Entscheidungsdatum
24.08.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I408 2245641-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Marokko, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.07.2021, Zl. XXXX zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruchpunkt VIII. behoben wird.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgegenstand:
Der Beschwerdeführer stellte am 17.07.2021 nach illegalem Grenzübertritt einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der darauf erfolgten Erstbefragung gab er zu seinem Fluchtgrund befragt an, dass die wirtschaftliche und politische Lage in Marokko schlecht sei. Er habe organische Chemie studiert und eine Ausbildung als Elektriker gemacht, aber keine Arbeit gefunden. Vor sieben Tage habe er Marokko verlassen, weil er zu seinen Geschwistern wolle, eine Arbeit finden und sich eine neue Zukunft aufbauen. er nach Europa gekommen sei, um ein besseres Leben zu haben, arbeiten zu können und dadurch Geld zu verdienen.
Noch am selben Tag sowie wurde der Beschwerdeführer auch durch die belangte Behörde niederschriftlich eingenommen und wiederholte, dass er Marokko wegen der schlechten Wirtschaftslage verlassen habe. Persönlich habe er in Marokko keine Probleme gehabt und sei auch keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen.
Am 20.07.2021 fand im Beisein einer Vertreterin der BBU eine weitere Einvernahme statt, in der er seine Angaben vom 17.07.2021 in vollem Umfang bestätigte und nochmals darauf hinwies, dass die wirtschaftliche Lage in Marokko schlecht sei. Die anwesende Rechtsvertreterin nahm dabei weder Ihre Fragerecht in Anspruch noch gab sie zu den Ausführungen des Beschwerdeführers eine Stellungnahme ab.
Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 20.07.2021 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Marokko (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die belangte Behörde gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.) und erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII.). Zudem erließ die belangte Behörde ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VIII.).
Am 05.08.2021 verließ der Beschwerdeführer die ihm zugewiesene Betreuungseinrichtung und tauchte unter.
Mit fristgerecht eingebrachtem Beschwerdeschriftsatz vom 17.08.2021 erhob der Beschwerdeführer über seine bevollmächtigte Rechtsvertretung in vollem Umfang Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Mit Schriftsatz vom 26.03.2021 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt zugehörigem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor, wo sie am 30.03.2021 einlangten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der 27-jährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Marokko. Er ist kinderlos, verheiratet, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zum Islam, sunnitische Richtung. Der Beschwerdeführer stellte im Zuge seines polizeilichen Aufgriffes nach illegalem Grenzübertritt den verfahrensgegenständlichen Asylantrag. Er hatte keine Identitätsdokumente und € 225 (AS 27) bei sich. Seine Identität steht nicht fest. Seit 05.08.2021 ist er untergetaucht und ein Aufenthalt im Bundesgebiet ist nicht mehr feststellbar.
Der Beschwerdeführer studierte in Marokko organische Chemie studiert, machte eine Ausbildung als Elektriker und war zuletzt in diesem Beruf selbständig tätig. Er selbst bezeichnete seine finanzielle Situation als „mittelmäßig“ (AS 61). Er lebte bei seinen Eltern und wollte zu seinen beiden schon in Europa aufhältigen Brüdern, die in Frankreich und Spanien leben. Er ist gesund und arbeitsfähig.
In Österreich verfügt der Beschwerdeführer weder über Verwandte noch über private oder familiäre Beziehungen. Er verfügt über keinen Wohnsitz oder eine Beschäftigungsmöglichkeit, und weist keinerlei Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher oder kultureller Hinsicht auf. Strafgerichtlich ist er unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtmotiven und zur Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer hat Marokko aus wirtschaftlichen Motiven verlassen und wird im Fall seiner Rückkehr nach Marokko mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie auch immer gearteten existentiellen oder sonstigen Bedrohung ausgesetzt sein.
1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Gemäß § 1 Z 9 der HStV (Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl. II Nr. 177/2009 idF BGBl. II Nr. 145/2019) gilt Marokko als sicherer Herkunftsstaat.
Im angefochtenen Bescheid wurde das „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Marokko mit Stand 08.11.2019 auszugsweise zitiert. Seit dieser Entscheidung wurde das Länderinformationsblatt am 18.03.2021 neu erstellt. Eine entscheidungsrelevante Änderung der Lage ist daraus jedoch nicht erkennbar, sodass nunmehr auf Basis des Länderinformationsblattes vom 18.03.2021 nachfolgende Feststellungen getroffen werden:
1.3.1. COVID-19
Die Ausbreitung von Covid-19 führt weiterhin zu Einschränkungen des Internationalen Luft- und Reiseverkehr (AA 15.3.2021). Es ist mit weitgehenden Einschränkungen im öffentlichen Leben zu rechnen (BMEIA 15.3.2021). Aus Angst vor Covid-19-Mutationen hat Marokko Flüge u.a. von und nach Deutschland, der Schweiz und weiteren Ländern vorerst bis 21.3.2021 gestoppt. Ausnahmen gelten für Fracht- und medizinische Flüge. Der Ausnahmezustand wurde bis 10.4.2021 verlängert. Er beschränkt die Reisemöglichkeiten zwischen den Provinzen, bestimmt eine nächtliche Ausgangssperre sowie ein Versammlungsverbot und die Einhaltung der Hygieneregeln. Die lokalen Sicherheitskräfte kontrollieren die Einhaltung der verhängten Maßnahmen verstärkt. Laut Morocco World News wurden 3.913.615 der 33 Mio. Marokkaner bereits geimpft und 578.942 Bürger haben die zweite Impfung erhalten (BAMF 8.3.2021).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.3.2021): Marokko: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/marokkosicherheit/224080, Zugriff 15.3.2021
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (8.3.2021): Briefing Notes – Marokko: Covid-19-Pandemie, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Beho erde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw10-2021.html, Zugriff 15.3.2021
- BMEIA - Bundesministerium Europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (15.3.2021): Marokko – Reiseinformationen, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/marokko/, Zugriff 15.3.2021
In Marokko sind in den letzten sieben Tagen 2.895 Neuerkrankungen gemeldet worden, damit gibt es für Marokko insgesamt 494.358 bestätigte Infektionen. Pro 100.000 Einwohnern, sind offiziell 23,8 Personen mit einer Covid-19 Erkrankung verstorben.
Dazu sind im Vergleich in Österreich - bei nur etwa einem Viertel der Einwohner im Vergleich zu Marokko - in den letzten sieben Tagen 22.100 Neuerkrankungen gemeldet worden, damit gibt es für Österreich insgesamt 530.844 bestätigte Infektionen. Pro 100.000 Einwohnern sind offiziell 99,9 Personen mit einer Covid-19 Erkrankung verstorben (WHO Weekly Epidemiological Update 30.03.2021).
Somit ist auch in Marokko eine Entspannung der Lage nicht in Sicht, es ist jedoch im Vergleich zu Österreich kein erhöhtes Risiko für den Beschwerdeführer erkennbar, zumal es sich bei ihm um einen jungen, gesunden Mann und somit um keinen Angehörigen einer Covid-Risikogruppe handelt.
Viele Arbeitnehmer oder Kleinstunternehmer in Marokko haben im Zuge der COVID-19-Pandemie ihre Arbeitsplätze und Einnahmequellen verloren. Der Export ist stark rückläufig, die Tourismuseinnahmen sind eingebrochen. Es gibt Direktzahlungen aus dem staatlichen Krisenfonds an Haushalte, eine Stundung von Krediten, eine Ankündigung zur Unterstützung der Wirtschaft, eine Aussetzung von Steuerprüfungen und von Zöllen auf bestimmte Grundnahrungsmittel. Gemessen am Prozentsatz des BIP steht Marokko bei der Mobilisierung von Ressourcen weltweit an 4. Stelle (ÖB Rabat 5.2020). Für die Dauer der Pandemie wurde eine Art bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt, das auch die im informellen Sektor beschäftigten Menschen erhalten. Die Hilfe kommt 4,3 Millionen Menschen zugute (i.d.R. werden die Familienoberhäupter gezählt) (Focus 6.7.2020).
Im Gesundheitsbereich ist die Situation unter Kontrolle. Es gibt keinen Wasser- oder Nahrungsmittelengpass (ÖB Rabat 5.2020).
Quellen:
- Focus (6.7.2020): Mehrere Millionen Tote erwartet: Die schlimmste Corona-Epidemie droht der Welt erst noch, https://www.focus.de/gesundheit/news/corona-in-afrika-die-schlimmste-epidemie-droht-der-welt-erst-noch_id_12170350.html, Zugriff 27.01.2021
- ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko
- WHO Weekly Epidemiological Update 30 March 2021, https://www.who.int/publications/m/item/weekly-epidemiological-update-on-covid-19---31-march-2021, Zugriff 01.04.2021
1.3.2. Grundversorgung
Die Grundversorgung der Bevölkerung ist gewährleistet, Brot, Zucker und Gas werden subventioniert. Staatliche soziale Unterstützung ist kaum vorhanden, vielfach sind religiös-karitative Organisationen tätig. Die entscheidende Rolle bei der Betreuung Bedürftiger spielt nach wie vor die Familie. Staatliche und sonstige Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer gibt es nicht (AA 31.1.2021).
Formal ist Marokko eine freie Marktwirtschaft. Bedingt durch die starke Stellung der Königsfamilie und alteingesessener Eliten ist der Wettbewerb jedoch verzerrt. Seit dem Machtantritt von König Mohammed VI. hat die Vormachtstellung der Königsfamilie in Schlüsselsektoren wie Landwirtschaft, Bergbau, Einzelhandel, Transport, Telekommunikation und erneuerbaren Energien weiter zugenommen. Gleichzeitig sind immer mehr Marokkaner auf Überweisungen aus dem Ausland angewiesen, um zu überleben (GIZ 12.2020c).
Ein gravierendes Problem bildet nach wie vor die Arbeitslosigkeit 2018 (laut IMF bei 9,8%, Dunkelziffer liegt wesentlich höher), vor allem unter der Jugend (ÖB 5.2019). Entwicklungsproblematisch für Marokko ist die Jugendarbeitslosigkeit und der Mangel an Arbeitsplätzen (GIZ 12.2020c).
Laut Informationen der Weltbank steht Marokko in der MENA-Region bei der Höhe der Auslandsüberweisungen von Migranten (Remittances) an dritter Stelle. Zur Sicherung des sozialen und politischen Friedens verteilt der Staat Subventionen: Diese wurden in den letzten Jahren allerdings gekürzt, von 5 Mrd. Euro auf voraussichtlich umgerechnet 1,2 Mrd. Euro in 2018. Für das Jahr 2020 wurde eine Erhöhung auf 1,4 Mrd. Euro angekündigt.Derzeit werden Kochgas, Mehl und Zucker subventioniert, seit Corona außerdem nicht medizinische Mund-Nase-Masken. Die Staatsverschuldung nimmt trotz Subventionskürzungen und Privatisierungen zu (GIZ 12.2020c).
Der informelle Bereich der Wirtschaft wird statistisch nicht erfasst, entfaltet aber erhebliche Absorptionskraft für den Arbeitsmarkt. Fremdsprachenkenntnisse - wie sie z.B. Heimkehrer aufweisen - sind insbesondere in der Tourismusbranche und deren Umfeld nützlich. Arbeitssuchenden steht die Internet-Plattform des nationalen Arbeitsmarktservices ANAPEC zur Verfügung (www.anapec.org), die neben aktueller Beschäftigungssuche auch Zugang zu Fortbildungsmöglichkeiten vermittelt. Unter 30-Jährige, die bestimmte Bildungsebenen erreicht haben, können mit Hilfe des OFPPT (www.ofppt.ma/) eine weiterführende Berufsausbildung einschlagen. Die marokkanische Regierung führt Programme der Armutsbekämpfung (INDH) und des sozialen Wohnbaus. Eine staatlich garantierte Grundversorgung/arbeitsloses Basiseinkommen existiert allerdings nicht. Der Mindestlohn (SMIG) liegt bei 2.570 Dirham (ca. EUR 234). Ein Monatslohn von etwa dem Doppelten dieses Betrags gilt als durchaus bürgerliches Einkommen. Statistisch beträgt der durchschnittliche Monatslohn eines Gehaltsempfängers 4.711 Dirham, wobei allerdings die Hälfte der - zur Sozialversicherung angemeldeten - Lohnempfänger nur den Mindestlohn empfängt. Ein ungelernter Hilfsarbeiter erhält für einen Arbeitstag (10 Std.) ca. 100 Dirham, Illegale aus der Subsahara erhalten weniger (ÖB 5.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 15.3.2021
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2020c): LIPortal - Marokko – Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/marokko/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 15.3.2021
- ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat [Österreich] (5.2019): Asylländerbericht Marokko, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
1.3.3. Rückkehr
Das Stellen eines Asylantrags im Ausland ist nicht strafbar und wird nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts von den Behörden nicht als Ausdruck oppositioneller Gesinnung gewertet (AA 31.1.2021).
Auf institutioneller Basis wird Rückkehrhilfe von IOM organisiert, sofern der abschiebende Staat mit IOM eine diesbezügliche Vereinbarung (mit Kostenkomponente) eingeht; Österreich hat keine solche Abmachung getroffen. Rückkehrer ohne eigene finanzielle Mittel dürften primär den Beistand ihrer Familie ansprechen; gelegentlich bieten auch NGOs Unterstützung. Der Verband der Familie und Großfamilie ist primärer sozialer Ankerpunkt der Marokkaner. Dies gilt mehr noch für den ländlichen Raum, in welchem über 40% der Bevölkerung angesiedelt und beschäftigt sind. Rückkehrer würden in aller Regel im eigenen Familienverband Zuflucht suchen. Der Wohnungsmarkt ist über lokale Printmedien und das Internet in mit Europa vergleichbarer Weise zugänglich, jedenfalls für den städtischen Bereich (ÖB 5.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 15.3.2021
- ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat [Österreich] (5.2019): Asylländerbericht Marokko, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 17.07.2021 und vor der belangten Behörde am selben Tag sowie am 20.07.2021, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz. Ergänzend wurden Auszüge des Zentralen Melderegisters (ZMR), des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister (IZR), des Betreuungsinformationssystems über die Grundversorgung (GVS), der Sozialversicherung (AJ-WEB) und des Strafregisters eingeholt.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen seinen persönlichen Daten Gründen auf seinen diesbezüglich plausiblen Angaben im Administrativverfahren. In Ermangelung der Vorlage eines identitätszeugenden Dokumentes steht seine Identität nicht fest.
Auf den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung am 28.02.2021 beruhen die Feststellungen zu seiner Ausreise auf dem Luftweg in die Türkei und zu seiner Weiterreise nach Österreich. Die Asylantragstellung am 17.07.2021 ist durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes zweifelsfrei belegt.
Aus den übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der Erstbefragung am 17.07.2021 und der niederschriftlichen Einvernahme selben Tag ergeben sich die Feststellungen zu seiner Schul- und Berufsausbildung.
Ebenso folgen die Feststellungen zu den Familienmitgliedern in Marokko und zu seiner Gesundheit den Angaben des Beschwerdeführers den beiden niederschriftlichen Einvernahmen. In Zusammenschau mit seinem erwerbsfähigen Alter war auch die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers festzustellen. Dass der Beschwerdeführer zu seinen Angehörigen regelmäßigen Kontakt hat und zu seinen in Europa aufhältigen Brüdern will, geht ebenfalls aus seinen Angaben hervor.
Dass der Beschwerdeführer keine identitätsbezeugenden Dokumente, aber bei seinem illegalen Grenzübertritt € 26,- ist dem Sicherstellungsprotokoll vom 17.07.2021 entnommen (AS 27) und erschließt sich auch aus seinen Angaben.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer keinerlei Integrationsmerkmale in sprachlicher, kultureller oder beruflicher Hinsicht aufweist und auch über keine familiären oder privaten Anknüpfungspunkte in Österreich verfügt, resultiert aus dem Umstand, dass er sich erst seit Mitte Juli in Österreich aufhält. Das Untertauchen mit 05.08.2021 ist dem Mail der BBU über Abgängige vom 09.08.2021 entnommen (AS 169).
Dass der Beschwerdeführer unbescholten ist, ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Strafregister.
2.3. Zu den Fluchtmotiven und zur Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers:
Zunächst ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer seinen Asylantrag sowohl in der Erstbefragung als auch in den niederschriftlichen Einvernahmen vor der belangten Behörde ausschließlich mit wirtschaftlichen Motiven begründet hat. Wenn in der Beschwerde moniert wird, dass der Beschwerdeführer nicht befragt wurde, inwiefern die politische Lage Grund für seine Flucht gewesen sei, ist das schlichtweg aktenwidrig. So wurde er in seiner Einvernahme am 17.07.2021 ausdrücklich befragt, ob er aufgrund persönlicher Probleme oder aus politischen oder religiösen Gründen Marokko verlassen musste. Zudem gab er selbst an, dass er bei einer Rückkehr mit der schlechten Wirtschaftslage leben müsse (AS 63). Zudem hatte die Rechtsvertreterin in der Einvernahme am 20.07.2021 die Möglichkeit, den Beschwerdeführer selbst zu befragen („Dem/der RB wird die Möglichkeit eingeräumt, Fragen anzuregen oder eine Stellungahme abzugeben, wovon kein Gebrauch gemacht wird“ – AS 193)
Entgegen dem Beschwerdevorbringen kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der arbeitsfähige und junge Beschwerdeführer, der über eine Universitäts- und Berufsausbildung verfügt, zuletzt selbständig als Elektriker arbeitete und so seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte (AS 61), bei einer Rückkehr ins Herkunftsland in Bezug auf existentielle Grundbedürfnisse in eine ausweglose Situation geraten würde, zumal er in Marokko auch über ein familiäres Netzwerk verfügt und zu seinen dprte lebenden Eltern regelmäßigen Kontakt hält und ein gutes Verhältnis besteht. Auch wenn die angespannte wirtschaftliche Lage in Marokko durchaus nicht verkannt wird und insbesondere die herrschende hohe Arbeitslosigkeit problematisch ist, geht aus den Länderberichten doch klar hervor, dass die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist (vgl. Punkt II.1.3.2.). Zudem war der Beschwerdeführer in der Lage, die zweifellos kostspielige Reise nach Österreich auf sich zu nehmen. Eine existenzbedrohende Notlage im Falle einer Rückkehr nach Marokko ist aus diesen Gründen nicht erkennbar.
Auch ergeben sich angesichts der aktuellen COVID-19-Pandemie keinerlei Rückführungshindernisse in Bezug auf den Beschwerdeführer. Dass er derzeit an einer COVID-19-Infektion leidet oder im Hinblick auf eine etwaige Vorerkrankung zu einer vulnerablen Personengruppe gehören würde, wurde nicht vorgebracht. Bei jungen Menschen ohne Schwächung des Immunsystems verläuft eine Infektion mit COVID-19 zudem mit nur geringen Symptomen vergleichbar einer Grippe. Bei Personen in der Altersgruppe bis 39 Jahre, ist die Sterblichkeit sehr gering und liegt bei unter 1%. Auch ist die Situation im marokkanischen Gesundheitsbereich unter Kontrolle, es existiert kein Wasser- oder Nahrungsmittelengpass und wurde für die Dauer der Pandemie zudem eine Art bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt (vgl. dazu die Ausführungen unter Punkt II.1.3.1.). Es fehlt daher auch vor dem Hintergrund der aktuellen COVID-19-Pandemie fallgegenständlich an den geforderten außergewöhnlichen Umständen iSd Art 3 EMRK.
2.4. Zum Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Marokko samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, oder von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland weder in seiner Einvernahme am 20.07.2021 im Beisein seiner Rechtsberaterin noch in der Beschwerde substantiiert entgegen.
Zwar wurde in den vier Wochen zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der vorliegenden Entscheidung ein aktualisiertes Länderinformationsblatt der Staatendokumentation veröffentlicht, eine für die gegenständliche Entscheidung relevante Änderung der Lage in Marokko ist daraus jedoch nicht erkennbar.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1, Abschnitt A, Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Wie im Sachverhalt samt Beweiswürdigung unter Punkt II.2.3. bereits dargelegt, brachte der Beschwerdeführer keinerlei Verfolgung seiner Person und damit keine Fluchtgründe im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention in Bezug auf seinen festgestellten Herkunftsstaat Marokko vor, weshalb die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl nicht gegeben sind.
3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - „real risk“ einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl. VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0372). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (vgl. VwGH 29.08.2019, Ra 2019/19/0143).
Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend. Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann Das Vorliegen solch exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl. VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0372).
Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers gibt es im vorliegenden Fall keinen Anhaltspunkt dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Marokko die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art 3 EMRK überschritten wäre. Der Beschwerdeführer hat seinen Lebensunterhalt im Vorfeld seiner Ausreise Automechaniker bzw. als Mitarbeiter in einem KFZ-Ersatzteillager bestritten und wurde kein substantiiertes Vorbringen erstattet, warum dies nach einer Rückkehr nicht mehr möglich sein soll. Er ist gesund, arbeitsfähig und verfügt über eine Berufsausbildung, es ist daher davon auszugehen, dass er durch die (Wieder)Aufnahme einer Beschäftigung (erneut) in der Lage sein wird, seinen Lebensunterhalt sicherzustellen. Darüber hinaus lebt seine gesamte Familie in Marokko und ist davon auszugehen, dass er bei einer Rückkehr auch in deren Haushalt wird unterkommen können. Zudem geht aus den Länderberichten klar hervor, dass in Marokko die Grundversorgung der Bevölkerung sichergestellt ist.
Durch eine Rückführung nach Marokko würde der Beschwerdeführer somit nicht in seinen Rechten nach Art 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden.
3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 58 Abs 1 Z 2 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) unter anderem von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG sind allerdings nicht gegeben und werden in der Beschwerde auch nicht behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war dem Beschwerdeführer daher nicht zuzuerkennen.
3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Dabei hat das Bundesamt gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.
Auf Grundlage des § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG - wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird - zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch eine geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH 28.05.2020, Ra 2020/21/0139).
So ist grundsätzlich nach negativem Ausgang des Asylverfahrens - infolge des damit einhergehenden Verlustes des vorläufig während des Verfahrens bestehenden Rechts zum Aufenthalt und sofern kein anderweitiges Aufenthaltsrecht besteht - der rechtmäßige Zustand durch Ausreise aus dem Bundesgebiet wiederherzustellen (vgl. VwGH 02.09.2019, Ra 2019/20/0407).
Im gegenständlichen Fall hält sich der Beschwerdeführer erst seit wenigen Wochen im Bundesgebiet auf und bestehen weder ein Familien- oder Privatleben in Österreich noch sonstige integrative Merkmale. Es kann im Rahmen einer Gesamtschau daher nicht davon ausgegangen werden, dass seine privaten Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen und bereitet die von der belangten Behörde erlassene Rückkehrentscheidung vor diesem Hintergrund keinerlei Bedenken, zumal die Ehefrau, die Eltern und die Geschwister des Beschwerdeführers in Marokko leben und somit wohl auch ein gewichtiges familiäres Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes besteht.
3.5. Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides):
Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder 3 EMRK oder deren 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. VwGH 25.09.2019, Ra 2019/19/0399).
Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des § 50 Abs 2 FPG, da dem Beschwerdeführer keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Weiters steht keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegen.
Betreffend der derzeitigen COVID-19 Pandemie ist auszuführen, dass für den Beschwerdeführer keine besondere Gefährdung ersichtlich ist. Der Beschwerdeführer ist jung, gesund und gehört keiner Risikogruppe an, weshalb auch die derzeitige Situation in Zusammenhang mit der COVID-Pandemie einer Abschiebung nach Marokko nicht entgegensteht. Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Marokko erfolgte daher zu Recht.
3.6. Zur Nicht-Gewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides) und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides):
Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung erfolgte seitens der belangten Behörde gemäß § 18 Abs 1 BFA-VG völlig zu Recht, da der Beschwerdeführer aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19 Abs 5 Z 2 BFA-VG iVm § 1 Z 9 HStV) stammt.
Gemäß § 55 Abs 1a FPG besteht eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht, wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird. Im angefochtenen Bescheid wurde dementsprechend richtigerweise keine Frist für die freiwillige Ausreise zuerkannt.
3.7. Zum Einreiseverbot (Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 53 Abs 1 FPG kann mit einer Rückkehrentscheidung vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
Gemäß § 53 Abs 2 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs 1, vorbehaltlich des Abs 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden, sondern steht im Ermessen der Behörde. Es soll bestimmte, mit dem Aufenthalt der betroffenen Fremden potentiell verbundenen Gefährdungen öffentlicher Interessen hintanhalten. Dabei ist im Rahmen einer Interessensabwägung zu prüfen, inwiefern private und familiäre Interessen des Fremden der Verhängung des Einreiseverbots in der konkreten Dauer allenfalls entgegenstehen. Ein Einreiseverbot ist dann zu verhängen, wenn die Gefährdungsprognose eine zukünftige Gefährdung relevanter öffentlicher Interessen ergibt und eine Interessensabwägung nach Art 8 EMRK zu Lasten des betroffenen Drittstaatsangehörigen ausgeht (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10 ff; VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0062).
Die belangte Behörde erließ aufgrund des unrechtmäßigen Aufenthaltes, des missbräuchlich gestellten Asylantrages und der Mittellosigkeit des Beschwerdeführers gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot.
Der bloße unrechtmäßige Aufenthalt ist noch keine derartige Störung der öffentlichen Ordnung, dass dies immer die Erlassung eines Einreiseverbots gebietet. Wenn sich das Fehlverhalten darauf beschränkt und ausnahmsweise nur eine geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens vorliegt, ist überhaupt kein Einreiseverbot zu verhängen (VwGH 15.05.2012, 2012/18/0029).
Ein Tatbestand, der die Erlassung eines Einreiseverbots rechtfertigen kann, ist die Mittellosigkeit. Das Vorliegen einer für die Verhängung eines Einreiseverbots relevanten Gefahr ist nach der demonstrativen Aufzählung des § 53 Abs 2 Z 1 bis 9 FPG (soweit hier relevant) nämlich dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag (§ 53 Abs 2 Z 6 FPG). In diesem Fall kann ein Einreiseverbot für höchstens fünf Jahre erlassen werden.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Fremder initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen. Aus der Mittellosigkeit eines Fremden resultiert die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel auch die Annahme einer Gefährdung im Sinn des § 53 Abs 2 FPG gerechtfertigt ist (vgl. VwGH, 20.09.2018, Ra 2018/20/0349). Der Beschwerdeführer hat im gegenständlichen Verfahren nicht nachgewiesen, dass sein Unterhalt gesichert ist, vielmehr verfügte er bei seiner Anhaltung vor rund fünf Wochen nur über Barmittel in Höhe von EUR 26,-.
Obwohl hier somit der Tatbestand des § 53 Abs 2 Z 6 FPG erfüllt und somit eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit indiziert sein könnte, ist die Erlassung eines Einreiseverbots zusätzlich zur Rückkehrentscheidung gegenständlich nicht notwendig. Vom Beschwerdeführer geht keine maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung aus. Angesichts seiner Unbescholtenheit kann von einer noch relativ geringfügigen Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung ausgegangen werden.
Soweit die belangte Behörde die Erlassung eines Einreiseverbotes mit der missbräuchlichen Stellung eines Asylantrages begründete, verkennt sie die Rechtslage. So ist es nicht rechtens, im Fall eines Asylwerbers, der Anspruch auf Grundversorgung hat und dessen Antrag auf internationalen Schutz keine Folge gegeben sowie gegen den eine Rückkehrentscheidung erlassen wird, ein allein auf § 53 Abs 2 Z 6 FPG gegründetes Einreiseverbot zu erlassen, ohne die dafür notwendige Einzelfallprüfung vorzunehmen, insbesondere um zu beurteilen, ob aufgrund des bisherigen Verhaltens des Drittstaatsangehörigen davon auszugehen ist, dass durch seinen weiteren Aufenthalt eine maßgebliche Störung der in § 53 Abs 2 FPG genannten öffentlichen Interessen zu gewärtigen ist (VwGH, 20.09.2018, Ra 2018/20/0349).
Würde man den Überlegungen der belangten Behörde folgen, würde die Abweisung eines Antrages auf internationalen Schutz immer mit einem Einreiseverbot verbunden werden, wenn sich eine Antragstellung letztlich als unbegründet herausgestellt.
Ein unrechtmäßiger Aufenthalt per se rechtfertigt noch nicht die Verhängung eines Einreiseverbotes zusätzlich zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung; liegt aber nicht bloß ein unrechtmäßiger Aufenthalt, sondern eine qualifizierte Verletzung der Ausreiseverpflichtung vor, so kann daraus eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit abzuleiten sein, die die Verhängung eines Einreiseverbots erforderlich macht (vgl. VwGH, 27.04.2020, Ra 2019/21/0277).
Sollte der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung daher nicht zeitgerecht nachkommen und damit ein weiteres Fehlverhalten setzen, wäre die Verhängung eines Einreiseverbots neuerlich zu prüfen.
Daher ist Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides in teilweiser Stattgebung der Beschwerde ersatzlos aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Eine Beschwerdeverhandlung kann gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG entfallen, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist, die Entscheidung in zeitlicher Nähe liegt und die mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt. Selbst bei Berücksichtigung aller zugunsten des Beschwerdeführers sprechenden Fakten kann für ihn kein günstigeres Ergebnis erzielt werden und vermag daran auch eine mündliche Verhandlung durch das Bundesverwaltungsgericht und ein dabei gewonnener (positiver) persönlicher Eindruck nichts zu ändern (vgl. VwGH 06.04.2020, Ra 2019/01/0430). Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer bereits vor Beschwerdeerhebung untergetaucht ist.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Wie die umseitigen Ausführungen zeigen, verließ der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen. In Anbetracht der kurzen Aufenthaltsdauer, der fehlenden privaten und familiären Anbindungen sowie der nicht vorhandenen Integrationsmerkmale vermochte auch eine Rückkehrentscheidung nicht zu seinen Gunsten ausfallen. Wie die der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegte Judikatur zeigt, weicht diese weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Abschiebung Angemessenheit Asylantragstellung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel aufschiebende Wirkung - Entfall begründete Furcht vor Verfolgung berücksichtigungswürdige Gründe Einreiseverbot Einreiseverbot aufgehoben Fluchtgründe freiwillige Ausreise Frist Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit illegaler Aufenthalt Interessenabwägung Mittellosigkeit öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen real risk reale Gefahr Rückkehrentscheidung sicherer Herkunftsstaat subsidiärer Schutz Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung Verhältnismäßigkeit wohlbegründete FurchtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I408.2245641.1.00Im RIS seit
06.12.2021Zuletzt aktualisiert am
06.12.2021