Entscheidungsdatum
15.11.2021Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W265 2238389-1/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Mag.a Karin GASTINGER, MAS sowie die fachkundige Laienrichterin Dr.in Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 04.08.2020, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 14.12.2020, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Mit Schreiben vom 18.05.2020, eingelangt am 20.05.2020, stellte die Beschwerdeführerin beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses und eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis) bzw. Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass. Begründend führte sie aus, es sei ihr nicht mehr möglich, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Auch sei es ihr nicht mehr möglich, mit einem Auto mit Schaltung zu fahren, sie habe auf Automatik wechseln müssen. Sie habe an beiden Knien Prothesen, wobei die rechte schon einmal ausgetauscht worden sei. Es seien fünf Bandscheiben-OPs durchgeführt worden, zweimal an der Lendenwirbelsäule und dreimal an der Halswirbelsäule, wobei die dritte mit einer Versteifung geendet habe. Sie gehe jetzt mit Krücken maximal eine halbe Stunde, da auch die linke Schulter und beide Sternoclaviculargelenke operiert worden seien, zweimal rechts und einmal links. Aufgrund dieser OPs verlasse sie die Kraft und sie bekomme starke Schmerzen mit Krücken. Sie sei mit dem Rollator oder Rollstuhl unterwegs, wenn es längere Strecken seien. Mit dem Auto sei sie am besten mobil. Mit den Anträgen legte sie medizinische Befunde vor.
Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag.
In diesem auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 16.06.2020 basierenden Gutachten vom 29.06.2020 wurde Folgendes – hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben – ausgeführt:
„Anamnese:
KTEP-Wechsel rechts am 23.03.2017 bei KTEP-Abrieb rechts
KTEP-Implantation links am 30.05.2017
ventrale Diskektomie und intercorporale Fusion C5/C6, letzte HWS-Op. 10/2016 Diskusprolaps Höhe L3/L4, L4/L5. 10. Diskusprolaps Höhe C6/C7, C7/C8 C6/C7
Z.n. Meningoenzephalitis, 1970
Zustand nach Venenstripping rechts, AE, TE
Z.n. Leistenbruch rechts.
Z.n. Strumektomie.
Z.n. SAD Schulter links, sternoklavikuläre Resektion beidseits
Z.n. Arthroskopie Knie links.
Z.n. Gastritis
Osteoporosetherapie
Art. Hypertonie
Derzeitige Beschwerden:
„Beschwerden habe ich vor allem in den Füßen, Fußsohlen, Schultern und Kniegelenken. Hab eine Platte im Bereich der Halswirbelsäule, wurde zweimal operiert. Die Gehstrecke ist eingeschränkt, gehe mit Rollator kurze Strecken bis zum Auto.“
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Medikamente: Norvasc, Ramipril, Temesta, Pantoloc, Voltaren bei Bedarf
Allergie: Tramal, Pflaster, Kontrastmittel
Nikotin:0
Hilfsmittel: 2 Unterarmstützkrücken
Sozialanamnese:
verheiratet, 4 Kinder, lebt in Wohnung im Erdgeschoss +8 Stufen, behindertengerechte Wohnung ist geplant.
Berufsanamnese: Pensionistin
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Befund KH XXXX mit Neurol. Zentr. XXXX 1.Medizinische Abteilung 30.11.2019 (Diagnose: Chronische Gastritis Tubuläres Kolonadenom mit geringer Dysplasie Therapie: Weiter wie bisher)
Befund KH XXXX mit Neurol. Zentr. XXXX 1.Medizinische Abteilung 28.11.2018 (Diagnose: Serratiertes Adenom - Exzision in toto Ex HP Gastritis)
Befund Dr. XXXX Facharzt für Neurochirurgie 21.08.2018 (Diagnose: Va. Ansatztendinose SIPS links St.p. Knie TEP rechts mit Revision März 2018, Knie-TEP links Mai 2018 St.p. ventraler Discektornie, intercorporaler Fusion und Spondylodese C5 auf C7 am 20.07.2016 bei Osteochondrose C5-C7 St.p. Mikrodiscektomie L.3/4 rechts 2014 St.p. DHOP L4/5 1980 St.p. HWS OP von dorsal C6/7 1987 und C7/Th1 1992 Procedere: Infiltration an der SIPS links Empfehle Barriere freies Wohnen aufgrund der multiplen Beschwerden Bewegungsapparat aufgrund der multiplen vorhandenen Beschwerden bei mehrfachen Operationen am Bewegungsapparat)
Entlassungsbericht XXXX Aufenthalt vom 06.09.2017 bis 27.09.2017
Entlassungsbrief Orthopädie 2017-06-20 (1. Gonarthrose links. 2. Z.n. KTEP-Wechsel rechts am 23.03.2017 bei KTEP-Abrieb rechts (hochgradiger Polyethylenabrieb mit femoraler Osteolyse, belastungsabhängige Schmerzen). 3. Art. Hypertonie. 4. Z.n. Leistenbruch rechts. 5. Z.n. Strumektomie. 6. Z.n. SAD Schulter links. 7. Z.n. Arthroskopie Knie links. 8. Z.n. Gastritis. 9. Diskusprolaps Höhe L3/L4, L4/L5. 10. Diskusprolaps Höhe C6/C7, C7/C8 C6/C7 sowie Spondylodese C5 auf C7 11. Z.n. Meningoenzephalitis, 1970. 12. Z.n.
Appendektomie. 13. Z.n. Tonsillektomie. 14. Z.n. Venenstripping rechte untere Extremität.
Allergien: Tramal, Pflaster, Kontrastmittel. ventrale Diskektomie und intercorporale Fusion
C5/C6, letzte HWS-Op. 10/2016. Durchgeführte Maßnahmen KTEP-Implantation links am
30.05.2017. Einleitung einer Osteoporosetherapie.)
Entlassungsbrief Orthopädie 2017-04-10 (Diagnosen 1. KTEP-Abrieb re..(hochgradiger Polyäthylenabrieb mit femuraler Osteolyse, belastungsabhängige Schmerzen) 2. Schwere Gonarthrose li.. 3. Arterielle Hypertonie. 4. AE, TE. 5. Venenstripping re. UE. 6.
Discusprolaps Höhe L4/5. 7. Leistenbruch re.. 8. Discusprolaps Höhe C6/C7, C7/C8. 9. 2x sternoclaviculare Resektion V.M. Lappen re. Schilddrüse. 10.Sternoclaviculare Resektion M.-Lappen interpos. li.. 11. Z.n. SAD li. Schulter. 12. KTEP re. 13. Discusprolaps L3/L4. 14. Z.n. ASK Knie li. 1 5.2x Ilium med. in Therapie Knie li. 16, Z.n. Gastritis. 17. Ventrale Diskektomie und intercorporale Fusion C5/C6, C6/C7 sowie Spondylodese C5 auf C7.
Allergien: Kontrastmittel, Tramal (Kollaps), Pflaster weiß + braun. Durchgeführte Maßnahmen Op. am 23.3.2017: KTEP-Wechsel rechts)
Abteilung für Neurochirurgie XXXX , am 22.07.2016 (Cervicalsyndrom bei fortgeschrittener Osteochondrose C5/6, C6/7 Radikulopathie C7 links St. p. HWS OP von dorsal C6/7 1987 und C7/TH1 1992 Therapie: Ventrale Discektomie und interkorporale Fusion C5/6, C6/7 sowie Spondylodese C5 auf C7 am 20.07.16)
MRT der HWS 30.05.2016 (Neu zur Voruntersuchung vom 27.06.2009 besteht ein linkslateraler Discusprolaps bei C6/C7 mit Aufbrauchen des perimedullären Liquorsaumes, deutlicher Einengung des linken Recessus, zusätzlich Retrospondylose und Spondylosis uncovertebralis mit Einengung des linken Neuroforamen. Ansonsten unveränderter Befund: Deutliche Retrospondylose in der Medianen bei C4/C5 und C5/C6 ohne umschriebene Myelokompression, die Recessi beidseits frei, ebenso die Neuroforamina. Deutliche Osteochondrose bei C5/C6 und mäßig bei C4/C5 und C6/C7. Aufgehobene Halslordose)
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut, 71a
Ernährungszustand:
adipös
Größe: 160,00 cm Gewicht: 80,00 kg Blutdruck:
Klinischer Status – Fachstatus:
Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen, sichtbare Schleimhautpartien unauffällig, Pupillen rund, isocor, prompte Reaktion auf Licht. Halsvenen nicht gestaut.
Thorax: symmetrisch, elastisch
Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch. Keine Dyspnoe, keine Zyanose.
Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.
Integument: unauffällig
Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:
Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, seitengleich mittelkräftig entwickelte Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.
Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.
Schulter beidseits: geringgradig verkürzt, endlagige Bewegungsschmerzen
Mittelfinger rechts posttraumatische Schwellung und Hämatomverfärbung, Bandage Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktive Beweglichkeit: Schultern F und S0/110, Rotation geringgradig eingeschränkt, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett bis auf Mittelfinger rechts, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.
Nacken- und Schürzengriff sind endlagig eingeschränkt durchführbar.
Becken und beide unteren Extremitäten:
Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits mit Anhalten und ohne Einsinken kurz durchführbar.
Der Einbeinstand ist mit Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist ansatzweise möglich.
Die Beinachse ist im Lot. Annähernd seitengleich mittelkräftig entwickelte Muskelverhältnisse.
Beinlänge ident.
Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.
Kniegelenk beidseits: Narbe bei Knietotalendoprothese, rechts Überwärmung, Umfangsvermehrung, Erguss. Links geringgradig Umfangsvermehrung, keine
Überwärmung, stabil.
Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktive Beweglichkeit: Hüften S0/90, IR/AR 10/0/30, Knie rechts 0/10/60, links 0/5/100, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.
Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist rechts bis 40°, links bis 60°möglich.
Wirbelsäule:
Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, geringgradig verstärkte Kyphose, sonst regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, massiv Hartspann im Bereich der Schulter-und Nackenmuskulatur. Klopfschmerz über der HWS und mittlere LWS, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei. Narbe im Bereich der HWS dorsal median und LWS
Aktive Beweglichkeit:
HWS: Rotation rechts 30/0/20 links, F 10/0/10, Kinn/Jugulum Abstand 4/8
BWS/LWS: FBA: 30 cm, Rotation und Seitneigen 20°
Lasegue bds. negativ, geprüfte Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.
Gesamtmobilität – Gangbild:
Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen mit 2 Unterarmstützkrücken, das Gangbild ist rechts hinkend, Bewegungsabläufe verlangsamt, insgesamt sicher. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.
Status Psychicus:
Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
Gdb %
1
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Fusion C5/C6
Oberer Rahmensatz, da mittelgradige Einschränkung der Beweglichkeit vor allem im Bereich der Halswirbelsäule und massive Verspannungen, jedoch ohne sensomotorisches Defizit.
02.01.02
40
2
Knietotalendoprothese beidseits
Wahl dieser Position, da vor allem rechts eingeschränkte Beugefähigkeit.
02.05.21
40
3
Abnützungserscheinungen beider Schultergelenke, Operation beider Sternoklavikulargelenke
Wahl dieser Position, da Beweglichkeit über die Horizontale möglich.
02.06.02
20
4
Bluthochdruck
Wahl dieser Position, da Kombinationstherapie erforderlich.
05.01.02
20
Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 1 wird durch Leiden 2 und 3 um insgesamt eine Stufe erhöht, da ein ungünstiges Zusammenwirken vorliegt.
Leiden 4 erhöht nicht, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung mit führendem Leiden 1 besteht.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
keine
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
kein Vorgutachten vorliegend
Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten:
-
?
Dauerzustand
?
Nachuntersuchung -
…
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine. Es liegen keine Funktionseinschränkungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche die Mobilität erheblich einschränkten. Kurze Wegstrecken von etwa 300400 m können allein, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, zurückgelegt werden. 2 Unterarmstützkrücken werden anlässlich der h.o. Begutachtung benützt, wobei jedoch die vorhandenen Funktionsdefizite die behinderungsbedingte Notwendigkeit der ständigen Verwendung von 2 Krücken nicht ausreichend begründen können. Insbesondere konnte keine höhergradige Gangbildbeeinträchtigung oder Gangunsicherheit objektiviert werden. Ein- und Aussteigen ist möglich, da beide Hüftgelenke über 90° gebeugt werden können und beide Knie- und Sprunggelenke ausreichend beweglich sind. Ein sicheres Anhalten ist ebenfalls möglich, da die Gelenke beider oberer Extremitäten keine höhergradigen Funktionseinschränkungen aufweisen, der sichere Transport ist nicht erheblich erschwert. Eine Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit ist nicht objektivierbar, kognitive Defizite sind nicht fassbar, sodass auch unter Berücksichtigung aller aufliegenden Befunde, eine erhebliche Erschwernis beim Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, Be- und Entsteigen sowie bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht begründbar ist.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein
…
Begründung:
Knietotalendoprothese beidseits, HWS Fusion C5/C6“
Mit Schreiben vom 30.06.2020 brachte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin dieses Gutachten als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihr die Möglichkeit einer Stellungnahme ein.
Die Beschwerdeführerin erstattete keine Stellungnahme.
Mit Schreiben vom 04.08.2020 teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit, dass im medizinischen Ermittlungsverfahren ein Grad der Behinderung von 50 % festgestellt worden sei. Ihr werde daher ein unbefristeter Behindertenpass mit den Zusatzeintragungen „Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn von Osteosynthesematerial“, „Der Inhabber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn einer Prothese“ und „Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“ ausgestellt, der in den nächsten Tagen übermittelt werde.
Mit angefochtenem Bescheid vom 04.08.2020 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung“ in den Behindertenpass ab. Im Ermittlungsverfahren sei ein Gutachten eingeholt worden, nach dem die Voraussetzungen für diese Zusatzeintragung nicht vorlägen. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Der Beschwerdeführerin sei Gelegenheit gegeben worden, dazu Stellung zu nehmen. Da eine Stellungnahme innerhalb der gesetzten Frist nicht eingelangt sei, habe vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht abgegangen werden können. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grund gelegt worden. Mit dem Bescheid wurde der Beschwerdeführerin das Sachverständigengutachten vom 29.06.2020 übermittelt.
Mit Begleitschreiben vom 05.08.2020 übermittelte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin den Behindertenpass.
Mit Schreiben vom 21.09.2020 erhob die Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid durch ihre bevollmächtigte Vertretung fristgerecht Beschwerde. Darin wurde nach Anführung ihrer gesundheitlichen Leiden im Wesentlichen ausgeführt, dass diese sehr wohl als erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit einzustufen seien. Es liege eine erhebliche Erschwernis beim Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke vor, das Be- und Entsteigen sowie die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel seien erheblich erschwert und es liege daher jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor. Die Beschwerdeführerin sei nur mit einer Gehhilfe gehfähig. Aufgrund der Schmerzen in den Händen und der daraus bedingten Schwäche in den Händen könne sie jedoch auch mit Gehhilfe nur ganz kurze Wegstrecken zurücklegen. Weiters sei aufgrund der Beschwerden in den Händen und Beinen sowie aufgrund der Wirbelsäulenbeschwerden, welche zu ausstrahlenden Schmerzen in den Extremitäten führen würden, ein gefahrloses Benützen der öffentlichen Verkehrsmittel nicht möglich. Aufgrund der neurologisch zu beurteilenden ausstrahlenden Schmerzen und einer fraglichen Polyneuropathie wäre auch ein neurologisches Gutachten erforderlich.
Mit Eingabe vom 30.09.2020 legte die Beschwerdeführerin einen weiteren medizinischen Befund vor.
Die belangte Behörde gab in der Folge weitere Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie und eines Facharztes für Neurologie unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag.
In dem auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 28.09.2020 basierenden orthopädischen Gutachten vom 12.10.2020 wurde Folgendes – hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben – ausgeführt:
„Anamnese:
Vorgutachten 6/2020 50%;
Derzeitige Beschwerden:
"Das Kreuz tut weh, ich habe Verspannungen und Schmerzen. Die Schulter schmerzt, die ist auch operiert. Die Hüften sind schlecht, auch die Sprunggelenke. Letztens bin ich gestürzt. Ich habe eine Morgensteifigkeit, ohne Pulver geht gar nichts. Im Bus kann ich mich nicht anhalten. Autofahren kann ich. Im Sitzen schlafen die Hände ein."
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Xefo, Voltaren, Norvasc, Ramipiril, Temesta, Pantoloc.
Sozialanamnese:
verheiratet, 4 Kinder; in Pension
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Vorgutachten 6/2020; MRt HWS DZ XXXX 9/2020: Zustand nach anteriorer Fusion C5 bis C7 mit regulärem postoperativen Befund. Anschlussdegeneration C4/C5 mit Osteochondrose und flacher mediorechtslateraler Protrusion. Foramenstenose C4/C5 links.
Keine Discusherniation oder Vertebrostenose. Keine Myelopathie.
Annähernde Befundkonstanz zur Voruntersuchung.
LWS:Annähernd unverändert deutliche multisegmentale Osteochondrosen und Spondylarthrosen der LWS. Im Segment L1/L2 eine 4 mm breite mediorechtslaterale subligamentäre Discusherniation. Auch im Segment L4/L5 eine 4 mm breite mediorechtslaterale subligamentäre Discusherniation, hier auch schon beginnende Vertebrostenose. Postoperative Veränderungen bei L3/L4 rechts. Multisegmentale Foramenstenosen wie beschrieben.
Bericht Dr. XXXX 8/2020: Cervicalsyndrom mit pseudoradikulären Schmerzen in beiden OE
Belastungsabhängige Kreuzschmerzen bei multisegmentaler Osteochondrose
der LWS
St.p. Knie TEP rechts mit Revision März 2018, Knie-TEP links Mai 2018
St.p. ventraler Discektomie, intercorporaler Fusion und Spondylodese C5 auf
C7 am 20.07.2016 bei Osteochondrose C5-C7
St.p. Mikrodiscektomie L3/4 rechts 2014
St.p. DH-OP L4/5 1980
St.p. HWS OP von dorsal C6/7 1987 und C7/TM 1992
Ich bitte deshalb um Zuweisung zu der oben angeführten Bildgebung und ebenso zum NLG, um eine PNP ausschließen zu können.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut
Ernährungszustand:
sehr gut
Größe: 160,00 cm Gewicht: 85,00 kg Blutdruck:
Klinischer Status – Fachstatus:
Caput unauffällig, Collum o.B., WS im Lot, HWS in R 30-0-35, F 10-0-10, KJA 2 cm,
Reklination 12 cm. BWS-drehung 25-0-25, normale Lendenlordose, FKBA 35 cm, Seitneigung bis 10 cm ober Patella. Kein Beckenschiefstand. Thorax symmetrisch, Abdomen unauffällig.
Schultern in S 30-0-110, F 100-0-40, R bei F90 60-0-60, Ellbögen 0-0-125, Handgelenke 50-0-50, Faustschluß beidseits frei. Nacken-und Kreuzgriff eingeschränkt möglich. Hüftgelenke
in S 0-0-90, F 20-0-15, R 20-0-10, Kniegelenke rechts 0-0-70 zu links 0-5-110, Sprunggelenke
10-0-40.
Gesamtmobilität – Gangbild:
Gang in Sportschuhen mit 2 Krücken, aber auch ohne Gehbehelfe möglich.
Zehenspitzen- und Fersenstand möglich.
Status Psychicus:
Normale Vigilanz, regulärer Ductus.
Ausgeglichene Stimmungslage.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1
Aufbraucherscheinungen der Wirbelsäule und der großen Gelenke; Fusion C5/C6,Lumbalgie; Knietotalendoprothese beidseits, Abnützungserscheinungen beider Schultergelenke, Operation beider Sternoklavikulargelenke, Abnützung beide Hüft- und Sprunggelenke
2
Hypertonie
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Leiden im Wesentlichen unverändert; Hüftabnützung und Sprunggelenksabnützung wird miterfasst, ändern aber nichts am Grad der Behinderung. Leiden 1-3 des VGA werden zusammengefasst.
?
Dauerzustand
?
Nachuntersuchung -
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Eine wesentliche Mobilitätseinschränkung besteht nicht. Die Gehstrecke ist ausreichend, das sichere Ein-und Aussteigen und der sichere Transport sind gewährleistet. Aus orthopädischer Sicht bestehen keine höhergradigen Beweglichkeitsdefizite. Es bestehen keine Lockerungszeichen der Implantate.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
nein
Gutachterliche Stellungnahme:
Im Vordergrund stehen belastungsabhängige Beschwerden, die die Mobilität einschränken. Die Gesamtmobilität ist aber ausreichend, um kurze Wegstrecken, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, zu bewältigen. Kraft und Koordination sind ausreichend. Orthopädisch gesehen ist das Benützen von ÖVM zumutbar.“
In dem auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 21.10.2020 basierenden neurologischen Gutachten vom 06.11.2020 wurde Folgendes – hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben – ausgeführt:
„Anamnese:
VGA Orthopädie 16.6.2020;
degenerative Veränderung der Wirbelsäule, Fusion C5/6, 40%
Knietotalendoprothese bds. 40%
Abnützungserscheinungen beider Schultergelenkte, Operation beider Sternoklavikulargelenke 20%
Bluthochdruck 20%
Gesamt GdB 50%
Die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde als nicht ausreichend begründbar angesehen.
Im Rahmen eines Einspruches via KOBV vom 21.9.2020 wurde nun ein neuerliches Gutachten aus der Fachrichtung Orthopädie sowie Neurologie ... Zitat aus der Beschwerde: aufgrund der neurolog. zu beurteilenden ausstrahlenden Schmerzen und einer fraglichen Polyneuropathie wäre auch ein zusätzlich einzuholendes neurolog. Gutachten erforderlich.
Derzeitige Beschwerden:
der Finger 3 und 4 re. ist konstant taub, restliche Finger schlafen wechselnd ein. Die Fingerspitzen konstant taub, das Einschlafen der Finger vor allem nachts, Krämpfe in Zehen und Finger. Fußsohlen sind überempfindlich, brennend, Zehen sind alle taub, sie benützt eine Unterarmstützkrücke, für längere Strecken einen Rollator. Die Unterarmstützkrücke wird links geführt, da sie rechts nicht genug Kraft zum Halten derselbigen hat
Eine Nervenleitgeschwindigkeit wurde bis dato noch nicht durchgeführt, hier sei sie auf der Warteliste und würde angerufen sobald sie an die Reihe kommt.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Medikamente:
- Xefo
- Voltaren (bei Bedarf)
- Norvasc
- Ramipril
- Temesta
- Pantoloc
Unterarmstützkrücke, Brille
Pat. trägt Plastikclogs
Sozialanamnese:
verheiratet, 4 Kinder, war Straßenbahnfahrerin, in Pension, Wohnung im Erdgeschoss, trotzdem einige Stufen zu überwinden, barrierefreie Wohnung angesucht
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Neue Befunde:
Diagnosezentrum XXXX , 26.9.2020, MRT HWS:
Zustand nach anteriorer Fusion C5 bis C7 mit regulärem postoperativen Befund.
Anschlussdegeneration C4/C5. Foramenstenose C4/C5 links. Keine Discusherniation oder Vertebrostenose. Keine Myelopathie. Annähernde Befundkonstanz zur Voruntersuchung.
Doz. Dr. XXXX , FA Neurochirurgie, 25.8.2020:
Diagnose: Cervikalsyndrom mit pseudoradikulären Schmerzen in beiden OE, belastungsabhängige Kreuzschmerzen bei multisegmentaler Osteochondrose der LWS, St.
p. Knie TEP re. mit Revision März 2018, Knie TEP li. Mai 2018, St. p. ventraler Diskektomie, intercorporaler Fusion und Spondylodese C5 auf C7 am 20.7.2016 bei Osteochondrose C5C7, St. p. Mikrodiscektomie L3/4 re. 2014, St. p. DH-OP L4/5 1980, St. p. HWS OP von dorsal C6/7 1987 und C7/Th1 1992
Procedere: empfehle MRT der HWS und LWS, NLG der UE bds.
Anamnese: ... Schmerzen in den Händen und eine Schwäche in den Händen, sodass sie sich kaum anhalten kann. Zusätzlich beklagt sie Kreuzschmerzen und Schmerzen in den Beinen. Die Pat. ist mit einer Gehhilfe gehfähig. Die Schmerzen strahlen eher pseudoradikuär von der unteren LWS bzw. dem lumbkosakralen Übergang in den Bereich der UE aus. Zusätzlich Brennen an Fußsohlen bds., HWS schmerzbedingt allseits in Rotation/Reklination und Inklination eingeschränkt beweglich. Fingerspreizen 2/5 Parese, Faustschluss 2/5 Parese bds., Beugen und Strecken im Ellbogengelenk gegen Widerstand 3/5 bds.,
Fingerbodenabstand rund 20 cm, aktive Vorfußhebung und Streckung bds. inkomplett.
MRT LWS 26.9.2020:
Annähernd unverändert deutliche multisegmentale Osteochondrosen und
Spondylarthrosen der LWS. Im Segment L1/L2 eine 4 mm breite mediorechtslaterale subligamentäre Discusherniation. Auch im Segment L4/L5 eine 4 mm breite mediorechtslaterale subligamentäre Discusherniation, hier auch schon beginnende Vertebrostenose. Postoperative Veränderungen bei L3/L4 rechts.
Multisegmentale Foramenstenosen wie beschrieben.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
Ernährungszustand:
Größe: cm Gewicht: kg Blutdruck:
Klinischer Status – Fachstatus:
Hilfe beim Schuhe und Socken an- und ausziehen wird von der Tochter geleistet, freies Gehen möglich, Transfer auf und von der Liege möglich
HN: Visus mit Brille korrigiert
HWS in Ante- und Retroflexion eingeschränkt sowie Rotation li. vor re. eingeschränkt
OE: Rechtshändigkeit, VdA o.B., FNV geringgradig zielunsicher, Feinmotorik eingeschränkt, grobe Kraft prox. KG 4-5 (Schulterheben schmerzbedingt eingeschränkt), distal:
Faustschluss re. 3-, li. 3, Fingerspreizen bds. 3, Fingerbeugen bds. 4-5, Biceps 4-, Triceps 4, Trophik, Tonus o.B
UE: MER nicht auslösbar, Babinski bds. neg., deutliche Narben über das Knie nach
Knieendoprothese, grobe Kraft: prox. 4-5, Kniestrecken und -beugen kann aufgrund Angabe von Schmerzen nicht suffizient beurteilt werden, Vorfußheben 3-4, -senken 4, KHV aufgrund Kniebeschwerden nur eingeschränkt leistbar, Lasegue bds.neg., Klage von immer wieder einschießenden Krämpfen in die Zehen bzw. ins re. Fußgewölbe (motorische
Symptome diesbezüglich nicht beobachtbar), VdB einzeln möglich
Stand: unauffällig, Parallelstand unauffällig, keine Unsicherheit bei Augenschluss, Zehenstand kurz möglich, Fersenstand nicht möglich
selbständiges Aufrichten von der Liege möglich
Gang: etwas verbreitert, mittelschrittig, geringgradig verlangsamt jedoch ausreichend schnell und sicher mit etwas vorgebeugten Oberkörper, ohne Hilfsmittel intramural
möglich
Sensibilität: Hypästhesie an den Fingerspitzen sowie unscharf C7 li. (eher pseudoradikulär), Hypästhesie re. ab dem Knie distalwärts, deutliche Hypästhesie bds. am Vorfuß, auf spitz/stumpf eine Hyperästhesie an den Fußsohlen wird berichtet
Gesamtmobilität – Gangbild:
s.o.
Status Psychicus:
Pat. klar, wach, orientiert, Duktus nachvollziehbar, das Ziel erreichend, keine produktive
Symptomatik oder wahnhafte Verarbeitung, Stimmung ausgeglichen, bds. ausreichend affizierbar, Realitätssinn erhalten, Auffassung, Konzentration uneingeschränkt, jedoch klagsam in Bezug auf berichtete Schmerzsymptomatik
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1
Verdacht auf Polyneuropathie der unteren Extremitäten
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Von der AW beschriebenen und vom Neurochirurgen Prof. XXXX diagnostizierten pseudoradikulären Schmerzen in beiden UE sind im Rahmen der orthopädischen Situation der HWS zu beurteilen, da im Untersuchungsbefund nicht eindeutig radikulär zu beurteilen und vom FA für Neurochirurgie als pseudoradikulär beschrieben.
Eine suspizierte zusätzlich bestehende Polyneuropathie der UE kann aufgrund einer noch nicht durchgeführten Nervenleitgeschwindigkeit, somit fehlender Hilfsbefunde nicht eingeschätzt werden.
?
Dauerzustand
?
Nachuntersuchung -
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
--
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
nein
Gutachterliche Stellungnahme:
s.o.“
In einer von der belangten Behörde in Auftrag gegebenen Gesamtbeurteilung dieser beiden Gutachten durch einen Facharzt für Orthopädie vom 15.11.2020 wurde Folgendes – hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben – ausgeführt:
„Zusammenfassung der Sachverständigengutachten
Name der/des SV
Fachgebiet
Gutachten vom
Dr. XXXX
Neurologie
03.11.2020
Dr. XXXX
Orthopädie
05.10.2020
Die genannten Gutachten sind ein wesentlicher Bestandteil dieser Gesamtbeurteilung.
Auflistung der Diagnosen aus oa. Einzelgutachten zur Gesamtbeurteilung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1
Aufbraucherscheinungen der Wirbelsäule und der großen Gelenke; Fusion C5/C6,Lumbalgie; Knietotalendoprothese beidseits, Abnützungserscheinungen beider Schultergelenke, Operation beider Sternoklavikulargelenke, Abnützung beide Hüft- und Sprunggelenke
2
Verdacht auf Polyneuropathie der unteren Extremitäten
3
Hypertonie
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Leiden im Wesentlichen unverändert; Hüftabnützung und Sprunggelenksabnützung wird miterfasst, ändern aber nichts am Grad der Behinderung. Leiden 1-3 des VGA werden zusammengefasst. Leiden 2 - Verdacht auf Polyneuropathie - ist neu.
?
Dauerzustand
?
Nachuntersuchung -
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Eine wesentliche Mobilitätseinschränkung besteht nicht. Die Gehstrecke ist ausreichend, das sichere Ein-und Aussteigen und der sichere Transport sind gewährleistet, und zwar aus orthopädischer und neurologischer Sicht.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
nein
Gutachterliche Stellungnahme:
Im Vordergrund stehen belastungsabhängige Beschwerden, die die Mobilität einschränken. Die Gesamtmobilität ist aber ausreichend, um kurze Wegstrecken, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, zu bewältigen. Kraft und Koordination sind ausreichend. Orthopädisch und neurologisch gesehen ist das Benützen von ÖVM zumutbar.“
Mit Schreiben vom 16.11.2020 brachte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin diese Gutachten und die Gesamtbeurteilung als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihr die Möglichkeit einer Stellungnahme ein. Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ würden nicht vorliegen.
Die Beschwerdeführerin erstattete keine Stellungnahme.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 14.12.2020 wies die belangte Behörde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 04.08.2020 ab. Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung würden nicht vorliegen. Die aufgrund der fristgerechten Beschwerde durchgeführte ärztliche Begutachtung habe ergeben, dass die Voraussetzungen für Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass nicht vorliegen würden. Die wesentlichen Ergebnisse des Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Der Beschwerdeführerin sei Gelegenheit gegeben worden, dazu Stellung zu nehmen. Da eine Stellungnahme innerhalb der gesetzten Frist nicht eingelangt sei, habe vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht abgegangen werden können. Die Ergebnisse der ärztlichen Begutachtung seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden. Mit der Beschwerdevorentscheidung wurden der Beschwerdeführerin die beiden ärztlichen Sachverständigengutachten und die Gesamtbeurteilung übermittelt.
Mit Schreiben vom 05.01.2021 stellte die Beschwerdeführerin durch ihre bevollmächtigte Vertretung fristgerecht einen Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass betreffend die Voraussetzungen der Zusatzeintragung weiterhin auf die Ausführungen in der Beschwerde verwiesen werde. Betreffend die Ausführungen in einem Gutachten, wonach die Polyneuropathie nicht durch eine NGL belegt sei, werde ausgeführt, dass diese in den nächsten Wochen eingeholt und der entsprechende Befund nachgereicht werde.
Mit Schreiben vom 07.01.2021 legte die belangte Behörde die Beschwerde, den Vorlageantrag und den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor, wo diese am selben Tag einlangten.
Mit Schreiben vom 26.03.2021 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerdeführerin, den im Vorlageantrag angeführten Befund über die Nervenleitgeschwindigkeit bis spätestens 09.04.2021 vorzulegen.
Mit Eingaben vom 08.04.2021 und 29.04.2021 stellte die Beschwerdeführerin durch ihre bevollmächtigte Vertretung betreffend die Vorlage dieses Befundes jeweils Anträge auf Fristerstreckung bis (zuletzt) 22.05.2021, denen vom Bundesverwaltungsgericht jeweils formlos stattgegeben wurde.
Mit Eingabe vom 19.05.2021 legte die Beschwerdeführerin durch ihre bevollmächtigte Vertretung den Befund zur Nervenleitgeschwindigkeit vor.
Mit Auftragsschreiben vom 28.05.2021 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht einen Facharzt für Neurologie um Erstellung eines medizinischen Sachverständigenbeweises, basierend auf der Aktenlage.
Nach Rückmeldung des beauftragten Sachverständigen, dass es zur Erstellung des Gutachtens einer persönlichen Untersuchung bedürfe, wurde die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 08.06.2021 zu einem Untersuchungstermin geladen.
In dem auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 29.06.2021 basierenden neurologischen Gutachten vom selben Tag, eingelangt am 07.09.2021, wurde Folgendes – hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben – ausgeführt:
„Anamnese: Kommt in Begleitung (wartet draußen), es besteht ein Z.n. Bandscheiben OPs im Bereich der HWS und LWS, Knie TEP bds., es wurde ein Cervikalsyndrom festgestellt, durch NLG wurde ein Karpaltunnelsyndrom und eine PNP festgestellt.
Nervenärztliche Betreuung: keine
Subjektive derzeitige Beschwerden: Schmerzen in den OE in der Nacht, hat
besonders in den OE Gefühlstörungen auch in den UE
Sozialanamnese: verheiratet, pensioniert, kein Pflegegeld, keine
Erwachsenvertretung
Medikamente (neurologisch/ psychiatrisch): Mexalen 500mg, Temesta 1mg
0003, Seractil
Neurostatus:
Die Hirnnerven sind unauffällig, die Optomotorik ist intakt, an den oberen Extremitäten bestehen keine Paresen, Faustschluss bds etwas eingeschränkt möglich. Die Muskeleigenreflexe sind seitengleich untermittellebhaft auslösbar, die Koordination ist intakt, an den unteren Extremitäten bestehen keine Paresen, Fersen/ Zehenspitzen/ Einbeinstand bds. kurz möglich die Muskeleigenreflexe sind seitengleich untermittellebhaft auslösbar. Die Koordination ist intakt, die Pyramidenzeichen sind an den oberen und unteren Extremitäten negativ. Die Sensibilität wird in den OE bds pseudoradikulär verteilt als gestört und in den DE re an der Aussenseite des Unterschenkels als gestört angegeben. Das Gangbild ist mit 1 Stock am Gang relativ flüssig, Stiegensteigen mit Anhalten möglich
Psychiatrischer Status:
Örtlich, zeitlich, zur Person und situativ ausreichend orientiert, keine Antriebsstörung, Auffassung regelrecht, Affekt ausgeglichen, Stimmungslage dysthym, in beiden Skalenbereichen affizierbar. Ein und Durchschlafstörung, keine produktive Symptomatik, keine Suizidalität.
1.) Diagnosen (nervenärztlich):
Karpaltunnelsyndrom bds.
Gemischte Polyneuropathie der UE
2.) Aus nervenärztlicher Sicht: Es liegen keine Funktionseinschränkungen aus nervenärztlicher Sicht vor, die das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke (300- 400m) das Ein und Aussteigen bei den üblichen Niveauunterschieden ohne fremde Hilfe oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel erheblich erschweren. Die Fortbewegung mit 1 Stock ist zumutbar.
3.) Abl. 84-86: Die sensomotorischen Ausfallserscheinungen sind gering ausgeprägt, bezüglich des Karpaltunnelsyndroms bds bestehen Therapieoptionen mit ursächlicher Behandlungsmöglichkeit
4.) OZ.7: Für das Karpaltunnelsyndrom bds. bestehen Therapieoptionen, die durch NLG gesicherte PNP bedingen keine schweren sensomotorischen Ausfälle
5.) Abl. 59, 93, 99, 104. Es wurde nunmehr eine NLG Untersuchung beigebracht, dies bedingt jedoch keine andere Einschätzung bezüglich Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel, da keine maßgeblichen sensomotorischen Funktionsausfälle objektiviert werden können bzw. Therapieoptionen bezüglich des Karpaltunnelsyndroms bds. bestehen.
6.) Dauerzustand“
Mit Schreiben vom 13.09.2021 brachte das Bundesverwaltungsgericht den Verfahrensparteien dieses Gutachten in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihnen die Möglichkeit einer Stellungnahme ein.
Die Verfahrensparteien erstatteten keine Stellungnahmen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines Behindertenpasses mit einen Grad der Behinderung von 50 v. H.
Sie stellte am 20.05.2020 beim Sozialministeriumservice einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass.
Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
- Aufbraucherscheinungen der Wirbelsäule und der großen Gelenke, Fusion C5/C6, Lumbalgie; Knietotalendoprothese beidseits, Abnützungserscheinungen beider Schultergelenke, Operation beider Sternoklavikulargelenke, Abnützung beider Hüft- und Sprunggelenke
- Karpaltunnelsyndrom beidseits
- Gemischte Polyneuropathie der unteren Extremitäten
- Hypertonie
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist der Beschwerdeführerin trotz dieser Funktionseinschränkungen möglich und zumutbar. Die Leidenszustände der Beschwerdeführerin stellen zweifellos eine Beeinträchtigung ihres Alltagslebens dar, schränken jedoch den Transport mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erheblich ein.
Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, der wechselseitigen Leidensbeeinflussung und insbesondere der Auswirkungen der Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen in den oben wiedergegebenen aktuellen orthopädischen und neurologischen Sachverständigengutachten vom 12.10.2020 und 29.06.2021 zu Grunde gelegt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Behindertenpass und zur Antragsstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Abweisung der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ führt, gründet sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 12.10.2020 und das durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie vom 29.06.2021, basierend auf persönlichen Untersuchungen der Beschwerdeführerin am 28.09.2020 bzw. 29.06.2021. Dabei berücksichtigten die Sachverständigen die von der Beschwerdeführerin in Vorlage gebrachten medizinischen Beweismittel.
Trotz der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen erreichen diese Einschränkungen kein Ausmaß, das eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bedingen würde. Der orthopädische Sachverständige stellte diesbezüglich – betreffend die orthopädischen Leiden – im Wesentlichen fest, dass keine wesentliche Mobilitätseinschränkung bestehe. Die Gehstrecke sei ausreichend, das sichere Ein-und Aussteigen und der sichere Transport seien gewährleistet. Aus orthopädischer Sicht bestünden keine höhergradigen Beweglichkeitsdefizite. Es bestünden auch keine Lockerungszeichen der Implantate. Im Vordergrund stünden belastungsabhängige Beschwerden, die die Mobilität einschränken. Die Gesamtmobilität sei aber ausreichend, um kurze Wegstrecken, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, zu bewältigen. Kraft und Koordination seien ausreichend. Orthopädisch gesehen sei das Ben