Gbk 2021/5/18 GBK I/916/19

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Veröffentlicht am 18.05.2021
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Diskriminierungsgrund

Geschlecht

Diskriminierungstatbestand

Beruflicher Aufstieg

Text

Senat I der Gleichbehandlungskommission

Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz

(BGBl. Nr. 108/1979 idgF)

Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 18. Mai 2021 über den am 15. Juli 2021 eingelangten Antrag von FH-Prof.in PD Mag.a Dr.in A (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes beim beruflichen Aufstieg, insbesondere bei Beförderungen gemäß § 3 Z 5 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idgF) durch die Z GmbH (Antragsgegnerin) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idgF), zu GZ GBK I/916/19, zu folgendem

PRÜFUNGSERGEBNIS:

FH-Prof.in PD Mag.a Dr.in A ist aufgrund des Geschlechtes beim beruflichen Aufstieg, insbesondere bei Beförderungen gemäß § 3 Z 5 GlBG durch die Z GmbH diskriminiert worden.

Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.

VORBRINGEN

Im Antrag wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

Die Antragstellerin sei seit 14. Februar 2011 als Professorin bei der Antragsgegnerin, Stadt 1, Department für … tätig. Von 2012-2016 habe sie die vom Geschäftsführer der Antragsgegnerin, Dr. Y, finanzierte „Plattform …“ und von 2012-2019 acht drittmittelfinanzierte Forschungsprojekte mit einem Projektvolumen von etwa 900.000 Euro geleitet. In diesem Zeitraum sei sie die Vorgesetzte von sieben wissenschaftlichen MitarbeiterInnen … und einer Bachelorpraktikantin … gewesen. Neben diesen bei der Antragsgegnerin angestellten MitarbeiterInnen habe sie ein internationales Konsortium in sieben Ländern bestehend aus 17 Personen im Rahmen des von der EU geförderten Projekts … in den Jahren 2016-2018 als Principal investigator geleitet. Ihre hohe wissenschaftliche Erfahrung lasse sich durch die vielen eingeworbenen Drittmittel, Publikationen (52 Publikationen in Scopus, über 100 auf google scholar) und einer Habilitation im Fach … (2014) nachweisen.

Am 16. März 2019 habe sie sich als Kandidatin für die Wahl zur Dekanin an der Fakultät für … und … der Antragsgegnerin zur Verfügung gestellt. Am 5. April 2019 sei sie als Kandidatin für die Dekanswahl zugelassen worden, nachdem die Wahlkommission sowohl die formalen als auch die qualifikationsbezogenen Voraussetzungen gemäß § 3 der Wahlordnung in der damals gültigen Fassung (Satzung der FH … „Wahlordnung für die Wahl des Dekans/der Dekanin an der FH …“ vom 12. Februar 2008) geprüft und deren Vorliegen bestätigt gehabt habe. Am 25. April 2019 habe sie die Wahl mit 53,7 Prozent der gültigen abgegebenen Stimmen gewonnen. Am 6. Juni 2019 habe der pädagogische Personalbeirat der Antragsgegnerin sie und den zweitplatzierten Kandidaten, FH-Prof. Dr. B, der in der Wahl 46,3 Prozent der Stimmen erhalten gehabt habe, zu einem Hearing eingeladen.

Am 19. Juni 2019 habe ihr Dr. Y telefonisch zu ihrer großen Überraschung mitgeteilt, dass sie von diesem Hearing ausgeladen werde. Er habe dieses Vorgehen damit begründet, dass ihr angeblich die qualifizierte Führungspraxis fehle. Der Umstand, dass die Wahlkommission bereits vor der Wahl die qualifizierte Führungspraxis geprüft und deren Vorliegen bestätigt gehabt und sie folglich zur Wahl zugelassen habe, sei unerwähnt geblieben.

Am 27. Juni 2019 sei der zweitgereihte und neben ihr einzige Kandidat, FH-Prof. Dr. B, als Dekan der Fakultät für … bestellt worden, nachdem die Antragsgegnerin nachträglich die Wahlordnung zu Gunsten des Kollegen und zum Nachteil von ihr abgeändert habe. In der Wahlordnung, die unter anderem über die Definition der „qualifizierten Führungspraxis“ Auskunft gebe, sei nach telefonischer Auskunft von Dr. Y festgehalten worden, dass „ausschließlich StudiengangsleiterInnen passiv zur Wahl des Dekans/der Dekanin zugelassen sind". Am Campus Stadt 1 der Antragsgegnerin habe es seit seiner Gründung vor etwa 20 Jahren drei männliche Studiengangsleiter und eine weibliche Studiengangsleiterin, sowie ausschließlich männliche Dekane gegeben. An den anderen drei Standorten der Antragsgegnerin verhalte es sich nicht anders. Für zwei Funktionsperioden (von 2013 bis 2018) habe es eine weibliche Dekanin am Campus Stadt 2 gegeben, ansonsten habe es seit 25 Jahren FH-weit ausschließlich männliche Dekane gegeben. Aktuell gebe es an der gesamten Fachhochschule keine einzige weibliche Dekanin und nur fünf weibliche Studiengangsleiterinnen (eine Frau in Stadt 1, eine Frau in Stadt 2, eine Frau in Stadt 3, zwei Frauen in Stadt 4). FH-Prof. Dr. B sei aktuell Studiengangsleiter, während die Antragstellerin diese Funktion nicht innehabe.

Sie habe nach der im Zeitpunkt der Wahl gültigen Wahlordnung alle erforderlichen Voraussetzungen für die Wahl zur Dekanin, insbesondere auch die in der Wahlordnung geforderte Führungspraxis, erfüllt. Sonst hätte sie von der Wahlkommission nicht als Kandidatin zugelassen werden dürfen. Bisher habe die Geschäftsführung der Antragsgegnerin immer die/den erstgereihten Kandidatin/Kandidaten der Dekanswahl als Dekanin/Dekan bestellt. In ihrem Fall sei die Geschäftsführung der Antragsgegnerin jedoch erstmalig von dieser Praxis abgewichen und habe den zweitgereihten, männlichen Kandidaten zum Dekan der Fakultät bestellt. Die Tatsache, dass sie von der Geschäftsführung zuerst zu dem Hearing des pädagogischen Personalbeirats eingeladen worden sei, dann jedoch von diesem überraschenderweise aber wieder ausgeladen worden sei, stelle für sie eine eklatante Ungleichbehandlung im Vergleich zu dem männlichen Kandidaten dar. Auf diese Weise sei ihr die Möglichkeit genommen worden, sich dem pädagogischen Personalbeirat persönlich vorzustellen und ihr Konzept für die Entwicklung der Fakultät zu präsentieren.

Die Funktion der Dekanin/des Dekans umfasse die wissenschaftliche und pädagogische Leitung der Fakultät (siehe § 1 der „Wahlordnung für die Wahl des Dekans/der Dekanin an der FH …" gültige Fassung vom 12. Februar 2008). Es handle sich somit um eine Leitungsfunktion. Mit dieser Funktion sei zudem eine teilweise Lehrfreistellung (um den umfangreichen administrativen Aufgaben nachkommen zu können), die Zuteilung einer Sekretariatskraft (Teilzeit) sowie eine finanzielle Abgeltung (in Form einer Prämie) verbunden. Im Vergleich zu ihrer jetzigen Position als FH-Professorin habe die Bestellung zur Dekanin einen erheblichen beruflichen Aufstieg dargestellt.

Der pädagogische Personalbeirat habe als das die Geschäftsführung beratendes Organ weder sie als Person, noch ihren Lebenslauf, noch ihr Konzept für die Weiterentwicklung der Fakultät gesehen und habe ohne Kenntnis dieser Unterlagen am 26. Juni 2019 den zweitgereihten Kandidaten, FH-Prof. Dr. B, als Dekan der Fakultät für … der Geschäftsführung zur Bestellung empfohlen. Dies stelle ihres Erachtens eine eklatante Ungleichbehandlung ihrer Person dar.

Von der diskriminierenden Entscheidung der Antragsgegnerin habe sie am 19. Juni 2019 telefonisch und am 27. Juni 2019 per E-Mail Kenntnis erhalten.

Die Ereignisse im chronologischen Zeitablauf:

Am 15. März 2019 sei die Fakultät Stadt 1 der Antragsgegnerin von der Vorsitzenden der Wahlkommission FH-Prof.in Dr.in X über den Terminplan der im Sommer stattfindenden Dekanatswahl an der Antragsgegnerin und die Möglichkeit bis 2. April 2019 schriftlich Wahlvorschläge einzubringen, informiert worden.

Die Rechtsgrundlage dieser Wahl habe die Wahlordnung Satzung der Antragsgegnerin „Wahlordnung für die Wahl des Dekans/der Dekanin an der FH …“ in der Fassung vom 12. Februar 2008 gebildet.

Der Terminplan der Dekanatswahl inklusive der Liste der aktiv Wahlberechtigten und der Information über die Kriterien der passiv Wahlberechtigten sei in dem E-Mail von Prof.in Dr.in X beigelegt worden. Aus dieser Beilage gehe hervor, dass die Mehrheit der aktiv Wahlberechtigten am Campus Stadt1 Frauen seien.

Am 16. März 2019 habe die Antragstellerin die Wahlkommission informiert, dass sie als Kandidatin für die Dekanatswahl zur Verfügung stehe. In diesem E-Mail habe sie das Vorliegen ihrer „qualifizierten Führungspraxis" des § 3 der geltenden Wahlordnung begründet.

Am 5. April 2019 habe die Vorsitzende der Wahlkommission, Prof.in Dr.in X, über die KandidatInnen für die von 23. bis 25. April 2019 stattfindenden Dekanatswahl informiert.

Das Dokument, aus dem hervorgehe, dass es zwei KandidatInnen gebe, die die Voraussetzungen für die Kandidatur erfüllen, sei dem E-Mail beigelegt worden.

Das Dokument „Organisation der FH … im akademischen Bereich“ sei dem E-Mail beigelegt worden.

Vom 23. bis 25. April 2019 habe die Dekanswahl in der Antragsgegnerin stattgefunden.

Am 25.April 2019 habe die Vorsitzende der Wahlkommission, Prof.in Dr.in X, darüber informiert, dass die Antragstellerin 29 Stimmen (53,7 Prozent) und Dr. B 25 Stimmen (46, 3 Prozent) bei der Wahl erhielt.

Am 7. Mai 2019 sei in der Dekanekonferenz das Thema „Wahlordnung Dekan/Dekanin“ behandelt worden.

Am 7. Mai 2019 sei in der erweiterten Geschäftsleitung erläutert worden: „die Dekanswahl fand am Campus in Stadt1 statt. Wie jedes Dekanatswahlergebnis wird auch dieses vom pädagogischen Personalbeirat behandelt werden (Sitzungstermin 26.6.2019) — eine Stellungnahme des Beirats gilt es abzuwarten.“

Am 4. Juni 2019 sei die „Änderung der Wahlordnung" der erweiterten Geschäftsleitung von Prof. Dr. W erläutert und der finale Vorschlag in Form eines Umlaufbeschlusses dem Geschäftsleiter Dr. Y und Dr. V zur Freigabe vorgelegt worden. Mit dieser Änderung seien nachträglich die Voraussetzungen für die Kandidatur als DekanIn geändert worden.

Am 6. Juni 2019 seien die Antragstellerin und der zweitgereihte Kandidat von der Assistentin des Geschäftsführers zum Hearing beim Personalbeirat der Antragsgegnerin eingeladen worden.

Am 18. Juni 2019 habe die Antragstellerin die geforderten Unterlagen für das Hearing beim Personalbeirat an die Assistentin des Geschäftsführers gemailt.

Am 19. Juni 2019 sei sie vom Geschäftsführer Dr. Y um 12:29 Uhr telefonisch davon in Kenntnis gesetzt worden, dass sie aufgrund des angeblichen Fehlens einer „qualifizierten Führungspraxis“ zum Hearing beim Personalbeirat nicht zugelassen worden sei. Ihre Bürokollegin, Prof.in Dr.in C, sei Zeugin dieses Telefonats gewesen. Prof. Dr. D sei unmittelbar nach dem Telefonat in ihr Zimmer gekommen.

Am 19. Juni 2019 habe ihr die Vorsitzende der Wahlkommission, Prof.in Dr.in X um etwa 14:30 Uhr in Anwesenheit von Prof.in Dr.in C, E und F erläutert, dass die Wahlkommission, ihre Leitung der Plattform … in den Jahren 2012-2016 als qualifizierte Führungspraxis anerkannt habe, weil sie diese äquivalent mit einer Fachbereichsleitung eingestuft habe.

Am 24. Juni 2019 habe der Geschäftsführer Dr. Y bestätigt, dass sie nicht zum Hearing zugelassen worden sei, weil der Personalbeirat die formalen Voraussetzungen der KandidatInnen geprüft habe und zur Entscheidung gekommen sei, dass in ihrem Fall die Voraussetzungen für die Übernahme der Funktion fehlen.

Am 24. Juni 2019 habe die Vorsitzende der Wahlkommission Prof.in Dr.in X schriftlich bestätigt, dass der Antragstellerin aufgrund der Leitung der Plattform … die qualifizierte Führungspraxis anerkannt worden und sie daher passiv wahlberechtigt gewesen sei.

Am 24. Juni 2019 habe die Antragstellerin mit einem Mitglied des pädagogischen Beirats – Prof.in Dr.in U – telefoniert, die ihr telefonisch die Auskunft gegeben habe, dass es vor dem 26. Juni 2019 keine Sitzung im pädagogischen Personalbeirat gegeben habe, sondern der Vorsitzende des Personalbeirats, Prof. Dr. T, im Vorfeld entschieden habe, dass sie formal nicht für die Funktion der Dekanin qualifiziert sei.

Am 27. Juni 2019 seien die MitarbeiterInnen der Fakultät in Stadt 1 informiert worden, dass der pädagogische Personalbeirat gestern getagt und einstimmig beschlossen habe, Dr. B für die Position des Dekans der Fakultät Stadt 1 zu empfehlen.

Am 5. Juli 2019 habe der Betriebsrat der Antragsgegnerin in einer Aussendung an alle MitarbeiterInnen der Antragsgegnerin über die Dekanswahl am Campus Stadt1 informiert, die Vorgänge chronologisch zusammengefasst und die Vorgehensweise der Geschäftsleitung kritisiert.

Am 8. Juli 2019 habe der Geschäftsführer Dr. Y auf das E-Mail des Betriebsrats geantwortet, aus der klar seine Präferenz für den zweitplatzierten Kandidaten, Prof. Dr. B, hervorgehe.

In der auf Ersuchen des Senates I der GBK von der Antragsgegnerin übermittelten Stellungnahme vom 30. Juli 2019 bestritt diese die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe, soweit die Richtigkeit nicht außer Streit gestellt wurde, und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:

In der Sache selbst werde das Vorbringen der Antragstellerin bezüglich der faktischen Ausführungen, soweit sie nicht bestritten werden, im Wesentlichen anerkannt. Bestritten werden jedoch die Wertungen bzw. rechtlichen Konsequenzen des Vorbringens der Antragstellerin.

Einleitend möchte die Antragsgegnerin die Struktur des österreichischen Fachhochschulwesens und insbesondere die konkreten Strukturen der FH … darstellen:

Die rechtliche Grundlage des österreichischen Fachhochschul-Wesens ist das Fachhochschulstudiengesetz (im Folgenden kurz: FHStG). Dieses Bundesgesetz, welches in seiner Stammfassung als BGBI. 1993/340 kundgemacht worden sei, sei zwischenzeitlich lediglich einige Male behutsam novelliert worden. Das zeige, dass der Gesetzgeber mit der Struktur des Gesetzes im Wesentlichen zufrieden sei und auch alle 21 österreichischen Erhalter mit dem Gesetz gute Erfahrungen gemacht haben. Das FHStG sei in seiner Stammfassung im Prinzip als sogenanntes Rahmen- bzw. Planungsgesetz konzipiert, was besage, dass es nur Mindeststandards und Mindesterfordernisse betreffend die organisatorische Struktur vorgebe, die konkreten Ausgestaltungen jedoch dem Erhalter als Betreiber von Studiengängen und Lehrgängen zur Weiterbildung im Rahmen seiner Satzungsautonomie überlasse. Das im Jahr 2011 hinzugefügte Prüfungs- und Studienrecht habe allerdings nicht mehr den planungsgesetzgeberischen Charakter, sondern müssen diese Bestimmungen als sogenannte Ordnungsprinzipien gedeutet werden.

Der konkrete Streitfall betreffe die planungsgesetzgeberischen Aspekte des FHStG, welche, wie dargetan, sich prinzipiell im Rahmen einer finalen Determinierung an bestimmen Zielen und Grundsätzen orientieren. Diese seien beispielsweise ein rasches und zügiges Studium, welches der Erhalter zu ermöglichen habe. Weiter seien Studienzeiten und ECTS-Punkte vorgegeben und ebenso auch Höchstauslastungen, die nicht überschritten werden sollen. Ziel sei das rasche Studium, das im Rahmen von Kleingruppen stattfinde und als Kontrapunkt zur Universität ein rasches und praxisorientiertes Studium ermöglichen solle (s. dazu insb. Hauser in: Hauser/Schweighofer [Hg], Kommentar zum FHStG [2017] § 1 Rn 40 ff).

Das einzig zwingend einzurichtende Organ sei das fachhochschulische Kollegium. Dieses sei im § 10 FHStG geregelt und sehe in seinem Abs. 2 die einzige notwendige demokratische Wahl im österreichischen Fachhochschul-Wesen vor. Dieses gewählte Kollegium sei in weiterer Folge gemäß § 10 Abs. 3 Z 10 FHStG mit der Erlassung einer Geschäftsordnung und einer Satzung im Einvernehmen mit dem Erhalter befähigt. In der Satzung sei jedenfalls zu enthalten, die Studien- und Prüfungsordnungen, die Wahlordnung für das Kollegium, die Einrichtung allfälliger Arbeitsausschüsse und deren Statuten, Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern, Bestimmungen über Frauenförderung, sowie Richtlinien für die sinngemäße Verwendung von Bezeichnungen des Universitäts-Wesens und über Verleihung von akademischen Ehrungen.

Die Antragsgegnerin habe all diesen Punkten entsprochen und die notwendigen („jedenfalls") Satzungsteile erlassen und auf ihrer Homepage veröffentlicht.

§ 10 Abs. 3 Z 10 FHStG verankere zwei weitere Punkte, die für das österreichische Fachhochschul-System wesentlich seien.

•     Zum einen sei die dem österreichischen Fachhochschul-Sektor gesetzlich aufgebürdete Dichotomie zwischen Kollegium und (Erhalter-)Geschäftsführung immer im Einvernehmen zu gestalten.

•     Zum anderen bestehe, wie aus den Mindeststandards des § 10 Abs. 3 Z 10 FHStG hervorgehe, keine Notwendigkeit für die Funktion einer Dekanin oder eines Dekans bzw. deren Ernennung auf demokratischer Basis. Insbesondere dieser Punkt sei wichtig: Es müsse keine Dekanin bzw. keinen Dekan geben und es bestehe daher auch kein Rechtsanspruch, eine solche Funktion innezuhaben bzw. zugesprochen zu bekommen.

Dass die Antragsgegnerin es den vier Fakultäten dennoch ermögliche, im Rahmen der Dekanatsbestellung mitzubestimmen, sei die Ausgestaltung einer für die FH … typischen intrinsischen Grundhaltung: Nämlich das tief verwurzelte und gelebte Bekenntnis zu Partizipation und Autonomie im akademischen Lehr- und Forschungsbetrieb. Dass sich dieses Bekenntnis nicht in leeren Worten erschöpfe, zeige insbesondere die von der Antragstellerin vorgelegte Beilage „Organisation der FH … im akademischen Bereich" vom März 2014, aber freilich auch die Beilage „Wahlordnung für die Wahl des Dekans/der Dekanin an der FH …“.

Gehe man auf die Wahlordnung näher ein, sei folgendes festzustellen:

Passiv wahlberechtigt seien an der jeweiligen Fakultät als hauptberuflich Lehrende der Verwendungsgruppe L2 entsprechende Personen mit wissenschaftlicher Erfahrung und qualifizierter Führungspraxis. Als qualifizierte Führungspraxis gelte die Tätigkeit als Studiengangs- oder Fachbereichsleiterin oder als pädagogische Koordinatorin oder Koordinator an der FH … oder andererseits eine Tätigkeit mit vergleichbarer Führungsverantwortung in der Wirtschaft oder ähnlichen Institutionen verbunden mit einer mindestens dreijährigen Zugehörigkeit zur FH … als hauptberuflich Lehrende oder Lehrender.

Auf die Antragstellerin heruntergebrochen bedeute das:

Zwar verfüge die Antragstellerin über die dreijährige Zugehörigkeit, jedoch nicht über die entsprechende Führungspraxis, weder als Studiengangsleiterin bzw. Fachbereichsleiterin, noch als leitende Angestellte in Wirtschaft und/oder Industrie. Der Antragstellerin fehle auch der fachdisziplinäre Hintergrund in einer berufsfeldrelevanten Institution/Organisation. Die Tatsache, dass die Antragstellerin einige Forschungsprojekte geleitet habe, könne diese notwendige Führungserfahrung schon alleine vom eindeutigen Wortlaut der Bestimmung der Wahlordnung nicht ersetzen. Es handle sich dabei aber auch um keine gleichwertige Tätigkeit, da die Abwicklung eines Forschungsprojektes nicht annähernd mit der Tätigkeit einer Studiengangsleiterin oder einer Fachbereichsleiterin oder pädagogischer Koordinatorin verglichen werden könne. Darüber hinaus verfüge die Antragstellerin auch nicht über das notwendige Organisationswissen, ohne das die Besetzung einer Dekansfunktion nicht möglich und auch nicht sinnvoll sei.

Dieses mangelnde organisationale Wissen belege auch die Art der Beschwerdeführung – hätte die Antragsgegnerin die Trennung zwischen (freiwillig eingeräumtem) Gestaltungsbereich und Erhalter-/Geschäftsführungsebene gekannt, wäre eine Beschwerdeführung erst gar nicht zustande gekommen.

Gemäß § 7 der Wahlordnung nominiere die Geschäftsführung eine Dekanin oder einen Dekan im Rahmen des Vorschlages. Dieser Vorschlag habe die Antragstellerin und ihren einzigen Gegenkandidaten beinhaltet. Die Geschäftsführung nominiere aber nicht alleine, sondern unter gesellschaftsvertraglich notweniger Beiziehung des Personalbeirats der Antragsgegnerin die zukünftige Dekanin oder den zukünftigen Dekan. Auch dieser Vorgang sei zutiefst partizipativ und berücksichtigt die Autonomie des Lehr- und Forschungsbetriebes in einem Umfang, der zwar wie schon dargetan vom Gesetz nicht erforderlich ist, aber dem Bekenntnis der Antragsgegnerin zu partizipativer Führung und zur Berücksichtigung der autonomen Freiräume des Lehr- und Forschungsbetriebes notwendig sei.

Der Personalbeirat überprüfe die Fähigkeiten der vorgeschlagenen Kandidatinnen und Kandidaten, ob diese den hohen Anforderungen der Funktion einer Dekanin oder eines Dekans genügen. Dieser Aufgabe sei der Personalbeirat nachgekommen und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Antragstellerin nicht über die in § 2.3. des Organisationshandbuches der FH … geforderten Fähigkeiten und Erfahrungen verfüge. Aus diesem Grund sei die Antragstellerin nicht zum Hearing eingeladen worden. Es hätte keinen Sinn gehabt, eine Person zum Hearing zuzulassen, obwohl die notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen seien.

Diese funktionale Ausgestaltung, nämlich einerseits die Durchführung einer demokratischen Wahl durch den autonomen Lehr- und Studienbetrieb und andererseits die weitere Überprüfung der vorgeschlagenen Kandidatinnen und Kandidaten durch den Personalbeirat bringen genau die in § 10 FHStG gesetzte Doppelverantwortung zwischen autonomen Studienbetrieb einerseits und Geschäftsführung andererseits zum Ausdruck. Was die Antragstellerin als Verletzung von demokratischen Prinzipien missverstehe, sei vielmehr das absolute Bekenntnis zur Autonomie des Studienbetriebes einerseits und der Verantwortung einer Geschäftsführung im gesellschaftlichen Bereich andererseits.

Genau das habe der Gesetzgeber gewollt: Ein Fachhochschul-Wesen auf freiwilliger privater Initiative, in dem sowohl der akademische Bereich in seiner Autonomie geschützt sei und die Berücksichtigung der Verantwortung der haftenden Organe der jeweiligen Gesellschaft. Dieses notwendige Einvernehmen komme in § 10 FHStG zum Ausdruck und genau diese Dichotomie und die Notwendigkeit des Herstellens dieses Einvernehmens zwischen akademischen Betrieb und Erhalter machen das Wesen des österreichischen Fachhochschul-Systems aus.

Dass die Dekanswahl im Studienbetrieb der Antragsgegnerin die Ausnahme sei, zeige der universitäre Bereich, in dem Dekane ohne Wahl vorgeschlagen und vom Rektor ernannt werden:

Die Regelungen hinsichtlich der Bestellung einer Dekanin oder eines Dekans seien in der Organisation der … Universität 1 Stadt1 normiert. Das entsprechende Dokument enthalte den Organisationsplan gemäß § 20 Abs. 4 UG und stelle im Übrigen einen Bestandteil der Satzung der Universtität 1 Stadt 1 dar.

Gemäß § 16 Abs. 1 Organisation der Universtität 1 Stadt 1 stehe der

?     Rechtswissenschaftlichen Fakultät,

?     Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät,

?     Technisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät

jeweils eine Dekanin bzw. ein Dekan vor.

Diese bzw. dieser werde gemäß Abs. 2 vom Rektorat aus dem Kreise der Universitätsprofessorinnen bzw. Universitätsprofessoren oder dem Kreis der Universitätsdozentinnen bzw. Universitätsdozenten maximal bis zum Ende der Funktionsperiode des Rektorats bestellt und sei gegenüber diesem weisungsgebunden.

Eine Abberufung aus wichtigen Gründen sei vor Ablauf der Bestellungsdauer durch das Rektorat möglich. Bei einer länger dauernden Verhinderung werde seitens des Rektorats eine Stellvertreterin bzw. ein Stellvertreter bestellt.

Es sei daher nicht nachvollziehbar, wenn sich die Antragstellerin auf eine Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts berufe.

Aus rein gesellschaftsrechtlicher Sicht mache die Antragsgegnerin darauf aufmerksam, dass die Haftungsbestimmungen der §§ 24 ff des österreichischen GmbH-Gesetzes eine Geschäftsführerhaftung in all den Fällen vorsehen, in denen leitende Angestellte mit maßgeblichem Einfluss schädliche Rechtsgeschäfte bzw. Entscheidungen vornehmen. Diese Entscheidungen werden entsprechend der Judikatur zu den Haftungsbestimmungen des GmbH-Gesetzes immer dem Geschäftsführer bzw. der Geschäftsführung zugerechnet. Es sei daher aus der Sicht des GmbH-Gesetzes sogar notwendig, dass die Letztentscheidung über die Zuweisung einer Führungsfunktion immer dem Geschäftsführer bzw. der Geschäftsführung obliege. Der Gesetzgeber habe keinesfalls eine Lösung vorgesehen, in der der Geschäftsführer bzw. die Geschäftsführung dadurch vor vollendete Tatsachen gestellt werde, dass eine Führungsfunktion auf rein demokratischer Basis ohne Mitsprache der Geschäftsführung vollzogen werde. Genau dieses Prinzip setze § 10 FHStG vortrefflich um.

Weiter sei ergänzend ausgeführt, dass den Geschäftsführer bzw. die Geschäftsführung auch die strafrechtliche Haftung nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG – Bundesgesetz über die Verantwortlichkeit von Verbänden für Straftaten BGBI. 151/2005) treffe, weil ihm das strafrechtliche Verhalten seiner Führungskräfte zugerechnet werde. Auch aus dieser Sicht sei es rechtlich geboten, dass der Geschäftsführer bzw. die Geschäftsführung trotz Wahlmodus im Rahmen einer Personalbestellung die finale Kontrolle und Entscheidungshoheit habe.

Abschließend sei noch auf ein E-Mail der Antragstellerin vom 21. Juni 2019 verwiesen, in dem diese die Vorgehensweise der Antragsgegnerin gegenüber zumindest 15 Angehörigen des Lehr- und Forschungspersonals der Fakultät Stadt 1 als „grausiges Vorgehen“ bezeichne, der Geschäftsführung „diktatorische und sexistische Verhaltensmuster“ vorwerfe und dazu aufrufe, sich gegen „dieses grausige System zu wehren, um eine Versklavung zu vermeiden“.

Der vorliegende E-Mailverkehr zeige, dass die Antragstellerin den Boden der Sachlichkeit gänzlich verloren habe.

Die Antragsgegnerin habe die Antragstellerin weder diskriminiert noch sonst wie schlecht behandelt. Die mangelnde Eignung der Antragstellerin habe die Antragsgegnerin zu Recht veranlasst, von einer Bestellung zur Dekanin der Fakultät Stadt 1 Abstand zu nehmen.

PRÜFUNGSGRUNDLAGEN

Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin sowie die mündliche Befragung der Antragstellerin und von Dr. Y (informierter Vertreter der Antragsgegnerin) vom 7. April 2021. Als weitere Auskunftspersonen wurden FH-Prof.in DSA Dr.in X am 7. April 2021 sowie Univ.-Prof. Dr. T und FH-Prof.in Mag.a Dr.in U am 18. Mai 2021 befragt. Des Weiteren bezieht sich der Senat in seiner Entscheidungsfindung auf die Ausschreibung der Dekanatswahl 2019 vom 15. März 2019, die Bewerbung der Antragstellerin vom 16. März 2019, die Bekanntgabe der KandidatInnen der Dekanats- und Fakultätskonferenzwahl 2019 vom 5. April 2019, das Organisationshandbuch der Fakultätskonferenz (Stand: März 2014), die Wahlordnung für die Wahl des Dekans/der Dekanin (Stand: 12. Februar 2008 und die aktuell gültige Fassung), die Bekanntgabe des Ergebnisses der Dekanats- und Fakultätskonferenzwahl 2019 vom 25. April 2019, das Protokoll (Entwurf) der 80. Sitzung des Kollegiums der Antragsgegnerin vom 29. Mai 2019, die Protokolle der erweiterten Geschäftsleitung vom 7. Mai und 4. Juni 2019, das E-Mail der Assistenz der Geschäftsführung vom 6. Juni 2019 betreffend der Präsentation vor dem pädagogischen Personalbeirat, die E-Mailkorrespondenz zwischen der Antragstellerin und Dr. Y vom 19. und 24. Juni 2019, die E-Mailkorrespondenz zwischen FH-Prof.in DIin Dr.in S und Dr. Y vom 23. und 24. Juni 2019, die E-Mailkorrespondenz zwischen der Antragstellerin und FH-Prof.in DSA Dr.in X vom 24. Juni 2019, das E-Mail von Dr. Y betreffend Sitzung des pädagogischen Personalbeirates vom 27. Juni 2019 sowie das E-Mail von Dr. Y vom 8. Juli 2019.

BEGRÜNDUNG2

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes, BGBl. I Nr. 66/2004 idgF, lauten:

„§ 3. Auf Grund des Geschlechtes, insbesondere unter Bezugnahme auf den Familienstand oder den Umstand, ob jemand Kinder hat darf im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht

[…]

5.   beim beruflichen Aufstieg, insbesondere bei Beförderungen […]“

Generell ist zur Frage des Beweismaßes und der Beweislastverteilung im GBK-Verfahren anzumerken, dass eine betroffene Person, die sich auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des § 3 GlBG beruft, diesen glaubhaft zu machen hat. Insoweit genügt daher nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) eine „Bescheinigung“ der behaupteten Tatsachen, wobei jedoch der bei der GBK zu erreichende Überzeugungsgrad gegenüber der beim „Regelbeweis“ geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ herabgesenkt ist.

Vereinfacht gesagt muss mehr für die Darstellung des/der Antragstellers/Antragstellerin sprechen als dagegen.3 Dem/der AntragsgegnerIn obliegt dann zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes von ihm/ihr glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund vorliegt.

Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung des Vorwurfes, die Antragstellerin sei vom weiteren Bewerbungsprozess für die Funktion als Dekanin ausgeschlossen worden, obwohl von der Wahlkommission das Vorliegen der passiven Wahlberechtigung festgestellt worden sei und sie bei der Wahl mehr Stimmen als ihr männlicher Mitbewerber erhalten habe, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch und geht von folgendem Sachverhalt aus:

Die Antragstellerin ist seit 14. Februar 2011 als Professorin bei der Antragsgegnerin, Campus Stadt 1, am Department für … tätig. Von 2012 bis 2016 leitete sie die „Plattform …“ und von 2012 bis 2019 acht drittmittelfinanzierte Forschungsprojekte mit einem Projektvolumen von etwa 900.000 Euro. In diesem Zeitraum war sie die Vorgesetzte von sieben wissenschaftlichen MitarbeiterInnen und einer Bachelorpraktikantin. Neben diesen bei der Antragsgegnerin angestellten MitarbeiterInnen leitete die Antragstellerin in den Jahren 2016 bis 2018 als Principal investigator ein internationales Konsortium in sieben Ländern bestehend aus 17 Personen im Rahmen des von der EU geförderten Projekts …. Ihre wissenschaftliche Erfahrung lässt sich durch die vielen eingeworbenen Drittmittel, Publikationen und einer Habilitation im Fach … nachweisen.

Am 15. März 2019 informierte die Vorsitzende der Wahlkommission, X, die Fakultät Stadt 1 der Antragsgegnerin über den Terminplan der Dekanatswahl an der Fakultät für ….

Die Rechtsgrundlage dieser Wahl bildete die „Wahlordnung für die Wahl des Dekans/der Dekanin an der FH …“ in der Fassung vom 12. Februar 2008. Laut § 3 der Wahlordnung sind passiv wahlberechtigt, d.h. zum Dekan/zur Dekanin wählbar, alle an der jeweiligen Fakultät als L2 hauptberuflich Lehrenden mit wissenschaftlicher Erfahrung und qualifizierter Führungspraxis. Als qualifizierte Führungspraxis gilt die Tätigkeit als Studiengangs- oder FachbereichsleiterIn oder als pädagogische/r KoordinatorIn an der FH … oder andererseits eine Tätigkeit mit vergleichbarer Führungsverantwortung in der Wirtschaft oder ähnlichen Institutionen verbunden mit einer mindestens dreijährigen Zugehörigkeit zur FH … als hauptberuflich Lehrende/r. Als wissenschaftliche Erfahrung gilt ein Doktorat und nachgewiesene wissenschaftliche Erfahrung (Publikationen, F&E-Projekte, udgl.).

Die Antragstellerin informierte am 16. März 2019 fristgerecht schriftlich die Wahlkommission, dass sie als Kandidatin zur Verfügung stehe und begründete das Vorliegen ihrer „qualifizierten Führungspraxis“. Neben ihr bewarb sich B.

Die Wahlkommission, bestehend aus X, R und Q, überprüfte in der Sitzung vom 5. April 2019 das Vorliegen der passiven Wahlberechtigung der beiden BewerberInnen. B war Studiengangsleiter und erfüllte somit die Voraussetzung der „qualifizierten Führungspraxis“. Hinsichtlich der Antragstellerin kam die Wahlkommission zu dem Ergebnis, dass die Antragstellerin ausreichend Führungspraxis durch die Leitung der Plattform … mitbringt. Die Wahlkommission traf diese Entscheidung vor dem Hintergrund, dass als Beispiel für qualifizierte Führungspraxis u.a. die Fachbereichsleitung angeführt ist, die auch keine Personalverantwortung beinhaltet.

Am 5. April 2019 informierte die Vorsitzende der Wahlkommission über die beiden KandidatInnen für die Dekanatswahl, welche von 23. bis 25. April 2019 stattfand.

Am 25.April 2019 gab die Vorsitzende der Wahlkommission nach Wahlschluss bekannt, dass die Antragstellerin 29 Stimmen (53,7 Prozent) und B 25 Stimmen (46,3 Prozent) bei der Wahl erhalten haben.

Am 7. Mai 2019 wurde in der Dekanekonferenz das Thema „Wahlordnung Dekan/Dekanin“ behandelt.

Am 7. Mai 2019 wurde in der erweiterten Geschäftsleitung besprochen, dass die Dekanswahl am Campus in Stadt 1 stattgefunden habe und wie jedes Dekanatswahlergebnis dieses vom pädagogischen Personalbeirat in der Sitzung am 26. Juni 2019 behandelt werden würde.

Am 4. Juni 2019 wurde die „Änderung der Wahlordnung“ in der erweiterten Geschäftsleitung erläutert und der finale Vorschlag in Form eines Umlaufbeschlusses dem Geschäftsführer B und V zur Freigabe vorgelegt. Mit dieser Änderung wurden die Voraussetzungen für die Kandidatur als DekanIn geändert. Nunmehr gilt als qualifizierte Führungspraxis die Tätigkeit als StudiengangsleiterIn oder eine Tätigkeit mit vergleichbarer Führungsverantwortung.

Am 6. Juni 2019 wurden die Antragstellerin und der zweitgereihte Kandidat von der Assistentin des Geschäftsführers zum Hearing beim pädagogischen Personalbeirat eingeladen.

Der pädagogische Personalbeirat besteht aus fünf Mitgliedern, die von der Generalversammlung der Gesellschaft bestellt werden. Dem Beirat obliegt die Beratung der Geschäftsführung in allen mit dem pädagogischen Lehrpersonal in Zusammenhang stehenden, besetzungsrelevanten Fragen, die in den Zuständigkeitsbereich des Beirates fallen, u.a. die Durchführung von Hearings zur Auswahl von StandortleiterInnen/DekanInnen. Die Geschäftsführung legt hiezu alle beurteilungsrelevanten Unterlagen den Mitgliedern des Pädagogischen Personalbeirates vor.

Am 18. Juni 2019 mailte die Antragstellerin die geforderten Unterlagen für das Hearing beim Personalbeirat an die Assistentin des Geschäftsführers.

Am 19. Juni 2019 wurde die Antragstellerin vom Geschäftsführer telefonisch davon in Kenntnis gesetzt, dass sie aufgrund des Fehlens einer „qualifizierten Führungspraxis“ nicht zum Hearing beim Personalbeirat zugelassen worden sei.

Ebenfalls am 19. Juni 2019 informierte die Vorsitzende der Wahlkommission die Antragstellerin, dass die Wahlkommission, die Leitung der Plattform … in den Jahren 2012-2016 als qualifizierte Führungspraxis anerkannt habe, weil die Wahlkommission diese äquivalent mit einer Fachbereichsleitung eingestuft habe.

Am 24. Juni 2019 bestätigte der Geschäftsführer schriftlich, dass die Antragstellerin nicht zum Hearing zugelassen worden sei, weil der Personalbeirat die formalen Voraussetzungen der KandidatInnen geprüft habe und zur Entscheidung gekommen sei, dass in ihrem Fall die Voraussetzungen für die Übernahme der Funktion fehlen.

Ebenfalls am 24. Juni 2019 bestätigte die Vorsitzende der Wahlkommission schriftlich, dass der Antragstellerin aufgrund der Leitung der Plattform … die qualifizierte Führungspraxis anerkannt worden und sie daher passiv wahlberechtigt gewesen sei.

Am selben Tag telefonierte die Antragstellerin mit einem Mitglied des pädagogischen Beirats, U, die ihr die Auskunft gab, dass es vor dem 26. Juni 2019 keine Sitzung im pädagogischen Personalbeirat gegeben habe, sondern der Vorsitzende des Personalbeirats, T, im Vorfeld entschieden habe, dass die Antragstellerin formal nicht für die Funktion der Dekanin qualifiziert sei.

Am 26. Juni 2019 fand die Sitzung des pädagogischen Personalbeirates statt, der eine Empfehlung für B abgab.

In rechtlicher Hinsicht ist der Sachverhalt wie folgt zu beurteilen:

Es liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes beim beruflichen Aufstieg, insbesondere bei Beförderungen gemäß § 3 Z 5 GlBG vor.

Der Begriff beruflicher Aufstieg ist weit auszulegen.4 Der Tatbestand des § 3 Z 5 GlBG umfasst somit alle Maßnahmen des/der Arbeitgebers/Arbeitgeberin, die mit dem laufenden Beschäftigungsverhältnis des/der betroffenen Arbeitnehmers/Arbeitnehmerin zusammenhängen und die Weiterentwicklung im beruflichen Fortkommen beeinflussen. Aber nicht nur Verhaltensweisen des/der Arbeitgebers/Arbeitgeberin, die diese positive Entwicklung begünstigen, sondern auch solche, die den Entwicklungsprozess erschweren, verzögern oder überhaupt verhindern, fallen darunter.5

Im vorliegenden Fall bewarb sich die Antragstellerin beim Antragsgegner um die Funktion als Dekanin der Fakultät für …. Bei dieser Funktion handelt es sich um eine Leitungsfunktion, die u.a. mit der Zuteilung einer Sekretariatskraft sowie einer finanziellen Abgeltung in Form einer Prämie verbunden ist, weshalb der gegenständliche Sachverhalt vom Begriff des beruflichen Aufstieges umfasst ist.

Die Antragstellerin konnte nach Ansicht des Senates durch ihre Ausführungen glaubhaft den Anschein einer Diskriminierung darlegen. So ließ ihre Schilderung – dass, obwohl sie von der Wahlkommission die passive Wahlberechtigung bescheinigt bekommen und bei der Wahl mehr Stimmen als der männliche Mitbewerber erhalten habe, vom Hearing vor dem pädagogischen Personalbeirat mit der Begründung, die Voraussetzung der qualifizierten Führungspraxis nicht zu erfüllen, ausgeladen worden sei und der zweitgereihte männliche Bewerber die Stelle erhalten habe – darauf schließen, dass die Antragstellerin aufgrund ihres Geschlechtes beim beruflichen Aufstieg von der Antragsgegnerin benachteiligt wurde.

Daher verlagerte sich die Beweislast auf die Antragsgegnerin.

Die Antragsgegnerin verneinte die Eignung der Antragstellerin für die Funktion der Dekanin mangels Vorliegen der geforderten qualifizierten Führungspraxis.

Die Argumentation der Antragsgegnerin überzeugte den Senat aus folgenden Gründen nicht:

Allem voran konnte die Antragstellerin glaubhaft darlegen, dass sie über Führungspraxis verfügt – jedenfalls, so die Meinung der Wahlkommission, die das Vorliegen der passiven Wahlberechtigung zu prüfen hatte, äquivalent einer Fachbereichsleitung. So führte sie in der mündlichen Befragung aus, sie habe nur Postdocs angestellt, keine – wie von der Antragsgegnerin vorgebracht – DissertantInnen. Ihre MitarbeiterInnen seien hochqualifizierte WissenschaftlerInnen. Sie habe fünf Jahre lang eine Plattform mit etlichen MitarbeiterInnen geleitet. Sie habe in den letzten zehn Jahren insgesamt acht MitarbeiterInnen geführt und Budget in Höhe von 900.000 Euro verwaltet. Als WissenschaftlerIn führe man internationale Konsortien und leite große Projekte. Auch die Organisation von Konferenzen sei ein kleiner Anteil der wissenschaftlichen Arbeit. Dem Vorhalt der Antragsgegnerin, die Kongresse wären organisatorisch an die Wand gefahren, hätte die Geschäftsführung der Antragstellerin nicht als Background Personen für den Administrativbereich zur Verfügung gestellt, hielt die Antragstellerin nachvollziehbar entgegen, dass es normal sei, dass man administrative Unterstützung habe. Als Professorin sei man dann nicht diejenige, die die technische Ausführung mache.

Die Ausführungen der Antragstellerin spiegeln auch den vom Senat im Ermittlungsverfahren gewonnen Eindruck wider.

Für den Senat hinterließ die widersprüchliche Darstellung der Tätigkeit der Antragstellerin den Eindruck, dass Geschäftsführer Y über keinen umfassenden Überblick über die Tätigkeit der Antragstellerin verfügte, und damit keine abschließende Einschätzung treffen konnte, ob die Antragstellerin eine äquivalente Führungserfahrung erbringt.

Nach Auffassung des Senates ist zudem keine Durchlässigkeit des Systems bei der Prüfung von äquivalenter Führungserfahrung gegeben. Offensichtlich ging die Ansicht der Wahlkommission und der Geschäftsführung der Antragsgegnerin, wie weit der Begriff qualifizierte Führungspraxis interpretiert werden sollte, auseinander. Der Senat bezieht sich in seiner Ansicht auf die glaubhaften Aussagen der Auskunftsperson X. Diese attestierte der Antragstellerin Leitungskompetenz und sprach sich für eine weite Auslegung der Voraussetzung „qualifizierte Führungspraxis“ aus.

Die Auskunftsperson X brachte außerdem glaubhaft vor, dass es am Campus Stadt 1 nie jemanden gegeben habe, der nicht zuvor Studiengangsleiter gewesen sei. Die Position der Studiengangsleitung werde ausgeschrieben, man könne sich bewerben, dann werde es im Rahmen eines Hearings festgelegt. Es gebe eine Ausnahme von dem Prozedere, wenn man schon einen Studiengang leite, könne man einen zweiten Studiengang im verkürzten Verfahren über den Fakultätsrat bekommen. Auffällig ist für den Senat in diesem Zusammenhang, dass die Funktion der Studiengangsleitung überwiegend mit Männern besetzt wird – so wurde beispielsweise in der Mitteilung vom 27. Juni 2019 bekanntgegeben, dass sechs Studiengangsleitungen neubesetzt werden, fünf davon mit Männern. Eine Nachschau auf der Website der Antragsgegnerin bestätigte dieses Bild. Es erschließt sich dem Senat nicht, wie Frauen bei der Antragsgegnerin Führungserfahrung sammeln sollen, wenn in der Praxis die Möglichkeiten dazu nicht in ausreichendem Maße geboten wird, zumal die Studiengangsleitung unbefristet ist. Damit wird Frauen nach Ansicht des Senates jedoch eine wichtige Chance, Führungsqualifikation auf- und auszubauen, vorenthalten.

Kritisch sieht der Senat auch an, dass seitens der Geschäftsführung die passive Wahlberechtigung erst in einem späten Stadium des Auswahlverfahrens thematisiert wurde. Die Auskunftsperson X sagte aus, dass nach der Prüfung der passiven Wahlberechtigung der KandidatInnen die Wahl ausgeschrieben worden sei, wobei es eine Einspruchsfrist gegeben habe, innerhalb derer man die passive Wahlberechtigung in Frage stellen hätte können. Das Argument der Geschäftsführung, sich nicht in den Prozess der Fakultäten einzumischen, wertet der Senat als Schutzbehauptung, insbesondere da sich die Antragsgegnerin in der schriftlichen Stellungnahme ausführlich zur Haftung des/der Geschäftsführers/Geschäftsführerin im GmbH-Recht und der strafrechtlichen Verantwortung im Rahmen der Verbandsverantwortlichkeit äußerte, um die finale Kontrolle und Entscheidungshoheit der Geschäftsführung zu begründen. Alleine schon im Sinne einer effizienten Abwicklung wäre ein frühes Einschreiten somit sinnvoll gewesen.

Die Rolle der Geschäftsführung bei der Letztentscheidung über die Zuweisung einer Führungsfunktion zeigt sich auch darin, dass die E-Mails vom 24. Juni 2019 an die Antragstellerin und S als auch die Ausführungen der Geschäftsführung in der mündlichen Befragung zwar den Eindruck vermittelten, der pädagogische Personalbeirat habe die formalen Voraussetzungen geprüft. Die glaubhaften Aussagen der Auskunftsperson U, wonach sie vom Geschäftsführer und dann in der Sitzung vom Vorsitzenden informiert worden sei, zeichneten letztlich jedoch ein anderes Bild. Der Vorsitzende des pädagogischen Beirates, T, bestätigte dies insoweit, als er aussagte, es juristisch nicht als die Aufgabe des Beirates zu sehen, die Formalkriterien zu bewerten, weil sie nur ein Beratungsgremium seien, das über die Bewerbungen zu entscheiden habe, bei denen die Voraussetzungen vorliegen. Die Besprechung zu der Thematik sei, soweit er sich erinnern könne, keine allzu lange gewesen. Es habe von Seiten des Personalbeirates keine oder kaum Wortmeldungen gegeben, d.h. es sei keine intensive Auseinandersetzung gewesen. Wobei das für ihn nachvollziehbar gewesen sei, nachdem ihm Y zugesichert habe, dass er mit allen Mitgliedern des Personalbeirates vorab gesprochen und ihnen die Lage geschildert und erklärt habe.

Mangels eingehender Auseinandersetzung mit der Frage der formalen Voraussetzungen und einem (möglichen) Äquivalent für die qualifizierte Führungspraxis verabsäumte es der pädagogische Beirat – der immerhin als beratendes Gremium der Geschäftsführung zur Seite gestellt ist – eine Diskussion über die Durchlässigkeit des Systems, die Frauen das Durchbrechen der gläsernen Decke ermöglichen würde, zu führen.

Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es der Antragsgegnerin nicht gelungen ist zu beweisen, dass ausschließlich sachliche Motive für die nicht erfolgte Besetzung der Funktion als Dekanin der Fakultät für … mit der Antragstellerin ausschlaggebend waren.

VORSCHLAG

Gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem/der ArbeitgeberIn oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Abs. 3 nicht entsprochen, kann gemäß § 12 Abs. 4 GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.

Da der Senat I der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, wird / die Antragsgegnerin, Z, gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und wird folgender Vorschlag / werden folgende Vorschläge zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:

1.   Leistung eines angemessenen Schadenersatzes,

2.   Schulung der Geschäftsleitung und des Personalbeirates hinsichtlich Diversität, Gleichbehandlung, beruflicher Aufstieg, Durchlässigkeit von Systemen,

3.   Kriterium der qualifizierten Führungspraxis hinsichtlich Durchlässigkeit öffnen.

Wien, 18. Mai 2021

Dr.in Eva Matt

Vorsitzende des Senates I der GBK

1  Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.

2  Im weiteren Verlauf werden (akademische) Titel nicht weiter angeführt.

3  Vgl. OGH 9 ObA 144/14p, Arb 13.203 mit weiteren Nachweisen.

4  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 3 Rz 100.

5  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 3 Rz 106.

Zuletzt aktualisiert am

06.12.2021
Quelle: Gleichbehandlungskommisionen Gbk, https://www.bmgf.gv.at/home/GK
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