TE Vwgh Beschluss 2021/11/15 Ra 2021/13/0088

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Veröffentlicht am 15.11.2021
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §184 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Dkfm. G in W, vertreten durch Dr. Matthias Cernusca, Rechtsanwalt in 3420 Klosterneuburg-Kritzendorf, Hauptstraße 75, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 8. Juni 2020, Zl. RV/7100871/2017, betreffend Einkommensteuer 2010 und 2011, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheiden vom 28. Februar 2013 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für die Jahre 2010 und 2011 fest. In dem das Jahr 2010 betreffenden Bescheid wurde in der Begründung ausgeführt, ein Vorhalt vom 6. September 2012 sei trotz Erinnerung bisher nicht beantwortet worden, es würden daher die Verkaufserlöse von Wertpapieren in voller Höhe als Einkünfte aus Spekulationsgeschäften angesetzt. In dem das Jahr 2011 betreffenden Bescheid wurde ausgeführt, die Besteuerungsgrundlagen seien wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen gemäß § 184 BAO geschätzt worden.

2        Der Revisionswerber erhob gegen diese Bescheide Beschwerden. Die veräußerten Wertpapiere seien jeweils wesentlich länger als zwölf Monate im Eigentum des Revisionswerbers gewesen, sodass keine „Einkünfte aus Spekulationsgewinnen“ vorlägen.

3        Mit Beschwerdevorentscheidungen vom 6. März 2014 wurden die Einkommensteuerbescheide 2010 und 2011 in im Revisionsverfahren nicht strittigen Punkten geändert.

4        Der Revisionswerber beantragte die Vorlage der Beschwerden an das Bundesfinanzgericht.

5        Im Vorlagebericht führte das Finanzamt insbesondere aus, trotz mehrfacher Aufforderung seien keine ausreichenden Unterlagen beigebracht worden, anhand welcher eine steuerrechtliche Beurteilung der Einhaltung der einjährigen Behaltefrist hätte durchgeführt werden können. Es seien weder Depotverzeichnisse per 31. Dezember 2008, 31. Dezember 2009 und 31. Dezember 2010 vorgelegt noch eine lückenlose Transaktionsübersicht beigebracht worden. An sich wäre vom Steuerpflichtigen nur eindeutig nachzuweisen gewesen, dass die im Jahr 2010 und 2011 verkauften Papiere länger als ein Jahr gehalten worden seien. Da dies trotz mehrmaliger Aufforderung nicht nachgewiesen worden sei, habe das Finanzamt die Spekulationsgewinne in Höhe des jeweiligen Verkaufserlöses geschätzt. Es seien aber keine Anschaffungskosten geschätzt worden. Werde dem Bundesfinanzgericht nachgewiesen, dass die in den Jahren 2010 und 2011 verkauften Papiere länger als ein Jahr gehalten worden seien, werde den Beschwerden vollinhaltlich stattzugeben sein. Würden keine Unterlagen geliefert, wäre das Finanzamt damit einverstanden, die Anschaffungskosten mit 50% des Verkaufswertes pauschal zu schätzen.

6        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht den Beschwerden teilweise Folge und änderte die Einkommensteuerbescheide ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7        Nach Schilderung des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, dem Revisionswerber seien in den Jahren 2010 und 2011 näher genannte Beträge aus dem Verkauf von Wertpapieren zugeflossen. Der Revisionswerber habe eine Behaltedauer der veräußerten Wertpapiere von länger als einem Jahr weder nachweisen noch glaubhaft machen können. Die Anschaffungskosten der veräußerten Wertpapiere würden pauschal mit 50% des (jeweiligen) Veräußerungserlöses schätzungsweise festgestellt.

8        Im Rahmen der Beweiswürdigung führte das Bundesfinanzgericht aus, die Höhe der Zuflüsse aus Wertpapierveräußerungen ergebe sich aus aktenkundigen Depotauszügen. Trotz mehrerer Vorhalte des Finanzamts habe es der Revisionswerber durch seinen berufsmäßigen Parteienvertreter unterlassen, in geeigneter Art und Weise den Anschaffungszeitpunkt der veräußerten Wertpapierpositionen nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen. Dies könne vor dem Hintergrund des sich aus § 166 BAO ergebenden Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel nicht ohne Folgen bleiben. Erschwerend trete hinzu, dass sich auch gegen die ausdrücklichen und unmissverständlichen behördlichen Feststellungen der Beschwerdevorentscheidungen und des Vorlageberichtes, denen beiden Vorhaltscharakter zukomme, keinerlei Entgegnungen des Revisionswerbers samt (nachgeholter) Beweismittel fänden. Gleiches gelte für die von der belangten Behörde im Vorlagebericht dargestellte Ermittlung der Anschaffungskosten der Wertpapiere.

9        Gegenstand der Besteuerung von Veräußerungsgeschäften nach § 30 EStG 1988 in der hier noch anwendbaren Fassung vor dem 1. StabG 2012 sei der Gewinn aus dem einzelnen Geschäft bzw. der Summe der einzelnen Geschäfte eines Kalenderjahres. Soweit das Finanzamt die ungekürzten Einnahmen (ohne Abzug der entsprechenden Anschaffungskosten) aus der Veräußerung von Wertpapieren als Einkünfte aus Spekulationsgeschäften in die Bemessungsgrundlage der beiden Beschwerdejahre 2010 und 2011 miteinbezogen habe, habe sie somit die Bescheide mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Die Einkommensteuerbescheide seien daher entsprechend abzuändern gewesen.

10       Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 23. Februar 2021, E 2454/2020-5, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

11       Gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts wendet sich auch die nunmehrige Revision.

12       Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorverfahren eingeleitet; das Finanzamt hat sich am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht beteiligt.

13       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

14       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

15       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

16       Unter der Überschrift „Revisionspunkte und Zulässigkeit der Revision“ macht der Revisionswerber geltend, die Behaltedauer der Wertpapiere sei rechtsirrig „mit über 1 Jahr“ angenommen und dadurch die Einkünfte rechtsirrig der Besteuerung nach § 30 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 unterzogen worden. Die Anschaffungskosten der Wertpapiere seien vom Bundesfinanzgericht ohne jegliche Begründung (und somit in Verstoß gegen gefestigte VwGH-Judikatur) mit 50% des Veräußerungserlöses - und dadurch viel zu niedrig - geschätzt worden. Weiteres Vorbringen wird sodann unter den Überschriften „Zur Zulässigkeit und Begründetheit der Revision betreffend den Revisionspunkt ‚Behaltedauer‘ der Wertpapiere“ und „Zur Zulässigkeit und Begründetheit der Revision betreffend den Revisionspunkt ‚absolut begründungslose (und massiv zu niedrige) Schätzung der Anschaffungskosten der Wertpapiere‘“ erstattet.

17       Mit diesem Vorbringen kann die Zulässigkeit der Revision nicht dargelegt werden.

18       Zunächst ist darauf zu verweisen, dass nach § 28 Abs. 3 VwGG eine außerordentliche Revision auch „gesondert“ die Gründe zu enthalten hat, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Diesem Gebot der gesonderten Darstellung wird dann nicht entsprochen, wenn - wie im vorliegenden Fall - das Vorbringen zur Begründung der Zulässigkeit der Revision mit Ausführungen, die Revisionsgründe darstellen, vermengt ist (vgl. z.B. VwGH 30.9.2015, Ra 2015/06/0092; 18.5.2016, Ra 2016/17/0053; 7.5.2018, Ra 2018/18/0003; 2.4.2020, Ra 2020/08/0019; 26.2.2021, Ra 2021/05/0028).

19       Der Revision gelingt es aber auch im Übrigen nicht, ihre Zulässigkeit aufzuzeigen. Der Revisionswerber wurde - wie insbesondere auch aus dem dem Revisionswerber übermittelten Vorlagebericht des Finanzamts hervorgeht - wiederholt aufgefordert, Unterlagen vorzulegen, aus denen sich die Anschaffung der in den Streitjahren veräußerten Wertpapiere ergebe (etwa - wie auch im angefochtenen Erkenntnis geschildert - Ersuchen um Ergänzung vom 8. April 2013, vom 11. November 2013 und vom 20. Jänner 2014); darin wurde er insbesondere auch aufgefordert, Zeitpunkt der Anschaffung und Anschaffungskosten bekannt zu geben. Unterlagen zu diesem Thema wurden vom Revisionswerber nach dem Inhalt der Verfahrensakten nicht vorgelegt. Dass - wie in der Revision behauptet wird - aus früheren Betriebsprüfungsverfahren Depotauszüge vorlägen, ist aus den Verfahrensakten nicht ersichtlich; es wird auch in der Revision nicht konkret dargelegt, dass aus diesen Unterlagen hervorgehen würde, dass die in den Streitjahren veräußerten Wertpapiere in diesen Unterlagen verzeichnet wären. Wenn der Revisionswerber auf die - mit der Revision neuerlich vorgelegten - Depotauszüge einer Bank verweist, so betreffen diese alle das Jahr 2010 (Veräußerungen vom 4. Jänner 2010 bis 1. Dezember 2010); selbst für den letzten darin verzeichneten Verkauf kann daraus nicht abgeleitet werden, dass diese Wertpapiere nicht innerhalb eines Jahres ab Anschaffung veräußert worden seien. Im Übrigen geht aus dem Kontoauszug auch eine Anschaffung innerhalb dieses Jahres (durch „Wiederanlage Ertragsausschüttung“) hervor. Der Revisionswerber kann damit nicht aufzeigen, dass die Sachverhaltsannahme des Bundesfinanzgerichts zur Behaltedauer der Wertpapiere mit Mängeln behaftet wäre, die die Zulässigkeit der Revision begründen würden.

20       Zutreffend ist, dass auch Schätzungen der Begründungspflicht unterliegen (vgl. VwGH 13.9.2017, Ra 2015/13/0019). Die hier vorgenommene pauschale („griffweise“) Schätzung ist aber in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anerkannt (vgl. VwGH 15.5.2019, Ra 2018/13/0006, Rz 26). Wer - wie hier der Revisionswerber - zur Schätzung Anlass gegeben hat und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, hat die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinzunehmen (vgl. VwGH 11.6.2021, Ro 2020/13/0005, Rz 66).

21       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 iVm Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.

22       Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 15. November 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021130088.L00

Im RIS seit

08.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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