TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/12 W217 2247538-1

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Veröffentlicht am 12.11.2021
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Entscheidungsdatum

12.11.2021

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W217 2247538-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ulrike LECHNER LL.M sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER BA, MA als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, NÖ und Bgld, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 06.09.2021, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


BEGRÜNDUNG:

I.       Verfahrensgang:

1.        Herr XXXX (in der Folge: BF) stellte am 03.05.2021 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) einlangend unter Vorlage eines Befundkonvolutes einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.

2.       Die belangte Behörde holte daraufhin folgende Sachverständigengutachten ein:

2.1.    Dem Gutachten aufgrund der Aktenlage von Dr. XXXX , Facharzt für HNO, vom 19.05.2021 ist Folgendes zu entnehmen:

„Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

2021-04 Tonaudiogramm und Tympanogramm Ges.zentrum Wien Nord: Pantonale Hörstörung beidseits, li mehr als rechts. Hörverlust nach Röser rechts 30%, links 58%. Tympanogramm und Stapedisureflex bds. völlig normal.

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:

aktenmäßig

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Hörstörung beidseits, links mehr als rechts Tabelle Zeile 2/Kolonne 3 - fixer Richtsatz

12.02.01

20

        Gesamtgrad der Behinderung  20 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

-

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

-

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

-

Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten:

-

X

Dauerzustand

(…)“

2.2.    Dr. XXXX , Facharzt für Augenheilkunde, hält in seinem Gutachten vom 06.07.2021 fest:

„Anamnese:
Sehschwäche nach Trauma bei Autounfall in der Kindheit
Diabetes mellitus seit 2005 bekannt

Derzeitige Beschwerden:
zunehmende Sehschwäche

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

keine augespezifischen Therapeutika
Escitalopram, Mirtazepin

Sozialanamnese:
nicht geprüft
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Befund AKH XXXX vom 28. Juni 2021

Visus:
rechtes Auge: -0,5s = 0,3(-2)
linkes Auge: -0,5s = 0,5(-1)

vordere Abschnitte: Reizfrei; Fundi: Papillen vital, scharf begrenzt, Gefäße und Makulae unauffällig

Perimetrie: Aspekt konzentrische Einengung, viele Fehler; Konfrontationsperimetrisch Außengrenzen frei

keine Ptose, kein SPN, oder BRN, Augenstellung: N: Spur Exophorie, F: Ortho, Konv+, Motilität frei, Worth+ F
OCT: Papille: RNFL bds global im Normbereich, Makulae trocken, GCL normal

Syn.: Visusminderung, auffälliges Gesichtsfeld; organisch lediglich Siccazeichen mit entsprechender Symptomatik ohne Hinweis auf Sehbahn Läsionen
Gesichtsfeld 28.6.2021: Beidseits stark abgeschwächt
Befund Dr. XXXX 23.4.2021
Visus: rechtes Auge: cc = 0,2; linkes Auge cc = 0,16
Spl: BA: hh klar, bh reizfrei, rund, zentr. Linse klar
Fd.: bds Papille vital, CDR 0,3, keine Kerben, Makula und Gefäße
unauffällig, keine MA, keine Blutungen

Perimentrie: bds zirkulär eingeschränkt bis verfallen [Bef FA]; diffuse, unspezifische, eher konzentrische anmutende Ausfälle, absolut und relativ ohne Muster, geringe Patienten Verlässlichkeit angegeben
OCT: RNFL und GCC in der Norm, Retina unauffällig

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:
nicht geprüft

Ernährungszustand:
nicht geprüft

Größe: cm  Gewicht: kg  Blutdruck:

Klinischer Status – Fachstatus:

Visus:
rechtes Auge: plan = 0,4
linkes Auge: -0,25-0,75/14° = 0,5

Vordere Augenabschnitte: BH bds reizfrei, HH klar, VK mitteltief, Ze-, Ty-, Pupillen RFZ; LInsen: klar;

Hintere Augenabschnitte: Papillen bds randscharf, vital und physiologisch excaviert, C/D ~ 0,1; Makulae und Gefäße altersentsprechend, NH anliegend
Konfrontationsperimetrie: bds röhrenförmig 20-30° (Verwertbarkeit?)

Gesamtmobilität – Gangbild:
nicht geprüft

Status Psychicus:

nicht geprüft

Es ist kein Grad der Behinderung zu ermitteln.

Begründung:

-

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

der bei der Untersuchung angegebene Visus sowie die Gesichtsfeldeinschränkungen konnten mangels Vorliegen geeigneter Befunde, die eine Amblyopie Anamnese nach Trauma in der Kindheit belegen, nicht objektiviert werden

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

keine Vorgutachten

Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten:

-

X

Dauerzustand

(…)“

2.3.    Dem Gutachten von Frau DDr. XXXX , Fachärztin für Unfallchirurgie, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 04.08.2021, ist Folgendes zu entnehmen:

„Anamnese:

Diabetes mellitus, St. p. Ablation 2005 wegen supraventrikulärer Tachykardie, arterielle Hypertonie
Depression, Angst- und Panikattacken, posttraumatische Belastungsstörung, Agoraphobie
Bandscheibenvorfall L5 mit Großzehenheberparese links, BSV L4/L5

Derzeitige Beschwerden:

‚Schmerzen habe ich vor allem in der Lendenwirbelsäule, Ausstrahlung in das linke Bein, Schwäche im linken Vorfuß.‘

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Medikamente: Nexium Amaryl Nomexor Lisinopril Xefo Escitalopram Mirtazapin
Allergie: 0
Nikotin: 0
Hilfsmittel: 0

Sozialanamnese:
Geschieden, 2 Kinder, lebt mit Mutter in Wohnung im 7. Stockwerk mit Lift.
Berufsanamnese: Autoreinigung seit 2 Jahren, 25h

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Univ. Prof. Dr. XXXX FÄ Innere Medizin und Kardiologie 19.04.2021 (arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, St. p. Ablation 2005 wegen supraventrikulärer Tachykardie, Depression)

Dr. XXXX FA für Neurologie 08.03.2021 (Angst- und Panikattacken, posttraumatische Belastungsstörung, Agoraphobie, BSV L5 mit Großzehenheberparese links, BSV L4/5)

Dr. XXXX Fachärztin für Orthopädie 15.02.2021 (subacute Lumboischialgie links im Dermatom L5, GZH-Schwäche links Discusprotrusion L4/5 rechtsbetont dorsomediane DH L5/S1 aktivierte Osteochondrose L5/S1 aktivierte Spondylarthrose L4/5.L5/S1 bds chron. Coccygodynie)

Dr. XXXX FÄ für Neurologie 1.2.2021 (Diskusprolaps L5/S1 mit Schmerzen ins linke Bein deg. WS- Beschwerden PTBS- Angststörung mit Agoraphobie rezid. Tachykardien - Ablation 2005 Z.n. Hepatitis)

MRT der LWS 07.01.2021 (Achsenabweichung wie beschrieben. Inzipiente Osteochondrose L5/S1 mit partieller Dehydratation des Diskus und dorsomedianem Diskusprolaps bei zusätzlich mäßiger Protrusion mit Tangierung der Nervenwurzeln wie angeführt. Geringe Protrusion L3/L4 und mäßig L4/L5. Zarte reaktive Knochenmarködemzonen der Wirbelkörperabschlussplatten L5/S1.)

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

gut, 33a

Ernährungszustand:

gut

Größe: 169,00 cm  Gewicht: 70,00 kg  Blutdruck:

Klinischer Status – Fachstatus:

Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen, sichtbare Schleimhautpartien unauffällig, Pupillen rund, isocor. Halsvenen nicht gestaut.
Thorax: symmetrisch, elastisch
Atemexkursion seitengleich, VA. HAT rein, rhythmisch. Keine Dyspnoe, keine Zyanose.

Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar.

Integument: unauffällig
Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, seitengleich mittelkräftig entwickelte Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, Radialispulse beidseits tastbar, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.
Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.
Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.
Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.
Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballenstand möglich, Fersenstand beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar, im Liegen ggr. Großzehenheberparese links.
Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Hocken ist möglich.
Die Beinachse ist im Lot. Seitengleich mittelkräftig entwickelte Muskelverhältnisse.
Beinlänge ident.

Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.
Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.
Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich.
Wirbelsäule:
Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Mäßig Hartspann. Klopfschmerz über der unteren LWS, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.
Aktive Beweglichkeit:
HWS: in allen Ebenen frei beweglich
BWS/LWS: FBA: 20 cm, R und F je 30°
Lasegue bds. negativ, geprüfte Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Gesamtmobilität – Gangbild:
Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen, das Gangbild hinkfrei, unelastisch.

Bewegungsabläufe nicht eingeschränkt. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

Status Psychicus:

Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule

Unterer Rahmensatz, da fortgeschrittene radiologische Veränderungen mit mäßigen funktionellen Einschränkungen ohne objektivierbare Wurzelkompressionszeichen.

02.01.02

30

2

Posttraumatische Belastungsstörung

Unterer Rahmensatz, da psychopathologisch stabil, Depression, Angst- und Panikattacken und Agoraphobie sind miterfasst.

03.05.04

30

3

Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus

1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da Diät und medikamentöse Therapie für ausgeglichene Stoffwechsellage erforderlich sind.

09.02.01

20

4

Mäßige Hypertonie

Wahl dieser Position, da Kombinationstherapie erforderlich, berücksichtigt Zustand nach Ablation und Herzrhythmusstörung.

05.01.02

20

        Gesamtgrad der Behinderung  40 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 1 wird durch Leiden 2 um 1 Stufe erhöht, da ein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliegt.

Die weiteren Leiden erhöhen nicht, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung mit Leiden 1 vorliegt.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Hepatitis: aktuell keine Leberfunktionseinschränkung dokumentiert

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

kein Vorgutachten vorliegend

Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten:

-

X

Dauerzustand

(…)“

2.4.    In ihrer Gesamtbeurteilung vom 08.08.2021, in welcher die oben dargestellten Gutachten einen wesentlichen Bestandteil bilden, hält Frau DDr. XXXX , Folgendes fest:

„Auflistung der Diagnosen aus oa. Einzelgutachten zur Gesamtbeurteilung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule

Unterer Rahmensatz, da fortgeschrittene radiologische Veränderungen mit mäßigen funktionellen Einschränkungen ohne objektivierbare Wurzelkompressionszeichen.

02.01.02

30

2

Posttraumatische Belastungsstörung

Unterer Rahmensatz, da psychopathologisch stabil, Depression, Angst- und Panikattacken und Agoraphobie sind miterfasst.

03.05.04

30

3

Hörstörung beidseits, links mehr als rechts Tabelle Zeile 2/Kolonne 3 - fixer Richtsatz

12.02.01

20

4

Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus

1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da Diät und medikamentöse Therapie für ausgeglichene Stoffwechsellage erforderlich sind.

09.02.01

20

5

Mäßige Hypertonie

Wahl dieser Position, da Kombinationstherapie erforderlich, berücksichtigt Zustand nach Ablation und Herzrhythmusstörung.

05.01.02

20

        Gesamtgrad der Behinderung  40 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 1 wird durch Leiden 2 um 1 Stufe erhöht, da ein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliegt.

Die weiteren Leiden erhöhen nicht, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung mit Leiden 1 vorliegt.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

-

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

kein Vorgutachten vorliegend

Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten:

-

X

Dauerzustand

(…)“

3.       Im Rahmen des hierzu erteilten Parteiengehörs brachte der BF, vertreten durch den KOBV, vor, die Gesundheitsschädigungen unter lfd. Nr. 1 und 2 seien mit jeweils 30% zu gering eingestuft. Es sei aufgrund der Wirbelsäulenprobleme zu einer Großzehenheberparese links gekommen, es bestünden daher neurologische Ausfälle, die nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Auch führe die psychische Situation des BF im Rahmen der posttraumatischen Belastungsstörung mit Depression, Angst und Panikattacken sowie Agoraphobie zu massiver Beeinträchtigung im Alltags- und Erwerbsleben. Unter Beilage eines neuen Befundes vom 23.07.2021 wurde die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Neurologie/Psychiatrie begehrt.

4.       In ihrer Stellungnahme vom 04.09.2021 führt Frau DDr. XXXX aus:

„Antwort(en):

Der Antragsteller erklärt sich mit dem Ergebnis der Begutachtung vom 08.08.2021 nicht einverstanden und bringt in der Stellungnahme vom 24.08.2021, vertreten durch den KOBV, vor, dass es aufgrund der Wirbelsäulenproblematik, mit Bandscheibenvorfall L5 zu einer Großzehenheberparese links gekommen sei. Die psychische Situation im Rahmen der posttraumatischen Belastungsstörung mit Depression, Angst und Panikattacken sowie Agoraphobie führe zu massiver Beeinträchtigung im Alltags- und Erwerbsleben.

Befunde:

Dr. XXXX 23.07.2021 (Angst- und Panikattacken, posttraumatische Belastungsstörung, Agoraphobie, BSV L5 mit Grosszehenheberparese links, BSV L4/5

Aripiprazol, Escitalopram, Mirtazapin, Psychotherapie)

Stellungnahme:

Maßgeblich für die Einstufung behinderungsrelevanter Leiden nach den Kriterien der EVO sind objektivierbare Funktionseinschränkungen unter Beachtung sämtlicher vorgelegter Befunde.

Die bei der Begutachtung am 08.08.2021 festgestellten Defizite wurden in der Beurteilung hinsichtlich Einstufung nach der EVO in vollem Umfang berücksichtigt.

Höhergradige Funktionseinschränkungen im Bereich der Wirbelsäule konnten nicht festgestellt werden. Insbesondere liegt kein maßgebliches neurologisches Defizit vor, siehe Status einschließlich Gangbildbeschreibung.

Das psychiatrische Leiden wird in korrekter Höhe eingestuft, eine medikamentöse Stabilisierung konnte erreicht werden, Befunde über einen stationären Aufenthalt liegen nicht vor.

Befunde, die neue Tatsachen, noch nicht ausreichend berücksichtigte Leiden oder eine maßgebliche Verschlimmerung belegen könnten, wurden nicht vorgelegt.

Die vorgebrachten Argumente und der nachgereichte Befund beinhalten keine neuen Erkenntnisse, welche das vorhandene Begutachtungsergebnis entkräften könnten, sodass daran festgehalten wird.“

5.       Mit dem gegenständlich bekämpften Bescheid vom 06.09.2021 stellte die belangte Behörde fest, dass der BF mit einem Grad der Behinderung von 40% nicht die Voraussetzungen für die Ausstellungen eines Behindertenpasses erfülle und wies den Antrag des BF vom 03.05.2021 ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die ärztliche Begutachtung einen Grad der Behinderung von 40% ergeben habe und die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen würden.

6.       Gegen diesen Bescheid erhob der BF, vertreten durch den KOBV, fristgerecht ohne Vorlage weiterer Beweismittel Beschwerde und führte aus, dass er an höhergradigen Aufbrauchserscheinungen im Bereich der Lendenwirbelsäule, welche mit Sensibilitätsstörungen im Bereich des linken Beines, einer Schwäche im linken Vorfuß sowie mit einer Großzehenheberparese links einhergehe, leide. Es bestünden starke Schmerzen und wie aus dem bereits vorgelegten orthopädischen Befund vom 15.02.2021 hervorgehe, auch eine WS-assoziierte Blasenentleerungsstörung. Entgegen den Ausführungen des von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachtens von DDr. XXXX vom 30.06.2021 bzw. deren Stellungnahme vom 04.09.2021 lägen sehr wohl neurologische Defizite vor und hätte der Grad der Behinderung für die unter der laufenden Nummer 1 angeführte Gesundheitsschädigung höher bewertet werden müssen. Ferner hätte die belangte Behörde jedenfalls ein neurologisches Sachverständigengutachten einholen müssen. Weiters leide der BF an einer posttraumatischen Belastungsstörung, Angst- und Panikattacken sowie Agoraphobie. Wie aus den bereits vorgelegten psychiatrischen Befunden von Dr. XXXX hervorgehe, sei der Antrieb des BF deutlich verlangsamt, die Stimmung depressiv, es bestehe ein sozialer Rückzug und Gedankenkreisen. Hinzu kämen auch die durch die chronischen Schmerzen bedingten Schlafstörungen. Trotz engmaschiger psychiatrischer Behandlung sei der BF psychopathologisch weiterhin instabil, sodass für diese Gesundheitsschädigung jedenfalls ein höherer Grad der Behinderung heranzuziehen gewesen wäre. Das von der belangten Behörde eingeholte orthopädische Sachverständigengutachten sei zur Beurteilung des psychiatrischen Beschwerdebildes nicht geeignet, sodass jedenfalls auch ein psychiatrisches Gutachten hätte eingeholt werden müssen.

7.       Die Beschwerde wurde samt dem Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht am 21.10.2021 zur Entscheidung vorgelegt.

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1.    Der BF ist am XXXX geboren, besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft und hat seinen Wohnsitz im Inland.

1.2.    Der BF stellte am 03.05.2021 bei der belangten Behörde einlangend einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.

1.3.    Beim BF liegen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden, vor:

Lfd. Nr.

 

Pos.Nr.

Gdb %

1

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule

Unterer Rahmensatz, da fortgeschrittene radiologische Veränderungen mit mäßigen funktionellen Einschränkungen ohne objektivierbare Wurzelkompressionszeichen.

02.01.02

30

2

Posttraumatische Belastungsstörung

Unterer Rahmensatz, da psychopathologisch stabil, Depression, Angst- und Panikattacken und Agoraphobie sind miterfasst.

03.05.04

30

3

Hörstörung beidseits, links mehr als rechts Tabelle Zeile 2/Kolonne 3 - fixer Richtsatz

12.02.01

20

4

Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus

1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da Diät und medikamentöse Therapie für ausgeglichene Stoffwechsellage erforderlich sind.

09.02.01

20

5

Mäßige Hypertonie

Wahl dieser Position, da Kombinationstherapie erforderlich, berücksichtigt Zustand nach Ablation und Herzrhythmusstörung.

05.01.02

20

1.4.    Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40 v.H.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1) Die getroffenen Feststellungen gründen auf dem diesbezüglich unbedenklichen Eintrag im Zentralen Melderegister und stehen überdies im Einklang mit den Angaben des BF.

Zu 1.2) Die Feststellung hinsichtlich der Antragsstellung auf Ausstellung eines Behindertenpasses gründet auf dem diesbezüglich schlüssigen Akteninhalt des von der belangten Behörde vorgelegten Fremdaktes.

Zu 1.3 bis 1.4) Die Feststellungen zur Höhe des Gesamtgrades der Behinderung und der Art und dem Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich auf die von der belangten Behörde eingeholte Gesamtbeurteilung von Frau DDr. XXXX , einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Unfallchirurgie, vom 08.08.2021, berücksichtigend die Gutachten von Dr. XXXX , Dr. XXXX , und DDr. XXXX , sowie auf die Stellungnahme vom 04.09.2021 von DDr. XXXX .

Darin wird auf die Art der Leiden des BF und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei, im Einklang mit der medizinischen Wissenschaft und den Denkgesetzen, eingegangen, wobei die vom BF vorgelegten Befunde und Beweismittel im Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme umfassend Berücksichtigung gefunden haben.

Die getroffenen Einschätzungen basieren auf den im Rahmen persönlicher Untersuchungen erhobenen Befunden von Dr. XXXX , und DDr. XXXX sowie aufgrund eines Aktengutachtens von Dr. XXXX .

Der Gesamtgrad der Behinderung des BF wurde mit einem Grad der Behinderung von 40 v.H. eingeschätzt.

Soweit im Beschwerdeschriftsatz vorgebracht wurde, aus dem Befund von Dr. XXXX vom 15.02.2021 gehe hervor, dass auch eine WS-assoziierte Blasenentleerungsstörung bestehe, ist auf eben den genannten Befund zu verweisen, wo unter „Status“ genau das Gegenteil, nämlich, „kein Hw. a. WS-assoziierte Blasenentleerungsstörung“ vermerkt ist.

Pos.Nr. 02.01.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung lautet:

02.01 Wirbelsäule

02.01.01

Funktionseinschränkungen geringen Grades

10 – 20 %

  

Akute Episoden selten (2-3 Mal im Jahr) und kurzdauernd (Tage)

Mäßige radiologische Veränderungen

Im Intervall nur geringe Einschränkungen im Alltag und Arbeitsleben

Keine Dauertherapie erforderlich

 

02.01.02

Funktionseinschränkungen mittleren Grades

30 – 40 %

 

Rezidivierende Episoden (mehrmals pro Jahr) über Wochen andauernd

maßgebliche radiologische Veränderungen

andauernder Therapiebedarf wie Heilgymnastik, physikalische Therapie, Analgetika

Beispiel: Bandscheibenvorfall ohne Wurzelreizung (pseudoradikuläre Symptomatik)

30 %:

Rezidivierende Episoden (mehrmals pro Jahr) über Wochen andauernd, maßgebliche radiologische Veränderungen

andauernder Therapiebedarf wie Heilgymnastik, physikalische Therapie, Analgetika

40 %

Rezidivierend und anhaltend, Dauerschmerzen eventuell episodische Verschlechterungen, maßgebliche radiologische und/oder morphologische Veränderungen

maßgebliche Einschränkungen im Alltag und Arbeitsleben

Frau DDr. XXXX begründete die Heranziehung der Pos.Nr. 02.01.02 mit dem unteren Rahmensatz, da fortgeschrittene radiologische Veränderungen mit mäßigen funktionellen Einschränkungen ohne objektivierbare Wurzelkompressionszeichen bestehen.

Diese Schlussfolgerung der medizinischen Sachverständigen finden insbesondere Bestätigung in den Aufzeichnungen der sachverständigen Gutachterin bei der persönlichen Untersuchung am 30.06.2021 im Rahmen des oben wiedergegebenen Untersuchungsbefundes zum Status bzw. zum Gangbild („Becken und beide unteren Extremitäten: Freies Stehen sicher möglich, Zehenballenstand möglich, Fersenstand beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar, im Liegen ggr. Großzehenheberparese links. Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Hocken ist möglich. Die Beinachse ist im Lot. Seitengleich mittelkräftig entwickelte Muskelverhältnisse.  Beinlänge ident. Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich. Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig. Aktive Beweglichkeit: Hüften, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich. Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich. Wirbelsäule: Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Mäßig Hartspann. Klopfschmerz über der unteren LWS, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei. Aktive Beweglichkeit: HWS: in allen Ebenen frei beweglich. BWS/LWS: FBA: 20 cm, R und F je 30°. Lasegue bds. negativ, geprüfte Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar. Gesamtmobilität – Gangbild: Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen, das Gangbild hinkfrei, unelastisch. Bewegungsabläufe nicht eingeschränkt. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.“)

Ebenso bestätigt die Sachverständige in ihrer Stellungnahme vom 04.09.2021, dass höhergradige Funktionseinschränkungen im Bereich der Wirbelsäule nicht festgestellt werden konnten. Unter Verweis auf den von ihr erhobenen Status einschließlich der Gangbildbeschreibung, betonte sie, dass kein maßgebliches neurologisches Defizit vorliegt.

Pos.Nr. 03.05.04 der Anlage zur Einschätzungsverordnung lautet:

03.05.04 bis 03.05.06

Posttraumatische Belastungsstörung PTSD

(post traumatic stress disorder)

Neben dem Vorliegen eines traumatisierenden Ereignisses müssen Symptome aus drei anderen Kategorien vorliegen:

- Intrusion (unvermeidliche belastende Erinnerungen)

- Vermeidung

- Übererregung

03.05.04

Leichten Grades

30 – 40 %

  

Voll integriert

Psychopathologisch stabil

Die Sachverständige begründete die Heranziehung der Pos.Nr. 03.05.04 mit dem unteren Rahmensatz, da der BF psychopathologisch stabil ist; Depressionen, Angst- und Panikattacken und die Agoraphobie sind miterfasst.

Sie wies in ihrer Stellungnahme vom 04.09.2021 unter Hinweis auf den Befund von Dr. XXXX vom 23.07.2021 darauf hin, dass eine medikamentöse Stabilisierung erreicht werden konnte, Befunde über einen stationären Aufenthalt nicht vorliegen würden.

So ist im Befund vom 23.07.2021 ausgeführt:

„Medikamente:

1x Aripiprazol Neur Tbl 10mg 28ST ½-0-1, täglich (½-0-½, na 1 Wo 1/-0-1)

1x Escitalopram + Ph Ftbl 20mg 30 STb1-0-1, täglich

1x Mirtazapin Act Schmtbl 30 mg 30 STb 1-0-0, täglich

Procedere:

Aripiprazol erhöhen auf ½-0-1; Mirtazapin und Escitalopram 20mg weiter, unbedingt Psychotherapie, Ko in 6 Wochen.“

Maßgeblich für die Einstufung behinderungsrelevanter Leiden nach den Kriterien der EVO sind objektivierbare Funktionseinschränkungen unter Beachtung sämtlicher vorgelegter Befunde.

Einbezogen wurden von der befassten Sachverständigen sämtliche vom BF vorgelegten Befunde, die im Übrigen nicht im Widerspruch zur gutachterlichen Beurteilung stehen und kein höheres Funktionsdefizit dokumentieren, als anlässlich der Begutachtung festgestellt wurde.

Weitere Befunde, die neue Tatsachen bzw. noch nicht ausreichend berücksichtigte Leiden belegen könnten, wurden vom BF nicht vorgelegt.

Der BF ist den von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Soweit in der Beschwerde darum ersucht wurde, einen Facharzt aus dem Bereich der Neurologie und Psychiatrie hinzuzuziehen, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Behörden iZm der Einschätzung des Grades der Behinderung verpflichtet sind, zur Klärung medizinischer Fachfragen ärztliche Gutachten einzuholen. Das Gesetz enthält aber keine Regelung, aus der erschlossen werden kann, dass ein Anspruch auf die Beiziehung von Fachärzten bestimmter Richtung bestünde. Es besteht demnach kein Anspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes. Es kommt vielmehr auf die Schlüssigkeit des eingeholten Gutachtens an (vgl. VwGH 24.06.1997, Zl. 96/08/0114).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachten. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Aufgrund der vom BF im Verfahren vorgelegten Unterlagen und einer persönlichen Untersuchung des BF durch die medizinischen Sachverständigen konnte gegenwärtig kein höherer Grad der Behinderung als 40 v.H. objektiviert werden.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

Zur Entscheidung in der Sache

Unter Behinderung iSd Bundesbehindertengesetz (BBG) ist gemäß dessen § 1 Abs 2 leg.cit. die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktion zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

§ 40 Abs. 1 BBG normiert, dass behinderte Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG), BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist (§ 40 Abs. 2 BBG).

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010 idF BGBl II 251/2012) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung:

§ 2 Abs. 1 Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigung sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

Gemäß § 3 Abs. 1 der Einschätzungsverordnung ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

Gemäß Abs. 2 leg.cit. ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit diese durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Zunächst ist festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.

Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung die oben dargestellte Gesamtbeurteilung vom 08.08.2021 zu Grunde gelegt, aus der sich ein Grad der Behinderung des BF von 40 v. H. ergibt. Diese Gesamtbeurteilung einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Unfallchirurgie, vom 08.08.2021, berücksichtigt ebenso die jeweiligen Gutachten von Dr. XXXX , Dr. XXXX , und DDr. XXXX . Die medizinischen Sachverständigen setzen sich mit den vom BF vorgelegten Befunden ausführlich auseinander und gehen auf die Art der Leiden des BF und deren Ausmaß ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei ein.

Frau DDr. XXXX setzt sich in der Gesamtbeurteilung insbesondere mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden objektivierten Gesundheitsschädigungen auseinander.

Der BF ist den Ausführungen der beigezogenen medizinischen Sachverständigen, denen das Bundesverwaltungsgericht folgt, im Ergebnis nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, er hat - wie bereits oben ausgeführt - kein aktuelles Sachverständigengutachten bzw. keine sachverständige Aussage vorgelegt, in welcher in sachverhaltsbezogener und rechtlich erheblicher Form die Auffassung vertreten worden wäre, dass die Befundnahmen und Schlussfolgerungen der dem gegenständlichen Verfahren beigezogenen Sachverständigen unzutreffend oder unschlüssig seien.

Der BF hat jedoch die Möglichkeit, nach Einholung neuer Befunde - sollte er daraus sodann ein anderes Verfahrensergebnis und zwar einen höheren Grad der Behinderung ableiten wollen - im Wege eines neuen Antrages bei der belangten Behörde geltend zu machen.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag, oder wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG).

Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder die Säumnisbeschwerde zurüc

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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