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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §54;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde 1) der M, 2) der MS,
3) des ES, 4) des PW und 5) des KW, alle in T, alle vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 31. Jänner 1995, Zl. Gew-1300/4/94, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einem Verfahren nach § 359b GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: Ing. G in T), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Nach dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt vom 31. August 1994 festgestellt, daß das Ausmaß der der gastgewerblichen Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei in der Betriebsart "Espresso-Buffet" auf einem näher bezeichneten Standort zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten und sonstigen Betriebsflächen insgesamt nicht mehr als 300 m2 betrage, die elektrische Anschlußleistung der zur Verwendung gelangenden Maschinen und Geräte 100 kW nicht übersteige und auf Grund der geplanten Ausführung der Anlage zu erwarten sei, daß Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO 1994 oder Belastungen der Umwelt vermieden würden.
Die gegen diesen Bescheid von den Beschwerdeführern erhobene Berufung wurde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 31. Jänner 1995 gemäß §§ 8 und 63 AVG in Verbindung mit § 359b Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Landeshauptmann nach Wiedergabe des Inhaltes der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen aus, nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides sei mit 1. November 1994 die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, mit der Arten von Betriebsanlagen bezeichnet werden, die dem vereinfachten Genehmigungsverfahren zu unterziehen sind, in Kraft getreten. Gemäß § 1 Z. 1 dieser Verordnung seien Betriebsanlagen zur Ausübung des Gastgewerbes gemäß § 142 Abs. 1 Z. 2 bis 4 GewO 1994, in denen bis zu 200 Verabreichungsplätze bereitgestellt würden und in denen weder musiziert noch z.B. mit einem Tonbandgerät Musik wiedergegeben werde, dem vereinfachten Verfahren gemäß § 359b Abs. 1 GewO 1994 zu unterziehen. Auf Grund der Ermittlungsergebnisse könne geschlossen werden, daß die gegenständliche Anlage von der Behörde erster Instanz zu Recht unter die Betriebsanlagen gemäß § 359b Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 subsumiert worden sei und auch gemäß § 1 Z. 1 der zitierten Verordnung dem vereinfachten Genehmigungsverfahren zu unterziehen sei. Auf Grund der vorliegenden Stellungnahmen der Sachverständigen sei die belangte Behörde zu der Überzeugung gelangt, daß die von der Behörde erster Instanz erteilten Aufträge im wesentlichen geeignet seien, den Schutz der gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen zu gewährleisten. Es werde jedoch Aufgabe der Behörde erster Instanz sein, in einem Verfahren gemäß § 79 GewO 1994 die vom gewerbetechnischen Amtssachverständigen anläßlich der Berufungsverhandlung am 21. November 1994 als notwendig befundenen zusätzlichen Aufträge zum Schutz der gemäß § 74 Abs. 2 leg. cit. wahrzunehmenden Interessen zu erteilen. Eine Augenscheinsverhandlung unter Beiziehung von Nachbarn im Sinne des § 356 Abs. 1 GewO 1994 sei daher im gegenständlichen Verfahren nicht durchzuführen gewesen. Die im § 356 Abs. 1 leg. cit. geregelten Verfahrensbestimmungen bildeten als solche entsprechend den Anordnungen des Abs. 3 und 4 dieser Gesetzesstelle auch die Voraussetzung für die Erlangung der Prteistellung im Betriebsanlagenverfahren in den dort taxativ bezeichneten Fällen. Somit stehe den Nachbarn Parteistellung im Verfahren gemäß § 359b GewO 1994 nicht zu. Mangels Parteistellung der Berufungswerber sei ihre Berufung daher zurückzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom 19. Juni 1996, Zl. B 816/95-8, deren Behandlung ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer in dem gesetzlich gewährleisteten Recht auf Parteistellung im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1994 sowie auf gesetzmäßige Anwendung des § 359b GewO 1994 sowie der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, BGBl. Nr. 850/1994, und auf gesetzmäßige Anwendung des § 77 in Verbindung mit § 74 GewO 1994 verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes tragen sie vor, es sei grundsätzlich davon auszugehen, daß die belangte Behörde zu Unrecht § 359b GewO 1994 angewendet habe. Schon aus der maßgeblichen Übergangsbestimmung der Gewerberechtsnovelle 1992 gehe zweifellos hervor, daß die Bestimmungen des § 359b GewO 1994 auf Verfahren betreffend Betriebsanlagen, die im Fall des § 359b Abs. 1 mit 1. Juli 1993, im Falle des § 359b Abs. 2 oder 3 im Zeitpunkt des Inkrafttretens der auf Grund des § 359b Abs. 2 oder 3 zu erlassenden Verordnung noch nicht abgeschlossen seien, nur dann anzuwenden seien, wenn diese Verfahren am 1. Juli 1993 oder im Zeitpunkt des Inkrafttretens der gemäß § 359b Abs. 2 oder 3 GewO 1994 erlassenen Verordnung in erster Instanz anhängig seien und überdies noch keine Augenscheinsverhandlung anberaumt und den Nachbarn bekanntgegeben worden sei. Unstreitig sei das gegenständliche Verfahren am 1. Juli 1993 noch nicht abgeschlossen gewesen. Die Behörde erster Instanz habe mit Kundmachung vom 14. April 1994 für den 28. April 1994 gemäß § 356 GewO 1994 eine Augenscheinsverhandlung anberaumt. Schon allein auf Grund der zitierten Übergangsbestimmung sei die Anwendung des § 359b GewO 1994 zu Unrecht erfolgt. Darüber hinaus habe auf Grund der zitierten Übergangsbestimmung auch die genannte Verordnung, die am 1. November 1994 in Kraft getreten sei, auf den gegenständlichen Sachverhalt nicht zur Anwendung gelangen können. Die Zurückweisung der Berufung sei auch "nach den maßgeblichen Vorgängerbestimmungen des § 359b GewO 1994" zu Unrecht erfolgt, weil die Beschwerdeführer in der von der Erstbehörde durchgeführten Augenscheinsverhandlung Einwendungen erhoben und dadurch Parteistellung erlangt hätten. Diese Parteistellung sei ihnen dadurch aberkannt worden, daß in der Folge lediglich ein Feststellungsbescheid im Sinne des § 359b GewO 1994 erlassen worden sei. Die maßgeblichen Bestimmungen der Gewerbeordnung böten jedoch keinerlei gesetzliche Deckung dafür, die durch das Erheben von Einwendungen nach Anberaumung einer Augenscheinsverhandlung erworbene Parteistellung wiederum abzuerkennen. Es komme aber auch nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 bei dem gegenständlichen Sachverhalt das vereinfachte Verfahren nicht zur Anwendung. Nach diesen maßgeblichen Bestimmungen müsse der Genehmigungswerber in seinem Ansuchen und dessen Beilagen nachweisen, daß die Voraussetzungen "der Ziffern 1 und 2 leg. cit." vorlägen. Das vorliegende Ansuchen entspreche diesen Anforderungen aber nicht. Die belangte Behörde habe sich im angefochtenen Bescheid auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. März 1992, Zl. 92/04/0038, gestützt, die aber auf den gegenständlichen Sachverhalt nicht anwendbar sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe dort ausgesprochen, daß dem Umstand, daß die Behörde die ihr obliegende bescheidmäßige Feststellung nach § 359b GewO 1994 unmittelbar auf Grund des Genehmigungsansuchens traf oder etwa erst nach Durchführung eines behördlichen Lokalaugenscheines, keine Entscheidungsrelevanz zukomme. Die belangte Behörde habe dabei allerdings den Unterschied zwischen Augenscheinsverhandlung und Lokalaugenschein verkannt. Unter Lokalaugenschein im Sinne des § 54 AVG sei die Besichtigung der Örtlichkeit durch die Behörde zur Aufklärung der Sache auf Antrag oder von Amts wegen, nötigenfalls unter Zuziehung von Sachverständigen zu verstehen. Von diesem Lokalaugenschein sei jedenfalls die Augenscheinsverhandlung zu unterscheiden. Von der Gewerbebehörde erster Instanz sei jedoch nicht ein Lokalaugenschein, sondern eine förmliche Augenscheinsverhandlung im Sinne des § 356 Abs. 1 GewO 1994 vorgenommen worden. Diese Augenscheinsverhandlung habe die Behörde nur dann vorzunehmen, wenn kein Fall des § 359b leg. cit. vorläge. Auf Grund der vorgelegten Unterlagen im Ansuchen sei die Behörde berechtigterweise davon ausgegangen, daß kein vereinfachtes Verfahren zur Anwendung gelangen könne, weshalb sie die Augenscheinsverhandlung anberaumt habe. Erst nach Vorliegen der Gutachten der beigezogenen Sachverständigen hätten nach den Ausführungen im angefochtenen Bescheid die angeblich vorliegenden Voraussetzungen gemäß § 359b GewO 1994 abgeklärt werden können. Aus der Gewerbeordnung 1994 ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, daß in Fällen, in denen sich nachträglich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 359b Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 ergebe, nicht das ordentliche Genehmigungsverfahren weiterzuführen, sondern das vereinfachte Genehmigungsverfahren anzuwenden sei.
Gemäß § 359b GewO 1994 hat, wenn sich aus dem Genehmigungsansuchen und dessen Beilagen (§ 353) ergibt, daß
1. jene Maschinen, Geräte und Ausstattungen der Anlage, deren Verwendung die Genehmigungspflicht begründen könnte, ausschließlich solche sind, die in Verordnungen gemäß § 76 Abs. 1 oder Bescheiden gemäß § 76 Abs. 2 angeführt sind, oder die nach ihrer Beschaffenheit und Wirkungsweise vornehmlich oder auch dazu bestimmt sind, in Privathaushalten verwendet zu werden, oder 2. das Ausmaß der der Betriebsanlage zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten und sonstigen Betriebsflächen insgesamt nicht mehr als 300 m2 beträgt, die elektrische Anschlußleistung der zur Verwendung gelangenden Maschinen und Geräte 100 kW nicht übersteigt und auf Grund der geplanten Ausführung der Anlage zu erwarten ist, daß Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 oder Belastungen der Umwelt (§ 69a) vermieden werden, die Behörde (§§ 333, 334, 335) mit Bescheid diese Beschaffenheit der Anlage festzustellen und erforderlichenfalls Aufträge zum Schutz der gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen zu erteilen; dieser Bescheid gilt als Genehmigungsbescheid für die Anlage.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem auch von den Beschwerdeführern zitierten Erkenntnis vom 31. März 1992, Zl. 92/04/0038, mit eingehender Begründung dargelegt hat, kommt den Nachbarn in einem Verfahren nach § 359b GewO 1973 Parteistellung nicht zu. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis festgehalten, daß in diesem Zusammenhang dem Umstand, ob die Behörde die bei Erfüllung der Voraussetzungen ihr obliegende bescheidmäßige Feststellung nach § 359b GewO 1973 unmittelbar auf Grund des Genehmigungsansuchens (§ 353 GewO 1994) traf, oder aber erst nach Durchführung eines behördlichen Lokalaugenscheines, keine Entscheidungsrelevanz zukommt.
Die von den Beschwerdeführern in diesem Zusammenhang vorgenommene Differenzierung eines "Lokalaugenscheines" im Sinne des § 54 AVG und der "Augenscheinsverhandlung" im Sinne des § 356 GewO 1994 vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht mitzuvollziehen, handelt es sich doch auch bei der Augenscheinsverhandlung um eine "Besichtigung der Örtlichkeit durch die Behörde zur Aufklärung der Sache auf Antrag oder von Amts wegen, nötigenfalls unter Zuziehung von Sachverständigen". Abgesehen davon ergibt sich aus dem der zitierten
hg. Entscheidung zugrunde liegenden und in den Entscheidungsgründen dargelegten Sachverhalt, daß es sich bei dem vom Verwaltungsgerichtshof in dieser Entscheidung erwähnten "Lokalaugenschein" um einen solchen im Sinne des § 356 GewO 1994 handelte.
Der maßgeblichen Rechtslage ist auch kein Hinweis darauf zu entnehmen, daß der Ausschluß der Nachbarn von der Parteistellung in einem nach § 359b GewO 1994 durchgeführten Verfahren davon abhinge, daß von der Behörde die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit dieses vereinfachten Verfahrens zu Recht angenommen wurden. Es hat vielmehr die Behörde auch diese Voraussetzungen im Rahmen ihrer gesetzlichen Verantwortung ohne diesbezügliche Parteistellung der Nachbarn zu klären.
Schließlich kommt auch dem Umstand, daß im vorliegenden Fall nach dem Vorbringen in der Beschwerde die Beschwerdeführer durch Erhebung von Einwendungen in der gemäß § 356 Abs. 1 GewO 1994 abgeführten mündlichen Augenscheinsverhandlung erster Instanz Parteistellung im Verfahren nach dieser Gesetzesstelle erlangten, keine Entscheidungsrelevanz zu, weil es sich beim Verfahren nach § 359b GewO 1994 um ein vom Verfahren nach § 356 leg. cit. grundsätzlich verschiedenes handelt, in dem vom Gesetz die Parteistellung unterschiedlich geregelt ist. Eine im Verfahren nach § 356 leg. cit. erworbene Parteistellung wirkt daher in einem daran anschließenden Verfahren nach § 359b leg. cit. nicht vor.
Ausgehend von dieser Rechtslage vermag der Verwaltungsgerichtshof in der Rechtsansicht der belangten Behörde, den Beschwerdeführern sei in dem der Erlassung des erstbehördlichen Bescheides vorausgegangenen Verfahren Parteistellung nicht zugekommen, weshalb ihre Berufung als unzulässig anzusehen sei, eine Rechtswidrigkeit nicht zu erkennen.
Da somit schon das Vorbringen in der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Gewerberecht Nachbar RechtsnachfolgerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996040166.X00Im RIS seit
11.07.2001