TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/18 W133 2245410-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.11.2021
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Entscheidungsdatum

18.11.2021

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W133 2245410-1/4E
W133 2243893-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX , gegen

1.) den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 09.04.2021, betreffend die amtswegige Berichtigung des Behindertenpasses wegen Wegfalls der Voraussetzungen betreffend die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ sowie

2.) den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 07.05.2021, betreffend die amtswegige Aberkennung der Begünstigteneigenschaft, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 09.04.2021 wird als unbegründet abgewiesen.

II. In Erledigung der Beschwerde gegen den Bescheid vom 07.05.2021 wird der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert:

„Der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt ab 22.06.2021 50 v.H. Der Beschwerdeführer gehört somit weiterhin dem Kreis der begünstigten Behinderten an.“

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG in beiden Fällen nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer ist derzeit Inhaber eines Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 von Hundert (v.H.).

Mit Bescheid des damaligen Bundessozialamts, Landesstelle Wien, war aufgrund des Antrags des Beschwerdeführers vom 29.11.2004 festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer ab 30.11.2004 dem Kreis der begünstigten Behinderten gemäß § 2 Abs. 1 BEinstG angehört. Festgestellt wurde zum damaligen Zeitpunkt ein Grad der Behinderung von 70 v.H.

Im vorangegangenen Ermittlungsverfahren war ein Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Orthopädie vom 02.03.2005 auf Grundlage der Bestimmungen der Richtsatzverordnung eingeholt worden, worin nach einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers die relevanten Funktionsstörungen (1.) „Partieller Querschnitt D4 mit vorwiegender Parese der linken unteren Extremität […] Restitutionstendenz gut“, (2.) „Zustand nach Bruch des 4. BWK im 1. Jahr“ sowie (3.) „geringgradiges organisches Psychosyndrom […] geringe Ausprägung“ diagnostiziert wurden und aufgrund ungünstiger wechselseitiger Leidensbeeinflussung ein Gesamtgrad der Behinderung von 70 v.H. beurteilt wurde. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde vom Sachverständigen als zumutbar beurteilt.

In einem weiteren vom Bundessozialamt, Landesstelle Wien, eingeholten Gutachten vom 28.11.2008 wurden die Funktionseinschränkungen (1.) „partielles Querschnittssysndrom D4 nach Unfall […] Blasen/Mastdarmstörung geringen Grades, jedoch nur geringes motorisches Defizit links“, (2.) „geringes posttraumatisches organisches Psychosyndrom […] gute Rückbildung seit dem Unfall und nur geringe Defizite“ sowie (3.) „Zustand nach Wirbelbruch und Osteosynthese Th IV 8/04 […] höhergradige Funktionsstörung nachweisbar“ erhoben und unter Berücksichtigung einer teilweisen (ungünstigen) Leidensüberschneidung von Leiden 1 und 3 ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. festgestellt. Aus gegenwärtiger Sicht sei von einem Dauerzustand auszugehen. Zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führte der Sachverständige im Wesentlichen aus, dass zwar eine Gehbehinderung vorliege, es jedoch keine Auswirkungen für die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels zu den üblichen Bedingungen gebe.

Infolgedessen wurde der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers mit Bescheid des Bundessozialamts, Landesstelle Wien, vom 05.12.2007 von Amts wegen ab 13.06.2007 mit 60 v.H. festgesetzt.

Laut Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes verfügte der Beschwerdeführer in weiterer Folge über einen Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung vom 60 v.H. und der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“. Zuletzt wurde ihm am 20.12.2018 ein Parkausweis für Behinderte (§ 29b StVO) ausgestellt.

Das Sozialministeriumsservice, Landesstelle Wien (im Folgenden auch als „belangte Behörde“ bezeichnet) forderte den Beschwerdeführer im amtswegig eingeleiteten Verfahren auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass mit Schreiben vom 25.09.2020 zur Vorlage aktueller Befunde auf. Der Beschwerdeführer legte ein Konvolut an Befunden vor.

Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Neurologie vom 09.11.2020 ein. In diesem wurden nach einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

Inkompletter Querschnitt bei Status post Th 4-Fraktur, Osteosynthese von Th 2 bis 6 2003

Im oberen Rahmensatz bei Tonuserhöhung des linken Beins und diskreter Schwäche ebendort, sensibles Niveau ab Th9 links; Spasmen im Rahmensatz inkludiert

04.03.01

40

2

Kleiner, rechts-intraforaminal sequestrierender Prolaps L4/L5

Im oberen Rahmensatz bei sensiblem Defizit L4 links

02.01.01

20

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 von Hundert (v.H.) eingeschätzt. Begründend führte die Sachverständige aus, dass das führende Leiden 1 durch das Leiden 2 mangels maßgeblichem ungünstigen funktionellen Zusammenwirkens nicht erhöht werde. Im Vergleich zum Vorgutachten seien die damaligen Leiden 1 und 3 aktuell im nunmehrigen Leiden 1 zusammengefasst und aufgrund der eingetretenen Besserung geringer eingeschätzt. Das ehemalige Leiden 2 sei mangels Befunddokumentation bzw. Objektivierbarkeit im Rahmen der Untersuchung weggefallen. Das nunmehrige Leiden 2 sei neu hinzugetreten. Keine der Funktionseinschränkungen mache die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar.

Mit Schreiben vom 09.11.2020 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass die Voraussetzungen für einen Behindertenpass nicht mehr vorliegen würden und räumte ihm ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Das Gutachten vom selben Tag wurde als Beilage übermittelt. Der Beschwerdeführer erstattete innerhalb dieser Frist keine Stellungnahme.

Mit Schreiben vom 11.12.2020 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer weiters mit, dass auch die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten nicht mehr vorliegen würden und räumte ihm ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Das Gutachten vom 09.11.2020 wurde erneut als Beilage übermittelt.

Der Beschwerdeführer legte in der Folge zunächst ein Konvolut an Befunden vor. Mit E-Mail vom 15.03.2021 führte er aus, er könne den ermittelten reduzierten Grad der Behinderung nicht nachvollziehen und akzeptieren.

Die belangte Behörde holte in der Folge im Verfahren nach dem Behinderteneinstellungsgesetz ein weiteres Gutachten der beigezogenen Fachärztin für Neurologie, datiert mit 16.03.2021 und basierend auf der Aktenlage, ein. Unter Berücksichtigung der vorgelegten Befunde ergänzte die Sachverständige – bei gleichbleibender Wahl der Positionsnummern bzw. des Grades der Behinderung – die beim Beschwerdeführer festgestellten Leiden insofern, als sie nunmehr bei Leiden 1 die eingeschränkt steuerbare Blasenfunktion mit imperativen Harndrang und bei Leiden 2 die angedeutete rechtskonvexe Skoliose der Brustwirbelsäule sowie die rechtskonvexe Skoliose der Lendenwirbelsäule mitberücksichtigte. Die Sachverständige führte weiters aus, dass die beidseitig vorliegenden Plantarwarzen mangels funktionellen Defizits keinen Grad der Behinderung erreichen würden; für die – fast normal funktionierende – Darmentleerung werde regelmäßiges Darmmanagement empfohlen. Die nachgereichten Befunde betreffend Blasen-und Mastdarmstörung würden weder eine maßgebliche Einschränkung der Mobilität noch der körperlichen Belastbarkeit bewirken, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren würden.

Mit dem nunmehr erstangefochtenen Bescheid vom 09.04.2020 stellte die belangte Behörde gemäß §§ 42 und 45 BBG von Amts wegen fest, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ nicht mehr vorlägen, die Zusatzeintragung aus dem Behindertenpass zu entfernen und der Behindertenpass unverzüglich dem Sozialministerium Service vorzulegen sei. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf das im Ermittlungsverfahren eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten und führte weiters aus, dass mangels Stellungnahme des Beschwerdeführers innerhalb der gesetzten Frist vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht abgegangen habe werden können.

In dem im Verfahren nach dem Bundesbehindertengesetz mit 15.04.2021 datierten weiteren Gutachten aufgrund der Aktenlage führte die bereits beigezogene Sachverständige für Neurologie unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunde aus, dass die Leiden aus dem Vorgutachten vom November 2020 sowie der (niedrigere) Gesamtgrad der Behinderung unverändert übernommen würden. Keine der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen würden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unmöglich machen.

Mit E-Mail vom 27.04.2021 erhob der Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 09.04.2021 nach dem Bundesbehindertengesetz fristgerecht vollumfänglich Beschwerde und führte darin im Wesentlichen aus, er habe nach Rücksprache im Februar 2021 wie vereinbart fristgerecht weitere Befunde eingereicht, welche nicht berücksichtigt worden seien. Er könne deshalb den Bescheid vom 09.04.2021 nicht nachvollziehen.

Mit dem nunmehr zweitangefochtenen Bescheid vom 07.05.2021 stellte die belangte Behörde gemäß §§ 2 und 14 Abs. 1 und 2 BEinstG von Amts wegen fest, dass der Beschwerdeführer mit einem Grad der Behinderung von 40 v.H. die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten nicht mehr erfülle und mit Ablauf des auf die Zustellung des Bescheides folgenden Monats nicht mehr zum Kreis der begünstigten Behinderten gehöre. In der Begründung verwies die belangte Behörde ebenfalls auf die im Ermittlungsverfahren durchgeführte ärztliche Begutachtung, wonach ein Grad der Behinderung von 40 v.H. vorliege, und führte weiters aus, dass mangels Stellungnahme des Beschwerdeführers innerhalb der gesetzten Frist vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht abgegangen habe werden können.

Mit E-Mail vom 17.05.2021 erhob der Beschwerdeführer auch gegen diesen Bescheid vom 07.05.2021 fristgerecht vollumfänglich Beschwerde, wobei die Begründung sich im Wesentlichen mit jener vom 27.04.2021 deckt.

Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht am 30.06.2021 die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt betreffend das Verfahren nach dem Behinderteneinstellungsgesetz zur Entscheidung vor und führte dabei aus, dass mangels neuer Aspekte hinsichtlich der Gesundheitsschädigung keine Veranlassung für eine Beschwerdevorentscheidung bestehe.

Im Rahmen eines Beschwerdevorentscheidungsverfahrens betreffend das Verfahren nach dem Bundesbehindertengesetz gab die belangte Behörde ein weiteres Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Gutachten vom 01.07.2021 wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

Inkompletter Querschnitt bei Status post Th 4-Fraktur, Osteosynthese von Th 2 bis 6 2003

Im oberen Rahmensatz bei Tonuserhöhung des linken Beins und diskreter Schwäche ebendort, sensibles Niveau ab Th9 links; Spasmen im Rahmensatz inkludiert

04.03.01

40

2

willkürlich eingeschränkte steuerbare Blasenfunktion

2 Stufen über dem unteren Rahmensatz, da gelegentliche Reflexinkontinenz, bzw zur Miktion Triggern erforderlich ist, RH-Mengen um die 70-80ml, bei jedoch unauffälliger Uroflowmetrie

08.01.06

30

3

Kleiner, rechts-intraforaminal sequestrierender Prolaps L4/L5 Im oberen Rahmensatz bei sensiblem Defizit L4 links

02.01.01

20

4

Bewegungseinschränkung der linken Schulter

Fixer Richtsatz

02.06.03

20

5

Imperativer Stuhldrang unterer Rahmensatz, da nur selten verbunden mit einem unwillkürlicher Stuhlabgang

07.04.15

10

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von nunmehr 50 v.H. eingeschätzt. Begründend führte die Gutachterin aus, das führende Leiden 1 werde durch die übrigen Leiden in Summe um eine Stufe erhöht, da im Zusammenwirken eine relevante zusätzliche Leidensbeeinflussung vorliege. Eine Psoriasis vulgaris sei befundmäßig nicht belegt und erreiche daher keinen Grad der Behinderung. Im Vergleich zu den Vorgutachten (vom 16.03.2021) seien die Leiden 2, 4 und 5 neu aufgenommen worden, die übrigen Leiden seien unverändert.

Am 02.07.2021 wurde dem Beschwerdeführer ein Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 v.H. und der Zusatzeintragung „Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn von Ostheosynthesematerial“ übermittelt: Diesem Behindertenpass kommt gemäß der Bestimmung des § 45 Abs. 2 BBG Bescheidcharakter zu.

Mit Schreiben vom selben Tag teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ nicht mehr vorliegen würden und räumte ihm ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Das Gutachten vom 01.07.2021 wurde als Beilage übermittelt. Der Beschwerdeführer erstattete innerhalb der festgesetzten Frist keine Stellungnahme.

Am 13.08.2021 legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht schließlich auch die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt betreffend das Verfahren nach dem Bundesbehindertengesetz zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsbürger und hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Er gehört seit 30.11.2004 dem Kreis der begünstigten Behinderten an, wobei der auf Grundlage der Bestimmungen der Richtsatzverordnung festgestellte Grad der Behinderung zunächst 70 v.H. und ab 13.06.2007 60 v.H. betragen hatte.

Der Beschwerdeführer verfügte bisher über einen Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung vom 60 v.H. und der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“. Zuletzt wurde ihm am 20.12.2018 ein Parkausweis für Behinderte ausgestellt.

Mit Schreiben vom 25.09.2020 leitete die belangte Behörde von Amts wegen ein Verfahren zur Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass ein.

Beim Beschwerdeführer bestehen derzeit folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1.       inkompletter Querschnitt bei Status post Th 4-Fraktur, Osteosynthese von Th 2 bis 6 2003 mit Tonuserhöhung des linken Beins und diskreter Schwäche ebendort, sensibles Niveau ab Th9 links

2.       willkürlich eingeschränkte steuerbare Blasenfunktion mit gelegentlicher Reflexinkontinenz, zur Miktion Triggern erforderlich, RH-Mengen um die 70-80ml, bei jedoch unauffälliger Uroflowmetrie

3.       Kleiner, rechts-intraforaminal sequestrierender Prolaps L4/L5 mit sensiblem Defizit L4 links

4.       Bewegungseinschränkung der linken Schulter

5.       Imperativer Stuhldrang, nur selten verbunden mit einem unwillkürlichen Stuhlabgang.

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt seit dem 22.06.2021 50 v.H. Die Leiden 2 bis 5 erhöhen den Grad der Behinderung um eine Stufe, da ein ungünstiges Zusammenwirken mit dem führenden Leiden 1 vorliegt. Die angegebene Psoriasis vulgaris erreicht keinen Grad der Behinderung, da diesbezüglich keine fachärztlichen Befunde vorgelegt wurden und eine einschätzungsrelevante Funktionseinschränkung nicht objektiviert ist.

Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung bezüglich der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel liegen zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr vor. Es bestehen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten, noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit. Das Zurücklegen kurzer Wegstrecken (300 bis 400 Meter), das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln sind, bei gutem Allgemein- und Ernährungszustand, sowie hinkendem, jedoch sicherem Gangbild, durch die dokumentierten Leiden nicht erheblich erschwert. Es liegen weiters weder keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten bzw. Funktionen, eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, noch eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit vor.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung sowie der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen in dem Sachverständigengutachten der Ärztin für Allgemeinmedizin vom 01.07.2021, welches die Einschätzungen der Sachverständigen für Neurologie in ihren Gutachten vom 09.11.2020, 16.03.2021 und 15.04.2021 teils bestätigt, teils ergänzt, der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers in seinen Beschwerden beschränkte sich im Wesentlichen auf den Verweis auf die – nunmehr im Gutachten vom 01.07.2021 berücksichtigten – bereits vorgelegten Befunde. Der Beschwerdeführer legte im Beschwerdeverfahren keine weiteren Befunde vor und machte von der ihm mit Schreiben der belangten Behörde vom 02.07.2021 eingeräumten Gelegenheit zur Stellungnahme zum aktuellen Gutachten keinen Gebrauch. Das Gutachten wurde nicht bestritten. Er ist den von der Sachverständigen für Allgemeinmedizin getroffenen Schlussfolgerungen sohin nicht substantiiert entgegengetreten; diesbezüglich wird auf die nachfolgende Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung verwiesen. Eine vom Gutachten abweichende Beurteilung erweist sich zum Entscheidungszeitpunkt als nicht möglich.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergeben sich aus einem vom erkennenden Gericht eingeholten ZMR-Auszug; konkrete entgegensprechende Anhaltspunkte sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Die bisherige Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zum Kreis der begünstigten Behinderten, der vormals festgestellte Grad der Behinderung von 70 bzw. 60 v.H., die Ausstellung eines Behindertenpasses sowie eines Parkausweises sowie die amtswegige Einleitung eines Verfahrens zur Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass basieren auf dem Akteninhalt.

Der Gesamtgrad der Behinderung basiert auf dem seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 01.07.2021, welches die Einschätzungen der Sachverständigen für Neurologie in ihren (früheren) Gutachten vom 09.11.2020, 16.03.2021 und 15.04.2021 teilweise bestätigt, aber auch ergänzt.

Im Vergleich zum Vorgutachten vom 28.11.2007, worin ein Grad der Behinderung von 60 v.H. erhoben wurde, fasste die von der belangten Behörde in den gegenständlichen Verfahren zunächst herangezogene Sachverständige für Neurologie in ihrem Gutachten vom 09.11.2020, basierend auf einer persönlichen Begutachtung des Beschwerdeführers am 05.11.2020, die im Vorgutachten festgestellten physischen Leiden (1 und 3) infolge eines Wirbelsäulenbruchs zum nunmehrigen Leiden 1 zusammen, nahm den Bandscheibenprolaps der Lendenwirbelsäule als neues Leiden 2 auf und führte weiters aus, dass das im Vorgutachten erhobene geringe posttraumatische Psychosyndrom (ehemals Leiden 2) mangels Objektivierbarkeit durch aktuelle Befunde bzw. im Rahmen der persönlichen Untersuchung nun entfalle. Insgesamt ergebe sich ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H.; das Leiden 1 werde durch das Leiden 2 nicht maßgeblich ungünstig beeinflusst. An diesem Ergebnis hielt die Sachverständige in den nach Befundvorlage des Beschwerdeführers angefertigten Aktengutachten vom 16.03.2021 und 15.04.2021 fest.

Die im Rahmen des Beschwerdevorentscheidungsverfahrens nach dem Bundesbehindertengesetz beigezogene Sachverständige für Allgemeinmedizin bestätigt in ihrem Gutachten vom 01.07.2021, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 22.06.2021, die Einschätzung der Fachärztin für Neurologie insoweit, als sie die (nunmehrigen) Leiden 1 und 3 beibehalten hat, nahm jedoch die Leiden 2, 4 und 5 neu auf und stellte fest, dass das führende Leiden 1 infolge des in Summe ungünstigen Zusammenwirkens mit den übrigen Leiden 2-5 um eine Stufe erhöht werde.

In den Gutachten von 09.11.2020 und 01.07.2021, jeweils auf Basis einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Während die Sachverständige für Neurologie in ihren Aktengutachten vom 16.03.2021 und 15.04.2021 nach der Vorlage weiterer Befunde an ihrer Einschätzung festhielt, setzte sich die Sachverständige für Allgemeinmedizin auch mit diesen Befunden sowie dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen einer neuerlichen Untersuchung vollständig, umfassend und nachvollziehbar auseinander und stellte auf dieser Grundlage weitere relevante Leiden fest, welche zu den von der Sachverständigen für Neurologie erhobenen ergänzend hinzutreten.

Die von der allgemeinmedizinischen Sachverständigen getroffene Einschätzung, basierend auf den im Rahmen von persönlichen Untersuchungen erhobenen Befunden, entspricht auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die oben nur auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

So wurden das beim Beschwerdeführer vorliegende Querschnittsyndrom (Leiden 1) sowie der Prolaps bei der Lendenwirbelsäule (nunmehr Leiden 3) in den eingeholten Sachverständigengutachten dem objektivierten Ausmaß der Funktionseinschränkung entsprechend im Wesentlichen gleichlautend beurteilt, wenn auch die zuletzt beigezogene Sachverständige für Allgemeinmedizin aufgrund der Befundlage und nach einer neuerlichen persönlichen Begutachtung des Beschwerdeführers die Funktionsstörungen des Darms und der Blase einer gesonderten Einschätzung nach der Anlage der Einschätzungsverordnung unterzogen hat.

Im Einklang mit der Befundlage sowie dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers jeweils dokumentierten Zustands ordneten die Sachverständigen dem Querschnittsyndrom des Beschwerdeführers den oberen Rahmensatz der Positionsnummer 04.03.01 (Spinale Lähmungen – Querschnittsyndrom, leichten Grades) mit einem Grad der Behinderung vom 40 v.H. zu und begründeten die getroffene Zuordnung zum oberen Rahmensatz (bei einem Rahmen von 20 bis 40 v.H.) nachvollziehbar mit der vorliegenden Tonuserhöhung und diskreten Schwäche des linken Beins bei einem sensiblen Niveau ab dem Brustwirbel Th9 links, wobei die Spasmen im Rahmensatz inkludiert seien. Bereits die Sachverständige für Neurologie hielt in ihrem Gutachten vom 09.11.2020 fest, dass im Vergleich zum letzten Gutachten eine Verbesserung des Zustands eingetreten sei und setzte den Grad der Behinderung entsprechend herab. Die Positionsnummer 04.03.01 umfasst feinmotrische Störungen und Schwäche in einzelnen Muskelgruppen; ein Ausfall mehrerer Muskelgruppen oder Lähmungen, die eine höhere Einstufung nach der Positionsnummer 04.03.02 begründen würden, wurden in der Beschwerde nicht vorgebracht und sind auch nicht in aktuellen Befunden dokumentiert.

Der weiters von beiden Sachverständigen festgestellte und gemäß der Positionsnummer 02.01.01 (Funktionseinschränkungen geringen Grades der Wirbelsäule) mit einem Grad der Behinderung von 20 v.H. bewertete Bandscheibenprolaps der Lendenwirbelsäule steht im Einklang mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunden (vgl. MRT-Befund vom 14.09.2021 sowie ambulanter Bericht vom 04.09.2020) und den Aufzeichnungen der Sachverständigen anlässlich der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers. So hielt etwa die Allgemeinmedizinerin bei der zuletzt durchgeführten Untersuchung am 22.06.2021 fest, dass die Beweglichkeit der Wirbelsäule und unteren Extremitäten links schmerzbedingt eingeschränkt sei. Wiederkehrende, über Wochen andauernde Episoden mit andauerndem Therapiebedarf und erheblichen Schmerzen sowie erhebliche Einschränkungen im Alltag, die eine höhere Einstufung unter der Positionsnummer 02.01.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung rechtfertigen würden, sind nicht objektiviert.

Die Sachverständige für Allgemeinmedizin ordnete die Bewegungseinschränkung der Schulter, welche in den Aufzeichnungen zur persönlichen Begutachtung am 22.06.2021 objektiviert ist, der Positionsnummer 02.06.03 (Funktionseinschränkung mittleren Grades einseitig des Schultergelenks bzw. Schultergürtels) mit einem fixen Richtsatz von 20 v.H. zu. Angesichts der im Rahmen der Untersuchung erhobenen Abduktion links bis 95° bei möglichem Nacken- und Schürzengriff ist die diesbezügliche Einschätzung der Sachverständigen nicht zu beanstanden und ohnehin eher großzügig gewählt.

Auch die nunmehr gesonderte Einschätzung bezüglich des urologischen Leidens 2 des Beschwerdeführers durch die Sachverständige für Allgemeinmedizin unter der Positionsnummer 08.01.06 (Entleerungsstörung der Blase und der Harnröhre leichten bis mittleren Grades) im unteren Bereich des mittleren Rahmensatzes (erhebliche Restharnbildung, manuelle Entleerung notwendig, Blasenschrittmacher) ist nicht zu beanstanden. Zwar ergibt sich aus dem vorgelegten Urologiebefund vom 21.02.2021, dass der Beschwerdeführer eine willkürlich eingeschränkte steuerbare Blasenfunktion hat, infolge des erst bei voller Blase imperativ auftretenden Harndrangs gelegentlich unter Harnverlust leidet und eine Restharnmenge von 70-80 ml hat, doch sind seine Therapiemöglichkeiten nicht ausgeschöpft. Der Beschwerdeführer gab lediglich an, gelegentlich außer Haus ein Urinalkondom zu tragen, jedoch verwendet er keine Vorlagen und nimmt auch keine blasendämpfende Therapie in Anspruch.

Schließlich ergibt sich hinsichtlich der vorgebrachten Funktionsstörung des Darms aus demselben Befund vom 21.01.2021 auch, dass der Beschwerdeführer bei normalem Analsphinktertonus nicht unter Durchfall, sondern eher unter einer Obstipation leidet, wodurch alle zwei bis vier Tage imperativer Stuhlgang auftritt, was gelegentlich zur Stuhlinkontinenz führt. Jedoch sind auch hier die Therapieoptionen nicht ausgeschöpft: Der Beschwerdeführer behilft sich im Inkontinenzfall mit frischer Wäsche, nimmt keine Laxantien und führt kein Darmmanagement durch. Die Einstufung mit dem unteren Rahmensatz von 10 v.H der Positionsnummer 07.04.15 (Schließmuskelschwäche) war sohin nicht zu beanstanden.

Was das bereits von der Sachverständigen für Neurologie in ihrem Gutachten vom 09.11.2020 verneinte relevante psychische Leiden des Beschwerdeführers betrifft, war diese Beurteilung nicht zuletzt auch im Hinblick auf den vom Beschwerdeführer vorgelegten psychologischen Befund vom 19.01.2021, wonach es keine Hinweise auf eine notwendige psychologische Betreuung gibt, nachvollziehbar und richtig.

Auch eine im Rahmen des Anamnesegesprächs vom 22.06.2021 bei der Sachverständigen für Allgemeinmedizin geschilderte Psoriasis vulgaris ist nicht in Befunden objektiviert und wurde von dieser folglich nachvollziehbar und richtig nicht als relevantes Leiden eingestuft.

Zum zentralen Einwand des Beschwerdeführers in den Beschwerden, dass die Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung nicht nachvollziehbar sei, ist festzuhalten, dass die funktionelle Beurteilung als entscheidendes Kriterium zur Feststellung des Grades der Behinderung individuell erfolgt – weshalb eine klinische Untersuchung zur Beurteilung durchgeführt wird – und Hilfsbefunde wie bildgebende oder fachärztliche Befunde zur Objektivierung herangezogen werden. Eine erhöhende Wirkung mehrerer Leiden liegt vor, wenn sich die einzelnen Defizite ungünstig beeinflussen, Kompensationsmöglichkeiten beschränken oder im Zusammenwirken besonders ungünstig auf den Gesamtorganismus wirken. Im gegenständlichen Fall hielt die Sachverständige für Allgemeinmedizin unter Berücksichtigung der Ergebnisse der klinischen Untersuchung sowie der vorgelegten Befunde nachvollziehbar fest, dass im gegenständlichen Fall das Leiden 1 von den übrigen Leiden in Summe ungünstig zusätzlich beeinflusst wird, sodass dieses um eine Stufe erhöht wird, wobei hinzuzufügen ist, dass angesichts des relativ geringen Ausmaßes der übrigen Funktionsbeeinträchtigungen 2-5 ein darüber hinausgehendes negatives Zusammenwirken – und damit eine stärkere Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung – nicht anzunehmen ist.

Dass die allgemeinmedizinische Sachverständige die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers tatsachenwidrig beurteilt hätte, kann vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde sowie unter Berücksichtigung der Untersuchungsergebnisse nicht erkannt werden. Die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers wurden umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander nachvollziehbar und richtig berücksichtigt.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 02.07.2021 wurde dem Beschwerdeführer das von ihr eingeholte allgemeinmedizinische Gutachten vom 01.07.2021 ordnungsgemäß übermittelt und ihm in Wahrung des Parteiengehörs die Möglichkeit der schriftlichen Stellungnahme gewährt. Da der Beschwerdeführer keine Stellungnahme einbrachte, blieb das Gutachten vom 01.07.2021 unbestritten; der Beschwerdeführer ist den Ausführungen der allgemeinmedizinischen Sachverständigen, die die Einschätzung der zuvor beigezogenen Ärztin für Neurologie zum Teil bestätigte, nicht entgegengetreten. Auch die bereits im Verfahren vorgelegten Befunde stehen nicht im inhaltlichen Widerspruch zu den Beurteilungen der allgemeinmedizinischen Sachverständigen.

Was die sowohl von der Sachverständigen für Neurologie als auch der Sachverständigen für Allgemeinmedizin verneinte Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel betrifft, führten beide im Wesentlichen übereinstimmend aus, dass keine erhebliche Einschränkung der Mobilität bzw. der körperlichen Belastbarkeit vorliege. Diese Einschätzung findet Deckung in den jeweils anlässlich der persönlichen Begutachtung am 05.11.2020 bzw. 22.06.2021 angefertigten Aufzeichnungen zur umfassenden Statuserhebung. So stellte insbesondere die Sachverständige für Allgemeinmedizin im zuletzt angefertigten Gutachten fest, dass der Beschwerdeführer ein hinkendes, jedoch sicheres Gangbild habe und seine Extremitäten zwar linksseitig kraft- und beweglichkeitsgemindert seien, jedoch nicht in einem erheblichen Ausmaß.

Bereits im neurologischen Sachverständigengutachten vom 02.03.2005, worin der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers zunächst mit 70 v.H. festgestellt wurde, sowie im Sachverständigengutachten vom 28.11.2007, worin der Grad der Behinderung auf 60 v.H. herabgesetzt wurde, wurde – bei einem damals insgesamt schlechteren Gesamtzustand des Beschwerdeführers – festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten bzw. Funktionen, eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, oder eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit wurden weder vorgebracht, noch kamen dafür Anhaltspunkt hervor.

Zwar kann sich auch eine Harn- und Stuhlinkontinenz auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirken, doch sind diese Leiden im konkreten Fall in ihrer Art und Schwere nicht derart ausgeprägt, dass von einer Unzumutbarkeit auszugehen wäre. Wie bereits ausgeführt wurde, stellte die Sachverständige für Allgemeinmedizin in ihrem Gutachten vom 01.07.2021 entsprechend der Befundlage fest, dass der Beschwerdeführer unter einer willkürlich eingeschränkt steuerbaren Blasenfunktion sowie imperativem Stuhldrang leide, doch sind in beiden Fällen die Therapieoptionen nicht ausgeschöpft und kommt es in beiden Fällen nur gelegentlich zu einer leichten Inkontinenz. Anstelle von Ein- bzw. Vorlagen verwendete der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben bisher nur gelegentlich außer Haus ein Urinalkondom und führt Ersatzkleidung mit sich. Die Schwelle zur Unzumutbarkeit ist im gegebenen Fall auch im Hinblick auf diese Leiden in Gesamtbetrachtung nicht überschritten.

Der Beschwerdeführer hat sich im Rahmen des eingeräumten Parteiengehörs zum allgemeinmedizinischen Gutachten vom 01.07.2021 im Beschwerdevorentscheidungsverfahren nicht mehr geäußert und hat das aktuelle Gutachten nicht bestritten; er ist diesem folglich nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des im Beschwerdevorentscheidungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens der Ärztin für Allgemeinmedizin vom 01.07.2021, worin – bei gleicher Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel – in Abweichung von den Vorgutachten der Sachverständigen für Neurologie vom 09.11.2020, 16.03.2021 sowie 15.04.2021 das Vorliegen zusätzlicher relevanter Leiden und ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt wurde. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die beiden zu beurteilenden Verfahren werden gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Zu Spruchteil A)

Zu A) I. Zum Wegfall der Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“:

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

„§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

[…]

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

[…]

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

[…]

§ 43. (1) Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.

[…]

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

[…]

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 in der Fassung des BGBl. II Nr. 263/2016, lautet auszugsweise:

„§ 1 [...]

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. die Art der Behinderung, […]

[…]

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

[…]“

Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).

In den auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz veröffentlichten Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zur Stammfassung BGBl. II 495/2013 wird – soweit im Beschwerdefall relevant – Folgendes ausgeführt:

Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise) – (nunmehr seit der Novelle BGBl. II Nr. 263/2016 unter § 1 Abs. 4 Z. 3 geregelt):

„Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

[…]

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe „erheblich“ und „schwer“ werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend.

[…]

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss benützt werden.

[…]

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

- anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – severe combined immundeficiency),

- schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

- fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

- selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

[…]“

Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das durch die belangte Behörde im Beschwerdevorentscheidungsverfahren eingeholte, auf einer persönlichen Begutachtung des Beschwerdeführers basierende medizinische Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 01.07.2021 zu Grunde gelegt, wonach dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist. Weder bestehen entscheidungserhebliche Einschränkungen der oberen oder unteren Extremitäten, noch ausreichend erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, noch Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder Funktionen. Auch liegen keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubheit vor, sowie auch keine Funktionseinschränkung des Immunsystems im Sinne der genannten Verordnung. Ein psychiatrisches Leiden in einem Ausmaß, welches die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in unzumutbarem Ausmaß behindert, wurde ebenfalls nicht belegt. Bereits die von der belangten Behörde beigezogene Sachverständige für Neurologie hat – ebenfalls nach Durchführung einer persönlichen Untersuchung – des Beschwerdeführers die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bejaht.

Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, wurden im gegenständlichen Verfahren keine Befunde vorgelegt, die die Schlussfolgerungen der Ärztin für Allgemeinmedizin entkräften würden, und hat der Beschwerdeführer von der Möglichkeit der Stellungnahme zum Gutachten keinen Gebraucht gemacht. Das Gutachten erweist sich als richtig, vollständig und schlüssig.

Bereits aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunden ergibt sich, dass vorhandene und zumutbare Therapieoptionen in Bezug auf die Funktionseinschränkungen der Blase und den vorgebrachten Stuhldrang (vgl. diesbezüglich auch die obigen Ausführungen) nicht ausgeschöpft sind. Trotz unbestreitbaren Vorliegens von gesundheitlichen Beeinträchtigungen sind auch keine Anhaltspunkte für das aktuelle Bestehen erheblicher Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten bzw. oder erheblicher Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit im Sinne der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen objektivierbar, was von der belangten Behörde gemäß § 43 Abs. 1 BBG zu Recht berücksichtigt wurde.

Da festzustellen war, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches aktuell die Vornahme der Zusatzeintragung „Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar“ rechtfertigt, war die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid spruchgemäß abzuweisen. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem Beschwerdeführer daher zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt als zumutbar zu erachten. Im Falle einer befundmäßig objektivierten offenkundigen Verschlechterung seines Leidenszustandes bleibt es dem Beschwerdeführer unbenommen, im Wege einer neuerlichen Antragstellung eine neuerliche Prüfung der „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG zu veranlassen.

Zu A) II. Zur weiterhin bestehenden Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zum Kreis der begünstigten Behinderten:

Die im B

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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