Entscheidungsdatum
13.08.2021Norm
AsylG 2005 §11Spruch
W146 2211558-1/17E
W146 2211562-1/17E
W146 2211560-1/14E
W146 2230415-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2018, GZ. 1104732908-160208595, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2018, GZ. 1104728208-160209856, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2018, GZ. 1104717803-160209864, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.03.2020, GZ. 1261691906-200212442, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Erst- bis Drittbeschwerdeführer stellten am 09.02.2016 die den gegenständlichen Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Anträge auf internationalen Schutz.
Anlässlich der Erstbefragung gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er an einer Sitzung von Christen teilgenommen habe. Danach seien einige der Sitzungsteilnehmer festgenommen worden.
Die Zweitbeschwerdeführerin gab an, dass ihr Mann an christlichen Sitzungen im Iran teilgenommen habe. Es seien einige Leute der unerlaubten Sitzungen verhaftet worden. Ihr Mann habe dann beschlossen zu flüchten.
Am 02.10.2018 wurde der Erstbeschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, dass er eine Bibel von seinem Freund geschenkt bekommen habe. Nach einiger Zeit habe er eine Hauskirche besucht. Am XXXX hätte er mit Freunden die Grabstätte von Kyros in Pasargadai besucht. Dort sei er verhaftet und nach drei Tagen gegen Kaution entlassen worden.
Ein Freund habe ihn angerufen und mitgeteilt, dass XXXX , der Vater der Hauskirche, verhaftet worden sei. Am nächsten Tag habe die Familie ihr Haus verlassen und sie seien nach einem Monat ausgereist.
Dem Erstbeschwerdeführer wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an die 30 Fragen zum christlichen Glauben gestellt, die er nahezu alle richtig beantworten konnte.
Die Zweitbeschwerdeführerin gab bei ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an, dass ihr Mann in Pasagadai festgenommen worden sei. Ca. einem Monat später sei ihm mitgeteilt worden, dass XXXX von der Hauskirche verhaftet worden sei. Dann hätten sie sich entschieden, auszureisen.
Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2018 wurden die Anträge der Erst- bis Drittbeschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurden gegen sie Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass ihre Abschiebungen gemäß § 46 FPG in den Iran zulässig sind (Spruchpunkt V.). Das BFA sprach aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen beträgt (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin christliche Gottesdienste besuchen und über allgemeine Kenntnisse des christlichen Glaubens verfügen würden. Es könne jedoch nicht festgestellt werden, dass ihre Hinwendung zum christlichen Glauben auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht auf Opportunitätserwägungen beruhen würde.
Des Weiteren sei es nicht glaubhaft, dass der Erstbeschwerdeführer an der Grabstätte Kyros II. (die belangte Behörde hält fest, dass es sich bei dem vom Erstbeschwerdeführer genannten „Kayros“ um Kyros II. handeln müsse) festgenommen worden sei, da diese Grabstätte ein Weltkulturerbe darstelle.
Die am XXXX im Bundesgebiet geborene Viertbeschwerdeführerin stellte am selben Tag durch ihren gesetzlichen Vertreter einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.03.2020 wurde der Antrag der Viertbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihr gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Iran zulässig ist (Spruchpunkt V.). Das BFA sprach aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde ausgeführt, dass nicht festgestellt habe werden können, dass eines der Familienmitglieder der Viertbeschwerdeführerin im Herkunftsstaat asylrelevant verfolgt worden sei. Die gesetzliche Vertretung habe für die Viertbeschwerdeführerin keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.
Gegen diese Bescheide wurden von den Beschwerdeführern fristgerecht Beschwerden erhoben. Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass es nicht darauf ankomme, ob es sich bei der Grabstätte von Kyros II. um ein Weltkulturerbe handle. Der Beschwerde wurden Medienberichte über Proteste gegen das islamische System beigelegt, aus denen hervorgeht, dass iranische Behörden versucht hätten, die Proteste rund um den Geburtstag von Kyros durch Absperrungen zu verhindern. Zudem geht daraus hervor, dass iranische Sicherheitskräfte und Agenten in Zivil Besucher der Grabstätte verhaftet oder sogar geschlagen hätten.
Die Beschwerdeführer seien am 28.06.2017 in der römisch-katholischen Kirche XXXX getauft worden. Zusätzlich zur Taufe hätten die miteinander verheirateten Erstbeschwerdeführer und Zweitbeschwerdeführerin die Sakramente der Firmung und Trauung empfangen, sodass eine sakramentale Ehe bestünde. Eine zeugenschaftliche Befragung des Seelsorgers der Beschwerdeführer hätte einen inneren Entschluss der Beschwerdeführer, nach dem Christentum zu leben, verifizieren können. Schließlich führen die Beschwerdeführer aus, dass ihnen von einem Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft wegen drohender Repressalien abgeraten worden sei.
Mit Schriftsatz der Rechtsvertretung der Beschwerdeführer vom 26.09.2020 wurden dem Bundesverwaltungsgericht Konvolute an Dokumenten vorgelegt, darunter die Taufscheine aller 4 Beschwerdeführer, zwei Taufbücher, zwei Empfehlungsschreiben des Pfarrers von XXXX , ein Empfehlungsschreiben des Pfarrers von XXXX , ein Empfehlungsschreiben der Taufpatin der Viertbeschwerdeführerin, ein Empfehlungsschreiben des Bischofs von XXXX , eine Bestätigung des Bischofs zum Sakrament der Eingliederung, Fotos über kirchliche Aktivitäten der Beschwerdeführer, ein Empfehlungsschreiben des Bürgermeisters von XXXX , schriftliche Darlegung der Beweggründe für den Glaubensübertritt von Erstbeschwerdeführer und Zweitbeschwerdeführerin und Fotos der von der Zweitbeschwerdeführerin angefertigten Gemälde und von ihrer Galerie.
Am 29.07.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung mit Erstbeschwerdeführer und Zweitbeschwerdeführerin statt, bei welcher diese sowie eine Zeugin befragt wurden. Das BFA ließ sich entschuldigen.
Zur Vorbereitung dieser Verhandlung wurde von der Rechtsvertretung der Beschwerdeführer eine Stellungnahme eingebracht, in welcher unter anderem ausgeführt wurde, dass eine Verleugnung des christlichen Glaubens, auch ein bloß heimliches Praktizieren oder eine Rückkehr zum Islam für die Beschwerdeführer auf keinen Fall denkbar sei.
Weiters wurden Auszüge von Berichten zu den zu erwartenden Konsequenzen eines Islamabfalls bzw. Glaubenswechsels zum Christentum im Iran zitiert.
Hiezu wurde vorgebracht, dass, wie aus den vorliegenden Dokumentationen eindeutig hervorgehe, im Iran für vom Islam abtrünnige Personen eine reale Verfolgungsgefahr in asylrelevanter Intensität bestünde. Zudem sei eine bloß heimliche Religionsausübung auch nicht zumutbar, denn der aufgezwungenen Heimlichkeit und der damit verbundenen Einschränkungen stünden die Vorgaben des Artikels 10 Abs. 1 lit. b RL 2011/95/EU entgegen. In Zusammenschau der gesamten persönlichen Lebenssituation der Beschwerdeführer vor dem Hintergrund der dazu relevanten Lage im Iran werde angeregt den Beschwerdeführern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige des Iran und führen die im Spruch angeführten Namen sowie die ebenso dort angeführten Geburtsdaten. Der Drittbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin sind die gemeinsamen minderjährigen Kinder von Erstbeschwerdeführer und Zweitbeschwerdeführerin.
Die Beschwerdeführer waren ursprünglich muslimischen Glaubens. Der Erstbeschwerdeführer hatte bereits im Iran Kontakt mit dem Christentum. Die Zweitbeschwerdeführerin erst nach ihrer Einreise nach Österreich, wobei sie bereits in ihrem Herkunftsstaat Interesse am Christentum zeigte.
Erstbeschwerdeführer, Zweitbeschwerdeführerin und Drittbeschwerdeführer reisten im Februar 2016 in Österreich ein. Die Viertbeschwerdeführerin ist in Österreich am XXXX geboren.
Gleich nach der Quartiernahme in XXXX im XXXX haben sich Erstbeschwerdeführer und Zweitbeschwerdeführerin an den Pfarrer der Gemeinde, Mag. XXXX , gewandt. Den ersten katholischen Unterricht bekamen sie von der Pfarrmitarbeiterin Frau XXXX , welche 4 Jahre später auch Taufpatin der Viertbeschwerdeführerin wurde. In der Pfarre St. XXXX in XXXX nahmen sie an einer farsi-sprachigen Taufvorbereitung teil. Ihre Aufnahme in das Katechumenat erfolgte am 25.07.2016 am Patroziniumsfest XXXX ihrer Pfarre XXXX . Am 06.10.2016 mussten die Beschwerdeführer aufgrund der Schließung der Unterkunft nach XXXX übersiedeln. Sie sind in der dortigen Pfarre integriert, haben ihren Kontakt zur Pfarre in XXXX aber nie abgebrochen.
Am 28.06.2017 wurden Erstbeschwerdeführer, Zweitbeschwerdeführerin und Drittbeschwerdeführer in der Pfarre XXXX von Pfarrer XXXX getauft. Erstbeschwerdeführer und Zweitbeschwerdeführerin erhielten am selben Tag auch das Sakrament der Kommunion, der Firmung und der Eheschließung. Die Viertbeschwerdeführerin wurde am 16.07.2020 in der Pfarre XXXX getauft.
Die Beschwerdeführer besuchen regelmäßig die Gottesdienste. Zunächst in XXXX , nunmehr in XXXX , auch in XXXX und manchmal in der iranischen Kirche in XXXX . Die Pfarrer und Mitglieder der Glaubensgemeinschaft in den Gemeinden XXXX und XXXX bezeugen die aufrichtige Hinwendung der Beschwerdeführer zum Christentum und ihre Integration in die Glaubensgemeinschaft. Der Erstbeschwerdeführer nahm an Wallfahrten, an Gebetskreisen und an einem Pfingst-Jugendtreffen in Salzburg teil.
Die Zweitbeschwerdeführerin hat auf ihrer Facebook-Seite etliche Bilder des christlichen Glaubens samt religiösen Zitaten in Farsi, da sie der Ansicht ist, ihren Follower gefallen sowohl diese Bilder als auch der Umstand, dass sie Christin geworden ist.
Es kann vor dem Hintergrund der nachangeführten Länderfeststellungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in den Iran wegen des Glaubenswechsels mit Verfolgungshandlungen seitens iranischer Behörden in Form von Schikanen, Verhaftungen und Strafverfolgung bis hin zur Todesstrafe zu rechnen haben.
Zur Konversion im Iran wird festgestellt (Stand 01.07.2021):
Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist in Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch, aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 10.2020). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel 'mohareb' ('Waffenaufnahme gegen Gott'), 'mofsid-fil-arz/fisad-al-arz' ('Verdorbenheit auf Erden'), 'Handlungen gegen die nationale Sicherheit' (ÖB Teheran 10.2020; vgl. DIS/DRC 23.2.2018), 'Organisation von Hauskirchen' und 'Beleidigung des Heiligen', wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 26.2.2020). In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie sehr selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen 'mohareb' (ÖB Teheran 10.2020; vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen, keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2021; vgl. AA 26.2.2020). Quellen zufolge fand 1990 die einzige 'offizielle' Hinrichtung eines Christen wegen Apostasie in Iran statt (IRB 9.3.2021). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt (AA 12.1.2019).
Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 26.2.2020; vgl. Open Doors 2021). Im Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf (ÖB Teheran 10.2020).
Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 10.2020).
Die Versammlung in – meist evangelischen – Hauskirchen oder Hausgemeinden wird laut Behörden 'kontrolliert', de facto aber untersagt, weshalb die einzelnen Gemeinden meist klein bleiben und ständig den Standort wechseln, um Razzien auszuweichen. Dennoch sind Hauskirchen inzwischen relativ weit verbreitet (ÖB Teheran 10.2020). Die Schließungen der 'Assembly of God'-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen (DIS/DRC 23.2.2018; vgl. IRB 9.3.2021). Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind – trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind (DIS/DRC 23.2.2018). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018). Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren. Deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da diese zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen wollen, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es ist jedoch unklar, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen. Allerdings wurde eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018). Razzien gegen Hauskirchen werden weiterhin durchgeführt (AI 7.4.2021).
Von Repressionen und willkürlichen Verhaftungen von konvertierten Christen, Mitgliedern der protestantischen und evangelischen Kirche wird immer wieder berichtet (ÖB Teheran 10.2010; vgl. FH 3.3.2021, CSW 3.2021). Im Frühling und Sommer 2017 wurden mehrere evangelikale und assyrische Christen verhaftet und wegen 'illegaler Kirchenaktivität' zu langen Haftstrafen verurteilt. Nach 16 festgenommenen Christen im Jahr 2017, stieg diese Zahl im Jahr 2018 dramatisch. Im November und Dezember 2018 wurden ca. 150 Christen – die meisten kurzzeitig – festgenommen und anschließend angewiesen, sich von anderen Christen fernzuhalten. Über die genauen Zahlen der Verhaftungen/Verurteilungen gibt es keine detaillierten Informationen. Fakt ist aber, dass die Zahl der Verhaftungen von Konvertierten seit einer Ansprache des obersten Führers vor einigen Jahren, als er vor der steigenden Zahl der sogenannten häuslichen Kirchen gewarnt hatte, extrem angestiegen ist. Allein im August 2020 sind 35 neu Konvertierte verhaftet worden, und im selben Monat sind vier weitere Konvertierte wegen Anschuldigungen, wie 'Teilnahme an Versammlungen der häuslichen Kirchen', 'Verbreitung vom zionistischen Christentum' und 'Gefährdung der inneren Sicherheit' zu insgesamt 13 Jahren Haft verurteilt worden. Einem Bericht der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte zufolge haben Beamte des Geheimdienstministeriums im Juli 2019 das Haus einer christlichen Familie in der Stadt Bushehr im Süden Irans gestürmt und viele Angehörige dieser Familie verhaftet (ÖB Teheran 10.2010). Trotzdem ist die Zahl der verhafteten Christen laut Weltverfolgungsindex 2021 im Gegensatz zum Vorjahr gesunken. Der Rückgang der Zahl der Verhaftungen ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die iranischen Sicherheitsdienste Ende 2019 alle Hände voll zu tun hatten, die Proteste im Land zum Schweigen zu bringen. Darauf folgte die Coronakrise, welche die Regierung auf andere Weise beschäftigte. Allerdings wurden im Berichtszeitraum des Weltverfolgungsindex 2021 mehr Christen zu Gefängnisstrafen verurteilt als im Vorjahr. Die physische Eliminierung von Christen will und kann sich die pragmatische Regierung Irans politisch nicht leisten. Deshalb setzt sie auf langsame, schleichende und leise Beseitigung von Christen. Beispielsweise müssen inhaftierte Christen Hypotheken aufnehmen, um die hohen Kautionszahlungen für ihre Entlassung aufbringen zu können. Weil sie befürchten, dass ein Gerichtsurteil zu einer langen Gefängnisstrafe führt, fliehen viele iranische Christen nach ihrer vorläufigen Entlassung aus dem Land, wobei sie ihre Kaution und somit häufig auch ihren Grundbesitz verlieren (Open Doors 2021).
Organisatoren von Hauskirchen laufen Gefahr, wegen 'Verbrechen gegen Gott' angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch 'low-profile' Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen. Wenn es sich um einen prominenten Fall handelt, werden die Betroffenen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden unter der Bedingung wieder freigelassen, sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen ist, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).
Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen (ÖB Teheran 10.2020; vgl. Landinfo 16.10.2019, UKHO 2.2020), vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit (ÖB Teheran 10.2020; vgl. Landinfo 16.10.2019). Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt – oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden (ÖB Teheran 10.2020), bzw. um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen (Open Doors 2021). Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 10.2020).
Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob es auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen im Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018; vgl. Landinfo 16.10.2019).
Die Rückkehr von Konvertiten nach Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung (BAMF 3.2019). Wenn ein Konvertit den Behörden auch zuvor nicht bekannt war, dann ist eine Rückkehr nach Iran weitgehend problemlos. Auch konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, sind für die Behörden nicht von Interesse. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, kann sich die Situation anders darstellen. Auch Konvertiten, die ihre Konversion öffentlich machen, können sich womöglich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social-Media-Kanälen berichtet, besteht die Möglichkeit, dass die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang hängt davon ab, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein 'high-profile'-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, ist eine harsche Strafe eher unwahrscheinlich. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein führt zumeist nicht zu einer Verfolgung, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, wird diese aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das aber durchaus zu Problemen führen (DIS/DRC 23.2.2018). Die iranischen Behörden sind in erster Linie daran interessiert, die Ausbreitung des Christentums zu stoppen, und verfügen allem Anschein nach nicht über die notwendigen Ressourcen, um alle christlichen Konvertiten zu überwachen (UKHO 2.2020).
Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 10.2020).
Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung hat, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein kann (DIS/DRC 23.2.2018). Open Doors gibt im Weltverfolgungsindex 2021 an, dass die Taufe als öffentliches Zeichen der Abwendung vom Islam gesehen wird und deshalb verboten ist (Open Doors 2021).
Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (USDOS 12.5.2021). Gleichzeitig ist bekannt, dass ein Projekt seitens des Erschad-Ministeriums zur Übersetzung der 'Katholischen Jerusalem Bibel' ins Farsi genehmigt und durchgeführt wurde. Auch die Universität für Religion und Bekenntnis in Qom, die Religionsstudien betreibt, übersetzte noch im Jahr 2015 den 'Katechismus der Katholischen Kirche' ins Farsi. Beide Produkte sind heute noch ohne Probleme in Büchergeschäften erhältlich (BAMF 3.2019).
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen zur Identität, Staatsangehörigkeit, Familieneigenschaft sowie zur Religionszugehörigkeit der Beschwerdeführer ergeben sich aus den von ihnen vorgelegten Dokumenten sowie ihren unbedenklichen Angaben im Zuge der Erstbefragung, der Einvernahme vor dem BFA und der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG.
Die Feststellungen zur Facebook-Seite der Zweitbeschwerdeführerin ergeben sich aus einer diesbezüglichen Internetrecherche in der Verhandlung, nachdem die Zweitbeschwerdeführerin anlässlich dieser Verhandlung erstmals von ihrer Seite berichtet hatte.
Die dieser Entscheidung zugrunde gelegten Länderfeststellungen gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes und schlüssiges Gesamtbild der Situation im Iran ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Die asylrelevanten persönlichen Feststellungen waren aufgrund der folgenden Erwägungen zu treffen: Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes lässt sich alleine mit der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens zum Ausreisegrund nicht schlüssig begründen, dass alle im Zusammenhang mit dem neu erworbenen Glauben stehenden weiteren Aktivitäten eines Asylwerbers nur zum Schein mit dem (ausschließlichen) Ziel der Asylerlangung entfaltet worden seien (vgl VwGH, 02.09.2015, Ra 2015/19/0091). Die Feststellungen, dass sich der Erstbeschwerdeführer bereits im Iran mit dem christlichen Glauben auseinandergesetzt hat und dies nach seiner Einreise in Österreich fortsetzte, dass die Beschwerdeführer regelmäßig an Gottesdiensten ihrer Gemeinde teilnehmen, Beziehungen zu Pfarrgemeindemitgliedern geknüpft haben, nach den Taufvorbereitungskursen getauft wurden und sie intensiv am religiösen Leben ihrer örtlichen Pfarrgemeinde teilnehmen, ergeben sich aus den von ihnen vorgelegten Taufbüchern und Taufscheinen, den mit Lichtbildern dokumentierten Glaubensaktivitäten, sowie den schriftlichen Bezeugungen der Pfarrer sowie weiterer Mitglieder der Pfarrgemeinde XXXX XXXX Es besteht für das Bundesverwaltungsgericht keine Veranlassung am Zeugnis jener Repräsentanten der Glaubensgemeinschaft der Beschwerdeführer zu zweifeln, zumal diese kein Interesse daran haben, den Ruf ihrer Glaubensgemeinschaft für Personen zu schädigen, von deren ernsthaften Hinwendung zu ihrer Glaubensgemeinschaft sie nicht überzeugt wären. Während des laufenden Beschwerdeverfahrens trat eindeutig zu Tage, dass sich die Beschwerdeführer tatsächlich und nachhaltig aus innerer Überzeugung vom Islam abgewandt haben und zum Christentum konvertiert sind. Sie konnten sohin jedenfalls im Beschwerdeverfahren eine ernsthafte Konversion zum Christentum glaubhaft machen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt A)
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr dar, wobei hierfür dem Wesen nach einer Prognose zu erstellen ist. Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH vom 24.03.1999, Zl. 98/01/0352).
Mit der Frage der asylrechtlichen Relevanz einer Konversion zum Christentum in Bezug auf den Iran hat sich der Verwaltungsgerichtshof wiederholt befasst. Entscheidend ist demnach, ob der Fremde bei weiterer Ausführung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden. Ob die Konversion bereits - durch die Taufe - erfolgte oder bloß beabsichtigt ist, ist nicht entscheidend (VwGH 23.06.2015, Ra 2014/01/0210).
Nach islamischem Verständnis im Iran bedeutet der Abfall vom Islam einen hochverratsähnlichen politischen Angriff auf das Staats- und Gesellschaftssystem und sind die Beschwerdeführer daher bei einer Rückkehr in den Iran dort Verfolgungshandlungen bis hin zur Todesstrafe ausgesetzt.
Daher ist für sie von Verfolgung in asylrelevanter Intensität im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, und zwar aus religiösen und politischen Gründen, auszugehen.
Es ist daher objektiv nachvollziehbar, dass die Beschwerdeführer aus Furcht vor ungerechtfertigten Eingriffen von erheblicher Intensität aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sind, sich des Schutzes ihres Herkunftsstaates zu bedienen.
Im vorliegenden Fall sind somit unter Berücksichtigung der zuvor zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gegeben.
Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 waren die Entscheidungen über die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass den Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführer ihre Anträge auf internationalen Schutz nach dem 15.11.2015 stellten, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 („Asyl auf Zeit“) gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall Anwendung finden. Dementsprechend kommt den Beschwerdeführern eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung zu, welche sich in eine unbefristete Aufenthaltsberechtigung umändert, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.
Zu Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. dazu die zu Spruchpunkt A zitierte Rechtsprechung), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall vorzunehmende Beweiswürdigung ist – soweit diese nicht unvertretbar ist – nicht revisibel (z.B. VwGH 10.05.2016, Ra 2015/22/0158, mwN).
Schlagworte
Apostasie Asyl auf Zeit Asylgewährung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren befristete Aufenthaltsberechtigung begründete Furcht vor Verfolgung Christentum Fluchtgründe Flüchtlingseigenschaft Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit inländische Schutzalternative innerstaatliche Fluchtalternative Konversion mündliche Verhandlung Nachfluchtgründe Religionsausübung Religionsfreiheit religiöse Gründe staatlicher Schutz Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete FurchtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W146.2211558.1.00Im RIS seit
06.12.2021Zuletzt aktualisiert am
06.12.2021