TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/18 W150 2198021-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.08.2021
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Entscheidungsdatum

18.08.2021

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §75 Abs24
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W150 2198021-1/29E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KLEIN als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX , geb. XXXX 1998, StA. Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Dr. Ralf Heinrich HÖFLER, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 09.05.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.07.2020, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der ledige und kinderlose Beschwerdeführer (in der Folge auch: „BF“), ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, welcher der ethnischen Gruppe der HAZARE angehört, ursprünglich schiitischer Moslem war, aber nunmehr – offiziell getauft – dem römisch-katholischen Christentum angehört, stellte am 30.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt.

In deren Verlauf gab dieser zu seinen Fluchtgründen befragt im Wesentlichen an, eine dreijährige Schulbildung absolviert zu haben und in seinem Heimatland als Hilfsarbeiter tätig gewesen zu sein.

Ursprünglich aus XXXX stammend, hätten die Taliban dort seine beiden Eltern getötet, weshalb er nach XXXX habe fliehen müssen. „Unser Leben war in Gefahr vor den Taliban und dem IS (Seite 9 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).“ Im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan fürchte der BF „den Tod (Seite 9 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes)“ und würde er stattdessen lieber „in Österreich bleiben (Seite 7 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes)“ wollen.

2. In weiterer Folge brachte der BF im Zusammenwirken mit seinem gewillkürten Vertreter folgende Beweismittel in Vorlage:

-        Empfehlungsschreiben der XXXX , datiert vom XXXX 03.2018;

-        Teilnahmebestätigung „Kurs XXXX des Vereins XXXX datiert vom XXXX 07.2017;

-        Teilnahmebestätigung „Kurs XXXX des Vereins „ XXXX datiert vom XXXX 04.2017;

-        Teilnahmebestätigung XXXX des Vereins XXXX datiert vom XXXX 07.2017;

-        Teilnahmebestätigung XXXX des Vereins XXXX datiert vom XXXX 01.2018;

-        Teilnahmebestätigung XXXX des Vereins XXXX datiert vom XXXX 01.2018;

-        Teilnahmebestätigung XXXX des Vereins XXXX datiert vom XXXX 02.2018;

-        Empfehlungsschreiben einer ehrenamtlichen Mitarbeiterin im Flüchtlingsheim, datiert vom XXXX 03.2018;

-        Teilnahmebestätigung XXXX des ÖSTERREICHISCHEN INTEGRATIONFONDS, datiert vom XXXX 07.2016;

-        Wohnsitz- und Deutschkursbesuchsbestätigung des BGM XXXX datiert vom XXXX 07.2016;

-        Teilnahmebestätigung „Deutsch A1“ XXXX datiert vom XXXX 12.2017;

-        Teilnahmebestätigung „Deutsch A2“ XXXX datiert vom XXXX 12.2017;

-        ÖSD-Zertifikat A2 „bestanden“, datiert vom XXXX 01.2018.

3. Am 15.03.2018 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.

Uneingeschränkt gesund, habe er anlässlich seiner Ersteinvernahme stets die Wahrheit gesagt. „Ich habe keine physischen oder psychischen Probleme (Seite 143 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).“

Ursprünglich in der Provinz XXXX aufgewachsen, wäre der BF nach dem Tod seiner beiden Eltern im Alter von zwei oder drei Jahren zu seiner Großmutter nach XXXX übersiedelt. Nach deren Tod – der BF sei damals zehn oder elf Jahre alt gewesen – habe ihn sein Onkel, in der selben Provinz lebend, bei sich aufgenommen. Dieser lebe noch immer gemeinsam mit seiner Frau vor Ort, konkret in XXXX Demgegenüber befänden sich der zeitgleich mit dem BF illegal eingereiste Bruder mit dessen Gattin und den gemeinsamen sechs minderjährigen Kindern als Asylwerber im Bundesgebiet.

Da sein strenger Onkel den BF primär als Hirte für die Weidetiere eingesetzt habe, hätte dieser während dreier Jahre nur in den drei Wintermonaten die Schule besuchen dürfen, wodurch sich dessen Schulbildung auf insgesamt neun Monate reduzieren würde. Auch jetzt noch würden sein Onkel und seine Tante aus den Erträgen ihrer Landwirtschaft ihren Lebensunterhalt bestreiten, während der BF selbst über keinerlei Besitztümer in seinem Herkunftsland verfüge.

Die Kosten für seine Schleppung habe sein Bruder beglichen. In Österreich angekommen, sei die Gruppe erschöpft gewesen und „hat man uns gesagt, dass wir hier um Asyl ansuchen können, darum sind wir hiergeblieben (Seite 147 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).“

Ausschlaggebend für das Verlassen seines Heimatlandes wären Probleme mit Privatpersonen gewesen. So hätte sich der BF während seines Aufenthalts bei seinem strengreligiösen Onkel, der neben seiner Tätigkeit als Landwirt auch noch die Funktion des Dorfältesten und des Mullahs ausgeübt habe, in dessen Tochter und zugleich seine Cousine XXXX verliebt. Diese wäre jedoch bereits einem anderen, weitaus älteren und wohlhabenderen, Mann versprochen gewesen. Um selbige vor dem Schicksal einer Zwangsheirat bewahren zu können, hätte der BF beschlossen, mit ihr heimlich in den Iran auszureisen. Eines nachts habe sich dann das Paar verabredet und getroffen, um gemeinsam die Flucht ins Nachbarland zu wagen. Da der BF allerdings keinerlei klare Vorstellung hinsichtlich der hiefür erforderlichen Schritte gehabt hätte, habe sich dieser im Beisein seiner Cousine an einen Freund seines Onkels namens XXXX gewandt, mit dem Ersuchen, dieser möge dem Paar bei seiner Ausreise hilfreich zur Seite stehen. In für den BF überraschender Weise hätte dieser jedoch nicht nur keinerlei Verständnis für die zwei gezeigt, sondern sei sogar noch in grenzenlose Raserei verfallen. Im Zuge seines Wutanfalls habe XXXX ein Messer aus dem Haus geholt und versucht den BF damit zu erstechen. Wenngleich es der Angreifer durch das beherzte Eingreifen seiner Frau lediglich geschafft hätte, den BF zu verletzten anstatt zu töten, so habe dieser dennoch damit gedroht, den Onkel zu informieren, damit dieser dann in weiterer Folge über das Schicksal des Paares endgültig entscheiden möge. In Panik wäre nun der BF schnell weggelaufen, ohne sich noch in irgendeiner Weise um seine Geliebte und deren weiteres Schicksal zu kümmern. „Dann bin ich nach XXXX gekommen und von dort habe ich mit meinem Bruder telephoniert (Seite 148 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).“ Dieser hätte dem BF nahegelegt sofort das Dorf zu verlassen und von HERAT aus in den Iran zu kommen.

Was aus seiner geliebten XXXX geworden sei, könne der BF nicht sagen: „Ich weiß nicht, ob sie noch am Leben ist oder ob die Eltern sie getötet haben (Seite 149 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).“ Generell verdränge der BF Gedanken an seine Cousine, „weil ich deshalb mit einem Messer gestochen wurde und mich damit gefährdet habe (Seite 150 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).“ Der Versuch, seiner Geliebten das Leben zu retten, hätte nur sein eigenes gefährdet – „das hätte auch ihr nichts gebracht (Seite 150 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).“

Die Aussagen anlässlich seiner Asylantragstellung, laut derer er aus Angst vor den Taliban und dem IS Afghanistan verlassen habe, wären lediglich auf ein Missverständnis mit dem Dolmetscher zurückzuführen.

Im Falle seiner Rückkehr müsse er Racheakte seine Onkels ebenso befürchten wie vom einflussreichen Bräutigam seiner Cousine. Diese würden den BF landesweit ausfindig machen können und sei man seitens der Taliban in Bezug auf Angehörige der HAZARA, welche noch dazu schiitischen Glaubens wären, ausgesprochen negativ gegenüber eingestellt.

Im Bundesgebiet besuche der BF dreimal pro Woche die Schule und bereite sich auf den Abschluss der Pflichtschule vor, weshalb er auch regelmäßig die Bibliothek aufsuchen würde. Ansonsten spiele er auch gerne Fußball. Weiterhin ausschließlich von Leistungen der Grundversorgung abhängig, strebe er mittelfristig die Ausbildung zum Automechaniker an.

Die Moschee hätte der BF schon in seinem Herkunftsland nur sporadisch besucht und habe er sich in Österreich noch weiter von seinem Glauben entfernt. Stattdessen interessiere er sich nunmehr für das Christentum – „ich kenne keine anderen Religionen (Seite 154 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).“

4. Mit Bescheid vom 09.05.2018, Zl. XXXX , wies die Erstinstanz den Antrag des BF bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß § 57 AsylG wurde Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, wonach der BF keinerlei Furcht vor asylrelevanter Verfolgung glaubhaft gemacht habe. Im vorliegenden Fall hätte keine individuelle Gefährdungslage in Bezug auf den BF festgestellt werden können.

Insgesamt sei die behauptete Fluchtgeschichte in seiner Gesamtheit zudem schon allein deshalb absolut unglaubwürdig, zumal das Vorbringen nicht nur lebensfremd, unplausibel und vage, sondern darüber hinaus auch noch grob widersprüchlich erstattet worden wäre.

Insgesamt sei in casu davon auszugehen, wonach es sich beim konkret erstatteten Fluchtvorbringen lediglich um eine „asylzweckbezogene“ Konstruktion handle, mit dem Ziel durch dessen Präsentation eine Aufenthaltserlangung in Österreich zu erreichen.

Subsidiärer Schutz würde ihm nicht zuerkannt, da im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur GFK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt oder im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes auf Grund der derzeitigen, allgemeinen Lage in Afghanistan nicht drohe.

Als jungem gesunden Mann mit langjähriger Berufserfahrung könne dem BF grundsätzlich eine Teilnahme am lokalen Erwerbsleben zugemutet werden; insbesondere in KABUL stelle sich die allgemeine Versorgungslage und Infrastruktur laut zugrundegelegtem Ländergutachten in Summe befriedigend dar und wären des Weiteren auch Verdienstmöglichkeiten für männliche Rückkehrer ohne soziale respektive familiäre Anknüpfungspunkte gegeben. Darüber hinaus wären ihm sowohl Landessprache als auch kulturelle Gepflogenheiten in Afghanistan geläufig. In einer Gesamtschau könnten daher vor dem Hintergrund aktueller Länderberichte keinerlei Anhaltspunkte dahingehend erkannt werden, die eine ernsthafte Gefahr für Leben oder Unversehrtheit des BF nahelegen würden. Die Behauptung, derzufolge schiitische Angehörige der HAZARA Ziele von Verfolgung wären, könne basierend auf den der Entscheidung zugrundegelegten Länderberichten nicht schlüssig nachvollzogen werden. Eine Rückkehr, insbesondere nach XXXX , sei dem BF zumutbar

Dass der BF über keinerlei nennenswerte private oder familiäre Bindungen im Bundesgebiet verfüge, ergebe sich aus seinen eigenen diesbezüglichen Angaben. Wenngleich Bruder, Schwägerin, Neffe und Nichten ebenfalls in Österreich aufhältig wären, so sei diesbezüglich auf deren aktuellen Asylwerberstatus zu verweisen, welcher keinen dauerhaften Aufenthaltstitel darstelle. Daraus resultierend wäre das Vorliegen eines rechtlich relevanten Familienlebens im gegenständlichen Fall zu verneinen.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der BF über seinen rechtsfreundlichen Vertreter fristgerecht Beschwerde.

6. Am 18.07.2018 übermittelte die LPD Tirol, Bezirkspolizeikommando XXXX ihren Abtretungsbericht, in welchem der BF als Verdächtiger in Bezug auf § 27 Abs. 1 SMG geführt wird. Demnach habe dieser gestanden, gemeinsam mit fünf weiteren Personen Cannabis besessen und konsumiert zu haben.

7. Mit Schriftsatz vom 23.06.2020 wurde der Taufschein des BF in Vorlage gebracht sowie die zeugenschaftliche Einvernahme eines Pfarrers beantragt.

Unter einem wurden dem Schreiben in Kopie beigelegt:

-        Taufschein der römisch-katholischen Pfarre XXXX , datiert vom XXXX 05.2019.

8. Am 06.07.2020 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden die Fluchtgründe, die maßgebliche Lage in Afghanistan, das Privat- und Familienleben des BF und seine Integrationsschritte erörtert.

Prinzipiell gesund, sei er uneingeschränkt verhandlungsfähig.

Ursprünglich in XXXX geboren, wäre er seit seinem dritten Lebensjahr nach dem Tod seiner Eltern in der Provinz XXXX aufgewachsen; sämtliche seiner vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl getätigten Angaben entsprächen allesamt der Wahrheit.

Als neue Beweismittel brachte der BF folgende Dokumente in Vorlage:

-        Empfehlungsschreiben des Pfarrers der römisch-katholischen Pfarre XXXX datiert vom XXXX 06.2020;

-        Teilnahmebestätigung XXXX des Vereins XXXX , datiert vom XXXX 04.2018;

-        Zertifikat für die Teilnahme an einem Deutschkurs Niveau A2-B1.1 der XXXX , datiert vom XXXX 03.2019;

-        Bestätigung über die Erledigung gemeinnütziger Tätigkeiten bei den XXXX , datiert vom XXXX 06.2020;

-        Empfehlungsschreiben der XXXX , datiert vom XXXX 03.2018;

-        Teilnahmebestätigung an einem B1-Deutschkurs der XXXX , datiert vom XXXX 06.2020;

-        Zertifikat über die erfolgreiche Absolvierung des Basiskurses XXXX beim XXXX , datiert vom XXXX .01.2020;

-        Arbeitsbestätigung über die knapp halbjährige Tätigkeit als Reinigungskraft für die XXXX datiert vom XXXX 04.2020.

Wenngleich bis zu seiner Einreise schiitischer Moslem, wäre er nunmehr offiziell römisch-katholischer Christ, da zwischenzeitlich konvertiert.

Ausschlaggebend für diesen Schritt seien seine persönlichen Erlebnisse mit dem Islam, welche sich ausschließlich auf „Mord, Raub, Diebstahl, usw. (Seite 4 der Niederschrift vom 06.07.2020)“ reduzieren ließen. Demgegenüber hätte er im Rahmen zweier Schulbesuche in der Kirche in Österreich sehr freundliche Leute getroffen und habe sich daraus sein Wunsch entwickelt, auch diesen Weg zu gehen. Die Besucher der Kirche hätten ihn nicht nach seiner Konfession oder Hautfarbe beurteilt – ein Umstand, der sich für ihn ausgesprochen attraktiv dargestellt habe.

Im Gegensatz dazu wären seine Erfahrungen mit dem Islam äußerst negativ; so hätte er in seinem Heimatland seine Cousine ohne Zustimmung deren Eltern heiraten wollen, weshalb man ihn mit einem Messer attackiert habe und „bin ich dann im Laufe der Zeit draufgekommen, dass ich in die Irre gegangen bin und der neue Weg der richtige ist (Seite 5 der Niederschrift vom 06.07.2020).“

Am XXXX 04.2019 offiziell getauft, verfüge er seit zwei Jahren über eine noch bei ihren Eltern lebende österreichische Freundin namens XXXX .

Nach wie vor kinderlos, wäre der BF nach dem Tod seiner Großmutter bei seinem Onkel aufgewachsen, zu dem er aber keinen Kontakt halte. Im Bundesgebiet lebe auch sein Bruder mit dessen Familie, welcher im Übrigen zwar über seinen Glaubenswechsel Bescheid wisse, sich inhaltlich dazu aber nicht geäußert habe.

In Afghanistan hätte der BF keine spezielle Ausbildung genossen und auch nicht die Schule besucht; demgegenüber habe er in Österreich Sprachkurse bis zur Niveaustufe B1 besucht. Bis zu seiner Ausreise habe er als Hirte gearbeitet.

Fluchtauslösend sei seine Beziehung zu seiner Cousine, der Tochter eben jenes Onkels, gewesen, welche er mit in den Iran nehmen hätte wollen. Um dieses Vorhaben in die Praxis umsetzen zu können, habe sich der BF an einen gemeinsamen Freund seines Onkels namens Habib gewandt, welcher jedoch nicht nur keineswegs kooperativ gewesen wäre, sondern ihn ob dieses Ansinnens sogar mit einem Messer angegriffen habe. Daraufhin sei er am schnellsten Wege geflüchtet.

Im Falle seiner Rückkehr befürchte der BF seinen Tod, zumal er zwischenzeitlich zum Christentum konvertiert wäre und im Koran für einen derartigen Schritt die Steinigung vorgesehen sei.

Drogen nehme er nicht und könne er mit Sicherheit ausschließen, etwas Derartiges je im Bundesgebiet getan zu haben. Auf entsprechenden Vorhalts durch den verhandlungsleitenden Richter, wonach im Polizeibericht des Jahres 2018 Gegenteiliges inklusive Geständnis vermerkt wäre, entschuldigte sich der BF unter Hinweis auf den bereits zwei Jahre zurückliegenden Vorfall, an den er sich aber mittlerweile nicht mehr im Detail erinnern könne. „Es tut mir leid, es ist schon lange her (Seite 12 der Niederschrift vom 06.07.2020).“

Sein üblicher Tagesablauf bestehe im Wesentlichen aus Schulbesuchen, Lernen und Fußballspielen.

Die Pfarrgemeinde XXXX in der er getauft worden sei, wäre nach einem Heiligen benannt und zwar konkret „Jesus Christus (Seite 12 der Niederschrift vom 06.07.2020).“ Neben den zwölf Jüngern, zu denen unter anderem auch „Askar, der Jude und Juti“ zählen würden, gäbe es auch noch weitere Heilige im Christentum und zwar „fünf Frauen.“ Vom Heiligen Geist habe der BF auch schon einmal gehört, jedoch könne er diesbezüglich keine näheren Angaben machen (vgl. Seite 13 der Niederschrift vom 06.07.2020).

Im Rahmen der zeugenschaftlichen Einvernahme des Leiters des vom BF früher besuchten Glaubenskurses in XXXX vermochte dieser nicht zu sagen, ob sein Schützling in seinem sozialen Umfeld respektive Bekanntenkreis über seine Hinwendung zum Christentum spreche beziehungsweise wie dort gegebenenfalls darauf reagiert werde. Die innere Überzeugung des BF in Bezug auf den katholischen Glauben „habe ich in Gesprächen gefühlt (Seite 9 der Niederschrift vom 06.07.2020).“ Zuletzt gesehen hätte er den BF vermutlich im September des Vorjahrs anlässlich des XXXX

8. Mit Schreiben vom 17.08.2021 legte der BF weitere Integrationsunterlagen vor und begehrte die „Wiedereröffnung“ des Verfahrens.

9. Der BF legte im Zuge seines Verfahrens unter anderem folgende Dokumente und Schriftstücke vor:

-        Empfehlungsschreiben der XXXX , datiert vom 06.03.2018;

-        Teilnahmebestätigung „ XXXX des Vereins „MULTIKULTURELL“, datiert vom 28.07.2017;

-        Teilnahmebestätigung XXXX des Vereins „MULTIKULTURELL“, datiert vom 21.04.2017;

-        Teilnahmebestätigung XXXX des Vereins XXXX datiert vom XXXX 07.2017;

-        Teilnahmebestätigung XXXX des Vereins XXXX datiert vom XXXX 01.2018;

-        Teilnahmebestätigung XXXX des XXXX datiert vom XXXX 01.2018;

-        Teilnahmebestätigung XXXX des Vereins „ XXXX datiert vom XXXX 02.2018;

-        Empfehlungsschreiben einer ehrenamtlichen Mitarbeiterin im Flüchtlingsheim, datiert vom XXXX 03.2018;

-        Teilnahmebestätigung XXXX des XXXX , datiert vom XXXX 07.2016;

-        Wohnsitz- und Deutschkursbesuchsbestätigung des BGM XXXX datiert vom XXXX 07.2016;

-        Teilnahmebestätigung „Deutsch A1“ der XXXX datiert vom XXXX 12.2017;

-        Teilnahmebestätigung „Deutsch A2“ der XXXX datiert vom XXXX 12.2017;

-        ÖSD-Zertifikat A2 „bestanden“, datiert vom XXXX 01.2018;

-        Taufschein der römisch-katholischen Pfarre XXXX , datiert vom XXXX 05.2019;

-        Empfehlungsschreiben des Pfarrers der römisch-katholischen Pfarre XXXX datiert vom XXXX 06.2020;

-        Teilnahmebestätigung XXXX des Vereins XXXX datiert vom XXXX 04.2018;

-        Zertifikat für die Teilnahme an einem Deutschkurs Niveau A2-B1.1 der XXXX datiert vom XXXX 03.2019;

-        Bestätigung über die Erledigung gemeinnütziger Tätigkeiten bei den XXXX datiert vom XXXX 06.2020;

-        Empfehlungsschreiben der XXXX datiert vom XXXX 03.2018;

-        Teilnahmebestätigung an einem B1-Deutschkurs der XXXX datiert vom XXXX 06.2020;

-        Zertifikat über die erfolgreiche Absolvierung des Basiskurses XXXX beim XXXX , datiert vom XXXX 01.2020;

-        Arbeitsbestätigung über die knapp halbjährige Tätigkeit als Reinigungskraft für die XXXX , datiert vom XXXX 04.2020.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des BFA, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten, in das Zentrale Melderegister, Fremdeninformationssystem, Strafregister und Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der ledige wie auch kinderlose BF ist afghanischer Staatsangehöriger und zählt zur Volksgruppe der HAZARE. Die seinerseits ins Treffen geführte Identität konnte nicht, etwa durch Vorlage authentischer Urkunden, zweifelsfrei verifiziert werden. Seine Muttersprache ist DARI und spricht er mittlerweile über Deutschkenntnisse auf A2-Niveau. In Afghanistan nur dreimal während der Wintermonate sporadisch in der Schule, erlernte der BF erst in Österreich schreiben und lesen. Bis zu seiner Ausreise im landwirtschaftlichen Betrieb als Hirte tätig, verfügt der BF über keinerlei Berufsausbildung. Nach dem frühen Tod beider Eltern zunächst von seiner Großmutter aufgezogen, wuchs er nach deren Ableben bei seinem Onkel mütterlicherseits auf. Der BF ist uneingeschränkt gesund und arbeitsfähig; allfällige Hinweise auf lebensbedrohende oder schwerwiegende Krankheiten des BF sind im Verfahren nicht hervorgetreten und wurden solche auch nicht behauptet.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der BF wuchs als schiitischer Muslim auf und konvertierte in Österreich behauptetermaßen aus innerer Überzeugung zum Christentum. Er wurde am 20.04.2019 durch die römisch-katholische Pfarre XXXX sowohl getauft als auch gefirmt.

Erstmals in Kontakt mit dem christlichen Glauben kam der BF während zweier Schulbesuche in einer Kirche. Die darin angetroffenen Personen beeindruckten den von Islam nach eigenem Vorbringen tief enttäuschten BF dermaßen stark, dass dieser zusehends ein immer stärkeres Interesse in Bezug auf das Christentum zu entwickeln begann. In weiterer Folge absolvierte er einen Glaubenskurs vollständig und beteiligte sich an insgesamt vier Glaubensgesprächen. Die für eine Konversion zwingend notwendige innere Überzeugung des BF ergründete dessen geistlicher Ansprechpartner laut eigener Aussage in empathischer Weise auf seiner subjektiven Gefühlsebene und hat dieser auch den Eindruck, wonach der BF sicher auch noch heute seinen Kontakt zur Pfarre halten würde.

Der BF lebt seinen christlichen Glauben in Österreich offen aus. Sowohl sein im Bundesgebiet lebender Bruder als auch dessen Frau und Kinder wissen über seine Konversion Bescheid. Wenngleich der BF im persönlichen Gespräch erstaunlich massive Wissenslücken hinsichtlich grundlegender Elemente seiner nunmehrig frei gewählten Religion aufweist, etwa in Hinblick auf die zwölf Apostel, die Dreifaltigkeit, insbesondere den Heiligen Geist, den Namensgeber seiner selbst ausgesuchten Pfarre XXXX oder der Existenz weiterer Heiliger, hat er dennoch nach übereinstimmender Aussage und subjektiver Überzeugung diverser Repräsentanten und Würdenträger der katholischen Kirche den christlichen Glauben glaubhaft verinnerlicht, ist aus innerer Überzeugung konvertiert und würde er seinen christlichen Glauben auch im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan weiter ausüben anstatt seine Konversion zu widerrufen.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan drohen dem BF individuell und konkret aufgrund seiner Konversion und der voraussichtlichen Ausübung seines christlichen Glaubens Lebensgefahr sowie ein Eingriff in seine körperliche Integrität.

Es liegen keine Gründe vor, nach denen der BF von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten auszuschließen ist.

1.3. Zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich

Der BF ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und hält sich zumindest seit dem 30.12.2015 durchgehend in Österreich auf. Aktuell verfügt der BF über einfache Kenntnisse der deutschen Sprache, die ihm die Kommunikation über Dinge des täglichen Lebens rudimentär ermöglichen. Offiziell hat der BF Kurse der Sprach-Niveaustufe A2 besucht und eine positive Prüfung abgelegt. Neben seinen Anstrengungen die Pflichtschule positiv abschließen zu können, besuchte der BF diverse Kurse und war auch ein knappes halbes Jahr als Reinigungskraft beschäftigt.

Der BF lebt von der Grundversorgung, er ist am österreichischen Arbeitsmarkt nicht integriert und geht keiner Erwerbstätigkeit nach. Er verfügt über keine verbindliche Arbeitszusage.

Im österreichischen Bundesgebiet verfügt der BF abgesehen von seinem mitgereisten Bruder, dessen Frau und Kinder über keinerlei Kernfamilienmitglieder. Seit etwa zwei Jahren mit einer österreichischen Staatsangehörigen liiert, leben beide getrennt voneinander.

Seine Zeit in Österreich verbringt der BF neben seinem schulischen Engagement vorwiegend mit Fußballspielen und gelegentlichen ehrenamtlichen Tätigkeiten.

Der BF erweist sich zum Entscheidungszeitpunkt als strafrechtlich unbescholten.


1.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan

Religionsfreiheit

Letzte Änderung: 01.04.2021

Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Die Sunniten werden auf 80 bis 89,7% und die Schiiten auf 10 bis 19% der Gesamtbevölkerung geschätzt (CIA 6.10.2020; vgl. AA 16.7.2020). Andere Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha´i und Christen machen weniger als 1% der Bevölkerung aus (AA 16.7.2020; vgl. CIA 6.10.2020, USDOS 10.6.2020). Genaue Angaben zur Größe der christlichen Gemeinschaft sind nicht vorhanden (USDOS 10.6.2020). In Kabul lebt auch weiterhin der einzige jüdische Mann in Afghanistan (UP 16.8.2019; vgl. BBC 11.4.2019). Die muslimische Gemeinschaft der Ahmadi schätzt, dass sie landesweit 450 Anhänger hat, gegenüber 600 im Jahr 2017 (USDOS 10.6.2020).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 10.6.2020; vgl. FH 4.3.2020). Ausländische Christen und einige wenige Afghanen, die originäre Christen und nicht vom Islam konvertiert sind, werden normal und fair behandelt. Es gibt kleine Unterschiede zwischen Stadt und Land. In den ländlichen Gesellschaften ist man tendenziell feindseliger (RA KBL 10.6.2020). Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens (AA 16.7.2020; vgl. USCIRF 4.2020, USDOS 10.6.2020), da es keine öffentlich zugänglichen Kirchen im Land gibt (USDOS 10.6.2020; vgl. AA 16.7.2020). Einzelne christliche Andachtsstätten befinden sich in ausländischen Militärbasen. Die einzige legale christliche Kirche im Land befindet sich am Gelände der italienischen Botschaft in Kabul (RA KBL 10.6.2020). Die afghanischen Behörden erlaubten die Errichtung dieser katholischen Kapelle unter der Bedingung, dass sie ausschließlich ausländischen Christen diene und jegliche Missionierung vermieden werde (KatM KBL 8.11.2017). Gemäß hanafitischer Rechtsprechung ist Missionierung illegal; Christen berichten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber (USDOS 10.6.2020). Die Abkehr vom Islam gilt als Apostasie, die nach der Scharia strafbewehrt ist (USDOS 10.6.2020; vgl. AA 16.7.2020). Wie in den vergangenen fünf Jahren gab es keine Berichte über staatliche Verfolgungen wegen Blasphemie oder Apostasie; jedoch berichten Personen, die vom Islam konvertieren, dass sie weiterhin die Annullierung ihrer Ehen, die Ablehnung durch ihre Familien und Gemeinschaften, den Verlust ihres Arbeitsplatzes und möglicherweise die Todesstrafe riskieren (USDOS 10.6.2020).

Das Gesetz verbietet die Produktion und Veröffentlichung von Werken, die gegen die Prinzipien des Islam oder gegen andere Religionen verstoßen (USDOS 10.6.2020). Das neue Strafgesetzbuch 2017, welches im Februar 2018 in Kraft getreten ist (USDOS 10.6.2020; vgl. ICRC o.D.), sieht Strafen für verbale und körperliche Angriffe auf Anhänger jedweder Religion und Strafen für Beleidigungen oder Verzerrungen gegen den Islam vor (USDOS 10.6.2020).

Das Zivil- und Strafrecht basiert auf der Verfassung; laut dieser müssen Gerichte die verfassungsrechtlichen Bestimmungen sowie das Gesetz bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. In Fällen, in denen weder die Verfassung noch das Straf- oder Zivilgesetzbuch einen bestimmten Rahmen vorgeben, können Gerichte laut Verfassung die sunnitische Rechtsprechung der hanafitischen Rechtsschule innerhalb des durch die Verfassung vorgegeben Rahmens anwenden, um Recht zu sprechen. Die Verfassung erlaubt es den Gerichten auch, das schiitische Recht in jenen Fällen anzuwenden, in denen schiitische Personen beteiligt sind. Nicht-Muslime dürfen in Angelegenheiten, die die Scharia-Rechtsprechung erfordern, nicht aussagen. Die Verfassung erwähnt keine eigenen Gesetze für Nicht-Muslime. Vertreter nicht-muslimischer religiöser Minderheiten, darunter Sikhs und Hindus, berichten über ein Muster der Diskriminierung auf allen Ebenen des Justizsystems (USDOS 10.6.2020).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsalierung gegenüber religiösen Minderheiten und reformerischen Muslimen behindert (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 10.6.2020).

Wegen konservativer sozialer Einstellungen und Intoleranz sowie der Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Sicherheitskräfte, individuelle Freiheiten zu verteidigen, sind Personen, die mutmaßlich gegen religiöse und soziale Normen verstoßen, vulnerabel für Misshandlung (FH 4.3.2020). Mitglieder der Taliban und des Islamischen Staates (IS) töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 10.6.2020; vgl. FH 4.3.2020). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 10.6.2020).

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Konvertiten vom Islam riskieren die Annullierung ihrer Ehe (USDOS 10.6.2020). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind gültig (USE o.D.). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über das Religionsbekenntnis. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt. Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 10.6.2020).

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen

(USDOS 10.6.2020).

Anmerkung: Zu Konversion, Apostasie und Blasphemie siehe die jeweiligen Unterkapitel des

Kapitels Religionsfreiheit.

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (16.7.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2035827/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Afghanistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_16.07.2020.pdf , Zugriff 12.10.2020

• BBC (11.4.2019): Afghanistan’s one and only Jew, https://www.bbc.com/news/av/world-asia-47885738/afghanistan-s-one-and-only-jew, Zugriff 12.10.2020

• CIA - Central Intelligence Agency [USA] (6.10.2020): The World Factbook - Afghanistan, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/afghanistan/ , Zugriff 12.10.2020

• FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2030803.html , Zugriff 12.10.2020

• ICRC - International Committee of the Red Cross (o.D.): National Implementation of IHL, https://ihl-databases.icrc.org/applic/ihl/ihl-nat.nsf/implementingLaws.xsp?documentId=598034855221CE85C12582480054D831&action=openDocument&xp_countrySelected=AF&xp_topicSelected=GVAL-992BU6&from=state&SessionID=DNMSXFGMJQ , Zugriff 12.10.2020

• KatM KBL - Vertreter der katholischen Mission in Afghanistan mit Sitz in Kabul (8.11.2017): Informationen zur katholischen Mission in Afghanistan. Antwortschreiben, liegt bei der Staatendokumentation auf.

• RA KBL - Lokaler Rechtsanwalt in Kabul (10.6.2020): Auskunft per E-Mail.

• UP - Urdu Point (16.8.2019): Afghanistan’s Only Jew Has No Plans To Emigrate, Says Lives ’LikeA Lion Here’,

https://www.urdupoint.com/en/world/afghanistans-only-jew-has-no-plans-to-emigra-691600.html , Zugriff 2.9.2019

• USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom [USA] (4.2020): United States Commission on International Religious Freedom 2020 Annual Report; Country Reports:Tier 2 Countries: Afghanistan, https://www.uscirf.gov/sites/default/files/Afghanistan.pdf , Zugriff12.10.2020

• USDOS - United States Department of State [USA] (10.6.2020): 2019 Report on International Religious Freedom: Afghanistan, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/06/AFGHANISTAN-2019-INTERNATIONAL-RELIGIOUS-FREEDOM-REPORT.pdf , Zugriff 12.10.2020

• USE - United States Embassy in Afghanistan [USA] (o.D.): Marriage, https://af.usembassy.gov/u-s-citizen-services/local-resources-of-u-s-citizens/marriage/ , Zugriff 12.10.2020

Apostasie, Blasphemie, Konversion

Letzte Änderung: 01.04.2021

Glaubensfreiheit, die auch eine freie Religionswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan de facto nur eingeschränkt. Die Abkehr vom Islam (Apostasie) wird nach der Scharia als Verbrechen betrachtet, auf das die Todesstrafe steht (FH 4.3.2020; vgl AA 16.7.2020, USDOS 10.6.2020).

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert. Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen (AA 16.7.2020). Bei der Konversion vom Islam zum Christentum wird in erster Linie nicht das Christentum als problematisch gesehen, sondern die Abkehr vom und der Austritt aus dem Islam (LIFOS 21.12.2017). Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtsprechung Missionierung illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtsprechung unter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 10.6.2020) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung „religionsbeleidigende Verbrechen“ verboten ist (MoJ 15.5.2017: Art. 323).

Wie in den vergangenen fünf Jahren gab es keine Berichte über staatliche Verfolgungen wegen Blasphemie oder Apostasie (USDOS 10.6.2020; vgl. AA 16.7.2020); jedoch berichten Personen, die vom Islam konvertierten, dass sie weiterhin die Annullierung ihrer Ehen, die Ablehnung durch ihre Familien und Gemeinschaften, den Verlust ihres Arbeitsplatzes und möglicherweise275die Todesstrafe riskieren (USDOS 10.6.2020) Die afghanische Regierung scheint kein Interessedaran zu haben, negative Reaktionen oder Druck hervorzurufen (LIFOS 21.12.2017; vgl. RAKBL 10.6.2020) - weder vom konservativen Teil der afghanischen Gesellschaft, noch von den liberalen internationalen Kräften, die solche Fälle verfolgt haben (LIFOS 21.12.2017).

Es kann jedoch einzelne Lokalpolitiker geben, die streng gegen mutmaßliche Apostaten vorgehen und es kann auch im Interesse einzelner Politiker sein, Fälle von Konversion oder Blasphemie für ihre eigenen Ziele auszunutzen (LIFOS 21.12.2017).

Allein der Verdacht, jemand könnte zum Christentum konvertiert sein, kann der Organisation Open Doors zufolge dazu führen, dass diese Person bedroht oder angegriffen wird (AA16.7.2020). Die afghanische Gesellschaft hat generell eine sehr geringe Toleranz gegenüber Menschen, die als den Islam beleidigend oder zurückweisend wahrgenommen werden (LIFOS21.12.2017; vgl. FH 4.3.2020). Obwohl es auch säkulare Bevölkerungsgruppen gibt, sind Personen, die der Apostasie beschuldigt werden, Reaktionen von Familie, Gemeinschaften oder in einzelnen Gebieten von Aufständischen ausgesetzt, aber eher nicht von staatlichen Akteuren (LIFOS 21.12.2017). Wegen konservativer sozialer Einstellungen und Intoleranz sowie der Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Sicherheitskräfte, individuelle Freiheiten zu verteidigen, sind Personen, die mutmaßlich gegen religiöse und soziale Normen verstoßen, vulnerabel für Misshandlung (FH 4.3.2020).

Abtrünnige haben Zugang zu staatlichen Leistungen; es existiert kein Gesetz, Präzedenzfall oder Gewohnheiten, die Leistungen für Abtrünnige durch den Staat aufheben oder einschränken. Sofern sie nicht verurteilt und frei sind, können sie Leistungen der Behörden in Anspruch nehmen (RA KBL 10.6.2020).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (16.7.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2035827/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Afghanistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_16.07.2020.pdf , Zugriff 27.8.2020

• FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2030803.html , Zugriff 6.8.2020

• LIFOS - Center för landinformation och landanalys inom migrationsområdet [Schweden] (21.12.2017): Temarapport: Afghanistan -Kristna, apostater och ateister, https://www.ecoi.net/en/file/local/1420820/1226_1515061800_171221551.pdf , Zugriff 27.8.2020

• MoJ - Ministry of Justice [Afghanistan] (15.5.2017): Strafgesetz, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf

• RA KBL - Lokaler Rechtsanwalt in Kabul (10.6.2020): Auskunft per E-Mail.

• USDOS - United States Department of State [USA] (10.6.2020): 2019 Report on International Religious Freedom: Afghanistan, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/06/AFGHANISTAN-2019-INTERNATIONAL-RELIGIOUS-FREEDOM-REPORT.pdf , Zugriff 27.8.2020

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch:

-        Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, insbesondere in die Protokolle der Erstbefragung vom 30.12.2015, der niederschriftlichen Einvernahme vom 15.03.2018, den angefochtenen Bescheid sowie in die Beschwerde vom 08.06.2018;

-        Einsichtnahme in das aktuelle Länderinformationsblatt zu Afghanistan (Stand 01.04.2021);

-        Einsichtnahme in die vom BF im gesamten Verfahren vorgelegten Urkunden;

-        Einvernahme des BF am 06.07.2020;

-        Einsicht in das Strafregister.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des BF, zu seiner Volksgruppen- und ursprünglichen Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf, seinem Aufwachsen sowie seiner familiären Situation in Afghanistan, seiner (fehlenden) Schulbildung und seiner Berufserfahrung gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben sowie den vorgelegten Nachweisen. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen bzw. nachvollziehbar aktualisierten Aussagen des BF zu zweifeln.

2.2. Zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Die Tatsache, derzufolge der BF in Österreich abgesehen von seinem Bruder, dessen Frau und Kinder über keinerlei kernfamiliäre Anbindungen verfügt, resultiert aus seinen dahingehenden glaubwürdigen Angaben. Der Umstand, laut dem der BF offiziell das Sprach-Niveau A2 erreicht hat, stützt sich auf die Vorlage entsprechender von ihm ins Verfahren eingebrachter Kursbesuchsbescheinigungen sowie ein entsprechendes Sprachzertifikat. Die Feststellung zur strafrechtlichen Unbescholtenheit basiert auf einem aktuellen Strafregisterauszug.

2.3. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Die getroffenen Feststellungen zur Konversion des BF zum Christentum ergeben sich vorrangig aus den glaubhaften Angaben des BF sowie des einvernommenen Zeugen Herrn Mag. theol. XXXX , in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 06.07.2020. Der BF legte nachvollziehbar dar, wie er erstmals in Kontakt mit dem Christentum kam und sich nach und nach der neuen Religion zuwandte, in welcher Form er sich in der Gemeinde engagiert, und wie seine Familie und sein Umfeld auf die Konversion reagierten (vgl. Seite 7 der Niederschrift vom 06.07.2020). Der Zeuge bestätigte diese Angaben in allen wesentlichen Punkten (vgl. Seiten 7 bis 9 der Niederschrift vom 06.07.2020).

Wenngleich der BF erstaunlich große Lücken hinsichtlich wesentlicher und fundamentaler Elemente des Christentums, etwa in Bezug auf die Dreifaltigkeit, insbesondere der Rolle des Heiligen Geistes, die Namen der zwölf Apostel, die Identität des Namenspatrons seiner Wahlpfarre XXXX , oder die Existenz diverser anderer Heilige aufweist, zeigt sich nicht nur der Leiter seines Glaubenskurses und zugleich Ansprechpartner vergangener Glaubensgespräche, sondern auch der Leiter der Pfarrgemeinde XXXX von der aufrichtigen Zuwendung des BF zum Katholizismus innerlich zutiefst überzeugt. Darüber hinaus ist der BF auch in der Lage, dessen Glaubensinhalte in nachvollziehbarer Weise in Bezug zu seinem eigenen Leben zu setzen. So gab er glaubhaft an, die im Islam herrschenden strikten Speisenverbote etwa in Bezug auf den Verzehr von Schweinefleisch und den Konsum von Alkohol seit seiner Einreise nach Österreich konsequent zu ignorieren. Auch seine persönliche Entfremdung vom Islam, beginnend mit der schlechten Behandlung durch seinen auch als Mullah tätigen Onkel aufgrund islamischer Vorschriften insbesondere in Bezug auf die vorgesehene Zwangsverehelichung der seinerseits geliebten Cousine (vgl. Seite 5 der Niederschrift vom 06.07.2020), schilderte der BF nachvollziehbar.

Der BF konnte damit glaubhaft und stringent darlegen, dass er aus innerer Überzeugung zum christlichen Glauben übergetreten ist. Er hat dies durch sein äußeres Verhalten, die Teilnahme an kirchlichen Feierlichkeiten und die gewissenhafte Absolvierung der Taufvorbereitung überzeugend dargetan. Auch der einvernommene Zeuge, der den BF seit rund zweieinhalb Jahren kennt und sein Glaubensleben aus Eigenem wahrgenommen hat, ist von der Aufrichtigkeit und Ernsthaftigkeit seiner Konversion zutiefst überzeugt.

Es sind im Beschwerdeverfahren letztendlich keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die den alleinigen Schluss zulassen würden, dass die Konversion des BF zum christlichen Glauben bloß asylzweckbezogen zum Schein erfolgt wäre. Vielmehr gelangt das erkennende Gericht zum Schluss, wonach jene Indizien letztendlich überwiegen, welche dafürsprechen, dass sich der BF aufgrund einer freien persönlichen Entscheidung vom Islam ab- und dem Christentum zugewendet hat und seinen christlichen Glauben auch im Alltag lebt.

Das Vorbringen des BF hinsichtlich seiner Furcht vor Verfolgung im Fall der Rückkehr nach Afghanistan auf Grund seiner Konversion vom Islam zum Christentum war in ganzheitlicher Würdigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, insbesondere unter Berücksichtigung der diesbezüglich vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur allgemeinen Lage von Christen und Konvertiten in Afghanistan, insgesamt als glaubhaft zu beurteilen. So war das Vorbringen des BF zur möglichen Furcht vor Verfolgung im Fall der Rückkehr nach Afghanistan ausreichend substantiiert, umfassend, in sich schlüssig und im Hinblick auf die besonderen Umstände des BF und die allgemeine Situation in Afghanistan plausibel.

Aus den beigezogenen Länderberichten ergibt sich, dass die gesellschaftliche Einstellung gegenüber konvertierten Christen ablehnend bis feindselig ist. Konversion wird als Akt der Abtrünnigkeit und Verbrechen gegen den Islam, das mit dem Tod bestraft wird, gesehen, sodass der BF in Afghanistan erhebliche Eingriffe in seine körperliche Integrität zu fürchten hätte.

2.4. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Aufgrund der jüngsten aktuellen Ereignisse, nämlich der Flucht des Staatspräsidenten, Regierungsvertreter und Unterstützer der Regierung aufgrund der Machtübernahme der Taliban Mitte August 2021 stehen derzeit keine allgemein aussagekräftigen aktuellen Länderberichte zur Verfügung.

Prognosen über die zukünftige Entwicklung sind schwer zu treffen, haben doch zahlreiche Experten, Politiker und Geheimdienste in den letzten Monaten über die aktuellen Entwicklungen erheblich geirrt. Das UNHCR spricht in einer aktuellen Stellungnahme (UNHCR Position on Returns to Afghanistan) vom August 2021 auch u.a. von einer veränderlichen und ungewissen Lage in Afghanistan („As the situation in Afghanistan remains fluid and uncertain, UNHCR calls on all countries to allow civilians fleeing Afghanistan access to their territories…“).

Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass die traditionell geprägten Gewohnheiten und Einstellungen in der stark islamisch geprägten afghanischen Gesellschaft zu religiösen Minderheiten sich in absehbarer Zeit nicht verändern werden und daher die diesbezüglichen Informationen der zuletzt aktuellen Länderberichte zu Religionsfreiheit, sowie Apostasie, Blasphemie und Konversion nach wie vor Aussagekraft besitzen, wenn dabei noch zusätzlich berücksichtigt wird, dass es die bisherige Staatsgewalt als Akteur in Afghanistan nicht mehr gibt, da sie durch die Taliban ersetzt wurde.

Da diese Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln.

Bezüglich der vom erkennenden Richter getätigten Feststellungen zur aktuellen Situation in Afghanistan (Machtübernahme der Taliban Mitte August 2021) ist festzuhalten, dass diese Kenntnisse als notorisch vorauszusetzen sind. Gemäß § 45 Absatz 1 AVG bedürfen nämlich Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig sind (so genannte „notorische“ Tatsachen; vergleiche Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze 13-MSA1998-89) keines Beweises. „Offenkundig“ ist eine Tatsache dann, wenn sie entweder „allgemein bekannt“ (notorisch) oder der Behörde im Zuge ihrer Amtstätigkeit bekannt und dadurch „bei der Behörde notorisch“ (amtsbekannt) geworden ist; „allgemein bekannt“ sind Tatsachen, die aus der alltäglichen Erfahrung eines Durchschnittsmenschen – ohne besondere Fachkenntnisse – hergeleitet werden können (VwGH 23.01.1986, 85/02/0210; vergleiche auch Fasching; Lehrbuch 2 Rz 853). Zu den notorischen Tatsachen zählen auch Tatsachen, die in einer Vielzahl von Massenmedien in einer der Allgemeinheit zugänglichen Form über Wochen hin im Wesentlichen gleichlautend und oftmals wiederholt auch für einen Durchschnittsmenschen leicht überprüfbar publiziert wurden.


3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1.    Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides – Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

3.1.1. § 3 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:

„Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

…“

3.1.2. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

3.1.3. Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

3.1.4. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. z. B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011).

Für eine „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, 95/01/0454, VwGH 09.04.1997, 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse, sondern erfordert eine Prognose (vgl. VwGH 16.02.2000, 99/01/0397). Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318).

3.1.5. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 15.03.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (vgl. VwGH 16.06.1994, 94/19/0183).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.1.6. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, 94/18/0263; VwGH 01.02.1995, 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht – diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann –, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, 98/01/0370; VwGH 22.10.2002, 2000/01/0322).

3.1.7. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass die Furcht des BF vor asylrelevanter Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention begründet ist:

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Mit seinem Vorbringen, in Österreich vom Islam zum chr

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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