Diskriminierungsgrund
MehrfachdiskriminierungDiskriminierungstatbestand
Begründung des Arbeitsverhältnisses, Belästigung durch Arbeitgeber/in (jeweils Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Religion )Text
Senat I der Gleichbehandlungskommission
Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz
(BGBl. Nr. 108/1979 idgF)
Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 9. März 2021 über den am 3. Dezember 2018 eingelangten Antrag von A (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes, der ethnischen Zugehörigkeit und der Religion bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß §§ 3 Z 1 und 17 Abs. 1 Z 1 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idgF) sowie durch durch eine Belästigung durch den/die ArbeitgeberIn gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 GlBG und § 21 Abs. 1 Z 1 GlBG durch Z GmbH (Antragsgegnerin) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idgF), zu GZ GBK I/865/18-M, zu folgendem
PRÜFUNGSERGEBNIS:
1. A ist aufgrund des Geschlechtes und der Religion bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 1 GlBG iVm § 17 Abs. 1 Z 1 GlBG durch die Z GmbH diskriminiert worden.
2. A ist aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 17 Abs. 1 Z 1 GlBG durch Z GmbH diskriminiert worden.
3. A ist aufgrund des Geschlechtes und der Religion durch eine Belästigung durch den/die ArbeitgeberIn gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 GlBG iVm § 21 Abs. 1 Z 1 GlBG durch die Z GmbH diskriminiert worden.
4. A ist aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit durch eine Belästigung durch den/die ArbeitgeberIn gemäß § 21 Abs. 1 Z 1 GlBG durch die Z GmbH diskriminiert worden.
Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.
VORBRINGEN
Im Antrag wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:
Die Antragstellerin habe sich am 10. September 2018 bei der Antragsgegnerin für eine Lehrstelle als Multimedia-Designerin beworben.
Die Stellenanzeige für die Lehrstelle habe sie auf der Homepage des AMS gefunden und ihre Bewerbungsunterlagen am 10. September 2018 ohne Foto per E-Mail an die Antragsgegnerin geschickt.
In der Stellenanzeige seien die Voraussetzungen für die Lehrstelle als Multimedia-Designerin folgendermaßen beschrieben gewesen: Mindestalter 18 Jahre, Matura, Vorkenntnisse und Begeisterung für Filmkameras und Schnittprogramme wie „Adobe Premiere“, Eigenverantwortung und hohe Motivation. Die Antragstellerin sei 24 Jahre alt, absolviere derzeit die Externistenmatura und habe im Oktober 2018 an der Volkshochschule Stadt 1 (VHS) einen Kurs für das Programm „Adobe“ begonnen, um sich Kenntnisse in „Adobe Creative Cloud“ anzueignen, die den in der Stellenanzeige gesuchten Kenntnissen entsprechen. Da sie selbst sehr gern zeichne und porträtiere, haben ihre …-Trainerinnen ihr dazu geraten, sich beruflich im Bereich „Multimedia und Grafik-Design“ umzusehen. Nachdem die ausgeschriebene Lehrstelle ihren Interessen sehr entsprochen und sie über die gesuchten Kenntnisse verfügt habe, habe sie beschlossen, sich sofort zu bewerben. Um beim Unternehmen einen guten Eindruck zu hinterlassen, habe sie aus ihren Zeichnungen ein „Portfolio“ zusammengestellt und dieses mit ihren Bewerbungsunterlagen an die Antragsgegnerin geschickt. Am selben Tag habe sie jedoch von Y eine schriftliche Absage per E-Mail erhalten, in der der Antragstellerin mitgeteilt worden sei, dass alle offenen Lehrstellen schon besetzt worden seien. Y habe sie gebeten, ihr den Link zum AMS-lnserat zu senden, damit sie das Stelleninserat löschen könne, was die Antragstellerin auch getan habe.
Am 1. Oktober 2018 habe die Antragstellerin jedoch eine weitere E-Mail von Y erhalten, in der sie sich danach erkundigt habe, ob sie noch Interesse an der Lehrstelle hätte, da einer der aufgenommenen Lehrlinge die Zusage zurückgezogen habe. Die Antragstellerin habe dies bejaht und sei für den 8. Oktober 2018 zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden.
So sei die Antragstellerin zum vereinbarten Termin mit dem Geschäftsführer des Unternehmens, Mag. X, gegangen und sei dort etwas früher eingetroffen als vereinbart. Ein Mitarbeiter der Firma habe ihr die Tür geöffnet und mitgeteilt, dass Mag. X gerade ein Vorstellungsgespräch mit einem anderen Bewerber führe und sie in der Küche warten solle. In der Küche habe sich der Arbeitsplatz dieses Mitarbeiters befunden und in dieser Küche habe auch das Gespräch des anderen Bewerbers, einem Herrn B, mit Mag. X stattgefunden. Sie habe ebenso in einem weiteren Bereich der Küche Platz genommen, um zu warten, habe jedoch das Gespräch zwischen Mag. X und dem Bewerber Herrn B mithören können, da sie sich alle im selben Raum befunden haben. So habe die Antragstellerin gehört, wie Herr B gefragt habe: „Soll ich meine Unterlagen hierlassen?“, was Mag. X sofort beantwortet und gesagt habe: „Das passt soweit alles. Wir sehen uns wieder!“ Dabei habe Mag. X dem Bewerber ein Blatt Papier ausgehändigt, das eventuell bereits eine Zusage bestätigt habe, dessen Inhalt ihr jedoch nicht bekannt sei. Als sie an der Reihe gewesen sei, habe Mag. X die Antragstellerin zu sich gebeten. Noch während sie gestanden seien, habe er das Gespräch mit der Aussage begonnen: „Aufgrund des Namens habe ich eigentlich einen Mann erwartet. Sie haben ja auch kein Foto mitgeschickt.“ Danach habe er die Antragstellerin gefragt, warum sie sich beworben gehabt habe. Noch während sie sich eine Antwort überlegt habe, habe sie Mag. X, ohne ihre Antwort abzuwarten, gefragt, ob sie nervös sei und ob sie lieber einen Spaziergang machen wolle. Ebenso habe er sie gefragt, ob sie ein Glas Wasser trinken möchte und ergänzt, dass er ihr auch einen Schnaps anbieten könne. Die Antragstellerin habe darauf gesagt, dass sie nervös sei und gerne ein Glas Wasser hätte, das sie auch bekommen habe und sie haben Platz genommen, um weiter zu sprechen. Dann habe sich Mag. X danach erkundigt, warum sie glauben würde, keine Künstlerin zu sein. Sie habe in ihrem Motivationsschreiben angegeben, dass sie zwar gerne und viel zeichne, jedoch keine Künstlerin sei. Sie habe geantwortet, dass sie sich beworben hätte, weil Zeichnen für sie lediglich ein Hobby und nicht ihre Arbeit sei, da sie ihre Zeichnungen ja nicht verkaufen würde. Seine nächste Frage habe bereits gelautet: „Wie gefällt es Ihnen in Österreich?" Darauf habe die Antragstellerin geantwortet, dass sie seit zehn Jahren in Österreich lebe, es ihr hier gefalle und sie sich daran gewöhnt habe, in Österreich zu sein. Da sie bereits mit 14 Jahren nach Österreich gekommen sei, habe sie schnell, fließend Deutsch sprechen gelernt und fühle sich hier wohl. Auf ihre Antwort hin habe Mag. X nur gemeint: „Dafür, dass Sie seit zehn Jahren hier sind, sprechen Sie aber schlecht Deutsch.“ Das sei das erste Mal gewesen, dass jemand so etwas zu ihr gesagt habe, da ihre Deutschkenntnisse sehr gut seien und sie dies auch häufig von anderen Menschen gesagt bekomme. Danach habe er ihr Portfolio betrachtet und ihr gesagt, dass sie sehr gut zeichnen könne, es in seinem Unternehmen jedoch hauptsächlich um den Videodreh ginge und ihre Zeichnungen für ihn keine Rolle spielen. Deshalb wäre es Mag. X zufolge besser gewesen, wenn sie ein geschnittenes Video übermittelt hätte. Mag. X habe sie ebenso gefragt, wie gut sie mit dem Programm „Photoshop“ umgehen könne und sie habe erwidert, dass sie sich für einen Kurs registriert habe, um den Umgang mit „Photoshop, Illustrator und Indesign“ zu lernen. Daraufhin habe Mag. X zur Antragstellerin gesagt, dass „wir hier ein Problem hätten“. Dazu habe er angemerkt, dass er selbst nichts gegen Frauen habe, die ein Kopftuch tragen und es persönlich auch mögen würde. Unmittelbar danach habe Mag. X jedoch mitgeteilt, dass sie „nicht ins Bild seines Unternehmens hineinpasse“. Dafür habe er sich zwar entschuldigt und angegeben, dass er selbst schon mit MigrantInnen gearbeitet und selbst Migrationshintergrund habe. Er habe dies jedoch sofort um die Aussage ergänzt: „Eure Frauen sollten sich bemühen und müssen sich weiterbilden. Ich verstehe ja, dass es für sie auf Grund der Tradition, ihrer Religion und der Kultur schwierig ist, aber sie müssen sich von ihren Männern losreißen können." Diese Aussage habe die Antragstellerin sehr überrascht und sie habe sie als völlig unangemessen und würdeverletzend empfunden, da sie auf ihr weibliches Geschlecht, ihre Religion als Muslimin und ihre ethnische Herkunft als aus Land 2 Bezug genommen habe und ihr bestimmte Verhaltensweisen unterstellt habe, die weder mit ihr, noch mit ihren Qualifikationen für die ausgeschriebene Stelle etwas zu tun haben. Zudem habe die Antragstellerin weder einen Freund, noch sei sie verheiratet und habe sich lediglich für eine Lehrstelle beworben, weshalb es zum Gespräch mit Mag. X gekommen sei Danach habe sich Mag. X auch erkundigt, wo sie vorher gearbeitet habe und sie habe ihm gesagt, dass sie ein Jahr lang in einem „…“ beschäftigt gewesen sei, das ein Projekt des AMS sei, um Menschen, die vorher noch nicht in Beschäftigung gewesen seien, im IT-Bereich in den Arbeitsmarkt zu integriereng, damit sie danach in der Privatwirtschaft Fuß fassen können. Mag. X habe ihre Antwort nachfolgend kommentiert mit: „Ja daraus ist auch Nichts geworden.“ In Verbindung mit Mag. X unmittelbar vorangehenden Unterstellungen im Zusammenhang mit migrantischen muslimischen Frauen wie ihr und dem von Mag. X unterstellten Verhältnis zu Bildung und „unseren“ Männern sowie der beleidigenden Aussage zu ihren „schlechten Deutschkenntnissen“ habe sie auch seine letzte Kommentierung zu ihrer vorangehenden Beschäftigung als würdeverletzend, demütigend und mit ihrem Geschlecht, ihrer Religion und ihrer ethnischen Herkunft in Zusammenhang stehend empfunden. Bei der Verabschiedung habe ihr Mag. X abschließend unmissverständlich mitgeteilt, dass sie für die offene Lehrstelle nicht in Frage komme und habe ihr noch eine Bestätigung über das Gespräch für das AMS ausgestellt.
Von diesem Vorfall habe sie am selben Tag C, die beim Projekt … Trainerin sei und die sie sofort nach dem Gespräch im Rahmen eines Kurses getroffen habe, erzählt. Ebenso haben auch alle anderen Trainerinnen des Projektes gehört, was sie bei diesem Bewerbungsgespräch erlebt gehabt habe.
In der auf Ersuchen des Senates I der GBK von der Antragsgegnerin übermittelten Stellungnahme vom 14. Jänner 2019 bestritt diese die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe, soweit die Richtigkeit nicht außer Streit gestellt wurde, und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:
Die von der Antragstellerin behauptete Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts, ihrer ethnischen Zugehörigkeit und ihrer Religion habe nicht stattgefunden.
Mag. X beschäftige in seinem Unternehmen derzeit zehn Mitarbeiterinnen und sechs Mitarbeiter, die unterschiedliche ethnische Hintergründe aufweisen.
In der Lehrausbildung achte er immer auf eine Ausgewogenheit zwischen weiblichen und männlichen Lehrlingen. Auf die gegenständliche Lehrstelle haben sich insgesamt ca. 150 Personen, davon in etwa 55 % Frauen, beworben. Er habe mit 18 Personen, davon 10 Frauen, Bewerbungsgespräche geführt. 30-40 % der Bewerberlnnen haben wesentlich intensivere Kenntnisse im Umgang mit graphischen Programmen wie Photoshop oder Illustrator sowie Bewegtbild-Bearbeitungssoftware, die die Grundlage der Ausbildung zur Mediendesignerin darstellen und auf die in der Ausschreibung hingewiesen worden sei, aufweisen können als die Antragstellerin. Die Antragstellerin habe sich nach ihren eigenen Angaben noch nie mit der hobbymäßigen Gestaltung von Bewegtbildinhalten beschäftigt.
Nachdem die Antragsgegnerin als Filmproduktion einen Schwerpunkt auf Bewegtbild lege, sei dies für ihn der ausschlaggebende Grund gewesen, einer besser qualifizierten Bewerberin die Lehrstelle anzubieten. D, deren Muttersprache vietnamesisch sei, habe die ausgeschriebene Lehrstelle erhalten und absolviere derzeit bereits ihre Probezeit im Unternehmen.
Ausschlaggebend dafür, dass D die Lehrstelle zugesprochen worden sei, sei der Umstand, dass sie einen Multimedia-Kurs absolviert habe und auch ein Photodiplom vorweisen könne.
B sei ein gut geeigneter Kandidat gewesen. Er habe im Unternehmen jedoch weder eine Lehrstelle noch einen Probetag erhalten, weil sich letztendlich nach Abschluss der Bewerbungsgespräche D als die beste Bewerberin herausgestellt habe.
Im Bewerbungsgespräch habe die Antragstellerin sehr nervös gewirkt. Er habe sie als die junge Frau erkannt, die bereits sehr lange Zeit vor dem Termin auf der anderen Straßenseite auf- und abgegangen sei. Aus diesem Grund habe er das Bewerbungsgespräch mit einer scherzhaften Anspielung darauf begonnen. Generell sei sein Eindruck nach der Schilderung des Bewerbungsgesprächs durch die Antragstellerin in ihrem Antrag, dass sie die Aussagen von Mag. X und ihre Bedeutung möglicherweise teilweise falsch verstanden haben könnte.
Richtig sei, dass Mag. X die Deutschkenntnisse der Antragstellerin – zumindest nach seinem Eindruck im Bewerbungsgespräch – als schlechter eingestuft habe als die Deutschkenntnisse anderer Personen in einer ähnlichen Situation. Dies habe er ihr gegenüber auch zum Ausdruck gebracht. Richtig sei auch, dass er mit der Antragstellerin über das Thema „Frauenbildung“ gesprochen habe und über die Bedeutung der Bildung im Kontext mit Problemen in vielen Weltregionen. Soweit es in seinen Möglichkeiten stehe, unterstütze er jede Form der Weiter- und Fortbildung der MitarbeiterInnen und biete ihnen auch eine finanzielle Unterstützung von derartigen Ausbildungsmaßnahmen an. In keinster Weise sei diese Bemerkung auf die persönliche Situation der Antragstellerin bezogen gewesen, von der er auch keine Kenntnis habe. Unrichtig sei jedoch, dass er gesagt habe, sie würde aufgrund ihres Kopftuchs „nicht in mein Unternehmen passen“.
Sein Mitarbeiter W sei – wie auch die Antragstellerin in ihrem Antrag erwähne – während des gesamten Gesprächs im Raum anwesend gewesen und könne bezeugen, dass er keine derartige Aussage getätigt habe.
PRÜFUNGSGRUNDLAGEN
Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin sowie die mündliche Befragung der Antragstellerin und von Mag. X (informierter Vertreter der Antragsgegnerin) vom 9. März 2021. Als weitere Auskunftspersonen wurden W und C am 9. März 2021 befragt. Des Weiteren bezieht sich der Senat in seiner Entscheidungsfindung auf die Ausschreibung der Lehrstelle Multimedia-DesignerIn im Job-Room des AMS, die Bewerbungsunterlagen von B vom 4. September 2018, die Bewerbungsunterlagen der Antragstellerin und die Mailkommunikation mit Y vom 10. September 2018, Mailkorrespondenz der Antragstellerin mit Y vom 1. Oktober 2018, Gedächtnisprotokoll der Antragstellerin vom 8. Oktober 2018 sowie die Bewerbungsunterlagen von D vom 12. November 2018.
BEGRÜNDUNG2
Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes, BGBl. I Nr. 66/2004 idgF, lauten:
„§ 3. Auf Grund des Geschlechtes, insbesondere unter Bezugnahme auf den Familienstand oder den Umstand, ob jemand Kinder hat darf im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht
1. bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses,
[…]“
„§ 7. (1) Eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes liegt auch vor, wenn eine Person durch geschlechtsbezogene Verhaltensweisen
1. vom/von der Arbeitgeber/in selbst belästigt wird,
[…]
(2) Geschlechtsbezogene Belästigung liegt vor, wenn ein geschlechtsbezogenes Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht ist und
1. eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt oder
2. der Umstand, dass die betroffene Person eine geschlechtsbezogene Verhaltensweise seitens des/der Arbeitgebers/Arbeitgeberin oder Vorgesetzten oder Kolleg/inn/en zurückweist oder duldet, ausdrücklich oder stillschweigend zur Grundlage einer Entscheidung mit Auswirkungen auf den Zugang dieser Person zur Berufsausbildung, Beschäftigung, Weiterbeschäftigung, Beförderung und Entlohnung oder zur Grundlage einer anderen Entscheidung in der Arbeitswelt gemacht wird. […]“
„§ 17. (1) Auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung darf im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht
1. bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses,
[…]“
„§21. (1) Eine Diskriminierung nach § 17 liegt auch vor, wenn eine Person
1. vom/von der Arbeitgeber/in selbst belästigt wird,
[…]
(2) Belästigung liegt vor, wenn eine unerwünschte Verhaltensweise, die mit einem der Gründe nach § 17 im Zusammenhang steht, gesetzt wird,
1. die die Würde der betroffenen Person verletzt oder dies bezweckt,
2. die für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und
3. die ein einschüchterndes, feindseliges, entwürdigendes, beleidigendes oder demütigendes Umfeld für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt. […]“
Generell ist zur Frage des Beweismaßes und der Beweislastverteilung im GBK-Verfahren anzumerken, dass eine betroffene Person, die sich auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne der §§ 3, 7, 17 und 21 GlBG beruft, diesen glaubhaft zu machen hat. Insoweit genügt daher nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) eine „Bescheinigung“ der behaupteten Tatsachen, wobei jedoch der bei der GBK zu erreichende Überzeugungsgrad gegenüber der beim „Regelbeweis“ geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ herabgesenkt ist.
Vereinfacht gesagt muss mehr für die Darstellung des/der Antragstellers/Antragstellerin sprechen als dagegen.3 Dem/der AntragsgegnerIn obliegt dann zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes von ihm/ihr glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund vorliegt.
Bei einer (sexuellen) Belästigung gilt davon abweichend, dass es dem/der AntragsgegnerIn zu beweisen obliegt, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihm/ihr glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.
Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung des Vorwurfes, die der Antragstellerin sei im Zuge des Bewerbungsgespräches aufgrund ihres Kopftuches, ihres Migrationshintergrundes und ihrer Sprachkenntnisse diskriminiert worden, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch und geht von folgendem Sachverhalt aus:
Die Antragstellerin bewarb sich am 10. September 2018 auf eine Ausschreibung im Job-Room des AMS für die Lehrstelle als Multimedia-DesignerIn. Sie übermittelte per E-Mail ein Bewerbungsschreiben und einen Lebenslauf ohne Foto.
Der Antragstellerin erhielt am selben Tag eine Absage mit der Begründung, dass bereits alle Stellen vergeben seien. Die Antragsgegnerin wies außerdem darauf hin, dass sie die Unterlagen in Evidenz halte, falls sie wieder Lehrlinge suche.
Mit E-Mail vom 1. Oktober 2018 fragte die Antragsgegnerin bei der Antragstellerin nach, ob noch Interesse an der Lehrstelle bestehe, da ein Lehrplatz unerwartet frei geworden sei. Die Antragstellerin bekundete ihr Interesse und wurde schließlich zu einem Vorstellungsgespräch am 8. Oktober 2018 eingeladen.
Im Zuge des Bewerbungsgesprächs am 8. Oktober 2018 mit dem Geschäftsführer X thematisierte dieser u.a. den Namen und die Deutschkenntnisse der Antragstellerin. Außerdem sprach er das Thema „Frauenbildung“ und die Bedeutung der Bildung im Kontext mit Problemen in vielen Weltregionen an.
Die Antragstellerin berichtete am selben Tag einer Trainerin des Projektes …, C, vom Vorstellungsgespräch. Diese fertigte ein Gesprächsprotokoll an.
Die Lehrstelle wurde schließlich mit einer weiteren Bewerberin, D, besetzt. Nicht festgestellt werden konnte, wann diese Entscheidung seitens der Antragsgegnerin getroffen wurde.
In rechtlicher Hinsicht ist der Sachverhalt wie folgt zu beurteilen:
1. Es liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes und der Religion bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 1 GlBG iVm § 17 Abs. 1 Z 1GlBG vor.
Die Formulierung „bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses“ beschränkt sich nicht auf die konkrete Entscheidung über die Einstellung, sondern erfasst auch Benachteiligungen im Rahmen des idR vorausgehenden Auswahlverfahrens. Für die Beurteilung einer Diskriminierung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses ist somit auf verschiedene, dem Vertragsabschluss „vorgelagerte“ bzw. diesen „vorbereitende“ Verhaltensweisen des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin oder für diese/n handelnder Personen Bedacht zu nehmen.4
Nach Auffassung des Senates war der vorliegende Fall unter dem Aspekt der intersektionellen Diskriminierung zu überprüfen. Diese bezieht sich auf eine Situation, in der mehrere Diskriminierungsgründe greifen und gleichzeitig miteinander so interagieren, dass sie nicht voneinander zu trennen sind.5 Im zu prüfenden Fall geht es um Diskriminierung aufgrund von Religion und Geschlecht. Aus einer intersektionellen Perspektive tangiert das Kopftuch Frauen in ihrer religiösen und weiblichen Identität und bilden insofern eine untrennbare Einheit.
Die Antragstellerin konnte nach Ansicht des Senates durch ihre Ausführungen glaubhaft den Anschein einer Diskriminierung darlegen. So ließ ihre Darstellung, dass es im Bewerbungsgespräch kaum um ihre Qualifikation gegangen sei, sondern der Geschäftsführer bereits eingangs auf ihren Namen und darauf, dass er aufgrund des Namens einen Mann erwartet habe, Bezug genommen und im weiteren Verlauf des Gesprächs ihr Kopftuch und die Bildung muslimischer Frauen thematisiert habe, darauf schließen, dass die Antragstellerin aufgrund ihres Geschlechtes und ihrer Religion bei der Bewerbung um die Lehrstelle als Multimedia-DesignerIn benachteiligt wurde.
Daher verlagerte sich die Beweislast auf die Antragsgegnerin.
Die Antragsgegnerin vermochte den Senat hingegen nicht von seiner Glaubwürdigkeit zu überzeugen. Zum Teil bestätigte sie die Vorwürfe sogar, wenngleich sie ein diskriminierendes Motiv negierte.
So bestätigte der Geschäftsführer der Antragsgegnerin, X, das Vorbringen der Antragstellerin bezüglich ihres Namens dahingehend, dass er mit der Antragstellerin besprochen habe, dass ihr Vorname in seiner Wahrnehmung auch ein männlicher Vorname sein könnte. Wobei er bestritt, gesagt zu haben, dass er einen Mann erwartet habe.
Hierzu merkt der Senat an, dass die Antragstellerin in der ursprünglichen Absage vom 10. September 2018 von Y mit „Sehr geehrter Herr A“ angeschrieben wurde.
Er bestätigte zudem die Angaben der Antragstellerin, dass er nicht vertiefend über ihre Qualifikationen gesprochen habe, sondern selber eine Einschätzung getroffen habe, dass sie von ihrer bisherigen Ausbildung her weniger qualifiziert gewesen sei als D. Zu dieser Aussage standen seine Angaben in Widerspruch, wann er für sich entschied, dass die Antragstellerin nicht die beste Bewerberin war. Einerseits sagte er aus, dass er die Entscheidung nicht während des Gesprächs getroffen habe, sondern sich zuerst noch andere BewerberInnen angesehen habe. Es sei ein mehrwöchiger Prozess. Andererseits meinte er, vielleicht sei er schon zu dem Zeitpunkt nicht überzeugt davon gewesen, dass sie die Qualifikation habe, die er sich in dieser Lehrposition erwarte.
Ebenso bestätigte er in seiner mündlichen Befragung, dass er über Bildung gesprochen habe. Er erklärte dies damit, weil sie ja in einem Ausbildungsverfahren seien. Zudem räumte er ein, es könne schon sein, dass er mit ihr besprochen habe, dass es wichtig sei, dass Frauen auch in der Ausbildung gleichbehandelt werden, weil er glaube, dass in vielen Ländern auch Probleme dadurch entstehen, dass Frauen teilweise von bestimmten Ausbildungswegen aus welchen Gründen auch immer ausgeschlossen seien. Das wäre ihm ein großes Anliegen und daher habe er auch mehr Frauen im Unternehmen in Ausbildung, als Männer.
Gefragt, wie es dazu gekommen sei, dass über die Themen Weltreligion, Bildung, Frauen, andere Kulturen gesprochen worden sei und inwiefern es im Kontext dieses Bewerbungsverfahrens relevant gewesen sei, räumte er ein, dass es für die Entscheidung vollkommen irrelevant sei, aber er finde es einfach ein spannendes Thema darüber mit einer 24-jährigen Dame zu reden, ohne dass es aus dem Kontext gerissen sei. Er finde es spannend, wenn verschiedene ethnische Hintergründe in einem Unternehmen zusammenarbeiten. Außerdem gab er an, dass er immer interessiert am familiären Hintergrund der MitarbeiterInnen sei, weil er glaube, dass man auch ein Bild von den Personen erhalten könne.
Den Vorwurf, er hätte Bezug auf das Kopftuch der Antragstellerin genommen, bestritt er hingegen und hielt dem entgegen, er hätte sich gefreut, noch mehr Diversität in sein Unternehmen zu bringen. Auf Nachfrage, ob er auch schon eine Mitarbeiterin mit Kopftuch bei sich beschäftigt habe, verneinte er und gab an, dass er damit aber kein Problem hätte.
Der Geschäftsführer zog selbst in Betracht, dass er vielleicht schon zu dem Zeitpunkt nicht überzeugt davon gewesen sei, dass sie die Qualifikation habe, die er sich in dieser Lehrposition erwarte. Im Hinblick darauf, dass ein Großteil des Bewerbungsgespräches anderen Themen als der Qualifikation der Antragstellerin gewidmet war, ist es für den Senat jedoch nicht nachvollziehbar, woraus er diese Erkenntnis zog. Zudem ist es für den Senat nicht nachvollziehbar, warum der Geschäftsführer in dem Wissen, dass die Qualifikation der Antragstellerin für ihn nicht ausreiche – er sie somit offenbar bereits als potenzielle Arbeitnehmerin ausschloss – noch eine Unterhaltung über Themen, die im Zusammenhang mit dem Geschlecht und der Religion der Antragstellerin gesehen werden können, beginnt. Dies ist für den Senat ein starker Hinweis darauf, dass die Wahrnehmung der Antragstellerin als kopftuchtragende muslimische Frau im Bewerbungsverfahren sehr wohl eine Rolle gespielt hat, weshalb der Senat das diesbezügliche Vorbringen der Antragstellerin für glaubwürdig erachtet.
Zur Qualifikation der Antragstellerin ist festzuhalten, dass eine Diskriminierung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses auch dann vorliegt, sollte die Antragstellerin als nicht bestqualifizierteste Bewerberin durch die Ablehnung ihrer Bewerbung aufgrund ihres Geschlechtes und ihrer Religion diskriminiert worden sein (§§ 12 Abs. 1 Z 2 und 26 Abs. 1 Z 2 GlBG).
Aus den Aussagen der Auskunftsperson W konnte der Senat keine wesentlichen Informationen entnehmen, die für den Senat zu einer gegenteiligen Ansicht geführt hätten. W hatte keine tiefergehenden Erinnerungen an das Bewerbungsgespräch, da er nach eigenen Angaben nur mit einem Ohr mitgehört hat. Seine Aussagen blieben nach Ansicht des Senates vage. So sprach er davon, dass es im Laufe des Gesprächs zu Spannungen gekommen sei, aber er habe nicht gewusst, wieso und weshalb. Er glaube einfach, dass es ein Missverständnis unter den beiden gegeben habe, aber er wisse es nicht. Unglaubwürdig erschien vor diesem Hintergrund die Aussage, dass es ihm aufgefallen wäre, wenn der Geschäftsführer etwas mit einem Kopftuch gesagt hätte oder dass Leute mit Kopftuch bei ihnen nicht erwünscht wären.
Weder die Antragstellerin, noch die Auskunftsperson C konnten der Wahrnehmung von W, dass es im Gespräch zu Spannungen gekommen sei, zustimmen. C kannte die Antragstellerin bereits seit einiger Zeit aus dem Projekt …. Ihrer Charakterbeschreibung der Antragstellerin kommt für den Senat daher große Bedeutung zu. Sie beschrieb die Antragstellerin als eine etwas Scheue und glaubte daher, dass sie es einfach nur hingenommen habe. Die Auskunftsperson C gab sachlich und ohne Ausschmückungen den Ablauf des Bewerbungsgespräches, den sie von Hörensagen kannte, wieder, dass es hauptsächlich Fragen gewesen seien, die rund ums Kopftuch, ihre Religion und ihre Kultur gegangen seien. Zudem habe ihr die Antragstellerin erzählt, dass sie sehr nervös gewesen sei und sich nicht sehr wohl gefühlt habe in der Situation und deshalb in der Situation auch nicht viel gesprochen habe.
Im Hinblick auf die Beweislastregeln der §§ 12 Abs. 12 und 26 Abs. 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es der Antragsgegnerin nicht gelungen ist zu beweisen, dass ausschließlich sachliche Motive für die Nichtberücksichtigung der Bewerbung der Antragstellerin ausschlaggebend waren.
Denn das Vorliegen anderer, mitausschlaggebender Motive kann eine/n ArbeitgeberIn vom Vorwurf einer diskriminierenden Behandlung nicht entlasten, da den Realitäten der Arbeitswelt folgend davon auszugehen ist, dass unter Umständen auch mehrere Motive („Motivbündel“) – darunter auch sachliche – eine Rolle spielen können.6
2. Es liegt eine Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 17 Abs. 1 Z 1GlBG vor.
Adressaten und Adressatinnen der Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit sind Personen, die als fremd wahrgenommen werden, weil sie auf Grund bestimmter Unterschiede von der regionalen Mehrheit als nicht zugehörig angesehen werden. Eine unterschiedliche Behandlung knüpft überwiegend an Unterschiede an, die auf Grund von Abstammungs- oder Zugehörigkeitsmythen als natürlich angesehen werden und die die betroffenen Personen nicht ändern können. Häufige Erscheinungsformen sind Diskriminierungen wegen der Hautfarbe und anderer äußerer Merkmale sowie wegen einer als fremd angesehenen Muttersprache.7
Isoliert betrachtet ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Tragens des islamischen Kopftuchs unter Religionsdiskriminierung zu subsumieren, im Zusammenwirken mit einem bestimmten äußeren Erscheinungsbild und einer fremden Sprache ist im Einzelfall auch das Vorliegen einer ethnischen Diskriminierung zu prüfen.8
Die Antragstellerin brachte vor, dass der Geschäftsführer im Rahmen des Bewerbungsgespräches auf ihre Deutschkenntnisse und ihren Migrationshintergrund Bezug genommen habe.
Hinsichtlich der Deutschkenntnisse bestätigte X, dass sie über die Deutschkenntnisse der Antragstellerin gesprochen haben, und führte weiter aus, dass er schon das Gefühl gehabt habe, dass sie für zehn Jahre in Österreich vielleicht ein bisschen besser Deutsch sprechen hätte können, aber das gehört halt auch zum Beruf dazu, dass man der Sprache mächtig ist.
Der Senat konnte sich in der mündlichen Befragung ein Bild von den Sprachkenntnissen der Antragstellerin machen. Der Senat teilt die Einschätzung des Geschäftsführers nicht und versteht daher auch die Verwunderung der Antragstellerin über die getätigte Aussage im Bewerbungsgespräch.
Aus der Befragung von X entstand für den Senat zudem der Eindruck, dass die Herkunft und der Migrationshintergrund der Antragstellerin insofern eine Rolle spielten, dass er mit seinen Aussagen über den Zugang von Frauen zu Bildung in anderen Ländern kulturelle Zuschreibungen anstellte, die er zumindest mit einer fremden Ethnie in Verbindung brachte. Nach Ansicht des Senates schreiben seine Aussagen der Antragstellerin bestimmte identitätsstiftende Wirkungen ihrer Herkunft zu und konnotieren diese negativ.
Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 26 Abs. 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es der Antragsgegnerin auch hinsichtlich des Vorwurfs bezüglich einer Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit der Antragstellerin nicht gelungen ist zu beweisen, dass ausschließlich sachliche Motive für die Nichtberücksichtigung ihrer Bewerbung ausschlaggebend waren.
3. Es liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes und der Religion durch eine Belästigung durch den/die ArbeitgeberIn gemäß § 7 Z 1 GlBG iVm § 21 Abs. 1 Z 1GlBG vor.
Zusätzlich brachte die Antragstellerin vor, durch die Äußerungen des Geschäftsführers der Antragsgegnerin aufgrund ihres Geschlechtes und ihrer Religion durch eine Belästigung diskriminiert worden zu sein.
Der Begriff „ArbeitgeberIn“ ist im Arbeitsrecht kaum determiniert, auch nicht im GlBG. Nach dem hier durch die Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis zu Grunde zu legenden arbeitsvertraglichen ArbeitgeberInnen-Begriff ist als ArbeitgeberIn jede Person anzusehen, die im Rahmen des Arbeitsvertrags über die Arbeitskraft einer anderen Person verfügt. Ist der/die ArbeitgeberIn eine juristische Person, ist dieser das Verhalten ihrer vertretungsbefugten Organe (Vorstandsmitglieder, GeschäftsführerIn, etc.) unmittelbar zuzurechnen.9 Aus dem Begriff „ArbeitgeberIn“ folgt nicht, dass Belästigungshandlungen während der Bewerbungsphase, die also noch vor dem Beginn des Arbeitsverhältnisses liegen, nicht von §§ 7 und 21 erfasst sind. Ziel dieser Bestimmung ist es, die Belästigung im Rahmen des Geltungsbereichs nach den §§ 1, 3, 4, 16, 17 und 18 zu verbieten und zu sanktionieren. Dass der Schutz vor Diskriminierung nicht erst mit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses einsetzt, machen auch schon §§ 3 Z 1 und 17 Abs. 1 Z 1 deutlich, wonach niemand „bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses“ diskriminiert werden darf. Bei der Einstellungsdiskriminierung ist das Nichtvorliegen eines Arbeitsverhältnisses somit sogar eine Tatbestandsvoraussetzung. Belästigungen kommen bekanntlich nicht nur auf allen Ebenen des bereits zustande gekommenen Arbeitsverhältnisses, sondern auch schon bei dessen Begründung vor, insbesondere während der Bewerbungs- und Auswahlphase. Die vorvertragliche Situation ist erfahrungsgemäß besonders anfällig für Belästigungen, weil BelästigerInnen gerade in dieser Phase davon ausgehen, leichtes Spiel zu haben, wenn sie das Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses von einem „gewissen Entgegenkommen“ der BewerberInnen abhängig machen (vgl. § 7 Abs. 2 Z 2). ArbeitgeberInnen haben bereits im vorvertraglichen Verhältnis neben Leben und Gesundheit der ArbeitnehmerInnen auch andere immaterielle und materielle Interessen der ArbeitnehmerInnen im besonderen Maß zu wahren.10
Die Bestimmungen des GlBG zur Belästigung (hier §§ 7 und 21 GlBG) haben gemeinsam, dass sie greifen, wenn eine belästigende Verhaltensweise, die mit einem der Diskriminierungsgründe (hier Geschlecht und Religion) in Zusammenhang steht, gesetzt wird.
Um von einer Belästigung iSd §§ 7 Abs. 2 und 21 Abs. 2 sprechen zu können, muss durch eine belästigende Verhaltensweise des Weiteren die Würde einer Person beeinträchtigt oder deren Beeinträchtigung zumindest bezweckt werden.11 Ein die Würde verletzendes Verhalten liegt erst ab einem gewissen Mindestmaß an Intensität vor.12 Ob die Würde einer Person beeinträchtigt wird, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen.
Hinzu kommt das subjektive Kriterium, dass das belästigende Verhalten für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig sein muss (§§ 7 Abs. 2 und 21 Abs. 2). Ein Verhalten ist dann unerwünscht, wenn es gegen den Willen oder ohne Einverständnis der betroffenen Person erfolgt. Einzelne Menschen sollen selbst bestimmen, welches Verhalten für sie noch akzeptabel ist und welches Verhalten sie bereits als beleidigend empfinden.13
Was das ablehnende Verhalten der betroffenen Person betrifft, so dürfen an dieses keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Demnach ist ein Verhalten nicht erst dann abgelehnt und somit unerwünscht, wenn sich die betroffene Person lautstark zur Wehr setzt. Möglich ist es auch, dass die Ablehnung eines konkreten Verhaltens schlüssig erfolgt.14
In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Haftung des/der unmittelbaren Belästigers/Belästigerin grundsätzlich verschuldensunabhängig ist. Subjektive Elemente auf Seite des Belästigers/der Belästigerin bleiben daher außer Betracht. Es ist demnach unerheblich, ob er/sie die Absicht hatte, zu belästigen.15
Weitere Tatbestandsvoraussetzung der §§ 7 Abs. 2 Z 1 und 21 Abs. 2 Z 1 ist, dass eine belästigende Verhaltensweise gesetzt wird, die eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt. Belästigungshandlungen während der Bewerbungsphase, vor Beginn des Dienstverhältnisses, sind ebenfalls erfasst.16 Die „Arbeitsumwelt“ wird häufig erst durch mehrere Belästigungshandlungen im beschriebenen Sinn beeinflusst und verändert. Wie aber bereits erwähnt, kann auch schon eine einzelne Belästigungshandlung derart schwerwiegend und in ihren Auswirkungen nachhaltig sein, dass damit für die betroffene Person ein einschüchterndes, feindseliges oder demütigendes Umfeld geschaffen wird.17
Belästigung liegt somit vor, wenn ein auf ein geschütztes Merkmal bezogenes Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, und dieses Verhalten objektiv eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt. Hinzu kommt das subjektive Kriterium, dass für die betroffene Person dieses Verhalten ein unerwünschtes, unangebrachtes oder anstößiges darstellt.
Das Verhalten von X ist der Antragsgegnerin als Arbeitgeberin iSd §§ 7 Abs. 1 Z 1 und 21 Abs. 1 Z 1 GlBG zuzurechnen, da er deren Geschäftsführer ist.
Der Antragstellerin gelang es nach Ansicht des Senates durch ihre Ausführungen im Antrag glaubhaft den Anschein einer Belästigung darzulegen. Ihre Schilderung – der Geschäftsführer der Antragsgegnerin habe Aussagen getätigt, die für sie als kopftuchtragende muslimische Frau beleidigend waren – ließ darauf schließen, dass sie vom Geschäftsführer der Antragsgegnerin im Zusammenhang mit ihrem Bewerbungsverfahren belästigt wurde. Die beschriebenen Verhaltensweisen beziehen sich auf die nach dem GlBG geschützten Merkmale Geschlecht und Religion und sind objektiv betrachtet geeignet, die Würde einer Arbeitnehmerin zu verletzen. Die Antragstellerin konnte den Senat zudem davon überzeugen, dass das Verhalten des Geschäftsführers der Antragsgegnerin für sie auch subjektiv unerwünscht war und sie sich bei dem Bewerbungsgespräch nicht wohl fühlte.
Daher verlagerte sich die Beweislast auf die Antragsgegnerin.
Wie bereits oben festgestellt, bestätigte Geschäftsführer X in seiner mündlichen Befragung, dass ihm Diversität im Unternehmen wichtig sei und er sich mit BewerberInnen gerne über diese Themen unterhalte. Dem Senat erscheint die Aufgeschlossenheit des Geschäftsführers für Diversität durchaus glaubwürdig. Mit seinen Ausführungen zur Bildung von Frauen bediente er sich jedoch negativ konnotierten Fremdzuschreibungen. Es ist für den Senat glaubwürdig und nachvollziehbar, dass die Antragstellerin als kopftuchtragende muslimische Frau die Aussagen auf sich bezog und die Fremdzuschreibungen, gerade weil sie nicht auf sie zutrafen, für sie unerwünscht erachtete. Ihre ablehnende Haltung zeigte sich daran, dass sie nach eigenen Angaben kaum auf den Gesprächsinhalt einging. Das Verhalten des Geschäftsführers, im Rahmen des Bewerbungsgespräches den Fokus statt auf die Qualifikation der Bewerberin auf Themen wie Religion zu legen, ist auch objektiv geeignet, die Würde der Antragstellerin zu verletzen. Dass die Antragstellerin in der Bewerbungsphase mit derartigen Aussagen konfrontiert wurde, schaffte zudem ein einschüchterndes, feindseliges oder demütigendes Umfeld.
Im Hinblick auf die Beweislastregeln der §§ 12 Abs. 12 und 26 Abs. 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es der Antragsgegnerin nicht gelungen ist zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihr vorgebrachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.
4. Es liegt eine Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit durch eine Belästigung durch den/die ArbeitgeberIn gemäß § 21 Abs. 1 Z 1GlBG vor.
Die Antragstellerin brachte zudem vor, dass der Geschäftsführer der Antragsgegnerin im Rahmen des Bewerbungsgespräches Unterstellungen in Bezug auf ihre ethnische Zugehörigkeit machte, die weder mit ihr noch mit ihrer Qualifikation für die ausgeschriebene Lehrstelle zu tun hatten, und auf beleidigende Weise ihre Deutschkenntnisse thematisierte.
Der Senat verweist auf seine Ausführungen unter Punkt 3. und hält fest, dass er auch die – von Geschäftsführer X bestätigten – Äußerungen über den Zugang von Frauen zu Bildung in anderen Ländern und die Deutschkenntnisse als Belästigung im Hinblick auf die Herkunft und den Migrationshintergrund der Antragstellerin erachtet.
Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 26 Abs. 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es der Antragsgegnerin nicht gelungen ist zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihr vorgebrachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.
VORSCHLAG
Gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem/der ArbeitgeberIn oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Abs. 3 nicht entsprochen, kann gemäß § 12 Abs. 4 GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.
Da der Senat I der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, wird die Antragsgegnerin, Z GmbH, gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und wird folgender Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:
Leistung eines angemessenen Schadenersatzes,
Wien, 9. März 2021
Dr.in Eva Matt
Vorsitzende des Senates I der GBK
1 Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.
2 Im weiteren Verlauf werden (akademische) Titel nicht weiter angeführt.
3 Vgl. OGH 9 ObA 144/14p, Arb 13.203 mit weiteren Nachweisen.
4 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 3 Rz 13.
5 Vgl. Europäische Kommission (2007): Bekämpfung von Mehrfachdiskriminierung – Praktiken, Politikstrategien und Rechtsvorschriften, S. 17.
6 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 17 Rz 8.
7 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 17 Rz 15.
8 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 17 Rz 15 Fn 51.
9 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 7.
10 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 8.
11 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz. 21.
12 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz. 24.
13 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz. 25.
14 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 26.
15 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 12.
16 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 8.
17 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 28.
Zuletzt aktualisiert am
06.12.2021