TE Vwgh Erkenntnis 1988/1/22 86/17/0036

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Veröffentlicht am 22.01.1988
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Fremdenverkehrsbeiträge
L37308 Aufenthaltsabgabe Fremdenverkehrsabgabe Nächtigungsabgabe Ortsabgabe Gästeabgabe Vorarlberg
L74008 Fremdenverkehr Tourismus Vorarlberg

Norm

FremdenverkehrsG Vlbg 1978 §4 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde der AK in S, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, Kirchstraße 2, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 10. Dezember 1985, Zl. IIIa-206/26, betreffend Fremdenverkehrsbeitrag (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Bundesland Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde S vom 15. November 1983 wurde der Beschwerdeführerin nach Anhörung des Einschätzungsbeirates gemäß § 6 Abs. 2 des Vorarlberger Fremdenverkehrsgesetzes, LGBl. 9/1978 (in der Folge kurz: FVkG), ein Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 1983 in Höhe von S 3.600,-- (200 Beitragsprodukte für „Verpachtung - Parkplatz“ mal Beitragssatz S 18,-- pro Beitragspunkt) zur Zahlung vorgeschrieben.

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin u.a. aus, im vorliegenden Fall sei ein Tatbestandsmerkmal des § 4 FVkG, daß nämlich sie als Abgabepflichtige eine selbständige Erwerbstätigkeit entfalte, deswegen nicht erfüllt, weil „die Vermietung .......einer Grundstücksfläche“ keine Tätigkeit darstelle.

Mit Berufungsbescheid der Abgabenkommission der Marktgemeinde S vom 9. November 1984 wurde dieser Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche gemeindebehördliche Bescheid vollinhaltlich bestätigt.

Der gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobenen Vorstellung gab auch die Bezirkshauptmannschaft Bludenz mit Bescheid vom 24. Juni 1985 keine Folge.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid ebenfalls keine Folge. Dies - soweit aus der Sicht der vorliegenden Beschwerde unter dem Gesichtspunkt der behaupteten Rechtswidrigkeit des Inhaltes noch von Bedeutung - sinngemäß mit der Begründung, unter „selbständiger Erwerbstätigkeit“ im Sinne des § 4 Abs. 1 FVkG seien der Intention dieses Gesetzes und dem natürlichen Sprechgebrauch folgend alle jene Tätigkeiten zu verstehen, die aus Erwerbsgründen ausgeübt würden. Unter „Tätigkeit“ werde jedes Tun, Dulden oder Unterlassen verstanden, „das finalgerichtet auf den Erwerb ist“. Kennzeichnend für die selbständige Erwerbstätigkeit sei weiters, daß diese Tätigkeit auf eigene Rechnung und Gefahr ausgeübt werde, also das unternehmerische Risiko selbst getragen werde. Im vorliegenden Fall gehe aus der zu den Verwaltungsakten genommenen Fotokopie des die als Parkplatz dienende Grundfläche betreffenden Bestand- bzw. Dienstbarkeitsvertrages hervor, daß sämtliche Tatbestandsmerkmale für die Annahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin erfüllt seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Ihrem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den ihr auferlegten Fremdenverkehrsbeitrag dem Grunde und der Höhe nach in ihren Rechten verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 3 FVkG sind die Gemeinden ermächtigt, zur Deckung ihres Aufwandes für fremdenverkehrsfördernde Maßnahmen und Einrichtungen Fremdenverkehrsbeiträge einzuheben. Abgabepflichtig sind gemäß § 4 Abs. 1 leg. cit. alle Personen, die durch eine selbständige Erwerbstätigkeit unmittelbar oder mittelbar aus dem Aufenthalt von Gästen einen wirtschaftlichen Nutzen ziehen.

Im Beschwerdefall ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens hinsichtlich der Abgabepflicht dem Grunde nach lediglich strittig, ob von den Tatbestandsmerkmalen nach der letztzitierten Gesetzesstelle auch jenes vorliegt, daß die Beschwerdeführerin im maßgebenden Zeitraum „eine selbständige Erwerbstätigkeit“ ausgeübt hat. Unstreitige Sachverhaltsgrundlage ist hiebei, daß die Beschwerdeführerin mit „Dienstbarkeitsvertrag“ vom 9. November/21. Dezember 1981 als Miteigentümerin der vertragsgegenständlichen Liegenschaften der Firma M Gesellschaft m.b.H. in S „die Dienstbarkeit des Fruchtgenusses“ für Zwecke der Entrichtung eines Parkplatzes für die sogenannte „Z-Bahn“ gegen ein jährliches, wertgesichertes Gesamtentgelt von S 500.000,-- zuzüglich Mehrwertsteuer auf die Dauer von (mindestens) 15 Jahren eingeräumt hat. Für eine weitere, diese Liegenschaften betreffende Tätigkeit der Beschwerdeführerin besteht nach der Aktenlage ebensowenig ein Anhaltspunkt wie für die allfällige Annahme, die Beschwerdeführerin entfalte sonst eine Tätigkeit, deretwegen der damit zusammenhängende Vertragsabschluß als Rechtsgeschäft im Rahmen einer selbständigen Erwerbstätigkeit beurteilt werden könnte.

Ausgehend von dem im Beschwerdefall unstrittigen Sachverhalt obliegt es dem Verwaltungsgerichtshof unter dem Gesichtspunkt der behaupteten Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides lediglich zu prüfen, ob eine sich in der Einräumung einer Dienstbarkeit - die von der Verwaltungsbehörde ins Auge gefaßte Qualifikation als Bestandvertrag ist offenbar unzutreffend - erschöpfende Tätigkeit als eine selbständige „Erwerbstätigkeit“ im Sinne des § 4 Abs. 1 FVkG zu verstehen ist. Die belangte Behörde vertritt hiezu expressis verbis die Rechtsansicht, daß nicht nur jedes Tun, sondern auch ein Dulden oder Unterlassen eine „Erwerbstätigkeit“ darstellt, sofern es „finalgerichtet auf den Erwerb ist“.

Dieser Auslegung vermag sich indes der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen. Da das Gesetz keine eigene Definition des Begriffes „Erwerbstätigkeit“ enthält und auch die sonstigen Bestimmungen des Gesetzes keine andere Auslegung erfordern, ist dieser Begriff im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauches, wie er auch in Teilen der Rechtsordnung Eingang gefunden hat (vgl. etwa § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. a und § 94 Abs. 3 lit. b ASVG sowie § 1 GSVG, FSVG und BSVG), zu verstehen (vgl. hiezu auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Oktober 1983, Zl. 83/17/0132, zum Begriff der Erwerbstätigkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 OÖ FrVG 1965). Dieser Sprachgebrauch läßt aber schon im Hinblick auf den im zusammengesetzten Substantiv „Erwerbstätigkeit“ enthaltenen Wortteil „-tätigkeit“ keine andere Auslegung zu als diejenige, daß ein bloßes Dulden oder Unterlassen hievon nicht umfaßt ist. Der Wortteil „Erwerbs-“ bringt dagegen zum Ausdruck, daß eine vom Tatbestand des § 4 Abs. 1 FVkG erfaßbare Tätigkeit auf Erwerb gerichtet sein muß, erweitert aber nicht den auf Tätigkeiten reduzierten Verhaltensbegriff auch auf ein bloßes Dulden oder Unterlassen.

Schon diese Ausführungen zeigen, daß die belangte Behörde das Gesetz verkannt hat. Ohne daß es deshalb noch erforderlich gewesen wäre, auf die vom Beschwerdeführer behaupteten Verfahrensmängel näher einzugehen, mußte daher der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des gestellten Antrages - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 22. Jänner 1988

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1988:1986170036.X00

Im RIS seit

07.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

07.12.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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