dem Zugang zu Nahrungsmitteln und sanitären Einrichtungen stattgefunden. Darüber hinaus hat das Bundesamt keine Feststellungen zu Integrationsmaßnahmen getroffen, die Schutzberechtigten in Griechenland zur Verfügung stehen, nachdem das HELIOS Programm mit Juli 2021 ausgelaufen ist.

Es kann im gegenständlichen Verfahren unter Bezugnahme der jüngsten Rechtsprechung des VfGH somit nicht schlüssig nachvollzogen werden, wie das Bundesamt zu der Einschätzung gelangt, dass die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers nach Griechenland diesen nicht in seinen durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte verletzt.

Im vorliegenden Fall kann die allfällige Verpflichtung der Republik Österreich zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes noch nicht abschließend beurteilt werden. Aufgrund der von der Behörde im Beschwerdefall zugrunde gelegten Feststellungen ist für den gegenständlichen Fall nicht erkennbar, ob im Falle einer Überstellung des Beschwerdeführers nach Griechenland die reale Gefahr einer Verletzung seiner gemäß Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte besteht.

Die von der belangten Behörde angeführte und auf Annahmen gründende Argumentation stellen jedenfalls – wie bereits oben näher ausgeführt – keine maßgeblichen Schritte zur Ermittlung des relevanten Sachverhalts dar.

3.4. Im fortgesetzten Verfahren bedarf es daher weiterer Erhebungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers, insbesondere betreffend dessen Beule, sowie aktueller Feststellungen dazu, ob und wieweit der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr nach Griechenland zumindest in erster Zeit Zugang zu Unterkunft, Nahrungsmitteln und sanitären Einrichtungen sowie zu Integrationsmaßnahmen sichergestellt wird. Zudem hat sich das Bundesamt mit dem in Griechenland aktuell bestehenden Angebot an Programmen, die Integrationsmaßnahmen für Schutzberechtigte anbieten, und deren Umfang im Hinblick auf Art. 34 Statusrichtlinie auseinanderzusetzen und entsprechende Feststellungen zu treffen.

3.5. Im vorliegenden Fall kann zum Entscheidungszeitpunkt des Bundesverwaltungsgerichts, aufgrund der mangelnden Sachverhaltserhebungen durch die erstinstanzliche Behörde, nicht mit Sicherheit festgestellt werden, ob bei dem Beschwerdeführer aufgrund der ihm gegenüber ausgesprochenen Außerlandesbringung eine Gefährdung der durch Art. 3 EMRK geschützten Rechtsposition des Beschwerdeführers ausgeschlossen werden kann.

3.6. Wie dargelegt wurde im gegenständlichen Fall der entscheidungsrelevante Sachverhalt trotz bestehender Möglichkeiten nicht ausreichend ermittelt, weshalb zwingend gemäß § 21 Abs. 3 2. Satz BFA-VG vorzugehend war.

3.7. Eine mündliche Verhandlung konnte gem. § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG idgF unterbleiben.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Versorgungslage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W212.2245681.1.00

Im RIS seit

09.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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