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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AufG 1992 §1 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde der M, zuletzt in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Oktober 1995, Zl. 303.639/3-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Oktober 1995 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, daß die Beschwerdeführerin mit einem Touristensichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist sei und ihren dadurch begonnenen Aufenthalt (im Sinne des § 1 Abs. 1 AufG) fortsetze. Somit sei ihr gemäß § 6 Abs. 2 (erster Satz) AufG die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu versagen gewesen, da sie ihren Antrag nicht vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gestellt habe. Die belangte Behörde erblickte - soweit erkennbar - in der Begründung ihres Bescheides auch die Sichtvermerksversagungsgründe des § 10 Abs. 1 Z. 6 und Z. 4 Fremdengesetz (FrG) als verwirklicht, ohne dies jedoch im Spruch zum Ausdruck zu bringen.
Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin am 26. April 1995 einen bis 25. Juli 1995 gültigen Touristensichtvermerk durch das österreichische Generalkonsulat in München erhielt.
In ihrem undatierten, am 19. Juni 1995 bei der Behörde erster Instanz eingelangten "Erstantrag" auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gab die Beschwerdeführerin als derzeitigen Wohnsitz eine Anschrift in Jugoslawien an. Sie führte auch aus, daß sie derzeit in Österreich nicht gemeldet sei. Auch in der diesem Antrag beigeschlossenen "Verpflichtungserklärung" eines Dritten scheint ihre Adresse in Jugoslawien als Anschrift auf.
Die Behörde erster Instanz wies mit Bescheid vom 20. Juli 1995 den Antrag der Beschwerdeführerin gestützt auf § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG ab; dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin an einer Anschrift in Wien am 3. August 1995 durch Hinterlegung zugestellt.
In ihrer dagegen erhobenen, mit 17. August 1995 datierten und am 18. August 1995 bei der Erstbehörde eingelangten Berufung führte die Beschwerdeführerin wieder ihre Anschrift in Jugoslawien an. Darüber hinaus erklärte sie ausdrücklich, Österreich nach Ablauf des Touristensichtvermerkes verlassen zu haben.
Die belangte Behörde geht erkennbar davon aus, daß der vorliegende Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aus dem Ausland gestellt wurde. Sie hat nach dem Akteninhalt keinerlei Ermittlungstätigkeit unternommen, den Aufenthalt der Beschwerdeführerin nach Ablauf ihres Touristensichtvermerkes zu klären. Die belangte Behörde hat auch keinerlei diesbezügliche Ermittlungsergebnisse in ihrem Bescheid angesprochen. Ihre Annahme, die Beschwerdeführerin halte sich nach ihrer Einreise aufgrund des Touristensichtvermerkes und Ablauf desselben noch immer im Bundesgebiet auf, ist daher durch keinerlei Beweisergebnisse gestützt.
Schon aus diesem Grunde war der bekämpfte Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften (§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG) aufzuheben.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/0586, mwN), trägt § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG dem Bestreben Rechnung, die Fortsetzung des Aufenthaltes im Bundesgebiet im Anschluß an Touristenaufenthalte (Touristensichtvermerk oder sichtvermerksfreie Einreise) nicht mehr zu gestatten. Entsteht daher nach einer Einreise aufgrund eines Touristensichtvermerkes in einem Fremden der Wunsch nach einem längeren Aufenthalt in Österreich, so kann er diese Absicht nur nach einer Rückkehr ins Ausland verwirklichen. Ähnliches gilt auch für den - von der Zielrichtung her gleichgelagerten - § 6 Abs. 2 erster Satz AufG. Entsteht in einem Fremden, der sich - wie hier die Beschwerdeführerin - aufgrund eines Touristensichtvermerkes erlaubterweise im Inland befindet, der Wunsch, im Bundesgebiet den Aufenthalt (§ 1 Abs. 1 AufG) zu nehmen, so bedarf es dazu grundsätzlich der Antragstellung aus dem Ausland. Damit ist aber noch nicht gesagt, daß eine neuerliche Einreise in das Bundesgebiet als Tourist innerhalb der Dauer des Touristensichtvermerkes und innerhalb der Grenzen der damit erteilten Erlaubnis unzulässig wäre. Die Annahme, die Beschwerdeführerin befinde sich unerlaubt nach Ablauf ihres Touristensichtmerkes im Bundesgebiet, ist sohin für die rechtliche Beurteilung relevant.
Auch die Sichtvermerksversagungsgründe des § 10 Abs. 1 Z. 4 und Z. 6 FrG würden jedenfalls dann nicht mehr vorliegen, wenn die Beschwerdeführerin nach Ablauf ihres Touristensichtvermerkes ins Ausland gereist wäre und dort die Entscheidung über den vorliegenden Antrag abgewartet hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995191898.X00Im RIS seit
02.05.2001