Entscheidungsdatum
28.09.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W274 2245755-1/2E
Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch Mag. Lughofer als Einzelrichter über den mündlichen Antrag des XXXX , auf Beigabe eines Verfahrenshilfeverteidigers gemäß § 40 VwGVG vom 25.08.2021 zur Erhebung einer Beschwerde gegen das Straferkenntnis der Datenschutzbehörde, Barichgasse 40-42, 1030 Wien, vom 05.08.2021, GZ D550.214, den
B E S C H L U S S:
Der Antrag wird abgewiesen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
Mit dem im Spruch genannten Straferkenntnis wurde dem Antragsteller (ASt) zur Last gelegt, am 10.06.2019 um 19:11 Uhr unter Verwendung eines entsprechenden Endgerätes eine Nachricht per E-Mail von der durch ihn genutzten E-Mail-Adresse „ XXXX “ an die E-Mail-Adresse der Magistratsabteilung 10 der Stadt Wien „post@ma10.wien.gv.at“ mit dem nachstehenden Inhalt übermittelt zu haben:
"An die MA 10
Da Frau XXXX bei euch als XXXX arbeitet und bei XXXX gesagt hat, Sie ist 50% behindert, weil ihr Nachbar sie belästigt. Das sagt aber das Gerichtsgutachten aber was Anderes (siehe Anhang).
Bitte um Lesebestätigung.
MFG".
Im Rahmen der genannten E-Mail-Nachricht habe der ASt als Beilage ein Dokument (Stellungnahme XXXX , Univ. Doz. DDr., datiert mit 01.04.2014), das dem ASt im Rahmen eines zivilgerichtlichen Verfahrens vor dem LG XXXX zur Zahl XXXX als Verfahrenspartei zugänglich geworden sei, übermittelt, wobei dieses Dokument gesundheitsbezogene Daten in Bezug auf XXXX enthalte.
Der ASt habe durch die gegenständliche Übermittlung der E-Mail-Nachricht samt Beilagen gesundheitsbezogene Daten entgegen des Verbots in Art. 9 DSGVO verarbeitet und die betroffenen personenbezogenen Daten mehreren Personen, die der Arbeitgeberin der XXXX zuzurechnen seien, offengelegt.
Er habe im Ergebnis die Grundsätze der DSGVO der Rechtmäßigkeit, der Verarbeitung nach Treu und Glauben und der Transparenz verletzt und dadurch Verwaltungsübertretungen nach Art. 5 Abs. 1 lit. a, Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 iVm Art. 83 Abs. 1 und Abs. 5 lit. a DSGVO begangen.
Über ihn werde eine Geldstrafe von € 600,--, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden, verhängt.
Weiters habe der ASt € 60,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten.
Zusammengefasst stellte die belangte Behörde fest, der ASt habe am 10.06.2019 den genannten Text per E-Mail an eine E-Mail-Adresse der MA 10 der Stadt Wien übermittelt, dem eine Beilage, beinhaltend gesundheitsbezogene Daten im Bezug auf XXXX , ungeschwärzt angeschlossen gewesen sei. Die von der Datenübermittlung Betroffene habe in diese Verarbeitung ihrer personenbezogenen Gesundheitsdaten nie (ausdrücklich) eingewilligt. Zwischen der Betroffenen, deren Ehegatten und dem ASt bestünden langjährige nachbarschaftliche Streitigkeiten, die auch den Gegenstand mehrerer zivil- und strafgerichtlicher Verfahren bildeten. Der ASt sei deshalb wegen gegen die Betroffene gesetzter Tathandlungen am 27.06.2013 vom LG XXXX wegen § 218 Abs. 1 Z. 2 und § 107a (1 und 2) Z. 1 StGB verurteilt worden.
Der ASt habe mit der Betroffenen vor dem LG XXXX am 02.07.2020 einen rechtswirksamen Vergleich geschlossen, in dem er sich verpflichtet habe,
a) die Verteilung des Schreibens des DDr. XXXX vom 01.04.2014 oder ähnlicher das Sexual- und Intimleben von XXXX beschreibender Urkunden sowie medizinischer Diagnosen, insbesondere an Nachbarn und - mit Ausnahme der Rechtsdurchsetzung oder Rechtsverteidigung von konkreten gegen den Beklagten gestellten bzw. von ihm behaupteten Ansprüchen (auch Strafverfahren) - auch an Behörden und den Dienstgeber der Klägerin,
b) ordinäre Beschimpfungen und Behauptungen und Fragen zu "Masturbation" gegenüber der Klägerin,
zu unterlassen sowie ihr € 1.500,-- und € 3.500,-- als Kostenersatz zu zahlen.
Die Betroffene sei zum Tatzeitpunkt in einem Dienstverhältnis zum Magistrat der Stadt Wien gestanden und habe sich in den Jahren 2013 und 2014 jeweils für mehrere Wochen im Krankenstand befunden. Da die krankheitsbedingte Dienstunfähigkeit mit dem Verhalten des ASt in einen Kausalzusammenhang gebracht worden sei, habe die Magistratsabteilung 2 (Personalangelegenheiten) ein mit XXXX .2014 datiertes Aufforderungsschreiben an den ASt gerichtet und diesen zur Zahlung von € 15.137,61 als Ersatz für geleistetes Diensteinkommen während der Arbeitsunfähigkeit aufgefordert. Dieser Aufforderung sei der ASt bis dato nicht nachgekommen. Seitens der Stadt Wien seien seither keinerlei weitere gerichtliche oder außergerichtliche Betreibungsschritte erfolgt.
Der ASt sei (laut eigenen Angaben) beschäftigungslos und erziele keinerlei Erwerbseinkommen, sondern empfange Sozialhilfeleistungen.
Der ASt habe die Übermittlung der Daten an die MA 10 der Stadt Wien zugestanden, dies aber damit gerechtfertigt, dass die Stadt Wien gegen ihn im September 2014 Schadenersatzansprüche erhoben gehabt habe. Er habe damit rechnen müssen, dass die Stadt Wien die Ansprüche bei ihm einfordere.
Verwaltungsstrafrechtlich qualifizierte die belangte Behörde diesen Sachverhalt dahingehend, dass der ASt als datenschutzrechtlicher Verantwortlicher für die Verarbeitung von Gesundheitsdaten in Bezug auf die Betroffene durch Übermittlung und Offenlegung an Dritte zu qualifizieren sei. Mangels Einwilligung der Betroffenen sei zu prüfen, ob die Datenübermittlung auf Art. 9 Abs. 2 lit. f DSGVO gestützt werden könne, somit der ASt den seitens der Stadt Wien am 22.09.2014 gegen ihn außergerichtlich geltend gemachten Schadenersatzanspruch damit abwehren durfte. Erforderlich in diesem Sinn bedeute, dass ohne die Daten die Geltendmachung des Anspruchs bzw. eine Verteidigung dagegen nicht möglich oder wesentlich erschwert wäre. Es sei eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im jeweiligen Einzelfall anzustellen.
Da seitens der Stadt Wien gegen den ASt seit dem Aufforderungsschreiben vom 22.09.2014 keinerlei gerichtliche oder außergerichtliche Schritte zur Geltendmachung eines allenfalls bestehenden Schadenersatzanspruches aus dem dargestellten Rechtsgründen gesetzt worden seien, sowie mit Blick auf die Verjährungsregel des § 1489 ABGB, wonach Schadenersatzansprüche innerhalb von 3 Jahren ab Kenntnis von Schädiger und Schaden geltend zu machen seien, könne bezogen auf den Zeitpunkt der Übermittlung der Gesundheitsdaten am 22.06.2019 nicht mehr davon ausgegangen werden, dass überhaupt ein rechtlicher Konflikt zwischen der Stadt Wien und dem Beschuldigten als Schädiger bestanden habe. Zudem nehme der ASt im Rahmen seiner E-Mail-Nachricht an die MA 10 mit keinem Wort auf einen allenfalls gegen ihn gerichteten Schadenersatzanspruch Bezug, gegen den er sich zu verteidigen suche.
Selbst wenn man von der Anhängigkeit eines zivilrechtlichen Konflikts zwischen dem ASt und der Betroffenen ausgehe, wäre die Datenübermittlung nicht rechtmäßig: Der ASt sei 2014 nicht von der MA 10, sondern von der für Personalangelegenheiten zuständigen MA zur Zahlung eines Schadenersatzbetrages aufgefordert worden. Die MA 10 sei sohin nicht diejenige Stelle, die einen allfälligen Anspruch im Namen der Stadt Wien gegen den ASt geltend gemacht habe. Bei der MA 10 handle es sich um die für Kindergärten zuständige Magistratsabteilung. Es sei daher nicht erforderlich gewesen, dass der ASt an diese Stelle eine medizinische Stellungnahme übermittelt, aus der Informationen in Bezug auf die geistige Gesundheit und Intimsphäre der Betroffenen hervorgingen, um einen vermeintlich noch immer gegen ihn bestehenden Schadenersatzanspruch abzuwehren.
Die vom ASt vorgenommene Datenverarbeitung sei im Ergebnis als völlig willkürliche Offenlegung von Gesundheitsdaten an Dritte zu qualifizieren, die von keinem der in Art. 9 Abs. 2 DSGVO normierten Ausnahmetatbestände gedeckt sei. Das unaufgeforderte Übermitteln von Gesundheitsdaten der Betroffenen im Jahr 2019 an eine andere Magistratsabteilung als diejenige, von der das Aufforderungsschreiben aus 2015 stamme, knapp fünf Jahre nach der letzten Kontaktaufnahme durch die zuständige Stelle, sei im Ergebnis rechtswidrig. Die Datenübermittlung sei aus rein persönlichen Motiven, die auf langjährigen nachbarschaftlichen Konflikten gründeten, vorgenommen worden.
Bei der Strafzumessung sei erschwerend zu berücksichtigen, dass die Übermittlung und Offenlegung von Gesundheitsdaten an die Dienstgeberin der Betroffenen, aus der sich Informationen über die Sexual- und Intimsphäre ergäben, auf schwerwiegende Weise in durch Art. 8 EMRK und Art. 7 EU GRC geschützte Rechtsgüter der Privat- und Intimsphäre eingegreife und die Tathandlung mit Vorsatz gesetzt worden sei.
Mildernd sei zu berücksichtigen, dass sich der ASt am Verwaltungsstrafverfahren beteiligt und zugegeben habe, die Datenübermittlung durchgeführt zu haben, wodurch er zur Wahrheitsfindung beigetragen habe. Bis dato sei er bei der belangten Behörde nicht einschlägig vorbestraft, beschäftigungslos und erziele keinerlei Erwerbseinkommen, sondern beziehe Sozialleistungen.
Die konkret verhängte Strafe sei unter Berücksichtigung der festgestellten Einkommensverhältnisse im Hinblick auf den verwirklichten Tatunwert gemessen am Strafrahmen des Art. 83 Abs. 5 DSGVO von bis zu Euro 20 Millionen tat- und schuldangemessen. Aus spezialpräventiven Gründen sei die Verhängung einer Geldbuße zwingend erforderlich.
Vor der Erlassung dieses Straferkenntnisses wurde der ASt durch die belangte Behörde am 01.06.2021 niederschriftlich vernommen, wobei er zugestand, die festgestellte E-Mail-Nachricht am 10.06.2019 ungeschwärzt an die MA 10 übermittelt zu haben. Er rechtfertigte dies damit, Frau XXXX habe ihrer Arbeitgeberin gegenüber (der MA 10) behauptet, dass sie aufgrund des Verschuldens des ASt krank sei, woraufhin die MA 10 Schadenersatzansprüche gegen ihn erhoben habe. Frau XXXX habe 2016 öffentlich über den ASt unwahre Behauptungen aufgestellt. Es sei sein Recht, sich öffentlich gegen falsche Behauptungen der Frau XXXX zu wehren.
Diesbezüglich legte der ASt ein Schreiben des Rechtsanwalts Mag. XXXX vom 09.04.2014 sowie ein Aufforderungsschreiben der Stadt Wien zur Bezahlung von Schadenersatz vom 22.09.2014 vor.
Nach Vorlage eines Schreibens der Stadt Wien vom 29.06.2021, wonach diese seit dem Schreiben vom 22.09.2014 gegen den ASt keine zivilrechtlichen Schritte gesetzt habe, führte der ASt am 01.08.2021 aus, die Stadt Wien habe geschrieben, die seinerzeitigen Ansprüche seien nicht als beigelegt zu betrachten, eine zivilrechtliche Geltendmachung sei bis dato unterblieben. Der ASt habe daher jederzeit rechnen müssen, dass die Stadt Wien Ansprüche bei ihm einfordere.
Der ASt beantragte am 25.08.2021 vor der belangten Behörde mündlich Verfahrenshilfe gemäß § 40 VwGVG zur Abfassung und Einbringung einer Beschwerde gegen das oben dargestellte Straferkenntnis. Dieser Antrag wurde niederschriftlich protokolliert und ein Vermögensbekenntnis, unterfertigt am 25.08.2021, sowie Beilagen zum Akt genommen.
Die belangte Behörde übermittelte den Verfahrensakt samt dem Verfahrenshilfeantrag mit protokolliertem Einlangen beim BVwG am 25.08.2021.
Eine Berechtigung zur Beigabe eines Verfahrenshilfeverteidigers besteht nicht:
Gemäß § 40 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag des Beschuldigten zu beschließen, dass diesem ein Verteidiger beigegeben wird, wenn der Beschuldigte außerstande ist, die Kosten der Verteidigung ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung erforderlich und aufgrund des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 lit. c der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geboten ist.
Gemäß Abs. 2 ist § 8a Abs. 3 bis 10 sinngemäß anzuwenden.
§ 40 VwGVG enthält eine abweichende Sonderregel für die Gewährung von Verfahrenshilfe in Verwaltungsstrafsachen. Die Beigabe eines Verfahrenshilfeverteidigers setzt voraus, dass die Voraussetzungen der Mittellosigkeit des Beschuldigten und der Interessen der Rechtspflege kumulativ vorliegen. Die Verfahrenshilfe besteht in der Beigabe eines Verteidigers. Von den sonstigen Verfahrenskosten befreit die Verfahrenshilfe nicht, wobei aber Gebührenfreiheit in Eingaben in Verwaltungsstrafsachen besteht. Nach der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK sind bei der Beurteilung der Notwendigkeit der Beigebung eines Verfahrenshelfers im Zusammenhang mit den Kriterien der zweckentsprechenden Verteidigung primär die Bedeutung und Schwere des Delikts und die Schwere der drohenden Sanktion zu berücksichtigen. Geht es etwa um den Entzug der persönlichen Freiheit, so ist die Beigebung eines Verfahrenshelfers regelmäßig geboten. Darüber hinaus ist insbesondere die Komplexität des Falls ausschlaggebend, wobei auf die Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art (hinsichtlich der Sachverhaltsfeststellung) Bedacht zu nehmen ist. Schließlich sind auch besondere persönliche Umstände des Beschuldigten und die besondere Tragweite des Rechtsfalls für die Partei zu berücksichtigen (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren², § 40 VwGVG, Anmerkungen 1, 3 und 9 mwN).
Daraus folgt:
Der ASt hat im Rahmen seines Verfahrenshilfeantrages keine Gründe dargetan, welche Beschwerdegründe er gegen das Erkenntnis ins Treffen führen möchte.
Wesentlich für die Frage, ob die Interessen der Rechtspflege eine Beigabe eines Verfahrenshilfeverteidigers erfordern, ist die Komplexität des Falls. Die belangte Behörde stützte den festgestellten Sachverhalt im Wesentlichen auf das diesbezügliche Zugeständnis des ASt und betrachtete den Sachverhalt als im Ergebnis unstrittig. Dies deckt sich auch mit der dargestellten Niederschrift vom 01.06.2021 mit dem ASt sowie der schriftlichen Stellungnahme vom 01.08.2021.
Der Inhalt der vom ASt der MA 10 offengelegten gesundheitsbezogenen Daten (Stellungnahme Dr. XXXX vom 01.04.2014) ergibt sich zwar nicht aus dem Straferkenntnis, teilweise aber aus einer im Verwaltungsakt erliegenden, allerdings teilweise geschwärzten, Kopie. Aus dieser ergibt sich sowohl der Name der Betroffenen als auch der Umstand, dass dort neurologische bzw. psychiatrische Diagnosen sowie Ausführungen zur Sexualität der Betroffenen enthalten sind. An der - ohnehin vom ASt in seiner Stellungnahme nicht bestrittenen - Tatsache, dass diese Daten sensible Gesundheitsdaten der Betroffenen sowie Angaben zu deren Sexualität enthalten, besteht daher kein Zweifel.
Die belangte Behörde sah zwar einen gewissen Konnex zwischen der Datenoffenlegung und 2014 seitens der Stadt Wien gegenüber dem ASt erhobenen Schadensersatzansprüchen grundsätzlich als gegeben, in konketo seien diese Umstände aber keineswegs "erforderlich zur Verteidigung", weil Schadenersatzansprüche innerhalb von drei Jahren ab Kenntnis von Schädiger und Schaden verjähren, seit 2014 durch die Stadt Wien nicht mehr betrieben wurden und der ASt in seinem Schreiben an die MA 10 auf Schadenersatzansprüche gar nicht Bezug genommen habe. Die Übermittlung an die MA 10 sei an jene Abteilung erfolgt, die Dienstgeberin der Betroffenen sei, nicht aber an jene Abteilung, die die Schadenersatzansprüche erhoben habe.
Die rechtliche Subsumtion enthielt zwar insofern einige rechtliche Überlegungen, von einer besonderen Komplexität in rechtlicher Hinsicht ist dabei aber nicht auszugehen.
Ausgehend insbesondere von einer Entscheidung des EGMR vom 10.06.1996, 7/1995/513/597, sprach der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung aus, dass bei Entzug der persönlichen Freiheit die Beigebung eines Verfahrenshelfers regelmäßig geboten sei. Im zugrundeliegenden Fall des EGMR vom 10.06.1996 war der Betroffene Mr BENHAM mit einer Höchstfreiheitsstrafe von drei Monaten konfrontiert. Dort wurde ausgesprochen, dass in Hinblick auf die Schwere der von Mr BENHAM riskierten Strafe und im Hinblick auf die Komplexität des anzuwendenden Rechts der Gerichtshof der Auffassung sei, dass die Interessen der Rechtspflege verlangten, dass Mr BENHAM um ein faires Verfahren gewährt zu bekommen, in den Genuss einer unentgeltlichen anwaltlichen Vertretung gelangen müsse.
Einzelfallbezogen führte der Verwaltungsgerichtshof zu 2009/09/0300 vom 29.04.2010 aus, dass im Fall unstrittig gegebener Mittellosigkeit des Beschwerdeführers und der damit zu erwartenden Uneinbringlichkeit der mit dem Straferkenntnis verhängten Geldstrafe für den Beschwerdeführer im Berufungsverfahren die Bestätigung der von der Behörde erster Instanz ausgesprochenen Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von insgesamt 58 Tagen auf dem Spiel gestanden sei, weshalb die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers geboten gewesen sei. Gleiches gelte, wenn Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von 28 Tagen auf dem Spiel stünden. Angesichts eines drohenden Entzugs der persönlichen Freiheit in diesem Ausmaß sei der Rechtsfall für den Beschwerdeführer von besonderer Tragweite.
Im hier vorliegenden Fall droht dem Antragsteller eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden (eineinhalb Tage). Angesichts der dargestellten Rechtsprechung, die sich jeweils auf Ersatzfreiheitsstrafen in unvergleichlich höherem Ausmaß bezieht, kann hier auch unter Berücksichtigung der allenfalls drohenden Ersatzfreiheitsstrafe nicht von einer für den ASt gegebenen besonderen Tragweite des Falles gesprochen werden.
Im Übrigen ist der ASt darauf zu verweisen, dass im Falle einer unvertreten erhobenen Beschwerde das Verwaltungsgericht den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und den Beschwerdeführer zu manuduzieren hat. Die ausgesprochene Sanktionsschwere einer Geldstrafe von € 600,-- ist im Hinblick auf den Strafrahmen bis € 20 Millionen als gering zu betrachten.
Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles ist es daher nicht erforderlich, dem ASt einen Verteidiger beizugeben, sodass der Antrag abzuweisen war.
Da die Abwägung, weshalb eine Verfahrenshilfeverteidigerbeigabe im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung nicht erforderlich ist, aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls zu erfolgen hatte und überdies ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs in Betracht gezogen wurde, ist die Revision unzulässig.
Schlagworte
Datenschutzbehörde Straferkenntnis Verfahrenshilfe VerteidigungskostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W274.2245755.1.00Im RIS seit
09.12.2021Zuletzt aktualisiert am
09.12.2021