Gbk 2021/6/15 GBK I/901/19

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Veröffentlicht am 15.06.2021
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Diskriminierungsgrund

Geschlecht

Diskriminierungstatbestand

Mangelnde Abhilfe

Text

Senat I der Gleichbehandlungskommission

Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz

(BGBl. Nr. 108/1979 idgF)

Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 15. Juni 2021 über den am 30. April 2019 eingelangten Antrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) für A, MBA (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch schuldhaftes Unterlassen des/der ArbeitgeberIn im Falle einer sexuellen Bela?stigung durch Dritte eine nach den gesetzlichen Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idgF) durch die Z GmbH (Antragsgegnerin) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idgF), zu GZ GBK I/901/19, zu folgendem

PRÜFUNGSERGEBNIS:

A, MBA ist nicht aufgrund des Geschlechtes durch schuldhaftes Unterlassen des/der ArbeitgeberIn im Falle einer sexuellen Bela?stigung durch Dritte eine nach den gesetzlichen Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 GlBG durch die Z GmbH diskriminiert worden.

Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.

VORBRINGEN

Im Antrag wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

Die Antragstellerin sei von 19. Juni 2017 bis zum 15. Juni 2018 bei der Antragsgegnerin laut Punkt 1.1. ihres Dienstvertrages als „Junior Consultant“ tätig gewesen. Bereits bei ihrem Einstellungsgespräch sei sie von Y gefragt worden, ob sie in nächster Zeit ohnehin nicht vorhabe Kinder zu bekommen, da dies ein familienfeindlicher Job sei. Die Antragstellerin sei über diese Frage sehr verwundert gewesen und habe sich gedrängt gefühlt dies zu verneinen. Sie habe schon nach kurzer Zeit wahrgenommen, dass sie tatsächlich eine von wenigen Frauen gewesen sei, die im Unternehmen beschäftigt seien und zusätzlich die einzig weibliche Consulterin zu diesem Zeitpunkt. Die Antragstellerin habe in weiterer Folge regelmäßig positives Feedback für ihre Arbeit erhalten und sei insbesondere für ihre soziale Kompetenz und ihr kommunikatives Verhalten gegenüber KollegInnen und KlientInnen gelobt worden. Am 3. April 2018 habe sie mit Mag. X sogar ein Gespräch über eine Gehaltserhöhung geführt, die ihr letztlich auch zugesagt worden sei.

Von 12. April 2018 bis 14. April 2018 habe ein „Company Retreat“ stattgefunden, an dem sämtliche MitarbeiterInnen teilzunehmen hätten und das von einem Unternehmenscoach geleitet worden sei. Als Ziel dieser Veranstaltung sei ausdrücklich formuliert worden, die MitarbeiterInnen zum Verlassen ihrer Komfort-Zonen zu bringen, wobei die Aufgabenstellungen teilweise sehr körperbezogen gewesen seien und vielfach körperliche Berührungen anderer KollegInnen impliziert haben. So seien die TeilnehmerInnen zum Beispiel dazu angewiesen worden, sich auf den Boden zu legen und sich gegenseitig zu streicheln. Andere Übungen haben vorgesehen, dass die Antragstellerin von durchwegs männlichen Kollegen hochgehoben worden sei oder dass sie sich in die Arme von anderen Kollegen fallen lassen habe müssen.

Im Zuge einer Aufgabenstellung sei unter anderem auch von der Antragstellerin verlangt worden, dass sie vor anderen, auf einem Stuhl sitzenden KollegInnen so lange „sexy“ tanzen solle, bis sie es als ausreichend empfinden würden, während die anderen Kolleg innen ihr zugejubelt haben. Es habe eine weitere weibliche Kollegin gegeben, die sich mit der Aufgabenstellung ebenso äußerst unwohl gefühlt habe, die aber auch das Gefühl gehabt habe, keine Wahl zu haben. Die Antragstellerin habe sich außer Stande gesehen dieser Anordnung zu folgen. Es sei ihr zutiefst unangenehm gewesen, dass sie im Rahmen ihrer Arbeit zu einer sexuell konnotierten Verhaltensweise aufgefordert worden sei. Sie habe diese Aufforderung als würdeverletzend und unangenehm empfunden. Ob ihrer Weigerung sei sie von dem Unternehmenscoach äußerst harsch angewiesen worden, sie solle die Aufgabenstellung erfüllen. Die Antragstellerin habe daraufhin einen Blick zu Mag. X geworfen, habe jedoch erkennen müssen, dass er die Anweisung bekräftigt habe, indem er sie angefeuert und applaudiert habe. Dadurch habe die Antragstellerin sich gezwungen gefühlt, die Anweisung zu befolgen. Sie habe halbherzig einige kurze Bewegungen gemacht, in der Hoffnung, die Aufgabe damit erledigt zu haben.

Unmittelbar nach diesem Vorfall sei ein Kollege an die Antragstellerin herangetreten und habe ihr gesagt, dass sie aufgrund ihrer anfänglichen Weigerung sicherlich mit negativen Konsequenzen zu rechnen habe. In den ersten beiden Wochen nach dem Company Retreat sei sie jedoch von niemandem darauf angesprochen worden. Am 26. April 2018 habe Mag. X die Antragstellerin zu einem Gespräch gebeten, bei dem er die Kündigung ihr gegenüber ausgesprochen habe. Als Grund dafür sei explizit ihr Verhalten während des Company Retreats genannt worden, und dass sie sich dort zu wenig Mühe gegeben habe. Im Anschluss seien ihr vereinzelt auch angebliche Versäumnisse vorgehalten worden. Aufgrund ihrer Bemühungen sei die Antragstellerin mit 7. Mai 2018 bis zu ihrem Kündigungstermin am 15. Juni 2018 freigestellt worden. Sie habe sich in weiterer Folge an die Gleichbehandlungsanwaltschaft gewandt.

Die Gleichbehandlungsanwältin habe daraufhin mehrfach interveniert, da die Antragstellerin grundsätzlich auch an einer vergleichsweisen Einigung interessiert gewesen sei. Durch den Inhalt der Stellungnahmen (und deren jeweiligen Eingang einige Tage nach der von der Gleichbehandlungsanwaltschaft gesetzten Frist) der Antragsgegnerin sei jedoch offenbar geworden, dass diese sich zu keinem Zeitpunkt ernsthaft mit den geschilderten Vorwürfen auseinandersetzen habe wollen. Selbiges sei auch aus dem angebotenen, symbolischen Schadenersatz von € 1.000,- zu schließen, der in seiner Höhe keinesfalls angemessen hinsichtlich des beschriebenen Vorfalles sei, der letztlich auch zur Kündigung der Antragstellerin geführt habe.

In der auf Ersuchen des Senates I der GBK von der rechtsfreundlichen Vertretung der Antragsgegnerin übermittelten Stellungnahme vom 3. Juni 2019 bestritt diese die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe, soweit die Richtigkeit nicht außer Streit gestellt wurde, und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:

Die Antragstellerin bringe vor, im Zuge des Aufnahmegesprächs gefragt worden zu sein, ob sie einen Kinderwunsch hege und im Rahmen eines Motivationsseminars vom 12. bis 14. April 2018 (Maßnahme der Aus- und Weiterbildung), aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert worden zu sein.

1. Zum Aufnahmeverfahren

Das Vorbringen der Antragstellerin sei unrichtig.

a) Sexuelle Belästigung sei nur dann gegeben, wenn auch die Würde der betreffenden Person verletzt werde. Ob die Würde einer Person beeinträchtigt werde, sei nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Auf das subjektive Empfinden der Beteiligten komme es nicht an. Empfindlichkeiten Einzelner über das als normal geltende Maß hinaus seien nicht tatbestandsmäßig. Mangels Verletzung der Würde, sei es daher auch zu keiner sexuellen Belästigung gekommen.

b) Richtig sei, dass die Antragstellerin im Rahmen des Bewerbungsgesprächs darauf hingewiesen worden sei, dass man als Unternehmensberaterln notwendigerweise oft nicht am eigenen Wohnort anwesend sein werde, was für Partnerschaften oder die Familie fühlbare Einschränkungen nach sich ziehe.

Als Arbeitgeberln sei es der Antragsgegnerin wichtig, zukünftige MitarbeiterInnen ua. auf die Absenzen hinzuweisen. Dies sei lediglich als gut gemeinter Hinweis zu verstehen und fairerweise, bei einer Stellenbewerbung als Consulterln, seitens einer Arbeitgeberln mitzuteilen.

Die Antragstellerin sei keineswegs unter Bezugnahme auf ihr Geschlecht und insbesondere auf ihren Ehe- oder Familienstand im Zusammenhang mit der Begründung des Arbeitsverhältnisses diskriminiert worden.

2. Zum Company Retreat

a) Tatsächlich stelle sich die Situation so dar, dass aufgrund der Gestaltung des Programms in keinster Weise von einer Diskriminierung in der Arbeitswelt ausgegangen werden könne. Die Veranstaltung habe für zweieinhalb Tage als Company Retreat vom 11. bis 14. April 2018 zur Persönlichkeitsentwicklung im Hotel 1 bei Gemeinde 1 stattgefunden. Im Rahmen dieses Seminars, für das der renommierte US Schauspiel- und Managementcoach W gewonnen werden habe können, sei kein Verhalten gefordert bzw. gefördert worden, welches auf Grund seiner Intensität objektiv geeignet gewesen wäre, die Würde der Antragstellerin zu beeinträchtigen und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die Antragstellerin zu schaffen.

Die Antragsgegnerin sei auf dem Sektor der Unternehmensberatung tätig. Die Beratung der Klienten konzentriere sich auf die Erhöhung der Produktivität. Aufgabe der Beraterlnnen sei es Führungskräfte und Mitarbeiterlnnen dahingehend zu beraten, dass diese von liebgewonnenen Verhaltensweisen Abschied nehmen um produktiver zu arbeiten. Daher sei ein positives Auftreten und Erscheinungsbild aller Mitarbeiterlnnen der Antragsgegnerin von höchster Bedeutung.

Ziel des „Company Retreats“ sei es daher gewesen, die Empathiefähigkeit aller Mitarbeiterlnnen zu stärken. Der renommierte US-amerikanische Coach habe dazu nach eigenem Gutdünken verschiedene Übungen zusammengestellt und auch durchgeführt. Alle Übungen seien auch von allen MitarbeiterInnen - unabhängig von deren Geschlecht – ausgeführt worden. Hätte ein/e Mitarbeiter/in gesagt, dass er/sie eine Übung nicht machen wolle, wäre diesem Wunsch selbstverständlich entsprochen worden.

Tatsächlich habe das Seminar allen TeilnehmerInnen große Freude bereitet, wie man dies auch den beiliegenden Lichtbildern samt der Antragstellerin darauf entnehmen könne. Keine der Übungen habe in irgendeiner Weise sexuelle Konnotationen gehabt. Im Gegenteil: sich gegenseitig aufzufangen sei – weltweit – eine gängige Übung zur Vertrauensbildung und anerkannte Maßnahme.

Bei der Übung „Sexy Dance“ dürfe diese keinesfalls wortwörtlich verstanden werden. In der Geschäftswelt gehe es darum jemandem so gegenüberzutreten, dass dieser den Eindruck erhalte, dass man an einem Gesprächskontakt interessiert sei. Dies sei sowohl gegenüber Kundinnen, als auch gegenüber Kolleglnnen wichtig. Bei der konkreten Übung sei es sohin lediglich darum gegangen, sein schauspielerisches Können dazu einzusetzen und in eine Rolle zu schlüpfen, die im Arbeitsalltag in der Beratung hilfreich sein könne. Dazu sei als Leiterin der Übung V, Tänzerin der Oper 1, eingeladen worden.

Als Beispiel für eine andere Übung sei bereits mit Schreiben vom 27. Februar 2019 dargestellt worden, dass bei einer Übung berühmte Persönlichkeiten erfragt worden seien, die die Seminarteilnehmerlnnen beeindruckt hätten. Die Antragstellerin habe sich dabei sogar die Freiheit genommen und ihre Mutter als beeindruckende Persönlichkeit genannt, dies obwohl alle Teilnehmerlnnen, sohin auch die Antragstellerin darauf hingewiesen worden seien, dass es sich um eine öffentliche berühmte Person handeln solle. Die Antragstellerin habe allerdings nicht davon abgebracht werden können, weiterhin ihre Mutter zu nennen.

Jedoch habe die Antragstellerin beispielsweise bei der Übung „Rise & Shine“, wo eine Person, auf dem Boden ausgestreckt liegend, sodann von mehreren Personen hochgehoben werde, ohne weiteres mitgemacht. Beim „Rythmusgehen“ und am „Dresscode sportlich“ habe sich die Antragstellerin jedoch nicht beteiligt, was von den übrigen Teilnehmern zur Kenntnis genommen worden sei. Obwohl sie die Einzige in Stöckelschuhen und Jeans gewesen sei, habe sie sich ebenso wohlgefühlt. Es könne daher auch aus diesen Gründen nicht davon ausgegangen werden, dass die Übungen sexuell konnotiert gewesen seien.

b) § 6 GIBG verbiete sexuelle Belästigung als geschlechtsspezifische Diskriminierung. Ein Fall geschlechtsspezifischer Diskriminierung könne de facto aber nicht vorliegen, wenn sowohl männliche als auch weibliche Teilnehmerlnnen gleichermaßen an Aufgabenstellungen des Motivationsseminars teilnehmen bzw. mitwirken, was in concreto auch der Fall gewesen sei. Auch wenn nach Ansicht der Gleichbehandlungsanwältin keine Ablehnungsobliegenheit für Betroffene bestehe, hätte die Antragstellerin im konkreten Fall jede ihr unangenehme Handlung ablehnen können (was sie in Einzelfällen — wie oben dargestellt — auch getan habe).

Bei Handlungen, die eindeutig nicht als Belästigung zu qualifizieren seien, sei der betroffenen Partei die Anzeige der Ablehnung in irgendeiner Form aber jedenfalls zumutbar. Da im Fall des § 6 Abs. 1 Z 2 GIBG Verschulden die Diskriminierungsvoraussetzung sei, kommt es auf das Verhalten des/r Arbeitgebers/in ab Erkennbarkeit des mangelnden Einverständnisses an.

Das bei sexueller Belästigung inkriminierte Verhalten müsse der „sexuellen Sphäre“ zugehörig sein, daher entweder ausdrücklich sexuelle Sachverhalte ansprechen oder auf das Geschlecht der betroffenen Person abzielen. Dies sei jedoch in concreto nicht erfüllt. Es seien weder Urteile über die Sexualität der betroffenen Partei als Machtdemonstration abgegeben, noch die Persönlichkeitsgrenzen und die Selbstbestimmung ihrer Person missachtet worden.

Wenn die Antragstellerin das Gefühl gehabt haben solle, dass sie durch ihren Vorgesetzten und ihre Kolleglnnen unter Druck gesetzt worden sei, so liege dahingehend wohl ein Missverständnis vor; das Anfeuern habe lediglich dazu gedient, dass die Teilnehmerlnnen dazu motiviert worden seien, im Rahmen des Seminars aus sich herauszugehen. Genau das habe ja auch bei diesem Motivationsseminar erreicht werden sollen. Niemand sei dabei harsch angewiesen worden, die Aufgaben zu absolvieren. Keine/r der Seminarteilnehmerlnnen habe sich zu irgendeiner Übung gezwungen gefühlt. Die Persönlichkeitssphäre der Teilnehmerinnen sei durch Belästigungen Dritter nicht beeinträchtigt worden.

Ziel des „Company Retreats“ sei es gewesen, dass sich Mitarbeiterlnnen in ihrem Arbeitsumfeld offener verhalten und dadurch wohler fühlen, sich selbst zu entfalten und durch die Beispielswirkung die Produktivität im eigenen Haus und beim Kunden zu steigern. Vertrauen und Empathiefähigkeit seien Voraussetzungen dafür. Keinesfalls sei es dabei zu einer Beeinträchtigung oder Gefährdung der Würde, geschlechtlichen Selbstbestimmung, sexuellen Integrität oder Intimsphäre gekommen.

Wie bereits mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 6. Dezember 2018 dargelegt worden sei, handle es sich bei W um einen Coach der auf die Entwicklung von Schauspielerlnnen und ManagerInnen spezialisiert sei. Da dieser als Unternehmenscoach auch bereits für (bekanntes) Unternehmen 1 und (bekanntes) Unternehmen 2 erfolgreich einschreiten habe können, habe die Antragsgegnerin im April 2018 eines der Seminare absolviert, die weltweit angeboten werden. Bei der Auswahl der Seminare werde selbstverständlich als fortschrittliches Unternehmen großer Wert daraufgelegt, dass die zu vermittelnden Inhalte nicht diskriminierend seien und auch nicht diskriminierend vorgetragen werden.

Das Gleichbehandlungsgebot sei hierbei nicht durch eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts iSd § 6 Abs 1 Z 2 GlBG verletzt worden, weil weder Verhaltensweisen gesetzt worden seien, die zur sexuellen Sphäre gehören noch ein einschüchterndes, feindseliges oder gar demütigendes Arbeitsumfeld schaffen.

Die Antragsgegnerin sei auch ihrer Verpflichtung iSd § 6 Abs. 1 Z 2 GIBG nachgekommen, Diskriminierungshandlungen durch Dritte zu unterbinden. Es sei dafür gesorgt worden, dass die sexuelle Integrität und Intimsphäre der Teilnehmerinnen nicht gestört wurde. Unrichtig sei, dass außenstehende Personen in dieser Situation von einer sexuellen Belästigung ausgegangen wären. Hätte Mag. X als geschäftsführender Gesellschafter der Antragsgegnerin diese als solche wahrgenommen, wäre er ohne zu zögern der Abhilfeverpflichtung als Arbeitgeber nachgekommen.

Um ein schuldhaftes Unterlassen annehmen zu können, müsse dem/der Arbeitgeber/in das Vorliegen einer Abhilfe gebietenden Situation entweder bekannt oder zumindest erkennbar sein. Der/Die Arbeitgeber/in hafte daher nicht, wenn er/sie von der Belästigung eines Arbeitnehmers/einer Arbeitnehmerin weder gewusst habe noch wissen habe müssen und daher aus ihrer/seiner Sicht für allfällige Abhilfemaßnahmen keine Veranlassung bestand.

Die Ansicht der Gleichbehandlungsanwältin sei verfehlt, wenn es sich um die Kategorisierung der Motivationsveranstaltung handle. Dies deshalb, weil ein Kausalzusammenhang zwischen der tatsächlichen Tätigkeit im Zusammenhang mit Kundlnnen im Hinblick auf den Zweck des Seminars, Motivation und Vertrauen innerbetrieblich zu schaffen nicht erforderlich sei. Da am Seminar nicht nur Beraterlnnen aller Erfahrungsstufen teilgenommen haben, sondern Mitarbeiterinnen aus allen Sparten des Unternehmens, habe nicht davon ausgegangen werden können, dass primäres Ziel der Motivationsveranstaltung der offene Zugang auf Kundinnen gewesen sein könnte. Selbstverständlich habe die Veranstaltung dazu beitragen sollen, dass sich alle Arbeitnehmerlnnen insgesamt als Person wohler fühlen, aber der ausschließliche Zweck sei keinesfalls gewesen primär nur den Kundlnnenkontakt der Belegschaft zu verbessern. Dies auch vor dem Hintergrund, dass nicht alle Teilnehmerlnnen regelmäßig Kontakt mit Kundlnnen haben und dennoch am Seminar teilgenommen haben.

3. Zum Kündigungsgespräch

Ausdrücklich bestritten werde, dass die Weigerung der Antragstellerin „sexy“ zu tanzen, der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewesen sei. Auch wenn beim Kündigungsgespräch auf das Company Retreat Bezug genommen worden sei, könne dies keinesfalls so verstanden werden, dass sich die betroffene Person im Hinblick auf die Übungen zu wenig Mühe gegeben habe, sondern der Antragsgegnerin — aufgrund der eigenen Teilnahme an einer Veranstaltung — bestätigt worden sei, dass sich die Antragstellerin zu wenig Mühe im Umgang mit den Kolleglnnen gebe und zudem schlechte Präsentationen vorbereite.

Bereits im Vorfeld haben Kundlnnen die betroffene Person - aufgrund ihrer Art zu kommunizieren und sich zu präsentieren - abgelehnt. Am 15. November 2017 habe beispielsweise die Präsentation eines Beratungsteams beim Unternehmen 3 in Stadt 2 stattgefunden. Die Antragstellerin habe als Teil dieses Teams bei diesem Projekt mitarbeiten sollen. Sie sei vor dieser Präsentation gewissenhaft auf diese vorbereitet worden. Ihr Part sei dabei gewesen, sich selbst kurz vorzustellen und zu erklären, wie und womit sie sich im Rahmen des nun beginnenden Projektes einbringen würde. Diese Präsentation habe vor der Geschäftsführung des Konzerns, der lokalen Geschäftsführung und allen Führungskräften der Unternehmen 3 stattgefunden. Die Präsentation der Antragstellerin sei so schwach gewesen, dass der Geschäftsführer des Kunden den geschäftsführenden Gesellschafter der Antragsgegnerin am nächsten Tag angerufen und aufgefordert habe, die Antragstellerin vom Projekt abzuziehen, da sie nicht nur auf ihn, sondern auch viele andere einen sehr schlechten Eindruck gemacht habe. Anschließend sei die Antragstellerin auf verschiedenen anderen Projekten eingesetzt worden bis seitens der Antragsgegnerin nach einem längeren Beobachtungszeitraum entschieden worden sei, die Kündigung auszusprechen. Auch im Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses habe es die betroffene Partei an der erforderlichen Kooperationsbereitschaft vermissen lassen, sodass die Freistellung der betroffenen Person erforderlich gewesen sei.

Die Antragsgegnerin habe sich also erst nach einem längeren Beobachtungszeitraum gezwungen gesehen, das Dienstverhältnis aufgrund mangelnder Qualität der Arbeitsleistung und zwischenmenschlicher Defizite aufzulösen.

Wesentlich sei, dass bei der Antragsgegnerin ein sehr amikaler und freundschaftlicher Umgangston sowie eine sehr wertschätzende persönliche Begegnung herrschen würden. Seit rund fünf Jahren sei üblich, dass alle Mitarbeiterlnnen sowie auch die Vorgesetzten untereinander „per Du“ seien und sich auch alle regelmäßig mit einer Umarmung begrüßen. Hintergrund dieses wertschätzenden Umganges miteinander sei es, dass es zu wenig „Hugs“ in der Geschäftswelt gebe. Auch die Antragstellerin habe sich in diese Umgangsformen aller der bei der Antragsgegnerin beschäftigten Personen ohne Umstände eingefügt und regelmäßig daran beteiligt. Generell fördere diese amikale Vertrautheit und Nähe, die damit zum Ausdruck gebracht werde, die Interaktionsfähigkeit aller Beteiligten untereinander.

Es gebe zusätzlich auch die 10-Unternehmens-Gebote, die sich die Antragsgegnerin zu Herzen nehme und zwar lauten diese wie folgt:

„1)     Wir halten was wir versprechen und überraschen mit kreativen Lösungen

2)       Wir begeistern mit Optimismus und positiver Energie

3)       Wir sind Produktivitätsexpertlnnen für unsere Kundinnen

4)       Wir bringen unsere Wertschätzung klar erkennbar zum Ausdruck

5)       Wir sind durch unsere Art aufzutreten als Rote Elefanten leicht erkennbar

6)       Wir sprechen Kritik offen an und reden nicht schlecht über andere

7)       Wir verlassen für die Umsetzung von Lösungen gerne unsere Komfortzone

8)       Wir packen alle an vorderster Stelle an und unterstützen einander

9)       Für Resultate ist uns nichts zu bunt

10)      Wir gehen positiv auf Herausforderungen zu.“

Auch die Antragstellerin habe diese Gebote auf einer Tafel, welche in den Unternehmensräumen der Antragsgegnerin angebracht sei, rechts oben mit ihrem Vornamen unterschrieben.

Zudem habe die Antragsgegnerin noch eine E-Mail von der Antragstellerin in Form eines Gedichts erhalten, das an alle Mitarbeiterlnnen gerichtet gewesen sei, in welchem sie sich überwiegend positiv über die Antragsgegnerin geäußert habe, weshalb es umso unwahrscheinlicher sei, warum sich die Antragstellerin im Zusammenhang mit dem zeitlich wesentlich früher stattgefundenen Company Retreat nachträglich diskriminiert oder sexuell belästigt gefühlt haben solle. Sie habe vielmehr in ihrem Email vom 11. Juli 2018 gegenüber der Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass sie selbst leider am Retreat nicht alles gegeben und zu viel widersprochen hätte, was ihrer Meinung nach unter anderem Grund der Entscheidung — offenbar gemeint die Auflösung des Dienstverhältnisses — gewesen sein solle. Die Antragstellerin führe daher selbst die Auflösung ihres Dienstverhältnisses mit der Antragsgegnerin nicht ausschließlich auf ihr Verhalten beim Company Retreat zurück.

4. Zum Stelleninserat

Zu dem Hinweis auf das Stelleninserat auf der Homepage der Antragsgegnerin, dürfe noch klargestellt werden, dass es sich sehr wohl um eine geschlechtsneutrale Stellenausschreibung iSd § 9 GIBG handle, weil es sich beim Begriff „Supermänner“ um eine nicht geschlechtsbezogene Bezeichnung handle.

Bei dem Wort „Supermann“ oder auch „superman“ handelt es sich um ein Synonym für verschiedene, mit athletischen und kräftigen Attributen versehene Bezeichnungen für Menschen ohne eine eindeutige geschlechtsspezifische Konnotation; beispielsweise erscheine unter dem Link https://wortsuche.net unter der Wortsuche „superman“ auch der Begriff „superwoman“ aber auch „Übermensch“.

Dieses Stelleninserat könne also nicht Grundlage für die Einschätzung der Diskriminierungseinstellung der Antragsgegnerin herangezogen werden. Mag. X, Geschäftsführer der Antragsgegnerin sei seit mittlerweile über 35 Jahren Unternehmer und gebe seit jeher Männern und Frauen die gleichen beruflichen Möglichkeiten. Gerade die Aufnahme der Antragstellerin als Beraterin beweise, dass keinerlei geschlechtsspezifische Unterscheidungen im Aufnahmeprozess der Antragsgegnerin vorgenommen würden. Auch als Nachfolgerin der Antragstellerin sei wieder eine Consulterin aufgenommen worden.

Anzumerken bleibe, dass aufgrund einer Headline einer Homepage, die als ein Design-Element gestaltet sei, keineswegs von einer generell diskriminierenden Grundeinstellung eines Unternehmens gesprochen werden könne. Dies entspricht einer Vorverurteilung und Verunglimpfung der Antragsgegnerin und werde vehement zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin habe jedoch — um allfällige Unklarheiten zuverlässig auszuschalten — ihre Homepage dahingehend geändert, dass nicht nur Männer, sondern auch Frauen, also „Supermänner“ in geschlechtsbezogen eindeutiger Bezeichnung als motivierte humorvolle Mitarbeiterlnnen gesucht würden.

PRÜFUNGSGRUNDLAGEN

Der Senat I der GBK stützt sein Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin sowie die mündliche Befragung der Antragstellerin und von Mag. X (informierter Vertreter der Antragsgegnerin) vom 4. Mai 2021. Als weitere Auskunftspersonen wurden V am 4. Mai 2021 sowie Dipl.-Ing. (FH) B am 15. Juni 2021 befragt.

BEGRÜNDUNG2

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes, BGBl. I Nr. 66/2004 idgF, lauten:

„§ 6. (1) Eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes liegt auch vor, wenn eine Person

[…]

2.   durch den/die Arbeitgeber/in dadurch diskriminiert wird, indem er/sie es schuldhaft unterlässt, im Falle einer sexuellen Belästigung durch Dritte (Z 3) eine auf Grund gesetzlicher Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen.

[…]

(2) Sexuelle Belästigung liegt vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und

1.    eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt oder

2.    der Umstand, dass die betroffene Person ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten seitens des/der Arbeitgebers/Arbeitgeberin oder von Vorgesetzten oder Kolleg/inn/en zurückweist oder duldet, ausdrücklich oder stillschweigend zur Grundlage einer Entscheidung mit Auswirkungen auf den Zugang dieser Person zur Berufsausbildung, Beschäftigung, Weiterbeschäftigung, Beförderung oder Entlohnung oder zur Grundlage einer anderen Entscheidung in der Arbeitswelt gemacht wird.“

Generell ist zur Frage des Beweismaßes und der Beweislastverteilung im GBK-Verfahren anzumerken, dass eine betroffene Person, die sich auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des § 6 GlBG beruft, diesen glaubhaft zu machen hat. Insoweit genügt daher nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) eine „Bescheinigung“ der behaupteten Tatsachen, wobei jedoch der bei der GBK zu erreichende Überzeugungsgrad gegenüber der beim „Regelbeweis“ geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ herabgesenkt ist.

Vereinfacht gesagt muss mehr für die Darstellung des/der Antragstellers/Antragstellerin sprechen als dagegen.3 Dem/der AntragsgegnerIn obliegt dann zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes von ihm/ihr glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund vorliegt.

Bei einer (sexuellen) Belästigung gilt davon abweichend, dass es dem/der AntragsgegnerIn zu beweisen obliegt, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihm/ihr glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung des Vorwurfes, die Antragstellerin sei im Rahmen eines Company Retreats sexuell belästigt worden, indem sie bei einer Workshop-Übung von ausschließlich männlichen Kollegen hochgehoben worden sei und bei einer weiteren Übung vor ihren KollegInnen sexy tanzen habe müssen, während ihre KollegInnen im Kreis stehend sie lauthals angefeuert haben und ihr Arbeitgeber trotz Ersuchens keine entsprechende Abhilfe geleistet hätte, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch und geht von folgendem Sachverhalt aus:

Die Antragstellerin war von 19. Juni 2017 bis zum 15. Juni 2018 bei der Antragsgegnerin als „Junior Consultant“ tätig.

Am 3. April 2018 wurde der Antragstellerin eine Gehaltserhöhung zugesagt.

Von 12. April 2018 bis 14. April 2018 fand ein „Company Retreat“ statt, an dem sämtliche MitarbeiterInnen teilnahmen und das von einem Unternehmenscoach geleitet wurde.

Die Antragstellerin war bis auf eine weitere Mitarbeiterin die einzig weibliche Teilnehmerin. Das Ziel des Retreats war es die MitarbeiterInnen aus ihrer Komfortzone hinauszubringen. Es fanden einige gruppendynamische Übungen statt. Unter anderem „Rise and Shine“ bei der jeweils ein/e MitarbeiterIn nacheinander von den übrigen KollegInnen in die Höhe gehoben wurde. Weiters gab es eine Übung, bei der die MitarbeiterInnen sich in die Arme der übrigen KollegInnen fallen lassen mussten.

An einem Tag des Retreats hielt V einen der Kurse ab. Eine Übung, die vor dem Senat besonders thematisiert wurde, gestaltete sich so, dass die MitarbeiterInnen sich in einer Reihe anstellten, vor ihnen stand ein Stuhl, auf dem ein/e weitere/r MitarbeiterIn saß. Ziel der Übung war es sich einzeln auf den Stuhl zuzubewegen und eine bestimmte Stimmung/Emotion nachzuspielen – beispielsweise „lustig“ oder „zurückhaltend“. Ist man beim Stuhl angekommen, stand der/die MitarbeiterIn auf und stellte sich in der Schlange hinten an während der/die MitarbeiterIn, der/die die Übung ausführte sich auf den Stuhl setzte. Während die übrigen MitarbeiterInnen darauf warteten, selbst die Übung auszuführen, klatschten sie und feuerten ihre KollegInnen an. Eine der Aufgabenstellungen lautete sich „sexy“ zu bewegen. Die Übung trug nicht den Namen „Sexy Dance“. Nicht festgestellt werden konnte, dass die Antragstellerin sich an einen ihrer Vorgesetzten gewandt hat und mitgeteilt hätte, dass ihr die Aufgabenstellung unangenehm ist und sie diese nicht ausführen möchte.

Am 26. April 2018 wurde der Antragstellerin vom Geschäftsführer der Antragsgegnerin die Kündigung ausgesprochen.

Als Grund für die Kündigung der Antragstellerin wurde seitens der Antragsgegnerin angegeben, dass es bereits im November 2017 von einem Kunden, der Firma Unternehmen 3, Beschwerden über die Antragstellerin gab und dies schlussendlich zu ihrer Beendigung geführt hat. Die Antragstellerin gab an, ihr Verhalten am Company Retreat und dass sie sich dort nicht ausreichend bemüht hätte wurden von der Antragsgegnerin als Beendigungsgrund angegeben. Der genaue Kündigungsgrund konnte nicht festgestellt werden.

In rechtlicher Hinsicht ist der Sachverhalt wie folgt zu beurteilen:

Es liegt keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch schuldhaftes Unterlassen des/der ArbeitgeberIn im Falle einer sexuellen Bela?stigung durch Dritte eine nach den gesetzlichen Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 GlBG vor.

§ 6 Abs. 1 Z 2 enthält eine Konkretisierung der allgemeinen Fürsorgepflicht. Danach haben AG auch dafür zu sorgen, dass die Persönlichkeitssphäre der in den Betrieb eingegliederten AN nicht durch Belästigungen durch andere AN beeinträchtigt wird. Die AG haben daher dafür zu sorgen, dass die geschlechtliche Selbstbestimmung, sexuelle Integrität und Intimsphäre der AN nicht gefährdet werden. AG sind zum unverzüglichen Einschreiten verpflichtet, wenn sexuelle Belästigungen hervorkommen, zum einen um die Betroffenen nicht der Gefahr weiterer Belästigungen auszusetzen, zum anderen aber auch, um sich nicht selbst dem Vorwurf auszusetzen, nicht wirksam für angemessene Abhilfe gesorgt zu haben.4

Um den Vorwurf der mangelnden Abhilfe gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 GlBG überprüfen zu können, muss im Vorfeld festgestellt werden, ob eine sexuelle Belästigung gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG stattgefunden hat, für die im Sinne der Fürsorgepflicht des/der ArbeitgeberIn Abhilfe geleistet werden muss.

§ 6 Abs. 2 umschreibt, wann eine sexuelle Belästigung iSd GlBG vorliegt.5 Sexuelle Belästigung setzt nach § 6 Abs. 2 ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten voraus.6

Unter dem Begriff des der sexuellen Sphäre zugehörigen Verhaltens sind nach den Erläuterungen zum GlBG „körperliche, verbale und nicht verbale Verhaltensweisen“ zu verstehen.7

Die in Frage kommenden Erscheinungsformen eines der sexuellen Sphäre zugehörigen Verhaltens sind vielfältig und reichen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) vom Erzählen freizügiger Witze, anzüglichen – sei es auch in „Komplimente“ verpackte – Bemerkungen über Figur und sexuelles Verhalten im Privatleben bis hin zu unerwünschten Einladungen mit eindeutiger Absicht, dem Versenden einschlägiger E-Mails oder SMS, dem Konfrontiertwerden mit pornografischen Bildern oder Texten, „zufälligen“ Körperberührungen, „Begrapschen“, Po-Kneifen, aufgedrängten Küssen, erzwungenen Umarmungen, dem Versprechen beruflicher Vorteile bei sexueller Willigkeit, der Androhung beruflicher Nachteile bei sexueller Verweigerung, der Zurschaustellung der Genitalien, sexueller Nötigung und Vergewaltigung.8

Damit von einer sexuellen Belästigung iSd § 6 Abs. 2 gesprochen werden kann, muss durch ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten die Würde einer Person beeinträchtigt oder deren Beeinträchtigung zumindest bezweckt werden.9

Ein die Würde verletzendes Verhalten liegt erst ab einem gewissen Mindestmaß an Intensität vor. Nach den Gesetzesmaterialien zum ArbBG sollen Beispiele wie das Nachpfeifen oder die unerwünschte Einladung zum Kaffee oder zum Essen „grundsätzlich“ nicht genügen, um bereits die Voraussetzung der Verletzung der Würde und damit den Tatbestand der sexuellen Belästigung zu erfüllen. Anders zu sehen ist dies aber uU dann, wenn zwar die einzelnen Belästigungshandlungen nicht das gebotene Mindestmaß an Intensität erreichen, dafür aber immer wieder erfolgen.10

Ob die Würde einer Person beeinträchtigt wird, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen.

Hinzu kommt das subjektive Kriterium, dass das belästigende Verhalten für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig sein muss (§ 6 Abs. 2). Ein Verhalten ist dann unerwünscht, wenn es gegen den Willen oder ohne Einverständnis der betroffenen Person erfolgt. Einzelne Menschen sollen selbst bestimmen, welches Verhalten für sie noch akzeptabel ist und welches Verhalten sie bereits als beleidigend empfinden. Durch die Unerwünschtheit wird eine sexuelle Belästigung von freundschaftlichem Verhalten, das willkommen und gegenseitig ist, unterschieden.11

Schon die Gesetzesmaterialien zum ArbBG betonen, dass für den/die BelästigerIn erkennbar sein muss, dass das Verhalten für die betroffene Person unerwünscht ist. An das ablehnende Verhalten der betroffenen Person dürfen jedoch keine allzu hohen Ansprüche gestellt werden. Dabei geht es keinesfalls um eine Ablehnungspflicht, sondern äußerstenfalls – beschränkt auf Grenzfälle, missverständliche Situationen etc. – um eine Ablehnungsobliegenheit. Abgelehnt und damit unerwünscht ist ein Verhalten keineswegs erst dann, wenn sich die betroffene Person lautstark zur Wehr setzt; die Ablehnung eines bestimmten Verhaltens kann auch schlüssig erfolgen.12

Die Antragstellerin konnte in ihrer persönlichen Befragung glaubhaft schildern, dass ihr gewisse Übungen – insbesondere von ihren hauptsächlich männlichen Kollegen hochgehoben zu werden sowie sich „sexy“ bewegen zu müssen – unangenehm waren. Das subjektive Kriterium, dass das belästigende Verhalten für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig sein muss war somit erfüllt. Jedoch sah der Senat das vom Gesetz geforderte Mindestmaß an Intensität als nicht gegeben an, da sich im Zuge der Befragungen der Auskunftspersonen darstellte, dass der „Sexy Dance“ lediglich ein kleiner Teil einer schauspielerischen Gesamtübung darstellte, in der mehrere Stimmungen/Emotionen hintereinander dargestellt werden sollten. Weiters war es nicht so, dass ihre KollegInnen klatschend im Kreis standen und sie beobachteten, sondern selbst in einer Schlange warteten, um die Übung unmittelbar hintereinander auszuführen. Ebenfalls konnte das Hochheben der Antragstellerin im Zuge einer gruppendynamischen Übung nicht als ein das gesetzlich geforderte Mindestmaß an Intensität erfüllendes Verhalten angesehen werden.

Da der Senat den Tatbestand der sexuellen Belästigung durch einen Dritten gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG aufgrund mangelnder Intensität nicht als erfüllt sah, wurde auch keine Abhilfeverpflichtung des/der ArbeitgeberIn ausgelöst. Die Antragsgegnerin hat somit nicht gegen ihre Abhilfeverpflichtung gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 GlBG verstoßen.

Folgende Anmerkung ist aus der Sicht des Senates dennoch an die Antragsgegnerin zu rich- ten:

Wie die Antragsgegnerin durch den Antrag bei der Gleichbehandlungskommission erkennen konnte, waren einige Übungen am „Company Retreat“ für die Antragstellerin subjektiv diskriminierend und sie fühlte sich sexuell belästigt. X gab selbst in seiner Befragung an, dass alle MitarbeiterInnen sich bei gewissen Übungen unwohl fühlten. Sowohl X als auch B gaben an, dass vorab keine Workshopregeln definiert wurden, oder dezidiert erklärt wurde, dass Übungen abgebrochen werden dürfen, falls sich ein/e MitarbeiterIn unwohl bei der Ausführung fühlt. Der Senat empfiehlt der Antragsgegnerin daher mehr Sensibilität für geschlechtergerechtes Verhalten zu entwickeln – insbesondere, wenn bei durchaus körperbezogenen Übungen ein derart gravierendes Ungleichgewicht in der Anzahl von Frauen und Männern bei einem betrieblichen Event herrscht. Durch vorab bestimmte Workshopregeln oder eine Abklärung des Programms des Workshops im Vorhinein können in Zukunft potenzielle Diskriminierungen verhindert werden.

Wien, 15. Juni 2021

Dr.in Eva Matt

Vorsitzende des Senates I der GBK

1  Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.

2  Im weiteren Verlauf werden (akademische) Titel nicht weiter angeführt.

3  Vgl. OGH 9 ObA 144/14p, Arb 13.203 mit weiteren Nachweisen.

4  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 10.

5  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 17.

6  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 20.

7  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 19.

8  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 20.

9  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 21.

10  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 24.

11  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 25.

12  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 26.

Zuletzt aktualisiert am

06.12.2021
Quelle: Gleichbehandlungskommisionen Gbk, https://www.bmgf.gv.at/home/GK
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