Entscheidungsdatum
22.11.2021Norm
BBG §40Spruch
W261 2248117-1/5E
B E S C H L U S S
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und die Richterin Maga Karin RETTENHABER-LAGLER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr.in Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 28.07.2021, betreffend die Abweisung des Antrages Ausstellung eines Behindertenpasses, beschlossen:
A) Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.
B) Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Der nunmehrige Beschwerdeführer beantragte am 03.05.2021 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (im Folgenden als belangte Behörde bezeichnet) die Ausstellung eines Behindertenpasses.
2. Nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens und Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wurde der Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid der belangten Behörde vom 28.07.2021 mit dem Hinweis abgewiesen, dass der Beschwerdeführer mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 20% die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle.
3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführerin mit näherer Begründung Beschwerde und legte ein Konvolut an medizinischen Unterlagen vor.
4. Die belangte Behörde lud den Beschwerdeführer im Rahmen des Beschwerdevorentscheidungsverfahrens mit Ladung vom 28.09.2021 für den 27.10.2021 nachweislich unter Hinweis auf § 43 Abs. 1 BBG, wonach das Verfahren bei unentschuldigten Fernbleiben eingestellt werden wird, zu einer Untersuchung zu einer Fachärztin für Innere Medizin. Die Ladung für diese Untersuchung übernahm der Beschwerdeführer am 30.09.2021 persönlich. Der Beschwerdeführer blieb dieser Untersuchung unentschuldigt fern.
5. Die belangte Behörde lud den Beschwerdeführer im Rahmen des Beschwerdevorentscheidungsverfahrens mit Ladung vom 08.10.2021 für den 03.11.2021 nachweislich unter Hinweis auf § 43 Abs. 1 BBG, wonach das Verfahren bei unentschuldigten Fernbleiben eingestellt werden wird, zu einer Untersuchung bei einem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie. Die Ladung für diese Untersuchung wurde dem Beschwerdeführer nachweislich durch Hinterlegung am 12.10.2021 zugestellt und von diesem nicht behoben. Der Beschwerdeführer blieb dieser Untersuchung unentschuldigt fern.
6. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht seitens der belangten Behörde am 10.11.2021 vorgelegt.
7. Das Bundesverwaltungsgericht holte am 11.11.2021 einen Auszug aus dem zentralen Melderegister ein, wonach der Beschwerdeführer österreichischer Staatsbürger ist und seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer wurde von der belangten Behörde im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nachweislich unter ausdrücklichem Hinweis auf die Rechtsfolge der Einstellung des (Beschwerde-)Verfahrens nach § 41 Abs. 3 BBG zu ärztlichen Untersuchungen am 27.10.2021 und am 03.11.2021 geladen.
Beiden Terminen blieb der Beschwerdeführer unentschuldigt fern.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der oben festgestellte für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung einer fachkundigen Laienrichterin ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A) Zur Einstellung des Verfahrens:
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
„§ 40 (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
…
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41 (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.
(3) Das Verfahren ist einzustellen, wenn ein Behindertenpasswerber oder der Inhaber eines Behindertenpasses ohne triftigen Grund einer schriftlichen Aufforderung zum Erscheinen zu einer zumutbaren ärztlichen Untersuchung nicht entspricht, eine für die Entscheidungsfindung unerlässliche ärztliche Untersuchung verweigert oder wenn er sich weigert, die zur Durchführung des Verfahrens unerlässlichen Angaben zu machen. Er ist nachweislich auf die Folgen seines Verhaltens hinzuweisen.
§ 42 (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
…
§ 45 (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
§ 46 Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung der Beschwerdevorentscheidung beträgt 12 Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.“
Es steht außer Zweifel, dass die verfahrensgegenständlichen Vorladungen zu Untersuchungen durch medizinische Sachverständige durch die belangte Behörde zum Zwecke der Sachverhaltsermittlung bzw. zur Beurteilung des Beschwerdevorbringens erfolgten.
Die Sachverhaltsermittlung erfolgt grundsätzlich nicht nur amtswegig im Wege der belangten Behörde bzw. des Bundesverwaltungsgerichtes unter Mitwirkung von Sachverständigen, sondern ist auch einer Partei die Pflicht zur Mitwirkung auferlegt. Es darf vorausgesetzt werden, dass die im Rahmen der zur Aufklärung eines Sachverhalts zur Mitwirkung verpflichtete Partei unverzüglich bekanntgibt, wenn der Fall eintritt, dass die Partei am Erscheinen zum vorgeschriebenen Termin verhindert ist oder allenfalls nach dem Verstreichen des Termins Kontakt zur belangten Behörde sucht, um eine Entschuldigung unter Bekanntgabe der Gründe des Fernbleibens vorzutragen. Das Vorliegen eines triftigen Grundes muss von der belangten Behörde und vom Bundesverwaltungsgericht überprüfbar sein, weshalb die Partei diesen auch entsprechend zu belegen hat.
Festzuhalten ist auch, dass die Ladungen der belangten Behörde dem Beschwerdeführer nachweislich persönlich am 30.09.2021 (Ladung für den Untersuchungstermin am 27.10.2021) bzw. durch Hinterlegung bei der Post ab 12.10.2021 (Ladung für den Untersuchungstermin am 03.11.2021) rechtswirksam zugestellt wurden. Der Beschwerdeführer wurde in beiden Ladungen auf die Folgen des Nichterscheinens nach § 41 Abs. 3 BBG ausdrücklich hingewiesen.
Der Beschwerdeführer blieb beiden Untersuchungsterminen unentschuldigt fern, weswegen das Beschwerdeverfahren aufgrund seiner mangelnden Mitwirkung am Beschwerdeverfahren nach § 41 Abs. 3 BBG einzustellen war.
Zum Entfall der mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Die mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG unterbleiben, weil der Sachverhalt aus dem Verwaltungsakt hinreichend geklärt ist. Art. 6 Abs. 1 EMRK steht dem Entfall der mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Verfahrensgarantie des „fair hearing“ iSd Art. 6 Abs. 1 EMRK kommt nicht zur Anwendung, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozesshindernisse entgegenstehen (vgl. hiezu die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 17.063/2003 und 19.175/2010 sowie des Verwaltungsgerichtshofes VwGH 21.11.2012, 2008/07/0161 und VwGH 23.06.2014, 2013/12/0224, je mwH). Diese Judikatur ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes auch auf Fälle übertragbar, in denen ein Erledigungsanspruch (erst) nach Beschwerdeeinbringung verloren geht.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes oder der – eindeutigen – Rechtslage ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Mitwirkungspflicht Untersuchung VerfahrenseinstellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W261.2248117.1.00Im RIS seit
09.12.2021Zuletzt aktualisiert am
09.12.2021