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MilitärwesenNorm
B-VG Art20 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Hofrat Dr. Vejborny, und die Hofräte Dr. Umshaus, DDr. Dorazil, Dr. Naderer und Dr. Klecatsky als Richter, im Beisein des Schriftführers, Bezirksrichters DDr. Hofmann, über die Beschwerde des Regierungssanitätsrates Dr. HK in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 18. Mai 1961, Zl. 1-75 Ka 1/33-1961, betreffend Feststellung der Verpflichtung eines steiermärkischen Amtsarztes zur Vornahme von „Musterungsuntersuchungen“, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Regierungssanitätsrat der Steiermärkischen Landesregierung in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Steiermark und wird als Amtsarzt am Ständigen Amtstag in G verwendet. Er wurde durch Weisungen von Landesorganen verhalten, mit Stellungskommissionen nach den §§ 19 bis 21 des Wehrgesetzes, BGBl. Nr. 181/1955, als „untersuchendes Organ“ (§ 20 Abs. 1 zweiter Satz des Wehrgesetzes), an der Erlassung von Wehrpflichtigen (§ 19 erster Satz des Wehrgesetzes) mitzuwirken. Mit einer an das Amt der Steiermärkischen Landesregierung gerichteten Eingabe vom 17. März 1961 beantragte er die Erlassung eines „Feststellungsbescheides nach dem Dienstrechtsverfahrensgesetz“ des Inhalts, daß die Durchführung von „Musterungsuntersuchungen“ nicht zu seinen Dienstpflichten als Amtsarzt gehöre. Zur Begründung brachte er vor, es könne nicht etwas Pflichtaufgabe eines Landesbeamten sein, was nicht in die Kompetenz der Landesverwaltung oder der mittelbaren Bundesverwaltung falle, sofern nicht eine ausdrückliche Gesetzesnorm eine solche Verpflichtung schaffe. Daß die Bestimmung des § 20 des Wehrgesetzes keine solche Norm darstelle, sei vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. Juni 1958, A 3/58, klargestellt worden. Mit dem jetzt angefochtenen Bescheid wurde auf Grund des Antrages des Beschwerdeführers festgestellt: „Nach Art. 22 B-VG sind alle Verwaltungsorgane zur wechselseitigen Amtshilfe verpflichtet. Gemäß § 22 Abs. 2 des Gesetzes vom 25. Jänner 1914, RGBl. Nr. 15, in Verbindung mit § 2 des Landesbeamtengesetzes, LGBl. Nr. 40/1952, muß der Beamte, wenn es wichtige Rücksichtigen des Dienstes erheischen, auf Weisung seiner Vorgesetzten, bei der Behörde, bei der er in Verwendung steht, oder bei einer anderen staatlichen Behörde auch Amtsgeschäfte, die nicht zu den gewöhnlichen Dienstverrichtungen von Beamten desselben Dienstzweiges gehören, vorübergehend besorgen.“ Zur Begründung wurde angeführt, die Abteilung 15 des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung sei mit Erlaß der Landesamtsdirektion vom 11. Jänner 1961 beauftragt worden, für die in der Zeit vom 6. Februar bis voraussichtlich Ende Mai 1961 durchzuführenden Stellungen der Angehörigen des Geburtsjahres 1942 für die Untersuchung der Wehrpflichtigen Amtsärzte zur Verfügung zu stellen. Im Erlaß des Landeshauptmannes vom 21. Jänner 1961 seien die Amtsärzte der politischen Bezirke der Steiermark angewiesen worden, zu den im Erlaß angeführten Zeiten und an den gleichfalls angeführten Orten in bestimmten Objekten die Wehrpflichtigen des Geburtsjahrganges 1942 auf ihre körperliche und geistige Tauglichkeit für den Wehrdienst zu untersuchen. Für die Bereiche des ständigen Amtsstages G und der Bezirkshauptmannschaft Liezen seien in diesem Erlaß als Musterungszeiten der 22. bis 29. März 1961 und der 13. bis 21. April 1961 und als Ort der Fliegerhorst Aigen bestimmt worden. Hiedurch sei klargestellt, daß der an den Beschwerdeführer ergangene Auftrag, Musterungsuntersuchungen an Wehrpflichtigen im Jahre 1961 durchzuführen, von den zuständigen, weisungsbefugten Organen ergangen und dieser Weisung zufolge Nichtvorliegens eines gesetzlich vorgesehenen Ablehnungsgrundes (Art. 20 B-VG) zu entsprechen gewesen sei. Ob die Heranziehung der Amtsärzte im Hinblick auf Art. 22 B-VG, wonach alle Organe des Bundes, der Länder und Gemeinden im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches zur wechselseitigen Hilfeleistung verpflichtet seien, ergangen sei, sei unmaßgeblich. Ob andererseits die Länder nach § 20 des Wehrgesetzes zur Beigebung eines in öffentlichen Dienst stehenden Arztes zur Stellungskommission verpflichtet seien, was im übrigen in dem zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 19. Juni 1958 verneint werde, sei eine Angelegenheit der Gebietskörperschaften und nicht eine der in ihren Diensten stehenden Bediensteten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift erwogen:
Die Beschwerde bestreitet im Einklang mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem Antrag vom 17. März 1961 daß die Durchführung von „Musterungsuntersuchungen“ zu den Dienstpflichten des Beschwerdeführers als eines in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Steiermark stehenden Amtsarztes gehöre. Die Beschwerde ist im Recht.
Wie schon erwähnt, gründet die belangte Behörde ihre Annahme, daß der Beschwerdeführer auf Grund von Weisungen der ihm vorgesetzten Verwaltungsorgane zur ärztlichen Untersuchung von Stellungspflichtigen verpflichtet sei, auf die Bestimmung des § 22 Abs. 2 der Dienstpragmatik, RGBl. Nr. 15/1914, im Zusammenhalt mit § 2 des Steiermärkischen Landesbeamtengesetzes, LGBl. Nr. 40/1952. Der hier allein maßgebende Absatz 1 des § 2 des Landesbeamtengesetzes lautet: „Die für das Dienstrecht einschließlich des Disziplinarrechtes und das Besoldungs(Pensions)recht der Bundesbeamten maßgebenden Bundesgesetze sind in der jeweils geltenden Fassung - soweit in diesem Gesetze nicht etwas anderes bestimmt wird - auch für Landesbeamte mit der Maßgabe anzuwenden, daß die in diesen Bundesgesetze den obersten Organen des Bundes (Bundespräsident, Bundesregierung, Bundesminister) zustehenden Befugnisse der Landesregierung (§ 32 des Landesverfassungsgesetzes vom 4. Februar 1962 in der Fassung der Landesverfassungsnovelle 1951, LGBl. Nr. 51) zustehen.“ Diese landesgesetzliche Bestimmung ist es denn auch, kraft deren die Bestimmung des § 22 Abs. 2 DP für die steiermärkische Landesbeamten anwendbar ist. In diesem Zusammenhang bedarf es zunächst der Feststellung, daß § 22 Abs. 2 DP seit der Erlassung des § 2 des Landesbeamtengesetzes keine Änderung erfahren hat. Wäre dies nämlich der Fall, so würde der Verwaltungsgerichtshof genötigt sein, aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalls einen Antrag auf Aufhebung des § 2 des Landesbeamtengesetzes beim Verfassungsgerichtshof nach Art. 140 B-VG zu stellen. In dieser Hinsicht ist auf das nach Art. 144 B-VG ergangene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg. 3149 zu verweisen, in dem der Verfassungsgerichtshof zu der dem § 2 des Steiermärkischen Landesbeamtengesetzes gleichenden Bestimmung des § 2 des Kärntner Landesdienstrechts-Überleitungsgesetzes, LGBl. Nr. 54/1949, treffend erklärt hat, daß es verfassungsrechtlich bedenklich ist, wenn der Landesgesetzgeber Bundesrecht „in der jeweils geltenden Fassung“ zum Inhalt eines Landesgesetzes macht. Zugleich hat aber der Verfassungsgerichtshof ausgeführt, daß er das mit dem Erkenntnis Slg. 3149 entschiedene Beschwerdeverfahren nicht zum Zwecke der Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens zu unterbrechen brauchte, weil der verfassungsrechtlich bedenkliche Teil des § 2 des Kärntner Landesdienstrechts-Überleitungsgesetzes insofern nicht für den damals entschiedenen Beschwerdefall präjudiziell gewesen sei, als die vom Verfassungsgerichtshof anzuwendende, durch die eben zitierte Bestimmung rezipierte bundesrechtliche Norm seit dem Inkrafttreten des Kärntner Landesdienstrechts-Überleitungsgesetzes nicht abgeändert worden sei.
Die Bestimmung des § 22 Abs. 1 DP hat folgenden Wortlaut: „Wenn es wichtige Rücksichtigen des Dienstes erheischen, muß der Beamte auf Weisung seiner Vorgesetzten bei der Behörde, bei der er in Verwendung steht, oder bei anderen staatlichen Behörden auch Amtsgeschäfte, die nicht zu den gewöhnlichen Dienstverrichtungen von Beamten desselben Dienstzweiges gehören, vorübergehend besorgen.“ Dieser Wortlaut wurde seit seiner Erlassung im Jahre 1914 nicht geändert. Indes muß bedacht werden, daß § 22 Abs. 2 DP seinen Eintritt in die vom Bundesverfassungsgesetz beherrschte Rechtsordnung dem § 1 des Übergangsgesetzes vom 1. Oktober 1920 verdankt, wonach die älteren Rechtsvorschriften nur insoweit rezipiert wurden, als sie nicht mit dem Bundesverfassungsgesetz in Widerspruch standen. Dieser Umstand im besonderen zwingt zur Handhabung des aber auch sonst nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. etwa die Erkenntnisse Slg. 2109, 2264, 2598, 3221 u.a.) und des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 13. Dezember 1962, Zl. 2051/61) maßgebenden Auslegungsgrundsatzes, daß Rechtsvorschriften, soweit ihr Wortlaut dem nicht entgegensteht, so ausgelegt, werden müssen, daß sie verfassungsmäßig sind. Diesem Prinzip der verfassungskonformen Gesetzesauslegung kommt bei Anwendung des § 22 Abs. 2 DP deshalb Bedeutung zu, weil die darin enthaltene Anordnung, daß ein Beamter nicht nur bei der Behörde, bei der er in Verwendung steht, sondern auf Weisung seiner Vorgesetzten auch „bei anderen staatlichen Behörden“ vorübergehend Amtsgeschäfte zu besorgen hat aus einer Zeit stammt, in der die Staatsfunktion noch nicht im Wege der erst durch das Bundesverfassungsgesetz festgelegten bundesstaatlichen Konstruktion zwischen dem Bund und den Ländern geteilt waren. Der Beschwerdeführer ist - wie schon gesagt - Landesbeamter. Die ihm aufgetragenen Amtsgeschäfte eines „untersuchenden Organs“ (§ 20 Abs. 1 zweiter Satz des Wehrgesetzes) oder eines „untersuchenden Arztes“ (§ 24 Abs. 2 des Wehrgesetzes) bei einer Stellungskommission stellen Funktionen im Rahmen der unmittelbaren Bundesverwaltung (Art. 102 Abs. 2 B-VG) dar. Das hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis Slg. 3354, dessen Ausführungen sich der Verwaltungsgerichtshof voll anschließt, ausdrücklich ausgesprochen. In diesem Erkenntnis hat aber der Verfassungsgerichtshof auch dargetan, daß die Länder weder zufolge einer nach Art. 81 B-V erlassenen bundesgesetzlichen Regelung noch auch kraft des Art. 22 B-VG verpflichtet sind, die ihrem Verwaltungsapparat zugehörigen Amtsärzte den Stellungskommissionen beizugeben. Damit stellt sich aber die Frage, ob die Verwendung von Landesbeamten in der unmittelbaren Bundesverwaltung im allgemeinen zulässig ist. Daß diese Frage zu verneinen ist, ergibt sich schon aus der Bestimmung des § 9 Abs. 3 des Übergangsgesetzes vom 1. Oktober 1920 in der Fassung des BGBl. Nr. 368 vom Jahre 1925. Nach dieser Bestimmung können im Bedarfsfall Bundesangestellte bei den Ämtern der Landesregierungen auch zur Besorgung von Geschäften des selbständigen Wirkungsbereiches des Landes und Angestellte der Behörden und Ämter der ehemals autonomen Verwaltung des Landes (Landesangestellte) bei den Ämtern der Landesregierungen und den Bezirkshauptmannschaften auch zur Besorgung von Geschäften der mittelbaren Bundesverwaltung herangezogen werden, sofern sie den hiefür geltenden Vorschriften entsprechen. Diese Bestimmung wäre überflüssig, wenn nach dem Bundesverfassungsgesetz die Verwendung von Landesangestellten in der Bundesverwaltung schlechthin zulässig wäre. Ein selbstverständlicher Auslegungsgrundsatz aber ist es, daß Rechtsvorschriften ohne sichtbaren Grund nicht so ausgelegt werden dürfen, daß sie überflüssig und daher inhaltlos werden (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Mai 1963, Zl. 245/62, und vom 31. Oktober 1963, Zl. 56/63). Da § 9 des Übergangsgesetzes vom 1. Oktober 1920 in der erwähnten Fassung lediglich eine Verwendung von Landesangestellten in der mittelbaren Bundesverwaltung deckt, können Landesangestellte in der unmittelbaren Bundesverwaltung im allgemeinen nicht verwendet werden. Danach kann auch nicht bei der notwendigen verfassungskonformen Auslegung des § 22 DP der in dieser Bestimmung verwendete Ausdruck „bei anderen staatlichen Behörden“ in Ansehung von Landesbeamten auf die Behörden der unmittelbaren Bundesverwaltung bezogen werden.
Daraus folgt aber auch, daß eine Weisung, die einen Landesbeamten unter Berufung auf § 22 DP verhält, bei den Behörden der unmittelbaren Bundesverwaltung Amtsgeschäfte zu besorgen, gesetzwidrig ist. Es versteht sich von selbst, daß daran auch die Bestimmung des Art. 20 Abs. 1 B-VG nichts zu ändern vermag, wonach Verwaltungsorgane, soweit verfassungsgesetzlich nichts anderes bestimmt wird, an die Weisungen der ihnen vorgesetzten Organe gebunden und diesen für ihre sämtliche Tätigkeiten verantwortlich sind. Wenn Art. 20 Abs. 1 B-VG weiter anordnet, daß das nachgeordnete Verwaltungsorgan die Befolgung einer Weisung ablehnen kann, wenn die Weisung entweder von einem unzuständigen Organ erteilt wurde oder die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde, so bedeutet dies zwar eine Bindung des nachgeordneten Verwaltungsorgans an andere rechtswidrige Weisungen, nicht aber eine Ermächtigung der vorgesetzten Verwaltungsorgane, rechtswidrige oder gar verfassungswidrige Weisungen zu erteilen. Auch die Weisungen der Verwaltungsorgane unterliegen dem fundamentalen Verfassungsgebot des Art. 18 Abs. 1 B-VG, daß die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden darf. Das in dieser Bestimmung normierte Rechtsstaatsprinzip wäre wirkungslos, wenn Art. 20 Abs. 1 B-VG als eine Ermächtigung zur Erteilung rechtswidriger Weisungen aufgefaßt würde. Dasselbe gilt für die die unterhalb der Verfassungsstufe liegenden Rechtsvorschriften, die - wie § 22 Abs. 1 DP - den Verwaltungsbeamten zum Gehorsam gegenüber dienstlichen Anordnungen seiner Vorgesetzten verpflichten. Der Beschwerdeführer hat nicht bestritten, daß es zur Befolgung der Weisungen zur Mitwirkung an dem streitgegenständlichen „Musterungsuntersuchungen“ verpflichtet und er zu einer eigenmächtigen Überprüfung, ob diese Weisungen rechtmäßig waren, nicht befugt war. Gegenstand des angefochtenen Bescheides und demgemäß auch des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aber ist die davon verschiedene Frage, ob die Erteilung dieser Weisungen rechtmäßig war.
Da somit dem angefochtenen Bescheid eine rechtliche Deckung mangelt, war er schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1952 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 19. Dezember 1963
Schlagworte
Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1963:1961001211.X00Im RIS seit
07.12.2021Zuletzt aktualisiert am
09.12.2021