TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/15 W133 2243416-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.11.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

15.11.2021

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W133 2243416-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landstelle Wien, vom 11.02.2021, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte zuletzt im Jahr 2017 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice, Landstelle Wien (in der Folge als „belangte Behörde“ bezeichnet), welcher nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens, in welchem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Insulinpflichtiger Diabetes

Oberer Rahmensatz, da funktionelle Diabeteseinstellung.

09.02.02

40

2

Beginnende degenerative Veränderungen des Stütz- und

Bewegungsapparates

Oberer Rahmensatz, da Beschwerden vor allem im Bereich der

Handgelenke und der Lendenwirbelsäule ohne relevantes funktionelles Defizit.

02.02.01

20

3

Obstruktives Schlafapnoesyndrom

Unterer Rahmensatz, da Indikation zu nächtlicher Beatmungstherapie ohne nächtliche Sauerstoffzufuhr.

06.11.02

20

4

Varikositas links

Unterer Rahmensatz, da sichtbare Varizen ohne sonstige Schäden.

05.08.01

10

5

Bluthochdruck

05.01.01

10

zugeordnet wurden und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 von Hundert (v.H.) eingeschätzt wurde, mit Bescheid vom 14.05.2018 abgewiesen wurde.

Am 20.10.2020 stellte der Beschwerdeführer den nunmehr gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice. Dem Antrag legte er Röntgen- bzw. MRT-Befunde näher genannter Fachärzte für Orthopädie vom 07.07.2020, 28.07.2020 und 17.09.2020 sowie einen Entlassungsbericht eines näher genannten Krankenhauses vom 06.10.2020 bei.

In der Folge holte die belangte Behörde ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung ein. In diesem Gutachten vom 30.12.2020 wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Insulinpflichtiger Diabetes bei stabiler Stoffwechsellage

Oberer Rahmensatz, da funktionelle Diabeteseinstellung.

09.02.02

40

2

Beginnende degenerative Veränderungen des Stütz- und

Bewegungsapparates

Oberer Rahmensatz, da Beschwerden vor allem im Bereich des rechten Kniegelenks und der Wirbelsäule ohne relevantes funktionelles Defizit.

02.02.01

20

3

Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom

Unterer Rahmensatz, da nächtliche Beatmungstherapie ohne nächtliche Sauerstoffzufuhr erforderlich.

06.11.02

20

4

Varikositas links

Unterer Rahmensatz, da keine ausgeprägte Schwellungsneigung.

05.08.01

10

5

Bluthochdruck

05.01.01

10

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. eingeschätzt. Begründend führte die Gutachterin aus, dass das Leiden 1 durch die weiteren Leiden nicht erhöht werde, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliege. Die operierte „hernia inguinalis dext“ erreiche keinen Grad der Behinderung, da keine behinderungsrelevanten Folgeschäden vorliegen würden. Zudem würde eine Gesundheitsschädigung (Zuckerkrankheit, GdB: 40 v.H.) im Sinne von Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung vorliegen.

Mit Schreiben vom 30.12.2020 räumte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Das Gutachten vom 30.12.2020 wurde dem Beschwerdeführer als Beilage übermittelt.

Der Beschwerdeführer erstattete innerhalb der ihm dafür eingeräumten Frist keine Stellungnahme.

Mit Bescheid vom 11.02.2021 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 20.10.2020 auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab, da er mit einem Grad der Behinderung von 40% die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf das im Ermittlungsverfahren eingeholte Gutachten, wonach der Grad der Behinderung 40% betrage, sowie auf die vom Beschwerdeführer nicht genützte Möglichkeit zur Stellungnahme zu den Beweisergebnissen.

Mit Schreiben vom 01.04.2021 brachte der Beschwerdeführer fristgerecht eine als „Einspruch“ bezeichnete Beschwerde gegen den Bescheid vom 11.02.2021 bei der belangten Behörde ein. Darin führt er im Wesentlichen aus, dass er mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 40 v.H. unzufrieden sei. Er vermute, dass die Sachverständige etwas gegen ihn habe, weshalb er sich einer weiteren Untersuchung durch einen anderen Sachverständigen unterziehen wolle. Der Beschwerde legte er – neben bereits vorgelegten medizinischen Unterlagen – weitere MRT- bzw. Röntgen-Befunde näher genannter Ärzte vom 17.12.2020 und 26.02.2021 sowie einen vorläufigen Entlassungsbericht eines näher genannten Krankenhauses vom 28.09.2020 bei.

Aufgrund der eingebrachten Beschwerde und der neu vorgelegten Befunde holte die belangte Behörde ein ergänzendes Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage jener Fachärztin für Unfallchirurgie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin, welche bereits das Gutachten vom 30.12.2020 erstellt hatte, unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung ein. In diesem Aktengutachten vom 27.04.2021 wurden auf Grundlage der neu vorgelegten Befunde die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Insulinpflichtiger Diabetes bei stabiler Stoffwechsellage

Oberer Rahmensatz, da funktionelle Diabeteseinstellung.

09.02.02

40

2

Beginnende degenerative Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates

Oberer Rahmensatz, da Beschwerden vor allem im Bereich des rechten Kniegelenks und der Wirbelsäule ohne relevantes funktionelles Defizit.

02.02.01

20

3

Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom

Unterer Rahmensatz, da nächtliche Beatmungstherapie ohne nächtliche Sauerstoffzufuhr erforderlich.

06.11.02

20

4

Varikositas links

Unterer Rahmensatz, da keine ausgeprägte Schwellungsneigung.

05.08.01

10

5

Bluthochdruck

05.01.01

10

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. eingeschätzt. Begründend führte die Gutachterin aus, dass das Leiden 1 durch die weiteren Leiden nicht erhöht werde, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliege. Die operierte „hernia inguinalis dext“ erreiche keinen Grad der Behinderung, da keine behinderungsrelevanten Folgeschäden vorliegen würden. Die Gutachterin führte weiters aus, dass die bei der Begutachtung am 17.12.2020 anhand einer gründlichen orthopädischen und allgemeinmedizinischen Untersuchung festgestellten Defizite im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates in der Beurteilung hinsichtlich der Einstufung nach der Einschätzungsverordnung in vollem Umfang berücksichtigt worden seien, höhergradige Funktionseinschränkungen im Bereich der Wirbelsäule und des Bewegungsapparates hätten nicht festgestellt werden können. Sämtliche in den nachgereichten Befunden dokumentierte Abnützungserscheinungen seien in der Einschätzung bereits erfasst, die Befunde würden keine neuen Erkenntnisse beinhalten, welche das vorhandene Begutachtungsergebnis entkräften könnten, sodass daran festgehalten werde. Zudem würden Gesundheitsschädigungen (Zuckerkrankheit, GdB: 40 v.H., und Erkrankungen des Verdauungssystems; GdB: 10 v.H.) im Sinne von Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung vorliegen.

Mit Schreiben vom 28.04.2021 räumte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Das Aktengutachten vom 27.04.2021 wurde dem Beschwerdeführer als Beilage übermittelt.

Der Beschwerdeführer erstattete innerhalb der ihm dafür eingeräumten Frist keine Stellungnahme. Das nunmehrige Sachverständigengutachten wurde somit nicht bestritten.

Die belangte Behörde erließ in der Folge aufgrund des Ablaufes der Frist keine Beschwerdevorentscheidung und legte am 15.06.2021 dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.

Auf telefonische Nachfrage des Bundesverwaltungsgerichtes teilte die belangte Behörde am 18.08.2021 mit, dass der Beschwerdeführer nach der Beschwerdeeinbringung vom 01.04.2021 keine weiteren Unterlagen zum Verfahren vorgelegt hat.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer brachte am 20.10.2020 beim Sozialministeriumservice den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ein.

Er hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1.       Insulinpflichtiger Diabetes bei stabiler Stoffwechsellage, funktionelle Diabeteseinstellung;

2.       Beginnende degenerative Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates, Beschwerden vor allem im Bereich des rechten Kniegelenks und der Wirbelsäule ohne relevantes funktionelles Defizit;

3.       Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom, bei nächtlicher Beatmungstherapie ohne nächtliche Sauerstoffzufuhr;

4.       Varikositas links, keine ausgeprägte Schwellungsneigung;

5.       Bluthochdruck.

Beim Beschwerdeführer liegt zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt kein Grad der Behinderung von 50 v.H. vor.

Das Leiden 1 wird durch die übrigen Leiden nicht weiter erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken der Leiden vorliegt.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, medizinischer Diagnose, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen in den von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin vom 30.12.2020 und 27.04.2021 der nunmehrigen Entscheidung zu Grund gelegt.

Unter Berücksichtigung der dem Gericht vorliegenden medizinischen Befunde und der Untersuchungsergebnisse ist eine höhere Einschätzung der festgestellten Leidenszustände zum Entscheidungszeitpunkt nicht möglich. Diesbezüglich wird auch auf die Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung verwiesen.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergibt sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht aktuell eingeholten Auszug aus dem zentralen Melderegister und seinen eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Die Feststellung, dass beim Beschwerdeführer zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt kein Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. vorliegt, basiert auf den von der belangten Behörde eingeholten Gutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin vom 30.12.2020 und 27.04.2021. In diesen Gutachten wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, welche auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befund und den im Verfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen basieren, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die oben auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen in den Gutachten verwiesen). Die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Mit dem Beschwerdevorbringen wird keine Rechtswidrigkeit der von der medizinischen Sachverständigen in ihren Gutachten vom 30.12.2020 und 27.04.2021 vorgenommenen einzelnen Einstufungen der festgestellten Leiden behauptet und ist eine solche auch von Amts wegen nicht ersichtlich. Die von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten schlüsseln konkret und umfassend auf, welche Funktionseinschränkungen beim Beschwerdeführer vorliegen und voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden. Das von der belangten Behörde im Rahmen eines Beschwerdevorentscheidungsverfahrens eingeholte Aktengutachten vom 27.04.2021 wurde vom Beschwerdeführer nicht mehr bestritten.

Das als „insulinpflichtiger Diabetes bei stabiler Stoffwechsellage“ bezeichnete führende Leiden 1 des Beschwerdeführers wurde von der beigezogenen medizinischen Sachverständigen in ihren Gutachten vom 30.12.2020 und 27.04.2021 zutreffend der gleichlautenden Positionsnummer 09.02.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet. Die Zuordnung unter dem oberen Rahmensatz dieser Positionsnummer mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 40 v.H. erweist sich unter Berücksichtigung der funktionellen Diabeteseinstellung und der stabilen Stoffwechsellage ebenfalls als nachvollziehbar und richtig.

Auch die Beurteilung des Leidens 2 des Beschwerdeführers („Beginnende degenerative Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates“) erfolgte in den von der belangten Behörde eingeholten Gutachten schlüssig und widerspruchsfrei anhand der festgestellten Funktionsdefizite, welche für die Beurteilung nach der Einschätzungsverordnung relevant sind. Die Funktionseinschränkung wurde entsprechend dem vorliegenden Ausmaß dem oberen Rahmensatz der Positionsnummer 02.02.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, welche generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates mit funktionellen Auswirkungen geringen Grades betrifft, mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 20 v.H. zugeordnet. Im Hinblick auf die im Zuge der persönlichen Untersuchung am 17.12.2020 nicht objektivierbaren relevanten funktionellen Einschränkungen wurde den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Beschwerden im Bereich des rechten Knies und der Wirbelsäule mit der Heranziehung des oberen Rahmensatzes dieser Positionsnummer ausreichend hoch Rechnung getragen. Auch die vom Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerde nachgereichten Befunde belegen keine höhergradigen Funktionseinschränkungen, sämtliche darin dokumentierten Abnützungserscheinungen wurden bereits vollumfänglich in den gutachterlichen Einschätzungen vom 30.12.2020 und 27.04.2021 erfasst.

Auch die Einschätzung der weiteren vorliegenden Leiden (Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom / Varikositas links / Bluthochdruck) ist durch die beigezogene Fachärztin für Unfallchirurgie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin im Rahmen der Anlage zur Einschätzungsverordnung korrekt erfolgt. Diese Einstufungen wurden vom Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerde ebenfalls nicht substantiiert bestritten.

Die Feststellung der beigezogenen Fachärztin für Unfallchirurgie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin in ihren Gutachten vom 30.12.2020 und 27.04.2021, dass das führende Leiden 1 durch die weiteren Leiden nicht erhöht wird, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliegt, weshalb der Gesamtgrad der Behinderung von ihr insgesamt mit 40 v.H. angenommen wurde, ist ebenfalls nachvollziehbar und nicht zu beanstanden.

Festzuhalten ist des Weiteren, dass die Einschätzung der sachverständigen Fachärztin für Unfallchirurgie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin, dass eine operierte „Hernia inguinalis dext“ keinen Grad der Behinderung erreicht, da keine behinderungsrelevanten Folgeschäden vorliegen, nicht zu beanstanden ist. Diese Einschätzung wurde vom Beschwerdeführer weder im Rahmen der Beschwerde bestritten, noch legte er im Verfahren dieser Einschätzung widersprechende Befunde vor.

Insoweit in der Beschwerde eine Beanstandung der am 17.12.2020 durchgeführten Untersuchung des Beschwerdeführers zum Ausdruck gebracht wird, als der Beschwerdeführer ausführt, dass die näher genannte Sachverständige „etwas gegen ihn habe“ und er aus diesem Grund eine Untersuchung durch einen anderen Sachverständigen wünsche, sei zunächst darauf hingewiesen, dass die persönliche Untersuchung des Beschwerdeführers sowie die Gutachtenserstattung gar nicht von jener Sachverständigen durchgeführt wurde, gegen die sich der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde namentlich wendet. Ungeachtet dessen lassen sich aber aus dem medizinischen Sachverständigengutachten vom 30.12.2020 auch keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte für die Annahme entnehmen, dass beim Beschwerdeführer keine fachgerechte bzw. eine zu nicht zutreffenden Untersuchungsergebnissen führende Untersuchung durchgeführt worden wäre – die Aufzeichnungen im Rahmen des erhobenen Fachstatus lassen vielmehr eine äußerst umfangreiche Statuserhebung erkennen – und ergibt sich eine solche Annahme auch nicht aus dem diesbezüglich nicht ausreichend substantiierten Vorbringen in der Beschwerde.

Die dokumentierten Funktionseinschränkungen sind in Zusammenschau mit dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen Status somit vollumfänglich – soweit ein einschätzungsrelevantes Leiden vorliegt – berücksichtigt worden. Aufgrund des festgestellten Ausmaßes der Funktionseinschränkungen war zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung nicht möglich. Der Beschwerdeführer legte im Rahmen seiner Beschwerde auch keine weiteren Beweismittel vor, die den Gutachtensergebnissen widersprechen würden.

Der Beschwerdeführer ist schließlich den Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorliegenden Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin vom 30.12.2020 und 27.04.2021. Diese Gutachten werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

„§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.“

§ 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung), StF: BGBl. II Nr. 261/2010, lautet in der geltenden Fassung:

"Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine."

Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt wurde, werden der gegenständlichen Entscheidung die Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin vom 30.12.2020 und 27.04.2021 zu Grunde gelegt, wonach zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. vorliegt. Die vorliegenden Gutachten sind – wie bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt wurde – widerspruchsfrei, vollständig und schlüssig. Die Funktionseinschränkungen wurden auch nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft. Die Beschwerdeeinwendungen wurden im Beschwerdeverfahren ordnungsgemäß und nachvollziehbar berücksichtigt, jedoch waren die erhobenen Einwendungen nicht geeignet, die vorliegenden Gutachten zu entkräften. Auch wurden vom Beschwerdeführer keine Beweismittel vorgelegt, die geeignet wären, die Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene zu entkräften.

Das führende Leiden 1 wird durch die übrigen Leiden nicht weiter erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken der Leiden vorliegt, weshalb der Gesamtgrad der Behinderung daher korrekt mit 40 v.H. angenommen wurde.

Beim Beschwerdeführer liegt daher aktuell kein Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. vor.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren objektivierten Verschlechterung des Leidenszustandes eine neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Im gegenständlichen Fall wurde die Frage des Gesamtgrades der Behinderung unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus weder von der belangten Behörde noch vom Beschwerdeführer eine mündliche Verhandlung beantragt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W133.2243416.1.00

Im RIS seit

09.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten