TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/8 L524 2215069-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.10.2021
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Entscheidungsdatum

08.10.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch


(1.) L524 2215069-1/11E

(2.) L524 2215138-1/7E

(3.) L524 2215070-1/7E

(4.) L524 2215071-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde der (1.) XXXX vormals XXXX , geb. XXXX , StA Türkei, der (2.) mj. XXXX , geb. XXXX , StA Türkei, der (3.) mj. XXXX , geb. XXXX , StA Türkei und der (4.) mj. XXXX , geb. XXXX , StA Türkei, alle vertreten durch Kocher & Bucher Rechtsanwälte OG, Friedrichgasse 31, 8010 Graz, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.01.2019 (1.) Zl. 1103971804-160157125/BMI-BFA_WIEN_AST_01, (2) Zl. 1103966804-160157104/BMI-BFA_WIEN_AST_01, (3.) Zl. 1103966902-160157074/BMI-BFA_WIEN_AST_01 und (4.) Zl. 1103967006-160157040/BMI-BFA_WIEN_AST_01, betreffend Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz und Erlassung von Rückkehrentscheidungen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.05.2021, zu Recht:

A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der minderjährigen Zweit- bis Viertbeschwerdeführerinnen. Sämtliche Beschwerdeführerinnen sind Staatsangehörige der Türkei. Die Beschwerdeführerinnen reisten illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 01.02.2016 jeweils Anträge auf internationalen Schutz. Am selben Tag erfolgte eine Erstbefragung der Erstbeschwerdeführerin vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes.

Am 05.02.2016 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) bezüglich der Beschwerdeführerinnen ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß Artikel 18 Absatz 1 lit b Dublin-III-Verordnung an Frankreich. Dies ergab keine Zuständigkeit dieses Landes für die Prüfung des Schutzbegehrens der Beschwerdeführerinnen.

Am 07.05.2018 und am 07.01.2019 wurde die Erstbeschwerdeführerin vor dem BFA einvernommen.

Mit Bescheiden des BFA vom 25.01.2019, (1.) Zl. 1103971804-160157125/BMI-BFA_WIEN_AST_01, (2.) Zl. 1103966804-160157104/BMI-BFA_WIEN_AST_01, (3.) Zl. 1103966902-160157074/BMI-BFA_WIEN_AST_01 und (4.) Zl. 1103967006-160157040/BMI-BFA_WIEN_AST_01, wurden die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkte I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurden die Anträge hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei abgewiesen (Spruchpunkte II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkte III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführerinnen eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkte IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkte V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkte VI.).

Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführerinnen fristgerecht im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung Beschwerde.

Am 06.05.2021 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der die Erstbeschwerdeführerin, die mit ihrer rechtsfreundlichen Vertretung erschien, als Partei teilnahm. Der Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin/Vater der minderjährigen Zweit- bis Viertbeschwerdeführerinnen wurde als Zeuge einvernommen. Das BFA entsandte keinen Vertreter.

II. Feststellungen:

Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der minderjährigen Zweit- bis Viertbeschwerdeführerinnen. Die Beschwerdeführerinnen sind türkische Staatsangehörige, Kurdinnen und sunnitische Musliminnen. Die Erstbeschwerdeführerin lebte vor ihrer Ausreise in einem Dorf im Landkreis XXXX in der ostanatolischen Provinz Mu?.

Die Erstbeschwerdeführerin wurde in ihrem Heimatdorf XXXX im Landkreis XXXX geboren und lebte dort bis zu ihrer Ausreise aus der Türkei im Haus ihrer Familie. Sie besuchte keine Schule und ist Analphabetin. Ebenso wenig war die Erstbeschwerdeführerin berufstätig. Sie führte innerhalb des Familienverbandes Tätigkeiten im Haushalt aus. Die Erstbeschwerdeführerin spricht Türkisch und Kurmandschi.

Die Erstbeschwerdeführerin verließ in der zweiten Hälfte des Jahres 2009 die Türkei und reiste illegal und gemeinsam mit ihrem damaligen Lebensgefährten und nunmehrigen Ehemann nach Frankreich. Die Eheschließung erfolgte am XXXX in Österreich. Auf Grund dieser Eheschließung nahm die Erstbeschwerdeführerin den Nachnamen ihres Ehegatten an. Die Erstbeschwerdeführerin stellte in Frankreich am 08.10.2009 einen Antrag auf internationalen Schutz. Das dortige Verfahren wurde von den französischen Asylbehörden im Oktober 2010 rechtskräftig negativ entschieden. Der Ehegatte ließ sich im März 2014 in Paris einen türkischen Reisepass ausstellen. Der Ehegatte ist der Vater der minderjährigen Zweit- bis Viertbeschwerdeführerinnen, die alle in Frankreich geboren wurden.

Die Erstbeschwerdeführerin und ihr Ehegatte hielten sich bis ca. Anfang 2016 in Frankreich auf. Die Beschwerdeführerinnen reisten etwa Mitte Jänner 2016 illegal nach Österreich. Der Ehegatte reiste ca. einen Monat davor nach Österreich. Am 01.02.2016 stellte die Erstbeschwerdeführerin für sich und ihre minderjährigen Töchter, die Zweit- bis Viertbeschwerdeführerinnen, jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz. Sie halten sich somit als Asylwerberinnen rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Sie verfügen über keinen anderen Aufenthaltstitel.

Die Beschwerdeführerinnen leben in Österreich mit ihrem Ehegatten/Vater und ihrem in Österreich geborenen – etwa dreieinhalbjährigen – Sohn/Bruder in einem gemeinsamen Haushalt. Der Ehegatte/Vater ist im Besitz eines Aufenthaltstitels für Österreich. Ihm wurde am XXXX ein unbefristeter Sichtvermerk gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 Fremdengesetz 1991 erteilt. Dieser gilt gemäß § 11 Abs. 2 lit C. NAG-DV als „Niederlassungsbewilligung – unbeschränkt“ weiter. Der minderjährige Sohn/Bruder verfügt über einen bis XXXX gültigen Aufenthaltstitel (Rot-Weiß-Rot Karte plus).

Die Erstbeschwerdeführerin verließ die Türkei und im Anschluss – nach der Geburt der minderjährigen Beschwerdeführerinnen – Frankreich zwecks Verbesserung der Lebenssituation und um sich in Österreich bei ihrem jetzigen Ehegatten ein Leben aufzubauen. Der von der Erstbeschwerdeführerin vorgebrachte Fluchtgrund, wonach sie von einem Bruder in Zusammenhang mit einer (bereits erfolgten oder beabsichtigten) Zwangsheirat bedroht, geschlagen und verfolgt worden sei bzw. sie bei einer Rückkehr in die Türkei befürchte, von ihrem Bruder getötet zu werden, wird der Entscheidung mangels Glaubhaftigkeit nicht zugrunde gelegt. Für die Zweit- bis Viertbeschwerdeführerinnen wurden keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.

Die Mutter, eine Schwester, ein Bruder und ein Onkel väterlicherseits der Erstbeschwerdeführerin leben im Heimatdorf XXXX im Landkreis XXXX . Ihre Schwiegermutter, zwei Stieftöchter, vier Schwägerinnen und ein Schwager der Erstbeschwerdeführerin sind in der Türkei aufhältig. Alle Schwägerinnen der Erstbeschwerdeführerin sind verheiratet. Abgesehen von einer Tante väterlicherseits und einem Onkel väterlicherseits leben zwei Schwestern der Erstbeschwerdeführerin in der Bundesrepublik Deutschland und zwei Schwestern und drei Brüder der Erstbeschwerdeführerin in Frankreich. Die Erstbeschwerdeführerin hat Kontakt zu ihrer in der Türkei lebenden Mutter und ihrer auch dort befindlichen Schwester. Der Vater der Erstbeschwerdeführerin ist bereits im Jahre 1994 verstorben. Die in der Türkei lebenden Familienangehörigen betreiben zur Bestreitung des Lebensunterhalts eine Landwirtschaft. Die Mutter der Erstbeschwerdeführerin bezieht zudem eine Witwenpension. Sollte der Kontakt zu den anderen Personen (nach der Ausreise aus der Türkei) tatsächlich abgebrochen sein, läge dem kein nachhaltiges Zerwürfnis zwischen der Erstbeschwerdeführerin und ihrer Familie/Schwiegerfamilie zugrunde, das eine neuerliche Kontaktaufnahme in jedem Fall ausschließen würde.

Die Beschwerdeführerinnen leiden an keiner schweren oder lebensbedrohlichen Krankheit. Die Zweit- bis Viertbeschwerdeführerinnen sind gesund. Bei der Erstbeschwerdeführerin erfolgte im Juni 2021 im Bereich der rechten Brust im Milchgang die Entfernung eines gutartigen Tumors. Es fanden sich keine Hinweise auf eine Malignität. Zur Kontrolle wird bei ihr eine Mammasonographie in sechs Monaten empfohlen. Die Erstbeschwerdeführerin befand sich in Österreich weder in der Vergangenheit, noch befindet sie sich derzeit im Hinblick auf ihre psychische Verfassung in einer Therapie oder Behandlung. Die Erstbeschwerdeführerin ist einvernahmefähig und es ist keine Erkrankung bzw. Beeinträchtigung ihrer Gesundheit fassbar, welche die Erstbeschwerdeführerin außer Lage setzen würde, gleichlautende und detaillierte Angaben zu Ereignissen aus der Vergangenheit zu machen. Aktuelle ärztliche bzw. medizinische Befunde, welche eine Beeinträchtigung ihrer Gesundheit aufzeigen und/oder Behandlung in Österreich erforderlich erscheinen lassen, haben die Beschwerdeführerinnen nicht vorgelegt. Die Beschwerdeführerinnen gehören keiner Risikogruppe für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung an.

Der in Österreich geborene – etwa dreieinhalbjährige – Sohn der Erstbeschwerdeführerin/Bruder der Zweit- bis Viertbeschwerdeführerinnen leidet an einer Form von Autismus. Für den 21.06.2021 war ein ärztliches oder therapeutisches Gespräch und eine Untersuchung an einem Zentrum für Entwicklungs-, Sozial- und Neuropädiatrie geplant.

Die Erstbeschwerdeführerin ist strafrechtlich unbescholten. Die minderjährigen Zweit- bis Viertbeschwerdeführerinnen sind strafunmündig.

Die Erstbeschwerdeführerin ist kein Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation. Sie hat in Österreich auch keine Schule, Kurse oder sonstige Ausbildungen besucht. Sie geht hier keiner ehrenamtlichen oder gemeinnützigen Arbeit nach. Die Erstbeschwerdeführerin verlässt ihr Zuhause nur wenig. Die Erstbeschwerdeführerin führt den Haushalt für die Familie und übernimmt überwiegend die Kinderbetreuung. Sie begleitet die minderjährigen Beschwerdeführerinnen auf deren Schulweg und sucht mit ihnen zu Erholungszwecken eine Parkanlage auf. Die Erstbeschwerdeführerin hat keine Qualifizierungsmaßnahmen zum Erwerb der deutschen Sprache besucht und legte auch keine Prüfungen ab. Sie beherrscht die deutsche Sprache nicht. Die Erstbeschwerdeführerin ist nicht erwerbstätig. Die Beschwerdeführerinnen bestreiten ihren Lebensunterhalt derzeit durch Zuwendungen ihres Ehegatten/Vaters. Zudem beziehen die Beschwerdeführerinnen Leistungen aus der Grundversorgung.

Der Ehegatte/Vater besuchte in der Vergangenheit regelmäßig die Türkei. Es kann nicht festgestellt werden, wann der Ehegatte/Vater zuletzt in die Türkei reiste.

Die Zweit- bis Viertbeschwerdeführerinnen sind in Frankreich geboren. Die elfjährige Zweit-, die zehnjährige Dritt- und die achtjährige Viertbeschwerdeführerin besuchen in Österreich eine ihrem Alter entsprechende Bildungseinrichtung. Innerhalb der Familie erfolgt die Kommunikation mangels Deutschkenntnissen der Erstbeschwerdeführerin vorwiegend in den Sprachen Türkisch oder Kurmandschi; die minderjährigen Beschwerdeführerinnen sprechen die deutsche Sprache im Rahmen des Schulbesuchs. Die minderjährigen Beschwerdeführerinnen verfügen über altersadäquate Kenntnisse der deutschen Sprache und pflegen einen altersentsprechenden Umgang mit Freunden und Mitschülern sowie Lehrern.

Zur Lage in der Türkei:

COVID-19

Am 11.3.2020 verkündete der türkische Gesundheitsminister, Fahrettin Koca, die Nachricht vom tags zuvor ersten bestätigten Corona-Fall (FNS 16.3.2020; vgl. DS 11.3.2020). Mit Jahresende 2020 wurden 2,18 Mio. Corona-Fälle und rund 21.000 Tote in der Türkei verzeichnet (JHU 30.12.2020).

Am 25.11.2020 erklärte Gesundheitsminister Fahrettin Koca, dass nunmehr alle positiv auf COVID-19 getesteten Personen in die Statistik aufgenommen werden. Ende Juli 2020 hatte das Gesundheitsministerium nämlich damit begonnen, die Corona-Infektionszahlen anzupassen, indem nur noch diejenigen, die tatsächlich Symptome entwickelten und einer Behandlung bedurften, statistisch gemeldet wurden. Dadurch blieben die offiziellen Zahlen in der Türkei im internationalen Vergleich niedrig. Auf diese Weise seien nach Medienberichten bis Ende Oktober 2020 bis zu 350.000 Corona-Infektionen verschwiegen worden (BAMF 30.11.2020). Das kam für den türkischen Ärzteverband nicht überraschend, der seit Monaten davor warnt, dass die bisherigen Zahlen der Regierung das Ausmaß der Ausbreitung verschleiern und dass der Mangel an Transparenz zu dem Anstieg beiträgt. Der Ärzteverband behauptet, dass die Zahlen des Ministeriums immer noch zu niedrig seien, verglichen mit ihrer eigenen Schätzung von mindestens 50.000 neuen Infektionen pro Tag. Die Krankenhäuser des Landes sind laut der Vorsitzenden des Ärzteverbandes, Sebnem Korur Fincanci, überlastet, das medizinische Personal ist ausgebrannt und die Contract-Tracer, die einst dafür bekannt waren, den Ausbruch unter Kontrolle zu halten, haben Schwierigkeiten, die Übertragungen zu verfolgen (AP 29.11.2020).

Beginnend mit 1.12.2020 ist ein Lockdown in Kraft getreten, welcher Ausgangssperren unter der Woche von 21.00 Uhr bis 5.00 Uhr umfasst. An den Wochenenden herrschte eine totale Ausgangssperre von Freitag 21.00 Uhr bis Montag 5.00 Uhr. An allen Orten, wo sich mehrere Menschen befinden, insbesondere auf Märkten und in Geschäften, gilt Maskenpflicht. Auf öffentlichen Plätzen wurde ein Rauchverbot auch im Freien eingeführt. Das Verbot zur Durchführung von öffentlichen Veranstaltungen durch staatliche und staatsnahe Organisationen sowie von Verbänden bleibt aufrecht. Sportveranstaltungen werden ohne Zuschauer durchgeführt. An Beerdigungen und Hochzeiten dürfen maximal 30 Personen teilnehmen. Feiern und Zusammenkünfte in häuslicher Umgebung sind untersagt. Gastronomische Einrichtungen bleiben tagsüber nur für Lieferservice geöffnet. Einkaufszentren und Lebensmittelgeschäfte dürfen nur zwischen 10.00 Uhr und 20.00 Uhr geöffnet haben. Beim Betreten von Einkaufszentren wird der sogenannten HES (Hayat Eve Sigar) - Code verlangt, ein behördlich verliehener elektronischer Schlüssel, mittels welchem der momentane Status der jeweiligen Person in Hinblick auf Corona verfolgt und überprüft werden kann. Er dient z.B. als Zutrittsvoraussetzung zu Ämtern oder eben Einkaufszentren. Beginnend mit 5.11.2020 müssen kulturelle Einrichtungen, wie Theater, ab 22.00 Uhr geschlossen sein. Kinos bleiben bis auf weiteres geschlossen. Alle Schulen inklusive Vorschulen

sind geschlossen und werden bis auf weiteres nur mehr im Fernunterricht fortgeführt. Jugendliche unter 20 Jahren dürfen nur zwischen 13.00 Uhr und 16.00 Uhr die Wohnung verlassen. Die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln ist Ihnen untersagt. Ältere Menschen über 65 Jahre dürfen tagsüber nur während bestimmter Uhrzeiten (10.00 Uhr – 13.00 Uhr) die Wohnungen verlassen. Auch für diese Personengruppe ist die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln verboten (WKO 21.1.2021).

Ab 28.12.2020 müssen alle Personen, die mit dem Flugzeug in die Türkei reisen, einen Nachweis erbringen, dass sie innerhalb von 72 Stunden vor der Einreise mit einem PCR-Test negativ auf COVID-19 getestet wurden. Einreisende ohne einen negativen Test müssen entweder an ihrer gemeldeten Adresse in der Türkei oder in einer von der Regierung bezeichneten Einrichtung in Quarantäne gehen. Alle Personen, die über die Land- oder Seegrenzen in die Türkei einreisen, unterliegen ab dem 30.12.2020 den gleichen Anforderungen. Die Richtlinie wird mindestens bis zum 1.3.2021 in Kraft bleiben (Garda World 25.12.2020).

Am 30.12.2020 wurde das bis 17.1.2021 gültige Entlassungsverbot per Präsidialdekret um weitere zwei Monate verlängert (Hürriyet 30.12.2020).

In der zweiten Jänner-Woche 2021 ist mit den Impfungen begonnen worden. Zum Einsatz kommt das chinesische Vakzin der Firma Sinovac, dem am 13.1.2021 nach einem Eilverfahren eine Notzulassung erteilt wurde. Die Prüfung sei noch nicht abgeschlossen, sie werde parallel zur Impfkampagne fortgesetzt, teilten die Behörden mit. Prioritär werden die 1,1 Mio. Mitarbeiter des Gesundheitswesens sowie Menschen über 65 Jahren geimpft. Laut dem Generalsekretär der Ärztevereinigung werde die landesweite Impfkampagne voraussichtlich im Juli 2021 angeschlossen werden. Bei Lieferverzögerungen könne sie auch bis Dezember dauern. Türkische Mediziner haben infolge der Ergebnisse in Brasilien und Indonesien ihre Zweifel an der Wirksamkeit des Impfstoffs geäußert. Die türkische Rechtsmedizinerin und Vorsitzende der Ärztevereinigung Sebnem Korur Fincanci sagte, die Sicherheit des Impfstoffs stehe jedoch außer Frage und appellierte, sich impfen zu lassen. Als Folge der intransparenten Politik will sich allerdings nur jeder zweite impfen lassen (FAZ 14.1.2021).

Politische Lage

Die Türkei ist eine Präsidialrepublik und laut Art. 2 ihrer Verfassung ein demokratischer, laizistischer und sozialer Rechtsstaat auf der Grundlage öffentlichen Friedens, nationaler Solidarität, Gerechtigkeit und der Menschenrechte. Staats- und zugleich Regierungschef ist seit Einführung des präsidialen Regierungssystems am 9.7.2018 der Staatspräsident, der die politischen Geschäfte führt (AA 24.8.2020; vgl. DFAT 10.9.2020), wobei das Amt des Ministerpräsidenten abgeschafft wurde (DFAT 10.9.2020; vgl. bpb 9.7.2018).

Die Verfassungsarchitektur ist weiterhin von einer fortschreitenden Zentralisierung der Befugnisse im Bereich des Präsidentenamtes geprägt, ohne eine solide und wirksame Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative zu gewährleisten. Da es keinen wirksamen Kontroll- und Ausgleichsmechanismus gibt, bleibt die demokratische Rechenschaftspflicht der Exekutive auf Wahlen beschränkt. Unter diesen Bedingungen setzten sich die gravierenden Rückschritte bei der Achtung demokratischer Normen, der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten fort. Die politische Polarisierung verhindert einen konstruktiven parlamentarischen Dialog. Die parlamentarische Kontrolle über die Exekutive bleibt schwach. Unter dem Präsidialsystem sind viele Regulierungsbehörden und die Zentralbank direkt mit dem Präsidentenamt verbunden, wodurch deren Unabhängigkeit untergraben wird. Mehrere Schlüsselinstitutionen, wie der Generalstab, der Nationale Nachrichtendienst, der Nationale Sicherheitsrat und der Souveräne Wohlfahrtsfonds, sind dem Büro des Präsidenten angegliedert worden (EC 29.5.2019). Der öffentliche Dienst wurde politisiert, insbesondere durch weitere Ernennungen von politischen Beauftragten auf der Ebene hoher Beamter und die Senkung der beruflichen Anforderungen an die Amtsinhaber (EC 6.10.2020).

Der Präsident wird für eine Amtszeit von fünf Jahren direkt gewählt und kann bis zu zwei Amtszeiten innehaben, mit der Möglichkeit einer dritten Amtszeit, wenn während der zweiten Amtszeit vorgezogene Präsidentschaftswahlen ausgerufen werden. Erhält kein Kandidat in der ersten Runde die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen, findet eine Stichwahl zwischen den beiden stimmenstärksten Kandidaten statt. Die 600 Mitglieder des Einkammerparlaments werden durch ein proportionales System mit geschlossenen Parteienlisten bzw. unabhängigen Kandidaten in 87 Wahlkreisen für eine Amtszeit von fünf (vor der Verfassungsänderung vier) Jahren gewählt. Wahlkoalitionen sind erlaubt. Die Zehn-Prozent-Hürde, die höchste unter den OSZE-Mitgliedstaaten, wurde trotz der langjährigen Empfehlung internationaler Organisationen und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) nicht gesenkt. Die unter der Militärherrschaft verabschiedete Verfassung garantiert die Grundrechte und -freiheiten nicht ausreichend, da sie sich auf Verbote zum Schutze des Staates konzentriert und der Gesetzgebung erlaubt, weitere unangemessene Einschränkungen festzulegen. Die Vereinigungs-, Versammlungs- und Meinungsfreiheit und das Wahlrecht selbst werden durch die Verfassung und die Gesetzgebung übermäßig eingeschränkt (OSCE/ODIHR 21.9.2018).

Am 16.4.2017 stimmten 51,4% der türkischen Wählerschaft für die von der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) initiierte und von der rechts-nationalistischen Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) unterstützte Verfassungsänderung im Sinne eines exekutiven Präsidialsystems (OSCE 22.6.2017; vgl. HDN 16.4.2017). Die gemeinsame Beobachtungsmisson der OSZE und der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) kritisierte die ungleichen Wettbewerbsbedingungen beim Referendum. Einschränkungen von grundlegenden Freiheiten aufgrund des Ausnahmezustands hatten negative Auswirkungen. Im Vorfeld des Referendums wurden Journalisten und Gegner der Verfassungsänderung behindert, verhaftet und fallweise physisch attackiert. Mehrere hochrangige Politiker und Beamte, darunter der Staatspräsident und der Regierungschef setzten die Unterstützer der Nein-Kampagne mit Terror- Sympathisanten oder Unterstützern des Putschversuchs vom Juli 2016 gleich (OSCE/PACE 17.4.2017).

Bei den vorgezogenen Präsidentschaftswahlen am 24.6.2018 errang Amtsinhaber Recep Tayyip Erdo?an mit 52,6% der Stimmen bereits im ersten Wahlgang die nötige absolute Mehrheit für die Wiederwahl. Bei den gleichzeitig stattfindenden Parlamentswahlen erhielt die regierende AKP 42,6% der Stimmen und 295 der 600 Sitze im Parlament. Zwar verlor die AKP die absolute Mehrheit, doch durch ein Wahlbündnis mit der rechts-nationalistischen MHP unter dem Namen „Volksbündnis“ verfügt sie über eine Mehrheit im Parlament. Die kemalistisch-säkulare Republikanische Volkspartei (CHP) gewann 22,6% bzw. 146 Sitze und ihr Wahlbündnispartner, die national-konservative ?yi-Partei, eine Abspaltung der MHP, 10% bzw. 43 Mandate. Drittstärkste Partei wurde die pro-kurdische Demokratische Partei der Völker (HDP) mit 11,7% und 67 Mandaten (HDN 27.6.2018). Trotz einer echten Auswahl bestand keine Chancengleichheit zwischen den kandidierenden Parteien. Der amtierende Präsident und seine AKP genossen einen beachtlichen Vorteil, der sich auch in einer übermäßigen Berichterstattung der staatlichen und privaten Medien zu ihren Gunsten widerspiegelte. Zudem missbrauchte die regierende AKP staatliche Verwaltungsressourcen für den Wahlkampf. Der restriktive Rechtsrahmen und die unter dem (damals noch) geltenden Ausnahmezustand gewährten Machtbefugnisse schränkten die Versammlungs- und Meinungsfreiheit, auch in den Medien, ein (OSCE/ODIHR 21.9.2018).

Am 23.6.2019 fand in Istanbul die Wiederholung der Bürgermeisterwahl statt. Diese war von

nationaler Bedeutung, da ein Fünftel der türkischen Bevölkerung in Istanbul lebt und die Stadt

ein Drittel des Bruttonationalproduktes erwirtschaftet (NZZ 23.6.2019). Bei der ersten Wahl am 31.3.2019 hatte der Kandidat der oppositionellen CHP, Ekrem ?mamo?lu, mit einem Vorsprung von nur 13.000 Stimmen gewonnen. Die regierende AKP hatte jedoch das Ergebnis angefochten, sodass die Hohe Wahlkommission am 6.5.2019 schließlich die Wahl wegen formaler Fehler bei der Besetzung einiger Wahlkomitees annullierte (FAZ 23.6.2019; vgl. Standard 23.6.2019). ?mamo?lu gewann die wiederholte Wahl mit 54%. Der Kandidat der AKP, Ex-Premierminister Binali Y?ld?r?m, erreichte 45% (Anadolu 23.6.2019). Die CHP löste damit die AKP nach einem Vierteljahrhundert als regierende Partei in Istanbul ab (FAZ 23.6.2019). Bei den Lokalwahlen vom 30.3.2019 hatte die AKP von Staatspräsident Erdo?an bereits die Hauptstadt Ankara (nach 20 Jahren) sowie die Großstädte Adana, Antalya und Mersin an die Opposition verloren. Ein wichtiger Faktor war der Umstand, dass die pro-kurdische HDP auf eine Kandidatur im Westen des Landes verzichtete (Standard 1.4.2019) und deren inhaftierter Vorsitzende, Selahattin Demirta?, auch bei der Wahlwiederholung seine Unterstützung für ?mamo?lu betonte (NZZ 23.6.2019).

Die Gesetzgebungsverfahren sind nicht effektiv. Präsidialdekrete bleiben der parlamentarischen Beratung und Kontrolle entzogen (EC 6.10.2020; vgl. ÖB 10.2020). Präsidialdekrete können nur noch vom Verfassungsgericht aufgehoben werden (ÖB 10.2020). Parlamentarier haben kein Recht, mündliche Anfragen zu stellen. Schriftliche Anfragen können nur an den Vizepräsidenten und Minister gerichtet werden. Der Rechtsrahmen verankert zwar den Grundsatz des Vorrangs von Gesetzen vor Präsidialdekreten und bewahrt somit das Vorrecht des Parlaments, nichtsdestotrotz hat der Präsident bis Dezember 2019 53 Dekrete erlassen, die ein breites Spektrum sozioökonomischer Politikbereiche abdecken und eben nicht in den Geltungsbereich von Präsidialdekreten fallen (EC 6.10.2020). Der Präsident hat die Befugnis hochrangige Regierungsbeamte zu ernennen und zu entlassen, die nationale Sicherheitspolitik festzulegen und die erforderlichen Durchführungsmaßnahmen zu ergreifen, den Ausnahmezustand auszurufen; Präsidialdekrete zu Exekutivangelegenheiten außerhalb des Gesetzes zu erlassen, das Parlament indirekt aufzulösen, indem er Parlaments- und Präsidentschaftswahlen ausruft, das Regierungsbudget zu erstellen und 4 von 13 Mitgliedern des Rates der Richter und Staatsanwälte sowie 12 von 15 Richtern des Verfassungsgerichtshofes zu ernennen. Wenn drei Fünftel des Parlamentes zustimmen, kann dieses eine parlamentarische Untersuchung mutmaßlicher strafrechtlicher Handlungen des Präsidenten, der Vizepräsidenten und der Minister im Zusammenhang mit ihren Aufgaben einleiten. Der Präsident darf keine Dekrete in Bereichen erlassen, die durch die Verfassung der Legislative vorbehalten sind. Der Präsident hat jedoch das Recht, gegen jedes Gesetz ein Veto einzulegen, obgleich das Parlament mit absoluter Mehrheit ein solches Veto außer Kraft setzen kann, während das Parlament nur beim Verfassungsgericht die Nichtigkeitserklärung von Präsidialdekreten beantragen kann (EC 29.5.2019).

Zunehmende politische Polarisierung verhindert weiterhin einen konstruktiven parlamentarischen Dialog. Die Marginalisierung der Opposition, insbesondere der HDP, hält an. Viele der HDP-Abgeordneten sowie deren beide ehemaligen Ko-Vorsitzende befinden sich nach wie vor in Haft (Stand Ende Dezember 2020), im Falle von Selahattin Demirta? trotz eines neuerlichen Urteils des EGMR, diesen sofort frei zu lassen (ZO 22.12.2020). Die Unzulänglichkeiten des Systems der parlamentarischen Immunität, das die Meinungsfreiheit von gewählten Amtsträgern außerhalb des Parlaments einschränkt, bleiben ungelöst (EC 6.10.2020).

Trotz der Aufhebung des zweijährigen Ausnahmezustands im Juli 2018 wirkt sich dieser negativ auf Demokratie und Grundrechte aus. Einige gesetzliche Bestimmungen, die den Regierungsbehörden außerordentliche Befugnisse einräumen und mehrere restriktive Elemente des Notstandsrechtes wurden beibehalten und ins Gesetz integriert (EC 6.10.2020). Nach dem Ende des Ausnahmezustandes am 18.7.2018 verabschiedete das Parlament ein Gesetzespaket mit Anti-Terrormaßnahmen, das vorerst auf drei Jahre befristet ist (NZZ 18.7.2018; vgl. ZO 25.7.2018). In 27 Paragrafen wird geregelt, wie der Staat den Kampf gegen den Terror auch im Normalzustand weiterführen will. So behalten die Gouverneure einen Teil ihrer Befugnisse aus dem Ausnahmezustand. Sie dürfen weiterhin Menschen bei Verdacht, dass sie „die öffentliche Ordnung oder Sicherheit stören“, bis zu 15 Tage den Zugang zu bestimmten Orten und Regionen verwehren und die Versammlungsfreiheit einschränken. Der neue Gesetzestext regelt auch im Detail, wie Richter, Sicherheitskräfte oder Ministeriumsmitarbeiter entlassen werden können (ZO 25.7.2018). Mehr als 152.000 Beamte, darunter Akademiker, Lehrer, Polizisten, Gesundheitspersonal, Richter und Staatsanwälte, wurden durch Notverordnungen entlassen. Mehr als 150.000 Personen wurden während des Ausnahmezustands verhaftet und mehr als 78.000 aufgrund Vorwürfen mit Terrorismusbezug festgenommen (EC 29.5.2019).

Im September 2016 verabschiedete die Regierung ein Dekret, das die Ernennung von „Treuhändern“ anstelle von gewählten Bürgermeistern, stellvertretenden Bürgermeistern oder Mitgliedern von Gemeinderäten, die wegen Terrorismusvorwürfen suspendiert wurden, erlaubt. Dieses Dekret wurde im Südosten der Türkei vor und nach den Kommunalwahlen 2019 großzügig angewandt (DFAT 10.9.2020). Mit Stand Oktober 2020 war die Zahl der Gemeinden, denen aufgrund der Lokalwahlen vom März 2019 ursprünglich ein Bürgermeister aus den Reihen der HDP vorstand (insgesamt 65) um 48 reduziert. Die Zentralregierung entfernte die gewählten Bürgermeister, hauptsächlich mit der Begründung, dass diese angeblich Verbindungen zu terroristischen Organisationen hatten, und ersetzte sie durch Treuhänder (EC 6.10.2020; vgl. bianet 2.10.2020). Die Kandidaten waren jedoch vor den Wahlen überprüft worden, sodass ihre Absetzung noch weniger gerechtfertigt war. Hunderte von HDP-Kommunalpolitikern und gewählten Amtsinhabern sowie Tausende von Parteimitgliedern wurden wegen terroristischer Anschuldigungen inhaftiert. Da keine Anklage erhoben wurde, verstießen laut Europäischer Kommission diese Maßnahmen gegen die Grundprinzipien einer demokratischen Ordnung, entzogen den Wählern ihre politische Vertretung auf lokaler Ebene und schadeten der lokalen Demokratie (EC 6.10.2020).

Sicherheitslage

Die Türkei steht vor einer Reihe von Herausforderungen im Bereich der inneren und äußeren Sicherheit. Dazu gehören der wieder aufgeflammte Konflikt zwischen den staatlichen Sicherheitskräften und der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im Südosten des Landes, externe Sicherheitsbedrohungen im Zusammenhang mit der Beteiligung der Türkei an Konflikten in Syrien und im Irak sowie die Bedrohung durch Terroranschläge durch interne und externe Akteure (DFAT 10.9.2020).

Die Regierung sieht die Sicherheit des Staates durch mehrere Akteure gefährdet: namentlich durch die seitens der Türkei zur Terrororganisation erklärten Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen, durch die auch in der EU als Terrororganisation gelistete PKK, durch, aus türkischer Sicht, mit der PKK verbundene Organisationen, wie die YPG in Syrien, durch den sogenannten Islamischen Staat (IS) und weitere terroristische Gruppierungen, wie der linksextremistischen DHKP-C. Die Ausrichtung des staatlichen Handelns auf die „Terrorbekämpfung“ und die Sicherung „nationaler Interessen“ hat infolgedessen ein sehr hohes Ausmaß erreicht. Die Türkei musste von Sommer 2015 bis Ende 2017 eine der tödlichsten Serien terroristischer Anschläge ihrer Geschichte verkraften, vornehmlich durch die PKK und ihre Ableger, den sog. IS und im geringen Ausmaß durch die DHKP-C (AA 24.8.2020; vgl. SD 29.6.2016, AJ 12.12.2016).

Die Lage im Südosten des Landes ist weiterhin sehr besorgniserregend (EC 6.10.2020). Dort sind die Spannungen besonders groß und es kommt immer wieder zu Ausschreitungen und bewaffneten Zusammenstößen (EDA 28.12.2020). Die Regierung setzte die inneren und grenzüberschreitenden Sicherheits- und Militäroperationen im Irak und in Syrien sowie innerhalb des Landes fort (USDOS 24.6.2020; vgl. EC 6.10.2020). In den Grenzgebieten ist die Sicherheitslage durch wiederkehrende Terrorakte der PKK prekärer (EC 6.10.2020). In den größeren Städten und in den Grenzregionen zu Syrien kann es zu Demonstrationen und Ausschreitungen kommen (EDA 28.12.2020).

Laut der türkischen Menschenrechtsvereinigung (?HD) kamen 2019 bei bewaffneten Auseinandersetzungen 440 Personen ums Leben, davon 98 Angehörige der Sicherheitskräfte, 324 bewaffnete Militante und 18 Zivilisten (?HD 18.5.2020a). 2018 starben 502 Personen, davon 107 Sicherheitskräfte, 391 bewaffnete Militante und vier Zivilisten (?HD 19.4.2019). 2017 betrug die Zahl der Todesopfer 656 (?HD 24.5.2018) und 2016, am Höhepunkt der bewaffneten Auseinandersetzungen, 1.757 (?HD 1.2.2017). Die International Crisis Group zählte seit dem Wiederaufflammen der Kämpfe fast 5.200 Tote (PKK-Kämpfer, Sicherheitskräfte, Zivilisten) im Zeitraum Juli 2015 bis 10.12.2020. Im Jahr 2020 wurden bis zum 10.12.2020 311 Opfer registriert. Besonders hoch waren die Zahlen in den Monaten Mai bis September 2020 (ICG 20.12.2020). Es gab keine Entwicklungen hinsichtlich der Wiederaufnahme eines glaubwürdigen politischen Prozesses zur Erzielung einer friedlichen und nachhaltigen Lösung (EC 6.10.2020).

Die innenpolitischen Spannungen und die bewaffneten Konflikte in den Nachbarländern Syrien und Irak haben Auswirkungen auf die Sicherheitslage (EDA 8.10.2020). Im Grenzgebiet der Türkei zu Syrien und Irak, insbesondere in Diyarbak?r, Cizre, Silopi, Idil, Yüksekova und Nusaybin sowie generell in den Provinzen Mardin, ??rnak und Hakkâri bestehen erhebliche Gefahren durch angrenzende Auseinandersetzungen. In den Provinzen Hatay, Kilis, Gaziantep, ?anl?urfa, Diyarbak?r, Mardin, Batman, Bitlis, Bingöl, Siirt, Mu?, Tunceli, ??rnak, Hakkâri undVan besteht ein erhöhtes Risiko. In den genannten Gebieten werden immer wieder „zeitweilige Sicherheitszonen“ eingerichtet und regionale Ausgangssperren verhängt. Zur Einrichtung von Sicherheitszonen und Verhängung von Ausgangssperren kam es bisher insbesondere im Gebiet südöstlich von Hakkâri entlang der Grenze zum Irak sowie in Diyarbak?r und Umgebung sowie südöstlich der Ortschaft Cizre (Dreiländereck Türkei-Syrien-Irak), aber auch in den Provinzen Gaziantep, Kilis, Urfa, Hakkâri, Batman und A????r? (AA 28.12.2020a).

Das türkische Parlament stimmte (mit Ausnahme der pro-kurdischen HDP) am 7.10.2020 einem Gesetzentwurf zu, das Mandat für grenzüberschreitende Militäroperationen sowohl im Irak als auch in Syrien um ein weiteres Jahr zu verlängern (BAMF 19.10.2020).

Die Sicherheitskräfte verfügen auch nach Beendigung des Ausnahmezustandes weiterhin über die Möglichkeit, die Bewegungs- und Versammlungsfreiheit einzuschränken sowie kurzfristig lokale Ausgangssperren zu verhängen (EDA 28.12.2020).

Rechtsstaatlichkeit/Justizwesen

Die Rechtsstaatlichkeit wird ausgehöhlt und die Grundfreiheiten werden weiter eingeschränkt. Dies markiert eine Beschleunigung des Prozesses der Autokratisierung, der im Land bereits zuvor im Gange war (BS 29.4.2020). Die ernsthaften Bedenken der EU hinsichtlich einer weiteren Verschlechterung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der Grundrechte und der Unabhängigkeit der Justiz wurden in vielen Bereichen nicht ausgeräumt, sondern verzeichneten im Gegenteil weitere Rückschritte (EC 6.10.2020; vgl. PACE 24.1.2019). Die Situation in Hinblick auf die Justizverwaltung und die Unabhängigkeit der Justiz hat sich merkbar verschlechtert (CoECommDH 19.2.2020; vgl. EC 6.10.2020, USDOS 11.3.2020). Die Auswirkungen dieser Situation auf das Strafrechtssystem zeigen sich dadurch, dass sich zahlreiche seit langem bestehende Probleme, wie der Missbrauch der Untersuchungshaft, verschärft haben und neue Probleme hinzugekommen sind. Vor allem bei Fällen von Terrorismus und organisierter Kriminalität hat die Missachtung grundlegender Garantien für ein faires Verfahren durch die türkische Justiz und die sehr lockere Anwendung des Strafrechts auf eigentlich rechtskonforme Handlungen zu einem Grad an Rechtsunsicherheit und Willkür geführt, der das Wesen des Rechtsstaates gefährdet (CoE-CommDH 19.2.2020).

Mit Auslaufen des Ausnahmezustandes im Juli 2018 beschloss das Parlament das Gesetz Nr. 7145, durch das Bestimmungen im Bereich der Grundrechte abgeändert wurden. Zahlreiche Maßnahmen des Ausnahmezustandes, darunter insbesondere die Verleihung außerordentlicher Befugnisse an staatliche Behörden und Einschränkungen der Grundfreiheiten, wurden nunmehr gesetzlich verankert. Besonders problematisch sind der weit ausgelegte Terrorismus-Begriff in der Anti-Terror-Gesetzgebung sowie einzelne Artikel des türkischen Strafgesetzbuches, so Art. 301 – Verunglimpfung/Herabsetzung des türkischen Staates und seiner Institutionen; Art. 299 – Beleidigung des Staatsoberhauptes (ÖB 10.2020). Teile der Notstandsvollmachten wurden auf die vom Staatspräsidenten ernannten Provinzgouverneure übertragen (AA 14.6.2019). Diese können nicht nur das Versammlungsrecht einschränken, sondern haben großen Spielraumbei der Entlassung von Beamten, inklusive Richtern (ÖB 10.2020). Das Gesetz Nr. 7145 sieht auch keine Abschwächung der Kriterien vor, auf Grundlage derer (Massen-)Entlassungen ausgesprochen werden können (wegen Verbindungen zu Terrororganisationen, Handeln gegen die Sicherheit des Staates etc.). Ein adäquater gerichtlicher Überprüfungsmechanismus ist nicht vorgesehen. Beibehalten wird auch die Möglichkeit, Reisepässe der entlassenen Person einzuziehen (ÖB 10.2019).

Rechtsanwaltsvereinigungen aus 25 Städten sahen in einer öffentlichen Deklaration im Februar 2020 die Türkei in der schwersten Justizkrise seit dem Bestehen der Republik, insbesondere infolge der Einmischung der Regierung in die Gerichtsbarkeit, der Politisierung des Rates der Richter und Staatsanwälte (HSK), der Inhaftierung von Rechtsanwälten und des Ignorierens von Entscheidungen der Höchstgerichte sowie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) (bianet 24.2.2020).

Im vom World Justice Project jährlich erstellten „Rule of Law Index“ rangierte die Türkei im Jahr 2020 auf Platz 107 von 128 untersuchten Ländern. Der statistische Indikator verharrte wie 2019 auf dem Messwert von 0,43 (1 ist der statistische Bestwert, 0 der absolute Negativwert). Besonders schlecht schnitt das Land in den Unterkategorien „Grundrechte“ mit 0,32 (Rang 123 von 128) und „Einschränkungen der Macht der Regierung“ mit 0,30 sowie bei der Strafjustiz mit 0,38 ab. Gut war der Wert für „Ordnung und Sicherheit“ mit 0,69, der annähernd dem globalen Durchschnitt von 0,72 entsprach (WJP 11.3.2020).

Gemäß Art. 138 der Verfassung sind Richter in der Ausübung ihrer Ämter unabhängig. Tatsächlich wird diese Verfassungsbestimmung jedoch durch einfachgesetzliche Regelungen und politische Einflussnahme (Druck auf Richter und Staatsanwälte) unterlaufen. Die fehlende Unabhängigkeit der Richter und Staatsanwälte ist die wichtigste Ursache für die vom EGMR in seinen Urteilen gegen die Türkei häufig monierten Verletzungen von Regelungen zu fairen Gerichtsverfahren (insgesamt 13 im Jahr 2019), obwohl dieses Grundrecht in der Verfassung verankert ist. Die dem Justizministerium weisungsgebundenen Staatsanwaltschaften sind nach wie vor für die Organisation der Gerichte zuständig (ÖB 10.2020). Die richterliche Unabhängigkeit ist überdies durch die umfassenden Kompetenzen des in Disziplinar- und Personalangelegenheiten dem Justizminister unterstellten HSK infrage gestellt. Der Rat ist u.a. für Ernennungen, Versetzungen und Beförderungen zuständig. Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Rates sind seit 2010 nur bei Entlassungen von Richtern und Staatsanwälten vorgesehen (AA 14.6.2019).

Seit dem Putschversuch 2016 wurden darüber hinaus insgesamt 4.399 Richter und Staatsanwälte entlassen. Bis heute wurden keine Maßnahmen gesetzt, um den Empfehlungen der Venedig Kommission des Europarates vom Dezember 2016 zu entsprechen, wonach jede Entlassung eines Richters individuell begründet und auf verifizierbare Beweise abgestützt sein müsse (ÖB 10.2020). Bedenken bezüglich der Anstellung neuer Richter und Staatsanwälte im Rahmen des derzeitigen Systems bestehen weiterhin, da keine Maßnahmen ergriffen wurden, um dem Mangel an objektiven, leistungsbezogenen, einheitlichen und im Voraus festgelegten Kriterien für deren Einstellung und Beförderung entgegenzuwirken. Es wurden keine rechtlichen und verfassungsmäßigen Garantien eingeführt, die verhindern, dass Richter und Staatsanwälte gegen ihren Willen versetzt werden (EC 6.10.2020). Nach europäischen Standards sind Versetzungen nur ausnahmsweise aufgrund einer Reorganisation der Gerichte gerechtfertigt. In der justiziellen Reformstrategie 2019-2023 ist zwar für Richter ab einer gewissen Anciennität und auf Basis ihrer Leistungen eine Garantie gegen derartige Versetzungen vorgesehen, doch just am Tag nach Bekanntwerden dieser Garantie erließ der HSK ein Dekret, durch das die Stellen von 3.358 Richtern und Staatsanwälten im Zivil- und Strafrechtsbereich sowie von 364 weiteren Magistraten im Verwaltungsbereich geändert wurden. Insgesamt wurden im Jahr 2019 4.027 Richter und Staatsanwälte versetzt. Abgesehen von Hinweisen auf das Diensterfordernis wurden die Versetzungen nicht begründet (ÖB 10.2020). Folglich ist die abschreckende Wirkung der Entlassungen und Zwangsversetzungen innerhalb der Justiz nach wie vor zu beobachten. Es besteht die Gefahr einer weit verbreiteten Selbstzensur unter Richtern und Staatsanwälten. Es wurden keine Maßnahmen zur Wiederherstellung der Rechtsgarantien ergriffen, um die Unabhängigkeit der Justiz von der Exekutive zu gewährleisten oder die Unabhängigkeit des HSK zu stärken (EC 6.10.2020). Aufgrund der fehlenden Unabhängigkeit ist die Mitgliedschaft des HSK als Beobachter im „European Network of Councils for the Judiciary“ seit Ende 2016 ruhend gestellt. Selbst über die personelle Zusammensetzung des Obersten Gerichtshofes und des Kassationsgerichtes entscheidet primär der Staatspräsident, der auch zwölf der 15 Mitglieder des Verfassungsgerichts ernennt (ÖB 10.2020).

Die Massenentlassungen und häufige Versetzungen von Richtern und Staatsanwälten haben negative Auswirkungen auf die Unabhängigkeit und insbesondere die Qualität und Effizienz der Justiz. Für die aufgrund der Entlassungen notwendig gewordenen Nachbesetzungen steht keine ausreichende Zahl entsprechend ausgebildeter Richter und Staatsanwälte zur Verfügung. In vielen Fällen spiegelt sich der Qualitätsverlust in einer schablonenhaften Entscheidungsfindung ohne Bezugnahme auf den konkreten Fall wider. In massenhaft abgewickelten Verfahren, wie etwa betreffend Terrorismus-Vorwürfen, leidet die Qualität der Urteile und Beschlüsse häufig unter mangelhaften rechtlichen Begründungen sowie lückenhafter und wenig glaubwürdiger Beweisführung. Zudem wurden in einigen Fällen Beweise der Verteidigung bei der Urteilsfindung nicht berücksichtigt (ÖB 10.2020).

Obwohl die Autonomie der Justiz eingeschränkt ist, entschieden die Richter in wichtigen Fällen manchmal auch gegen die Regierung, beispielsweise in den Fällen, in denen Akademiker ein Ende der staatlichen Gewalt in kurdischen Gebieten im Jahr 2016 gefordert hatten (FH 4.3.2020).

Das türkische Justizsystem besteht aus zwei Säulen: der ordentlichen Gerichtsbarkeit (Straf- und Zivilgerichte) und der außerordentlichen Gerichtsbarkeit (Verwaltungs- und Verfassungsgerichte). Mit dem Verfassungsreferendum vom April 2017 wurden die Militärgerichte abgeschafft. Deren Kompetenzen wurden auf die Straf- und Zivilgerichte sowie Verwaltungsgerichte übertragen. Letztinstanzliche Gerichte sind gemäß der Verfassung der Verfassungsgerichtshof (Anayasa Mahkemesi), der Staatsrat (Dan??tay) [Anm.: entspricht etwa dem Verwaltungsgerichtshof], der Kassationgerichtshof (Yargitay) [auch als Oberstes Berufungs- bzw. Appellationsgericht bezeichnet] und das Kompetenzkonfliktgericht (Uyu?mazl?k Mahkemesi) (ÖB 10.2020). Seit September 2012 besteht für alle Staatsbürger die Möglichkeit einer Individualbeschwerde beim Verfassungsgerichtshof (AA 24.8.2020).

2014 wurden alle Sondergerichte sowie die Friedensgerichte (Sulh Ceza Mahkemleri) abgeschafft. Ihre Jurisdiktion für die Entscheidung wurde im Wesentlichen auf Strafgerichte übertragen. Stattdessen wurde die Institution des Friedensrichters in Strafsachen (Sulh Ceza Hakimli?i) eingeführt, der das strafrechtliche Ermittlungsverfahren begleitet und überwacht (ÖB 10.2020). Im Gegensatz zu den abgeschafften Friedensgerichten entscheiden Friedensrichter nicht in der Sache, doch kommen ihnen während des Verfahrens weitreichende Befugnisse zu, wie z.B. die Ausstellung von Durchsuchungsbefehlen, Anhalteanordnungen, Blockierung von Websites sowie die Beschlagnahmung von Vermögen. Neben den weitreichenden Konsequenzen der durch den Friedensrichter anzuordnenden Maßnahmen wird in diesem Zusammenhang vor allem die Tatsache kritisiert, dass Einsprüche gegen Anordnungen nicht von einem Gericht, sondern ebenso von einem Einzelrichter geprüft werden (ÖB 10.2020; vgl. EC 6.10.2020). Da die Friedensrichter allesamt als von der Regierung ausgewählt und ihr unbedingt loyal ergeben gelten, werden sie als das wahrscheinlich wichtigste Instrument der Regierung gesehen, welches die ihr wichtigen Strafsachen bereits in diesem Stadium Sinne der Regierung beeinflusst. Die Venedig Kommission forderte 2017 die Übertragung der Kompetenzen der Friedensrichter an ordentliche Richter bzw. eine Reform (ÖB 10.2020). Die Urteile der Friedensrichter für Strafsachen weichen zunehmend von der Rechtsprechung des EGMR ab und bieten selten eine ausreichend individualisierte Begründung. Der Zugang von Verteidigern zu den Gerichtsakten ihrer Mandanten für einen bestimmten Katalog von Straftaten ist bis zur Anklageerhebung eingeschränkt. Manchmal dauert das mehr als ein Jahr (EC 29.5.2019).

Infolge der teilweise sehr lang dauernden Verfahren setzt die Justiz vermehrt auf alternative Streitbeilegungsmechanismen, die den Gerichtsverfahren vorgelagert sind, und durch die etwa im Jahr 2019 bereits 213.000 Fälle gelöst werden konnten. Ferner waren bereits 2016 neun regionale Berufungsgerichte (Bölge ?dare Mahkemeleri) in Betrieb genommen worden, die insbesondere das Kassationsgericht entlasten. Allerdings liegt der Anteil der Erledigungen der regionalen Berufungsgerichte unter 100%, so dass es nun in dieser Instanz zu einem erheblichen Rückstau kommt. Im Zuge der COVID-19-Krise wurden zwischen März und Mitte Juni keine Gerichtstermine vergeben und sämtliche Fristenläufe gehemmt, sodass es zu weiteren Arbeitsrückständen und Verfahrensverzögerungen kam (ÖB 10.2020).

Probleme bestehen sowohl hinsichtlich der divergierenden Rechtsprechung von Höchstgerichten als auch infolge der Nicht-Beachtung von Urteilen höherer Gerichtsinstanzen durch untergeordnete Gerichte. So hat das Verfassungsgericht uneinheitliche Urteile zu Fällen der Meinungsfreiheit gefällt. Wo sich das Höchstgericht im Einklang mit den Standards des EGMR sah, welches etwa eine Untersuchungshaft in Fällen der freien Meinungsäußerung nur bei Hassreden oder dem Aufruf zur Gewalt als gerechtfertigt betrachtet, stießen die Urteile in den unteren Instanzen auf Widerstand und Behinderung (IPI 18.11.2019).

Mängel gibt es weiters beim Umgang mit vertraulich zu behandelnden Informationen, insbesondere persönlichen Daten, und beim Zugang zu den erhobenen Beweisen gegen Beschuldigte sowie bei den Verteidigungsmöglichkeiten der Rechtsanwälte bei sog. Terror-Prozessen. Fälle mit Bezug auf eine angebliche Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung oder der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) werden häufig als geheim eingestuft, mit der Folge, dass Rechtsanwälte keine Akteneinsicht nehmen können. Gerichtsprotokolle werden mit wochenlanger Verzögerung erstellt. Beweisanträge der Verteidigung und die Befragung von Belastungszeugen durch die Verteidiger werden im Rahmen der Verhandlungsführung des Gerichts eingeschränkt. Geheime Zeugen können im Prozess nicht direkt befragt werden. Der subjektive Tatbestand wird nicht erörtert, sondern als gegeben unterstellt (AA 24.8.2020).

Private Anwälte und Menschenrechtsbeobachter berichteten von einer unregelmäßigen Umsetzung der Gesetze zum Schutz des Rechts auf ein faires Verfahren, insbesondere in Bezug auf den Zugang von Anwälten. Einige Anwälte gaben an, dass sie zögerten, Fälle anzunehmen, insbesondere solche von Verdächtigen, die wegen Verbindungen zur PKK oder zur Gülen-Bewegung angeklagt waren, aus Angst vor staatlicher Vergeltung, einschließlich Strafverfolgung (USDOS 11.3.2020). Anwälte werden willkürlich inhaftiert und in Verbindung mit den angeblichen Verbrechen ihrer Mandanten gebracht. Die Regierung erhebt Anklage wegen Mitgliedschaft in terroristischen Vereinigungen gegen Anwälte, die Menschenrechtsverletzungen aufdecken. Hierbei gibt es keine oder nur spärliche Beweise für eine solche Mitgliedschaft, und das Recht auf ein faires Verfahren wird ignoriert. Die Gerichte verurteilen die Betroffenen zu langen Haftstrafen aufgrund von Terrorismus-Vorwürfen (HRW 10.4.2019). Seit dem Putschversuch 2016 wurden Anwälte wegen angeblicher terroristischer Straftaten inhaftiert, verfolgt und verurteilt. Es wurden mehr als 1.500 Anwälte strafrechtlich verfolgt und bis September 2019 321 Anwälte wegen ihrer vermeintlichen Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation oder wegen der Verbreitung terroristischer Propaganda zu Haftstrafen verurteilt (ALI 1.9.2019). Die Verhaftungen hielten auch 2020 an. Beispielsweise wurden im Rahmen einer strafrechtlichen Untersuchung am 11.9.2020 47 Anwälte in Ankara und sieben weiteren Provinzen aufgrund eines Haftbefehls der Oberstaatsanwaltschaft Ankara festgenommen. 15 Anwälte blieben wegen „Terrorismus“-Anklagen in Untersuchungshaft, der Rest wurde gegen Kaution freigelassen. Ihnen wurde vorgeworfen, angeblich auf Weisung der Gülen-Bewegung gehandelt und die strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihre Klienten (vermeintliche Mitglieder der Gülen-Bewegung) zugunsten der Gülen-Bewegung beeinflusst zu haben. Da die Ermittlungen einer Geheimhaltungsanordnung unterlagen, war es den Anwälten und ihren Rechtsvertretern nicht gestattet, die Ermittlungsakten einzusehen oder Informationen über den Inhalt der Vorwürfe zu erhalten, bis ihre Mandanten im Sicherheitsdirektorat von Ankara verhört wurden, wodurch ihnen das Recht auf angemessene Zeit zur Vorbereitung einer Verteidigung verweigert wurde (AI 26.10.2020).

Laut aktuellem Anti-Terrorgesetz soll eine in Polizeigewahrsam befindliche Person spätestens nach vier Tagen einem Richter zur Entscheidung über die Verhängung einer Untersuchungshaft oder Verlängerung des Polizeigewahrsams vorgeführt werden. Eine Verlängerung des Polizeigewahrsams ist nur auf begründeten Antrag der Staatsanwaltschaft, etwa bei Fortführung weiterer Ermittlungsarbeiten oder Auswertung von Mobiltelefondaten, zulässig. Eine Verlängerung ist zweimal (für je vier Tage) möglich. Der Polizeigewahrsam kann daher maximal zwölf Tage dauern (ÖB 10.2020). Die Regelung verstößt gegen die Spruchpraxis des EGMR, welcher ein Maximum von vier Tagen Polizeihaft vorsieht (EC 6.10.2020).

Die Untersuchungshaft kann gemäß Art. 102 (1) StPO bei Straftaten, die nicht in die Zuständigkeit der Großen Strafkammern fallen, für höchstens ein Jahr verhängt werden. Aufgrund besonderer Umstände kann sie um weitere sechs Monate verlängert werden. Nach Art. 102 (2) StPO beträgt die Dauer der Untersuchungshaft bis zu zwei Jahre, wenn es sich um Straftaten handelt, die in die Zuständigkeit der Großen Strafkammern (A??r Ceza Mahkemeleri) fallen. Das sind Straftaten, die mindestens eine zehnjährige Freiheitsstrafe vorsehen. Aufgrund von besonderen Umständen kann diese Dauer um ein weiteres Jahr verlängert werden, insgesamt höchstens drei Jahre. Bei Straftaten, die das Anti-Terrorgesetz Nr. 3713 betreffen, beträgt die maximale Dauer der Untersuchungshaft sieben Jahre (zwei Jahre und mögliche Verlängerung um weitere fünf Jahre) (ÖB 10.2020).

Während des seit dem Putschversuch bestehenden Ausnahmezustands bis zum 19.7.2018 wurden insgesamt 36 Dekrete erlassen, die insbesondere eine weitreichende Säuberung staatlicher Einrichtungen von angeblich Gülen-nahen Personen sowie die Schließung privater Einrichtungen mit Gülen-Verbindungen zum Ziel hatten. Der Regierung und Exekutive wurden weitreichende Befugnisse für Festnahmen und Hausdurchsuchungen eingeräumt. Die unter dem Ausnahmezustand erlassenen Dekrete konnten nicht beim Verfassungsgerichtshof angefochten werden. Zudem kam es zur Suspendierung und Entlassung von über 152.000 öffentlich Bediensteten, welche per Dekret unehrenhaft entlassen oder suspendiert wurden, und deren Namen im Amtsblatt veröffentlicht wurden (ÖB 10.2020).

Die mittels Präsidialdekret zur individuellen Überprüfung der Entlassungen und Suspendierungen aus dem Staatsdienst eingerichtete Beschwerdekommission begann im Dezember 2017 mit ihrer Arbeit. Das Durchlaufen des Verfahrens vor der Beschwerdekommission und weiter im innerstaatlichen Weg ist eine der vom EGMR festgelegten Voraussetzungen zur Erhebung einer Klage vor dem EGMR (ÖB 10.2019). Bis Anfang Oktober 2020 waren 126.300 Anträge gestellt worden. Davon hatte die Untersuchungskommission 110.250 geprüft und nur 12.680 hatten zu einer Wiederaufnahme geführt, während 97.570 Beschwerden abgelehnt worden waren. 60 positive Entscheidungen betrafen einst geschlossene Vereine, Stiftungen und Fernsehstationen. Es waren noch 16.050 Anträge anhängig (ICSEM 2.10.2020). Die Bearbeitungsrate der Anträge gibt laut Europäischer Kommission Anlass zu Sorge, ob jeder Fall einzeln geprüft wird (EC 6.10.2020).

Die Beschwerdekommission stellt keinen wirksamen Rechtsbehelf für die Betroffenen dar, um sich wirksam und zeitnah Gerechtigkeit und Wiedergutmachung zu verschaffen. Der Kommission fehlt die genuine institutionelle Unabhängigkeit, da ihre Mitglieder zum größten Teil von der Regierung ernannt werden und im Falle von Verdachtsmomenten hinsichtlich Kontakten mit verbotenen Gruppierungen ihrer Funktion enthoben werden können. Somit können die Ernennungs- und Entlassungsvorschriften leicht den Entscheidungsprozess beeinflussen. Denn sollten Kommissionsmitglieder nicht die von ihnen erwarteten Urteile fällen, kann sie die Regierung einfach entlassen (AI 25.10.2018; vgl. ÖB 10.2020). Betroffene haben keine Möglichkeit, Vorwürfe ihrer angeblich illegalen Aktivität zu widerlegen, da sie nicht mündlich aussagen, keine Zeugen benennen dürfen und vor Stellung ihres Antrags an die Kommission keine Einsicht in die gegen sie erhobenen Anschuldigungen bzw. diesbezüglich namhaft gemachten Beweise erhalten. In Fällen, in denen die erfolgte Entlassung aufrecht erhalten wird, stützt sich die Beschwerdekommission oftmals auf schwache Beweise und zieht an sich rechtmäßige Handlungen zum Beweis für angeblich rechtswidrige Aktivitäten heran (ÖB 10.2020; vgl. EC 6.10.2020). Die Beweislast für eine Widerlegung von Verbindungen zu verbotenen Gruppen liegt beim Antragsteller (Beweislastumkehr). Zudem bleibt in der Entscheidungsfindung unberücksichtigt, dass die getätigten Handlungen im Zeitpunkt ihrer Vornahme rechtmäßig waren. Schließlich wird auch das langwierige Berufungsverfahren mit Wartezeiten von zehn Monaten bei den bereits entschiedenen Fällen (einige warten nach über einem Jahr immer noch auf eine Entscheidung) kritisiert (ÖB 10.2020).

Sicherheitsbehörden

Die nationale Polizei, die unter der Kontrolle des Innenministeriums steht, ist für die Sicherheit in großen Stadtgebieten verantwortlich (AA 24.8.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Die Jandarma, eine paramilitärische Truppe, die sich teils aus Wehrpflichtigen rekrutiert, ist für ländliche Gebiete und spezifische Grenzgebiete zuständig (AA 24.8.2020; vgl. USDOS 11.3.2020, ÖB 10.2020), obwohl das Militär die Gesamtverantwortung für die Grenzkontrolle und die allgemeine Außensicherheit trägt (USDOS 11.3.2020). Die Jandarma mit einer Stärke von 180.000 Bediensteten wurde nach dem Putschversuch 2016 dem Innenministerium unterstellt, zuvor war diese dem Verteidigungsministerium unterstellt (ÖB 10.2020). Es gab Berichte, dass Jandarma-Kräfte, die zeitweise eine paramilitärische Rolle spielen und manchmal als Grenzschutz fungieren, auf Asylsuchende syrischer und anderer Nationalitäten schossen, die versuchten, die Grenze zu überqueren, was zu Tötungen oder Verletzungen von Zivilisten führte (USDOS 11.3.2020). Die Jandarma beaufsichtigt auch die sog. „Sicherheitskräfte“ [Güvenlik Köy Korucular?], die vormaligen „Dorfschützer“, eine zivile Miliz, die zusätzlich für die lokale Sicherheit im Südosten sorgen soll, vor allem als Reaktion auf die terroristische Bedrohung durch die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) (USDOS 13.3.2019). Die Polizei und mehr noch der Nationale Nachrichtendienst (Millî ?stihbarat Te?kilât? - M?T) haben unter der Regierung der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) an Einfluss gewonnen. Seit den Auseinandersetzungen mit der Gülen-Bewegung ist die Polizei aber auch selbst zum Objekt umfangreicher Säuberungen geworden (AA 24.8.2020).

Die 2008 abgeschaffte Nachtwache (Bekçi) wurde 2016 nach dem gescheiterten Putschversuch wiedereingeführt. Seitdem wurden mehr als 29.000 junge Männer (TM 28.11.2020) mit nur kurzer Ausbildung als Nachtwache eingestellt. Angehörige der Nachtwache trugen ehemals nur Schlagstöcke und Pfeifen, mit denen sie Einbrecher und Kleinkriminelle anhielten (BI 10.6.2020). Mit einer Gesetzesänderung im Juni 2020 wurden ihre Befugnisse, u.a. Waffeneinsatz und Personenkontrollen, gegen Kritik der Opposition erweitert (AA 24.8.2020; vgl. BI 10.6.2020, Spiegel 9.6.2020). Festnahmen und Verhöre sind ihnen jedoch nicht erlaubt (TRT 11.6.2020). Sie sollen für öffentliche Sicherheit in ihren eigenen Stadtteilen sorgen, werden von Regierungskritikern aber als „AKP-Miliz“ kritisiert (AA 24.8.2020; vgl. BI 10.6.2020, Spiegel 9.6.2020). Den Einsatz im eigenen Wohnvierteln sehen Kritiker als Beleg dafür, dass die Hilfspolizei der Bekçi die eigene Nachbarschaft nicht schützen, sondern viel mehr bespitzeln soll (Spiegel 9.6.2020). Human Rights Watch kritisierte, dass angesichts der weit verbreiteten Kultur der polizeilichen Straffreiheit die Aufsicht über die Beamten der Nachtwache noch unklarer und vager als bei der regulären Polizei sei (Guardian 8.6.2020).

Nachrichtendienstliche Belange werden bei der Türkischen Nationalpolizei (TNP) durch den polizeilichen Nachrichtendienst (?stihbarat Dairesi Ba?kanl??? - IDB) abgedeckt. Dessen Schwerpunkt liegt auf Terrorbekämpfung, Kampf gegen organisierte Kriminalität und Zusammenarbeit mit anderen türkischen Nachrichtendienststellen. Ebenso unterhält die Jandarma einen auf militärische Belange ausgerichteten Nachrichtendienst. Ferner existiert der Nationale Nachrichtendienst M?T, der seit September 2017 direkt dem Staatspräsidenten unterstellt ist (zuvor dem Amt des Premierministers) und dessen Aufgabengebiete der Schutz des Territoriums, des Volkes, der Aufrechterhaltung der staatlichen Integrität, der Wahrung des Fortbestehens, der Unabhängigkeit und der Sicherheit der Türkei sowie deren Verfassung und der verfassungskonformen Staatsordnung sind. Die Gesetzesnovelle vom April 2014 brachte dem M?T erweiterte Befugnisse zum Abhören von privaten Telefongesprächen und zur Sammlung von Informationen über terroristische und internationale Straftaten. M?T-Agenten besitzen eine erweiterte Immunität gegenüber dem Gesetz. Gefängnisstrafen von bis zu zehn Jahren sind für Personen, die Geheiminformation veröffentlichen, vorgesehen. Auch Personen, die dem M?T Dokumente bzw. Informationen vorenthalten, drohen bis zu fünf Jahre Haft (ÖB 10.2020).

Der Polizei wurden im Zuge der Abänderung des Sicherheitsgesetzes im März 2015 weitreichende Kompetenzen übertragen. Das Gesetz sieht seitdem den Gebrauch von Schusswaffen gegen Personen vor, welche Molotow-Cocktails, Explosiv- und Feuerwerkskörper oder ähnliches, etwa im Rahmen von Demonstrationen, einsetzen, oder versuchen einzusetzen (NZZ 27.3.2015; vgl. FAZ 27.3.2015, HDN 27.3.2015). Die Polizei kann auf Grundlage einer mündlichen oder schriftlichen Einwilligung des Leiters der Verwaltungsbehörde eine Person, ihren Besitz und ihr privates Verkehrsmittel durchsuchen. Der Gouverneur kann die Exekutive anweisen, Gesetzesbrecher ausfindig zu machen (Anadolu 27.3.2015).

Die Transparenz und Rechenschaftspflicht von Militär, Polizei und Geheimdiensten gegenüber dem Parlament sind jedoch nach wie vor begrenzt. Das Sicherheitspersonal genießt weiterhin einen weitreichenden Rechtsschutz. Die Erfolgsbilanz bei der gerichtlichen und administrativen Prüfung von Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen und unverhältnismäßiger Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte ist weiterhin schlecht. Die parlamentarische Aufsichtskommission für die Strafverfolgung ist wirkungslos geblieben (EC 6.10.2020; vgl. ÖB 10.2020).

Folter und unmenschliche Behandlung

Die Türkei ist Vertragspartei des Europäischen Übereinkommens zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe von 1987 (AA 24.8.2020). Sie hat das Fakultativprotokoll zum UN-Übereinkommen gegen Folter (OPCAT) im September 2005 unterzeichnet und 2011 ratifiziert (ÖB 10.2020).

Glaubwürdige Vorwürfe von Folter und Misshandlung werden weiterhin berichtet. Folter und Misshandlung kommen nach wie vor in Haftanstalten und Gefängnissen, aber auch in informellen Hafteinrichtungen und auf der Straße vor (EC 6.10.2020; vgl. ?HD 18.5.2020a). Davon abgesehen kommt es laut der türkischen Menschenrechtsvereinigung (?HD) zu extremen und unverhältnismäßigen Interventionen der Strafverfolgungsbehörden bei Versammlungen und Demonstrationen, die dem Ausmaß der Folter entsprechen (?HD 18.5.2020a). Die Zunahme von Vorwürfen über Folter, Misshandlung und grausame und unmenschliche oder erniedrigende Behandlung in Polizeigewahrsam und Gefängnissen in den letzten vier Jahren hat die früheren Fortschritte der Türkei in diesem Bereich zurückgeworfen. Zu den Zielpersonen gehören Kurden, Linke und angebliche Anhänger von Fethullah Gülen. Die Staatsanwaltschaft führt keine adäquaten Untersuchungen zu solchen Anschuldigungen durch. Zudem herrscht eine weit verbreitete Kultur der Straflosigkeit für Mitglieder der Sic

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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