Entscheidungsdatum
08.09.2021Norm
AsylG 2005 §3Spruch
L529 2244917-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch die BBU, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.07.2021, Zl. XXXX , zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als “BF“ bezeichnet) ist Staatsangehöriger des Irak und gehört der Volksgruppe der Araber und der sunnitischen Religionsgemeinschaft an. Er brachte nach illegaler Einreise in Österreich am 02.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz ein und begründete diesen im Wesentlichen zusammengefasst damit, dass er von einer bewaffneten Gruppe wegen seiner beruflichen Tätigkeit in einem Night Club mit einem Messer verletzt worden sei. Seine Familie habe aufgrund dessen, dass er homosexuell sei, Probleme bekommen.
I.2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 25.05.2018 wurde dem Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 AsylG stattgegeben, dem BF der Status des Asylberechtigen zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG festgestellt, dass dem BF kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.
Dem im Akt inneliegenden Aktenvermerk vom 25.05.2018 zufolge ging die Behörde von der Glaubhaftigkeit der Homosexualität des BF aus.
I.3. Im Akt befinden sich mehrere Abschlussberichte zu Verdachtsfällen gegen den BF.
Der Abschluss-Bericht der LPD XXXX vom 31.08.2017 betrifft einen Vorfall vom 22.06.2017 wegen des Verdachts auf Körperverletzung zum Nachteil von XXXX . Dieses Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft XXXX wegen Geringfügigkeit eingestellt.
Der Abschluss-Bericht der LPD XXXX vom 02.04.2018 betrifft einen Vorfall vom 02.02.2018 wegen des Verdachts des Vergehens nach dem Suchtmittelgesetz. Am 01.08.2018 teilte die StA XXXX dem BFA mit, dass von der Verfolgung des BF als Beschuldigter wegen §§ 27 (1) Z 1 1. Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (2) SMG gemäß § 35 Abs. 9 SMG vorläufig zurückgetreten werde.
Der Abschluss-Bericht der LPD XXXX vom 03.10.2019 betrifft einen Vorfall vom 09.06.2019 wegen des Verdachts auf Körperverletzung zum Nachteil von Frau XXXX .
Der Abschluss-Bericht der LPD XXXX vom 18.12.2020 betrifft einen Vorfall vom 19.09.2020 wegen des Verdachts der schweren Körperverletzung zum Nachteil von XXXX und wegen des Verdachts auf Verleumdung zum Nachteil von Insp. XXXX .
I.4. Über den BF wurde am 24.05.2021 wegen § 28a Abs. 1, zweiter, dritter und fünfter Fall SMG, § 15 StGB; § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2 SMG, §§ 127, 128 Abs. 1 Z 5 StGB, § 297 Abs. 1 zweiter Fall StGB; §§ 125, 126 Abs. 1 StGB bis längstens 07.06.2021 eine Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht-, Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr verhängt.
I.5. Am 25.06.2021 wurde die Expartnerin des BF, Frau XXXX , beim BFA als Zeugin niederschriftlich einvernommen. Die Zeugin gab dabei an, dass der BF jedenfalls heterosexuell sei.
I.6. Am 25.06.2021 wurde der BF beim BFA niederschriftlich einvernommen. Der BF bestätigte dabei seine Homosexualität; mit Frauen – auch mit seiner Expartnerin – sei er nur wegen seines Kinderwunsches zusammen gewesen, er fühle sich aber mehr zu Männern hingezogen. Den Status eines Asylberechtigten wolle er aber nicht wegen seiner Homosexualität haben, sondern wegen seiner Probleme im Irak. Seine Fluchtgründe seien die gleichen wie bei seiner Antragstellung.
I.7. Dem Abschluss-Bericht der LPD XXXX vom 27.06.2021 zufolge wurde gegen den BF wegen des Verdachts auf Suchtgifthandel gem. § 28a Abs. 1 SMG, auf schweren Diebstahl zum Nachteil eines unbekannten Opfers, auf Verleumdung zum Nachteil von XXXX und auf schwere Sachbeschädigung zum Nachteil der LPD XXXX ermittelt.
I.8. Dem Bericht der LPD XXXX vom 05.07.2021 zufolge ergab die Handyauswertung des BF keinen Hinweis auf homoerotische Inhalte, jedoch auf pornografische Videos, und dass der BF auf Dating-Plattformen vertreten gewesen sei, aber nur Kontakte zu Mädchen und Frauen gehabt habe.
I.9. Mit im Spruch genannten Bescheid des BFA wurde das Asylverfahren vom 02.01.2016 von Amts wegen gemäß § 69 Abs. 1 AVG wiederaufgenommen.
Das BFA stellte fest, dass der BF am 25.05.2018 den Status des Asylberechtigten erhalten habe, weil ihm seine Homosexualität geglaubt worden sei. Da sich nunmehr herausgestellt habe, dass der BF seine Homosexualtität zum Zwecke der Asylerlangung bewusst vorgetäuscht habe, werde das Verfahren gemäß § 69 Abs. 1 AVG idgF von Amts wegen wieder aufgenommen.
I.10. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben und dieser in vollem Umfang angefochten.
I.11. Der Verwaltungsakt langte am 02.08.2021 beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein und wurde der Gerichtsabteilung L529 zugeteilt.
I.12. Mit Urteil des LG XXXX vom 09.08.2021 wurde der BF wegen des Vergehens des Suchtgifthandels nach § 28 a Abs. 1 2. und 3. Fall, Abs. 3 SMG (teilweise in Form des Versuchs nach) § 15 StGB, die Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall, Abs. 2 SMG, der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 1. und 2. Fall, Abs. 2 SMG, des Vergehens des schweren Diebstahls nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 5 StGB, des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs. 1 Z 5 StGB und des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 1. Fall StGB und unter Bedachtnahme auf das Urteil des LG XXXX vom 23.06.2021, rechtskräftig seit 29.06.2021, XXXX , zu einer Zusatzstrafe, nämlich einer Freiheitsstrafe von 8 (acht) Monaten verurteilt.
I.13. Hinsichtlich des detaillierten Verfahrensherganges wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen (Sachverhalt):
Dem BF wurde mit Bescheid des BFA vom 25.05.2018, Zl: 1101608010-160014800, gemäß § 3 AsylG der Status eines Asylberechtigten und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Dieser Bescheid erwuchs am 29.05.2018 in Rechtskraft. Der Entscheidung des BFA wurde zugrunde gelegt, dass dem BF geglaubt wurde, dass er aufgrund seiner Homosexualität im Irak bedroht sei, weshalb ihm eine Rückkehr in den Irak weder zumutbar noch möglich sei.
Der BF hat im erstinstanzlichen, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren, das mit der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an ihn endete, dem BFA gegenüber wissentlich und absichtlich unrichtige Angaben gemacht.
II.2. Beweiswürdigung:
II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch Einsichtnahme in den Inhalt der übermittelten Verwaltungsakte der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde, Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage und des Beschwerdeschreibens des BF fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
II.2.2. Der unter I. angeführte Verfahrensgang konnte anhand der Aktenlage festgestellt werden und ist unstrittig. Ebenso unstrittig ist, dass dem BF mit Rechtskraft 29.05.2018 der Status eines Asylberechtigten sowie die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde. Dass diese Entscheidung des BFA mit der Homosexualtität des BF begründet wurde, geht aus dem Aktenvermerk vom 25.05.2018 hervor, wonach dem BF geglaubt worden war, dass er aufgrund seiner Homosexualität im Irak bedroht sei, weshalb ihm eine Rückkehr in den Irak weder zumutbar noch möglich sei (AS 190).
II.2.3. Zur Feststellung, dass der BF im erstinstanzlichen, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren dem BFA gegenüber wissentlich und absichtlich unrichtige Angaben gemacht hat, gelangte das erkennende Gericht aus folgenden Erwägungen:
II.2.3.1. Anlässlich der niederschriftlichen Einvernahme am 02.05.2018 gab der BF an, homosexuell zu sein, weshalb auch seine Familie Probleme bekommen habe, und dass er bislang nur freundschaftliche Verhältnisse zu Frauen gehabt habe (AS 132). Er habe bereits im Irak Beziehungen zu Männern gehabt, wobei er dazu auch einen Chatverlauf vorzeigte. In Österreich habe er seit drei Monaten einen Partner, den er über eine Plattform für Homosexuelle kennengelernt habe (AS 137f).
Auf Grundlage dieser Angaben des BF gelangte das BFA in nachvollziehbarer Weise zu der Ansicht, dass der BF aufgrund seiner Homosexualität im Irak bedroht sei und ihm daher eine Rückkehr in den Irak weder zumutbar noch möglich sei. Dass diese Ansicht des BFA dem Bescheid, mit welchem dem BF der Status eines Asylberechtigten sowie die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, zugrunde gelegt wurde, ist dem im Akt inneliegenden Aktenvermerk vom gleichen Tag (AS 189ff) zu entnehmen.
Im Zuge einer Beschuldigtenvernehmung am 30.07.2019 aufgrund eines Vorfalls vom 09.06.2019 gab der BF an, am Vorabend mit seiner Expartnerin XXXX in einer Disco gewesen zu sein. In der darauffolgenden Nacht sei es in seinem Zimmer zu einer Auseinandersetzung gekommen, bei der sowohl der BF als auch seine Expartnerin verletzt und im LKH XXXX ambulant behandelt worden seien. Die Expartnerin des BF wurde am 09.08.2019 sowohl als Beschuldigte als auch als Opfer von der LPD XXXX einvernommen. Den Angaben des BF und seiner Expartnerin zufolge habe deren Beziehung zuvor etwa 1 Jahr gedauert (AS 199ff, 211ff).
Der BF wurde am 10.03.2021 einer Personenkontrolle unterzogen, wobei ca. 723 g Marihuana und das Mobiltelefon des BF sichergestellt wurden. In diesem Zusammenhang wurden auch gegen XXXX , die zu diesem Zeitpunkt wiederum bzw. noch immer die Freundin des BF war, Ermittlungen durchgeführt.
Am 25.06.2021 wurde XXXX , die nunmehrige Expartnerin des BF, beim BFA niederschriftlich einvernommen. Im Rahmen dieser Einvernahme gab diese zu Protokoll, dass sie den BF seit etwa 3 Jahren kenne und mit ihm eine on-off-Beziehung geführt habe; zuletzt habe sie etwa am 19. oder 20. Mai (2021) mit ihm Kontakt gehabt. Wegen seiner Straffälligkeit bzw. wegen Verdunkelungsgefahr dürfe sie derzeit keinen Kontakt mit ihm haben. Sie sei aber von der Heterosexualität des BF überzeugt.
Am gleichen Tag wurde auch der BF beim BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der BF an, erstmalig in Österreich eine Beziehung zu einem Mann gehabt zu haben, diese habe vier Monate gedauert, danach habe er nur mehr kurze Verhältnisse zu Männern gehabt. Seine Expartnerin kenne er seit etwa zwei Jahren und er habe mit ihr eine on-off-Beziehung geführt. Er habe zu ihr eine Beziehung gewollt und mit ihr Kinder haben wollen. Seit er im Gefängnis sei, habe er keinen Kontakt mehr zu ihr. Auf Vorhalt, dass er wegen seiner Homosexualität den Status des Asylberechtigten erhalten habe, gab der BF an, mit seiner Expartnerin nur zusammen gewesen zu sein, weil er Kinder gewollt habe; lieben würde er XXXX nicht und sie wisse auch nicht, dass er homosexuell sei.
Schon aus dem Umstand, dass der BF trotz behaupteter Homosexualität in Österreich eine mehrjährige (sexuelle) Beziehung mit einer Frau führte, hatte das BFA bei Bescheiderlassung Grund zur Annahme, dass der BF im Asylverfahren seine Homosexualität zur Untermauerung seiner Fluchtgeschichte fälschlicherweise behauptet hat.
Wenn auch in der Beschwerde nunmehr vorgebracht wird, dass der BF nie falsche Angaben über seine Sexualität gemacht habe, sondern sich nur unklar ausgedrückt habe, zumal er bisexuell sei (AS 444), so kann diesen Ausführungen nicht gefolgt werden. Der BF gab im behördlichen Verfahren unmissverständlich an, homosexuell zu sein und im Herkunftsland ausschließlich Beziehungen zu Männern geführt zu haben (AS 132, 137). Sein Verhalten in Österreich zeigte jedoch, dass er eine heterosexuelle Beziehung pflegte, zudem negierte er Beziehungen zu Männern im Herkunftsland und konnte oder wollte zu seiner angeblich in Österreich geführten homosexuellen Beziehung außer dem Vornamen weder Nachnamen noch Geburtsdatum oder Wohnadresse seines Partners nennen und auch keine sonstigen Angaben dazu tätigen. Dies lässt jedoch den Schluss zu, dass der BF – asylzweckbezogen – wissentlich und absichtlich unrichtige Angaben zu seiner sexuellen Orientierung gemacht hat.
II.2.3.2. Soweit der BF in der Beschwerde moniert, dass sich die belangte Behörde zu Unrecht auf einen Bericht des LKA XXXX von 05.07.2021, Zl. XXXX , gestützt habe, demzufolge die Handyauswertung des BF ergeben habe, dass dieser auf Dating-Websites verkehre, Bilder von leicht bekleideten Mädchen bzw. Frauen in teilweise eindeutigen Positionen abgespeichert seien, sich jedoch keinerlei homoerotische Inhalte gefunden hätten, und es sich dabei um unrechtmäßig erworbene Beweismittel handeln würde, ist auszuführen, dass – wie unter Punkt II.2.3.1. ausgeführt – schon aufgrund der Angaben des BF und seines Verhaltens in Österreich davon auszugehen war, dass der BF wissentlich und absichtlich unrichtige Angaben zu seiner sexuellen Orientierung gemacht hat, weshalb die Ergebnisse der Handyauswertung nicht (mehr) entscheidungsrelevant sind.
Vollständigkeitshalber sei aber auch darauf verwiesen, dass der BF am 10.03.2021 einer Personenkontrolle unterzogen wurde, wobei ca. 723 g Marihuana und das Mobiltelefon des BF sichergestellt wurden. Die Handyauswertung erfolgte im Zuge einer Ermittlung gegen den BF wegen des Verdachts auf Vorbereitung von Suchtgifthandel.
Gemäß § 106 Abs. 1 StPO steht jeder Person, die behauptet, im Ermittlungsverfahren durch Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft in einem subjektiven Recht verletzt zu sein, Einspruch an das Gericht zu, weil
1. ihr die Ausübung eines Rechtes nach diesem Gesetz verweigert oder
2. eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung von Bestimmungen dieses Gesetzes angeordnet oder durchgeführt wurde.
Gemäß Abs. 4 leg.cit. hat die Staatsanwaltschaft zu prüfen, ob die behauptete Rechtsverletzung vorliegt, und dem Einspruch, soweit er berechtigt ist, zu entsprechen sowie den Einspruchswerber davon zu verständigen, dass und auf welche Weise dies geschehen sei und dass er dennoch das Recht habe, eine Entscheidung des Gerichts zu verlangen, wenn er behauptet, dass seinem Einspruch tatsächlich nicht entsprochen wurde.
Da dem BF gegenständlich somit der Rechtsbehelf des Einspruchs im Sinne des § 106 StPO zur Verfügung stünde, ist eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes auszuschließen. Vor diesem Hintergrund war auf das Beschwerdevorbringen, diese Rechtsmittel (Handyauswertung und übermittelte Lichtbilder aus dem Mobiltelefon des BF) seien unrechtmäßig erworben worden, nicht näher einzugehen.
Zudem kennt das AVG ganz allgemein weder den Grundsatz der Mündlichkeit noch jenen der Unmittelbarkeit (vgl. etwa VwGH 19.10.2011, 2008/08/0202, mwN). Im Sinn des Grundsatzes der Unbeschränktheit und Gleichwertigkeit der Beweismittel (§ 46 AVG) gilt alles als Beweismittel, was Beweis zu liefern, d.h. die Wahrheit zu ergründen, geeignet ist. In diesem Sinne durfte das BFA auch die Ergebnisse der Erhebungen der Kriminalpolizei (Handyauswertung), welche im Zuge der Ermittlungen gegen den BF wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz durchgeführt wurden, bei der Entscheidung verwerten (vgl. VwGH 11.9.2008, 2007/08/0111; 28.03.2012, 2010/08/0170; zur Zulässigkeit, Ermittlungen anderer Behörden zu verwerten, vgl. auch VwGH 09.08.2018/Ra 2018/22/0033 mHa 23.11.2017, Ra 2017/22/0081).
II.2.3.3. Wie zuvor (Punkt II.2.3.1.) ausgeführt, hat der BF wahrheitswidrige Angaben zu seiner sexuellen Orientierung, zumindest hinsichtlich seiner in der Vergangenheit ausgelebten Homosexualität, erstattet, und auch das Verhalten des BF in Österreich lässt auf seine Heterosexualität schließen. Da aber das BFA erkennbar seiner Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten – den Angaben des BF folgend – dessen homosexuelle Orientierung zugrunde legte, diese Feststellung aber schon aufgrund der heterosexuellen Beziehung des BF zu Frau XXXX nicht mehr aufrecht zu erhalten ist, ist jedenfalls eine neuerliche Bewertung seiner Fluchtgründe erforderlich.
II.3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
II.3.1. Gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist.
Gemäß Abs. 3 kann unter den Voraussetzungen des Abs. 1 die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.
Gemäß Abs. 4 steht die Entscheidung über die Wiederaufnahme der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat.
II.3.2. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH liegt eine "Erschleichung" eines Bescheides dann vor, wenn dieser in der Weise zustande gekommen ist, dass von einer Verfahrenspartei vor der den Bescheid erlassenden Behörde objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht wurden und diese Angaben dann dem Bescheid zugrunde gelegt worden sind, wobei das Verschweigen wesentlicher Umstände dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen ist. Dabei muss die Behörde auf die Angaben der Partei angewiesen sein und eine solche Ausgangslage vorliegen, dass ihr nicht zugemutet werden kann, von Amts wegen noch weitere, der Feststellung der Richtigkeit der Angaben dienliche Erhebungen zu pflegen (vgl. VwGH 29.01.2004, 2001/20/0346).
Es müssen sohin für eine Wiederaufnahme des Verfahrens aus genanntem Grund drei Voraussetzungen erfüllt sein: Erstens muss die Partei objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung gemacht haben, zweitens muss ein Kausalzusammenhang zwischen den unrichtigen Angaben der Partei und dem Entscheidungswillen der Behörde bestehen, und drittens muss Irreführungsabsicht der Partei vorliegen, nämlich eine Behauptung wider besseres Wissen mit der Absicht zu tätigen, daraus (eventuell) einen Vorteil zu erlangen (vgl. VwGH 29.01.2004, 2001/20/0346).
Der Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG (bzw. gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG) hat nach herrschender Ansicht absoluten Charakter; es kommt nicht darauf an, ob ohne das verpönte Verhalten voraussichtlich ein anders lautender Bescheid ergangen wäre (vgl. VwGH 08.06.2006, 2004/01/0470).
Nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts hat die Bewilligung bzw. Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens nicht allein die Zulässigkeit einer neuerlichen Entscheidung der schon einmal entschiedenen Sache zur Folge, sondern darüber hinaus auch die Aufhebung der seinerzeitigen Entscheidung (VwGH 21.11.2002, 2001/07/0027).
Der das vorangegangene, das Verwaltungsverfahren abschließende Bescheid tritt bereits im Zeitpunkt der Erlassung (Zustellung) der Bewilligung (Verfügung) der Wiederaufnahme des Verfahrens außer Kraft (VwGH 23.03.1977, 1341/75 [verstärkter Senat], VwGH 13.11.1986, 86/08/0163, VwGH 17.11.1995, 93/08/0114).
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes setzt eine Irreführungsabsicht zudem voraus, dass die Partei (ihr Vertreter) wider besseres Wissen gehandelt hat und dies deshalb, um einen vielleicht sonst nicht erreichbaren Vorteil zu erlangen. Ob Irreführungsabsicht vorliegt, kann nur aus den das rechtswidrige Verhalten begleitenden Umständen geschlossen werden, die von der Behörde in freier Beweiswürdigung festzustellen sind (vgl. VwGH 25.06.2009, Zl. 2007/01/1051, mwN).
II.3.3. Zum gegenständlichen Verfahren
Dem Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 02.01.2016 wurde mit Bescheid des BFA vom 25.05.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG stattgegeben und es wurde ihm gemäß § 3 Abs. 5 AsylG die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Der Bescheid erwuchs mit seiner Zustellung an ihn per 29.05.2018 in Rechtskraft. Diesbezüglich war sohin die Tatbestandsvoraussetzung der rechtskräftigen bzw. nicht mehr einem Rechtsmittel zugänglichen Vorentscheidung durch die belangte Behörde erfüllt. Die Behörde (BFA) war auch für die Entscheidung über eine allfällige Wiederaufnahme des Verfahrens zuständig.
Der BF hat im Asylverfahren seine Homosexualität behauptet und dazu auch angegeben, im Herkunftsland bereits Beziehungen zu Männern gehabt zu haben. Sein Verhalten in Österreich lässt hingegen auf seine Heterosexualität schließen. Der BF behauptet nunmehr in der Beschwerde, (immer schon) bisexuell zu sein.
Die genannten, für ein "Erschleichen" des erwähnten Bescheides vom 25.05.2018 erforderlichen Umstände, sind – wie beweiswürdigend ausgeführt (vgl. Punkt II.2.3.1.) als gegeben anzunehmen, zumal davon auszugehen ist, dass der BF wissentlich und absichtlich unrichtige Angaben zu seiner sexuellen Orientierung gemacht hat.
Der notwendige Kausalzusammenhang zwischen diesen unrichtigen Angaben und dem Entscheidungswillen der belangten Behörde war ebenfalls evident, folgerte sie doch aus der vom BF behaupteten Homosexualität, dass dieser aus diesem Grund einer individuellen Gefährdung bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat ausgesetzt wäre.
Aus dem Verhalten des BF in Österreich (Eingehen einer mehrjährigen heterosexuellen Beziehung) war auch zu schließen, dass der BF seine Homosexualität zum Zwecke der Asylerlangung ins Treffen geführt hat, sodass auch von einer Irreführungsabsicht des BF auszugehen war.
Das BFA verließ sich im Asylverfahren schließlich mit Recht auf das Zutreffen seiner unrichtigen Angaben und sonstigen Beweismittel (Vorzeigen eines Chatverlaufs zum Beweis einer homosexuellen Beziehung); das BFA war auf die Angaben des BF angewiesen und weitere Erhebungen von Amts wegen zur Richtigkeit dieser Angaben nicht zumutbar.
Im gegenständlichen Verfahren stützte das BFA die amtswegige Wiederaufnahme des gegenständlichen Verfahrens auf § 69 Abs. 1 Z 1 AVG mit der Begründung, dass der BF seine Asylstatuszuerkennung im Verfahren vor dem BFA durch die wissentlich falsche Angabe, homosexuell zu sein, erschlichen hätte.
Im gegenständlichen Fall besteht nach Ansicht des BVwG jedenfalls zumindest der begründete Verdacht, dass der BF im Asylverfahren das BFA durch unrichtige Angaben zu seiner sexuellen Orientierung getäuscht haben könnte. Ob diese Täuschung geeignet war, ein anderslautendes Ergebnis herbeizuführen, ist für die Wiederaufnahme nicht entscheidungsrelevant, sodass schon aufgrund des bestehenden Verdachtes das Verfahren von Amts wegen wieder aufzunehmen war.
Da sohin auch aus Sicht des BVwG die Voraussetzungen für eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens über den Antrag des BF auf internationalen Schutz durch das BFA gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 3 und 4 AVG erfüllt waren, war die Beschwerde des BF gegen diese Entscheidung der belangten Behörde als unbegründet abzuweisen.
II.4. Absehen von einer mündlichen Beschwerdeverhandlung
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde vom Bundesamt vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben und ist bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch als aktuell und vollständig zu erachten. Für die in der Beschwerde behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keine hinreichenden Anhaltspunkte, die einer nochmaligen Anhörung des BF und Ergänzung des Verfahrens bedurft hätten. Das Bundesamt hat die, die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende, Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt und hat das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung geteilt.
Im vorliegenden Fall liegen auch keine widersprechenden prozessrelevanten Behauptungen vor, die es erforderlich machen würden, dass sich das Gericht im Rahmen einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit von Zeugen bzw. Parteien verschafft. Vielmehr ist die hier zu beantwortende Frage, ob ein Wiederaufnahmegrund iSd § 69 Abs. 1 Z 1 AVG vorliegt, rechtlicher Natur. Im Übrigen fällt ein Wiederaufnahmeantrag grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich von Art. 6 EMRK (vgl. VwGH 29.05.2017, Ra 2017/16/0070).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
amtswegige Wiederaufnahme Asylberechtigter Erschleichen Homosexualität Irreführung sexuelle Orientierung unrichtige AngabenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:L529.2244917.1.00Im RIS seit
06.12.2021Zuletzt aktualisiert am
06.12.2021