Entscheidungsdatum
15.09.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I408 2200773-1/30E
I408 2204023-1/27E
I408 2204028-1/28E
I408 2204031-1/26E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX und XXXX , geb. XXXX , alle StA. IRAK, vertreten durch: RA MMag Franz Stefan Pechmann gegen den Bescheid des BFA, RD Wien, Außenstelle Wien vom 11.06.2018, Zl. XXXX , XXXX , XXXX und XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.05.2021 zu Recht erkannt:
A)
II.) Die Beschwerden zu den Spruchpunkten I., II. und III. werden als unbegründet abgewiesen.
II.) In Stattgabe der Beschwerden werden die übrigen Spruchpunkte behoben und festgestellt, dass gemäß § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.
III.) Gemäß § 55 Abs. l AsylG wird XXXX sowie XXXX eine „Aufenthaltsberechtigung" und XXXX sowie XXXX eine „Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer eines Jahres erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführer stellten am 24.07.2017 Anträge auf internationalen Schutz, welche mit den verfahrensgegenständlichen Bescheiden vom 11.06.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Irak (Spruchpunkt II.) als unbegründet abgewiesen wurden. Es wurde ihnen keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.) erteilt, gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).
2. Mit ho. Erkenntnis vom 09.09.2020 wurden die dagegen erhobenen Beschwerden nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.09.2020 als unbegründet abgewiesen (OZ 17).
3. Diese Entscheidung wurde mit Erkenntnis des VfGH vom 23.02.2021, E 3714/2020-10 vollinhaltlich behoben (OZ 23).
4. Am 07.05.2021 fand im Beisein aller Beschwerdeführer und ihres Rechtsvertreters eine mündliche Verhandlung statt.
5. Am 08.09.2021 legte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer zum Nachweis der Integrationsschritte der Familie ein Konvolut weiterer Unterlagen vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zunächst wird der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
Die Beschwerdeführer, eine Familie mit zwei zwischenzeitlich erwachsenen Kindern (BF3 und BF4), haben in XXXX gelebt. Sie sind irakische Staatsbürger und bekennen sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Beide Elternteile (BF1 und BF2) stammen aus Familien, die im Goldgeschäft tätig sind und lebten in gesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen. Zwei Brüder und zwei Schwestern von BF1 und die Geschwister von BF2 leben und wohnen aktuell im XXXX . Die Familie von BF1 betreibt dort weiter ein Goldgeschäft und auch ein Bruder von BF2 ist in diesem Gewerbe tätig. Ihre Angehörigen sind aktuell keinen Verfolgungshandlungen ausgesetzt.
Bereits im Zuge des Eindringens und der Machtübernahme des IS in XXXX verließen die Beschwerdeführer im August 2014 die Stadt und begaben sich zunächst nach XXXX . Zum damaligen Zeitpunkt waren die beiden Kinder 15 (BF3) bzw. 13 Jahre (BF4) alt. Dort blieb die Familie ein Jahr, verließ 2015 den Irak und ging in die Türkei, wo sie die nächsten zwei Jahre verbrachten.
Von dort kamen die Beschwerdeführer über die Balkanroute im Juli 2017 schlepperunterstützt nach Österreich und halten sich seither aufgrund ihrer Asylanträge im Bundesgebiet auf.
Alle Beschwerdeführer leiden an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen und sind arbeitsfähig.
Seit Oktober 2017 sind sie privat in einer 80 m² Mietwohnung untergebracht und bezahlen € 800, -- an Miete. BF3 ist zwischenzeitlich ausgezogen, weil sie im August 2019 einen asylberechtigten, syrischen Staatsangehörigen, kennengelernt, diesen am 10.02.2021 nach islamischen Ritus geheiratet hat und lebt nun mit ihm in der 152 m² Wohnung ihres Schwiegervaters zusammen. Die weiblichen Beschwerdeführer (BF2 und BF3) beherrschen die deutsche Sprache auf gutem B-Niveau und der Vater (BF1) auf gutem A2-Niveau. Beim Sohn BF4 sind ebenfalls Deutschkenntnisse vorhanden, aber für sein Alter und seinen Möglichkeiten noch ausbaufähig.
BF1 hat die A1-Integrationsprüfung bestanden, besucht seit 19. April 2021 wieder regelmäßig einen A2-Kurs an der Volkshochschule, den er Anfang August bis 05.11.2021 verlängert hat. Er könnte aufgrund seiner im Irak erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten jederzeit in einem Goldgeschäft arbeiten und hat dafür eine konkrete Arbeitsplatzzusage, die er schon 2020 vorlegt hatte und nunmehr erneuert wurde. Außerdem hat er im Juli 2021 die Ausübung des Handelsgewerbes Goldschmied als Einzelunternehmer beantragt und alle notwendigen Schritte beim Handelsgericht Wien, bei der Sozialversicherungsanstalt für Gewerbetreibende und beim Finanzamt Wien eingeleitet und auch schon Geschäftsräumlichkeiten angemietet. Er ist im Besitz eines österreichischen Führerscheines und mit dem Auto seines in Österreich aufhältigen Neffen zur Gerichtsverhandlung gekommen.
BF2 ist schon lange an der TU-Wien freiwillig vier Stunden pro Woche tätig und erhält dafür € 80, -- monatlich. Sie hat schon am 16.08.2018 die A2-Prügung geschafft, und danach mehrere B1-Kurse besucht, zuletzt bei der VHS vom 19.04.2021 bis 12.08.2021. Sie spricht aber sehr gut Deutsch. Sie hat sich über Nähen und Kochen einen Freundeskreis geschafft und ist schon seit langen an der TU-Wien freiwillig im Ausmaß von 4 Stunden pro Woche beschäftigt, wofür sie € 80 erhält. Sie hat bei einer Freundin eine Beschäftigung in Aussicht.
Die nunmehr 22-jährige Tochter (BF3), die in einer Beziehung lebt und nach islamischen Ritus verheiratet ist, spricht am besten Deutsch und hat die Integrationsprüfung auf B1-Niveau bestanden. Am 25.06.2020 hat sie auch den Pflichtschulabschluss nachgeholt und könnte sofort als Mithilfe in einem Lebensmittelgeschäft anfangen. Ihr Ehemann verfügt über ein monatliches Einkommen, das sich zwischen € 1.500 und € 2.000 netto bewegt.
BF4 kann prüfungsmäßig nur A1-nachweisen, besucht seit Jahresbeginn beim Sozialwerk XXXX einen Brückenkurs (Deutsch B1, Mathematik, Englisch A1), hat aber noch im Juni 2021 konkrete Schritte zum Erhalt eines Pflichtschulabschlusses gesetzt und möchte künftig als Goldschmied oder Elektriker arbeiten.
Alle vier Beschwerdeführer beziehen Leistungen aus der Grundversorgung, sind aktuell nicht erwerbstätig, es liegen aber die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit vor.
Zu den Fluchtgründen und zur Rückkehrsituation:
Die Familienmitglieder (BF2, BF3 und BF4) haben keine eigenen Fluchtgründe.
Aus dem Vorbringen der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde, in der Beschwerde und in den beiden mündlichen Verhandlungen vor dem erkennenden Gericht ist zu entnehmen, dass Sie den Irak wegen der Machtübernahme durch den IS in XXXX und der sich daraus entwickelten militärischen Auseinandersetzungen verlassen haben.
BF1 war im Irak nicht politisch tätig und hatte vor dem Verlassen von XXXX weder mit den Behörden des Herkunftsstaates noch sonst Schwierigkeiten aufgrund seiner politischen Überzeugung oder seines Religionsbekenntnisses.
Eine aktuelle Verfolgung wegen einer unterstellten Zusammenarbeit mit IS bzw. einer Falschaussage vor Gericht 2011 wird als nicht glaubhaft angesehen.
Es konnte damit nicht festgestellt werden, dass die Familie bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat aus in ihren Personen gelegenen Gründen oder auf Grund der allgemeinen Lage vor Ort der realen Gefahr einer Verletzung ihrer durch Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder 13 zur EMRK geschützten Rechte ausgesetzt wären oder als Zivilpersonen einer ernsthaften Bedrohung ihrer Leben oder Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes im Irak ausgesetzt wären.
Es gibt zudem keinerlei Hinweise darauf, dass den Beschwerdeführern im Falle einer Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre (wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft) und sie in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation geraten würden. Sie verfügen über Vermögenswerte im Irak, haben dort familiäre Anknüpfungspunkte, sind damit in der Lage, im Irak Unterkunft zu finden und am Erwerbsleben teilzunehmen.
Zur Lage im Herkunftsstaat:
Die Provinz Ninawa (oder Ninive) liegt im Nordwesten des Irak. Sie grenzt an Syrien und die irakischen Provinzen Dahuk, Erbil (beide gehören zur KRI), Salah al-Din und al-Anbar. Ninawa ist mit 37 323 km² die drittgrößte Provinz (8,6 % der Gesamtfläche Iraks). Die Hauptstadt der Provinz ist die nordöstlich gelegene Stadt Mossul. Die Einwohnerzahl von Mossul wurde 2019 auf 1,630 Millionen geschätzt. Die Stadt ist ein wichtiger regionaler Verkehrsknotenpunkt: Sie verfügt über direkte Straßenverbindungen nach Bagdad, Kirkuk, Erbil und Dahuk, über Tal Afar und die Grenzstadt Rabia im Norden nach Syrien und in die Türkei sowie über Sindschar im Westen nach Syrien.
Ninawa ist eine der irakischen Provinzen mit der größten ethnischen Vielfalt. Sunnitische Araber bilden die Mehrheitsbevölkerung, doch haben auch andere Gruppen Macht und Einfluss. So haben beispielsweise die Kurden in den Bezirken Akrê und al-Shikhan eine Vormachtstellung inne. In der Ninawa-Ebene im Osten und Nordosten von Mossul lebt der Großteil der in der Provinz ansässigen Christen und Schabak (dieses Gebiet umfasst größere Ölfelder). In Tal Afar leben überwiegend Turkmenen (sowohl Sunniten als auch Schiiten), während die Jesiden in Sindschar und ihrer Heiligen Stadt Lalisch in al-Shikhan die Mehrheit bilden.
In Ninawa gingen der ISIL-Besatzung „Jahre des gewaltsamen Extremismus und des organisierten Verbrechens durch Milizengruppen voraus, bei denen es sich um Vorläufer und/oder Gegner des IS handelte“. Aufgrund ihrer Lage in den umstrittenen Gebieten und ihrer ethnischen Vielfalt gilt die Provinz Ninawa als „langjähriges Zentrum des sunnitisch-arabischen Nationalismus im Irak“ und war einst der „Hauptstützpunkt von Al-Qaida im Irak“.
Im Juni 2014 wurde Mossul vom ISIL eingenommen und besetzt. Im Zuge der Angriffe des ISIL auf Sindschar, Zumar und die Ninawa-Ebene im August 2014 wurde innerhalb weniger Wochen fast eine Million Menschen vertrieben. Der Fall von Mossul im Juni 2014 und der Rückzug der kurdischen Streitkräfte aus weiten Teilen der Provinz im August 2014 führten dazu, dass der ISIL zahlreiche Minderheiten des Irak ins Visier nahm: Turkmenen, Christen, Jesiden, Schabak, Kaka‘i und andere Bevölkerungsgruppen wurden Opfer von Folter, öffentlichen Hinrichtungen, Kreuzigungen, Entführungen und sexueller Versklavung.
Der Kampf um Mossul dauerte mehr als neun Monate und der Sieg über den ISIL wurde erst Anfang Juli 2017 offiziell verkündet. Dieser Kampf, und insbesondere sein zweiter Teil mit der Einnahme der historischen Altstadt im Westen Mossuls, war bislang die härteste Konfrontation zwischen dem ISIL und den Streitkräften der irakischen Regierung seit Beginn des Konflikts im Jahr 2014 war Mossul die zweitgrößte Stadt des Irak, wurde im Zuge der Auseinandersetzungen mit dem ISIL schwer beschädigt und während der Feindseligkeiten wurden zahlreiche Zivilisten getötet. Die Angaben zur Zahl der zivilen Opfer reichen von 4.194 Toten und Verwundeten bis hin zu 9 000 bis 11 000 Toten. Einer Quelle zufolge könnten durch die massive Feuerkraft, die von den irakischen Sicherheitskräften, der internationalen Koalition und dem ISIL gegen die Stadt eingesetzt wurde, mehr als 40 000 Zivilisten ums Leben gekommen sein.
Nach der Zerschlagung des ISIL verübten die Aufständischen in Ninawa weiterhin zahlreiche Gewalttaten. Nach dem Verlust seiner territorialen Kontrolle in der Provinz führte der ISIL weiterhin asymmetrische Angriffe auf die ISF in Ninawa sowie in anderen Provinzen im nördlichen Zentralirak und in der zentralen Region durch.
So kam es 2019 zu Luftangriffen der irakischen Luftwaffe und der Internationalen Koalition auf mutmaßliche Verstecke des ISIL, es erfolgten militärische Bodenoperationen von ISF und PMU gegen den ISIL sowie Anschläge des ISIL auf die ISF und auch auf die Zivilbevölkerung. Die türkische Luftwaffe griff Stellungen der kurdischen/jesidischen YBS in Sindschar an. Zudem kam es zu Demonstrationen gegen Korruption durch den abgesetzten Gouverneur und Proteste von Angehörigen einer PMF-Brigade gegen den ihnen erteilten Befehl, aus Mossul und der Ninawa-Ebene abzuziehen.
Michael Knights und Alex Almeida beurteilten den Aufstand des ISIL in Ninawa 2018 als „lückenhaft und ziemlich schwach”, stellten jedoch in der zweiten Jahreshälfte 2019 einen plötzlichen Anstieg bei der Zahl der Anschläge fest, die sich ungefähr auf das Doppelte des Vorjahres belief, und ihrer Auffassung nach hielt sich diese Zahl auch während des ersten Quartals 2020. Allerdings wiesen diese Autoren auch auf den großen Unterschied in den Anschlagszahlen zwischen deren Spitzenzeiten im Jahr 2013 und der Gegenwart hin. So gab es 2013 in Ninawa 278 Anschläge pro Monat, drei Viertel davon in der Stadt Mossul, während im März 2020 nur 31 Anschläge verübt wurden. Die letzten, im EASO-Bericht „Country Guidance: Iraq“ mit Stand Jänner 2021 genannten Zahlen gehen von durchschnittlich 3,5 sicherheitsrelevanten Vorfällen pro Woche bei ACLED und 1,1 Sicherheitsvorfälle bei UNAMI aus (Seite 148 im genannten EASO-Bericht).
Mossul ist ein wichtiger regionaler Verkehrsknotenpunkt: Es verfügt über direkte Straßenverbindungen nach Bagdad, Kirkuk, Erbil und Dahuk, über Tal Afar und die Grenzstadt Rabia im Norden nach Syrien und in die Türkei sowie über Sindschar im Westen nach Syrien.
Ein Bericht der IOM „Legacies of the Conflict on rural economies and communities in Sinjar and the Ninewa Plains“ (Altlasten des Konflikts für die Wirtschaft und die Gemeinschaften in Sindschar und der Ninawa-Ebene) vom November 2019 zeigt, dass sich die Wirtschaft in diesen ländlichen Gebieten nur mühsam von den Altlasten des ISIL erholt, denn es gab großen Schäden an der landwirtschaftlichen Infrastruktur und an den Viehbeständen. Aufgrund des gescheiterten Wiederaufbaus der Landwirtschaft ist die Arbeitslosigkeit in den ländlichen Bezirken hoch, und 70 % der zurückkehrenden Binnenvertriebenen sind nicht erwerbstätig.
Der Wiederaufbau von Mossul, der auch internationale Unterstützung erfährt, geht schleppend vor sich und ist geprägt von mangelnder Koordination bzw. Korruption. Auch wenn die Unzufriedenheit der Bevölkerung wächst, beginnt sich das öffentliche Leben in allen Bereichen zu stabilisieren.
2. Beweiswürdigung:
Verfahrensgang und Feststellungen beruhen auf den vorliegenden Behörden- und Gerichtsakten, insbesondere auf die genannten behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen, den Einvernahmen der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde, der Befragung und Erörterung in zwei mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (OZ 16 und OZ 26). Hinzu kommen die von den Beschwerdeführern vorgelegten Unterlagen, zuletzt noch am 08.09.2021 (OZ 29) und die eingeholten Abfragen aus IZR, GVS, ZMR und AJ-WEB sowie den länderkundlichen Berichten zum Irak, insbesondere zu Ninewa bzw. XXXX .
Die Identität der Beschwerdeführer steht aufgrund unbedenklicher nationaler Identitätsdokumente fest. Die Feststellungen zu den Personen und ihrem Leben in XXXX und den vorhandenen familiären Anknüpfungspunkten ergeben sich aus den Einvernahmen der Beschwerdeführer, ebenso die Umstände des Verlassens des Iraks, die Aufenthalte in XXXX und in der Türkei, welche auch zeigen, dass die Familie seit 2014 auf der Suche nach Stabilität ist und alles unternimmt, um eine neue Heimat zu finden.
Die Feststellungen über die Integrationsbemühungen in Österreich seit der Antragstellung im Juli 2017 beruhen ebenfalls den Angaben der Beschwerdeführer und den dazu vorgelegten unbedenklichen Dokumenten. Hinzu kommt der persönliche Eindruck, den sich der erkennende Richter in zwei mündlichen Verhandlungen vor dem BVwG von den Beschwerdeführern machen konnten, welche konsistent und widerspruchsfrei ihre Aktivitäten in Österreich schilderten. Bei BF3 kommt hinzu, dass sie hier in Österreich ihr privates Glück gefunden hat und mit ihrem Ehemann zusammenlebt. Bei BF4 besteht noch ein Aufholbedarf und er hat seine Möglichkeiten noch nicht in vollem Umfang ausgenutzt. Im Hinblick auf die stabilen familiären Verhältnisse, seines jugendlichen Alters und des Umstandes, dass er in den letzten Jahren vielen einschneidenden Veränderungen ausgesetzt war, ist davon auszugehen, dass er seinen Weg finden wird. Den ersten Schritt hat er mit dem Besuch eines Kurses zur Erlangung des Pflichtschulabschlusses im Juni 2021 schon gesetzt.
Zu den Fluchtgründen und zur Rückkehrsituation:
Zunächst wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die beweiswürdigenden Ausführungen im behobenen Erkenntnis vom 09.09.2020 verwiesen.
Aus den Angaben der Beschwerdeführer ergibt sich zweifelsfrei, dass sie mit Beginn der endgültigen Machtübernahme der IS von XXXX im August 2014 die Stadt verlassen haben. Das dazu getätigte Vorbringen von BF1, er wollte nicht mit diesen Menschen bzw. dieser Organisation zusammenarbeiten, wird als glaubhaft angesehen. Aus der Flucht bei der Machtübernahme durch den IS ergeben sich auch die entsprechenden Feststellungen für den Grund des Verlassens der Stadt schon im August 2014.
Eine Verfolgung aufgrund seiner politischen Einstellung oder des Religionsbekenntnisses der Familie ist ihren Angaben nicht zu entnehmen.
Eine nunmehrige Verfolgung seiner Person aufgrund einer unterstellten Zusammenarbeit mit der IS in seiner Funktion als Großhändler von Gold ist aufgrund dieser frühen Flucht nicht glaubhaft. So hat er bei seiner Ersteinvernahme am 24.07.2017 diese Bedrohung mit keinem Wort erwähnt, sondern als Fluchtgrund nur angegeben, dass ihn die Terroristen (gemeint IS) unter Druck setzten, damit er mit ihnen zusammenarbeite. Er wollte das nicht tun und sei deshalb aus XXXX geflüchtet (AS 15). Bei seiner Einvernahme vor dem BFA am 05.06.2018 wiederholte er im Wesentlichen diesen Fluchtgrund und erwähnte zudem, schon 2010 von IS-Mitgliedern zu einer Falschaussage vor Gericht gezwungen worden zu sein. Er habe zudem schon in der Türkei von seinem Bruder erfahren, dass Polizisten und Militär nach ihm wegen dieser Falschaussage suchen und wissen wollten, wo er sich aufhalte und warum er ausgereist sei. Es wären auch schon sein Bruder und andere Geschäftspartner im Goldhandel über eine allfällige Zusammenarbeit dem IS befragt worden. Konsequenzen habe es für diese keine gegeben. (AS 10+71). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01.09.2020 war ebenfalls die fehlende Bereitschaft zur Zusammenarbeitet mit der IS und das Eindringen der IS der Grund für das Verlassen der Stadt. Auf Frage: „Warum wurde heute nach Ihnen in XXXX nachgefragt?“ antwortete er. „Sie haben meinem Bruder den Grund nicht genannt. Ich vermute wegen meines Geschäftes mit dem IS und weil sie mich wiederholt aufgesucht haben“. Bei einer Rückkehr befürchtet BF1, „getötet zu werden. Es werden viele Leute getötet“. Erst über anschließende Nachfrage seines RV: „Kann es sein, dass es auch wegen der Falschaussage zu Konsequenzen kommen kann?“ führte er dann aus, er sei bedroht worden und durfte daher nicht sagen, welche Person ihn beraubt habe. Er habe daher als Zeuge angegeben, dass ihn diese Personen, die er persönlich nicht kannte, nicht beraubt haben.
Auf die konkrete Frage des erkennenden Richters, wer sei, gab er an, dass dieser ein Goldhändler und Verbrecher wäre. Er selbst hatte keinen persönlichen Kontakt mit ihm und er habe seinen Bruder wegen einer Frau getötet (VH Protokoll S 11). Erst über spätere Nachfrage seines RV gab er dann an, dass XXXX der Anführer jener Leute gewesen wäre, die ihn bedroht haben. All das habe er von XXXX , einem Goldhändler aus XXXX , der sich auch in Wien aufhält und Zeuge in einem Strafverfahren in Deutschland gegen XXXX , erfahren.
Wie schon im aufgehobenen Erkenntnis ausführlich dargelegt, hatten die Befragungen, denen auch sein Bruder und andere Goldhändler nach der Befreiung von XXXX ausgesetzt waren, für die Betroffenen keinerlei Konsequenzen. Daher kann davon ausgegangen werden, dass eine allfällige Befragung auch für BF1 keine Konsequenzen haben, zumal er schon 2014 die Stadt verlassen hatte. Bezüglich der Falschaussage vor Gericht handelt es sich nur um eine Vermutung, welcher damit keine Relevanz zukommt. Unabhängig davon ist bei dem Status, den die Familien der Beschwerdeführer in Mossul als alteingesessene Goldhändler genießen, davon auszugehen, dass schon lange bekannt wäre, warum und weshalb BF1 von staatlicher Seite noch immer gesucht werde und BF1 nicht auf Vermutungen angewiesen wäre.
Für den erkennenden Richter sind die unterstellte Zusammenarbeit mit der IS und die angebliche Falschaussage vor Gericht nur Versuche, einen weiteren Fluchtgrund zu schaffen. Ohne die Angaben in der Erstbefragung überbewerten zu wollen, ist verfahrensgegenständlich davon auszugehen, dass BF1 schon zu diesem Zeitpunkt eine derartige Bedrohungslage als konkreten Verfolgungsgrund nennt, zumal dieser Umstand auch zum Verlassen der Türkei und zur schlepperunterstützen Weiterreise nach Europa bzw. letztendlich Österreich geführt hat.
Damit kommt auch eine erhöhte Vulnerabilität aufgrund der UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen, bei den Beschwerdeführern nicht zum Tragen.
Zur Lage im Herkunftsstaat:
Die getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den vom erkennenden Gericht herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen, welche in beiden mündlichen Verhandlungen mit den Beschwerdeführern erörtert wurden.
Aufgrund der in den EASO-Berichten angeführten Zahlen über sicherheitsrelevante Vorfälle in den letzten Monaten, kann nicht mehr von einer unüberschaubaren Sicherheitslage gesprochen werden, die eine Rückkehr verunmöglichen würde. Auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der in XXXX lebenden Familienmitglieder der Beschwerdeführer lassen diesen Schluss nicht zu.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur Abweisung der Beschwerde
Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. in den Bescheiden der belangten Behörde):
Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185; 12.11.2014, Ra 2014/20/0069 mwN).
Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/19/0459). Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in seinem Heimatstaat Verfolgung zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233 mwN).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183; 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 17.09.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinn ist die Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat nicht gewillt oder nicht in der Lage sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793).
Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.
Im gegenständlichen Fall gelangt das erkennende Gericht aus oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausführlich erörterten Gründen zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführer keiner individuellen Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt waren oder im Fall der Rückkehr ausgesetzt wären, sodass internationaler Schutz nicht zu gewähren ist. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100).
Die Beschwerdeführer vermochten es nicht eine Verfolgung aus Gründen der GFK glaubhaft darzustellen. Insbesondere gab es keine nachweislichen Anhaltspunkte für eine tatsächliche Gefährdung der Beschwerdeführer durch staatliche bzw. nicht staatliche Akteure.
Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass bestehende schwierige Lebensumstände allgemeiner Natur hinzunehmen sind, weil das Asylrecht nicht die Aufgabe hat, vor allgemeinen Unglücksfolgen zu bewahren, die etwa in Folge des Krieges, Bürgerkrieges, Revolution oder sonstiger Unruhen entstehen, ein Standpunkt den beispielsweise auch das UNHCR-Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft in Punkt 164 einnimmt (VwGH 14.03.1995, Zl. 94/20/0798).
Eine Verfolgung der Beschwerdeführer im Sinne des Artikels 1 Abschnitt A Z 2 GFK liegt somit nicht vor und braucht daher auf die Frage der Schutzwilligkeit und -fähigkeit der staatlichen Organe vor derartigen Bedrohungen sowie des Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht mehr eingegangen werden.
In Gesamtbetrachtung aller Umstände war somit kein Asylgrund ersichtlich, weshalb die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen war.
Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. der Bescheide der belangten Behörde):
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
3Das BVwG hat vorerst zu prüfen, ob im Falle der Rückführung der Beschwerdeführer in den Irak Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde.
Betreffend die Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz hat der Verwaltungsgerichtshof (insbesondere) auf den Maßstab des Art. 3 EMRK abgestellt. So hat der Verwaltungsgerichtshof (in Zusammenhang mit Afghanistan) auf die ständige Judikatur des EGMR verwiesen, wonach es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 23.2.2016, Ra 2015/01/0134, mit Verweis auf EGMR 5.9.2013, Nr. 61204/09, I. gg. Schweden).
Bei der Prüfung und Zuerkennung von subsidiärem Schutz im Rahmen einer gebotenen Einzelfallprüfung sind konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zur Frage zu treffen, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein "real risk" einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Die dabei anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen. Zu berücksichtigen ist auch, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 mwN). Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend (vgl. VwGH 25.5.2016, Ra 2016/19/0036; dem folgend aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 23.1.2018, Ra 2017/20/0361, mwN).
Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH hat ein Drittstaatsangehöriger „nur dann Anspruch auf subsidiären Schutz [...], wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass er bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich Gefahr liefe, eine der drei in Art. 15 der Richtlinie definierten Arten eines ernsthaften Schadens zu erleiden“ (vgl. zuletzt EuGH 24.4.2018, C-353/16, MP, Rn. 28, mwN). Art. 15 der Statusrichtlinie definiert als „ernsthaften Schaden“: die Todesstrafe oder Hinrichtung (lit. a); Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung eines Antragstellers im Herkunftsland (lit. b) und eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (lit. c).
Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative - § 11 AsylG 2005). Schutz ist nach dieser Bestimmung gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.
Dass den Beschwerdeführern im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würden die Beschwerdeführer somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte.
Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die Beschwerdeführer als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.
Aus Sicht des erkennenden Gerichtes kann in Anbetracht der zu den Feststellungen zur Sicherheitslage im Irak dargestellten Gefahrendichte im Verhältnis zur Einwohnerzahl nicht erkannt werden, dass schon aufgrund der bloßen Präsenz der Beschwerdeführer davon ausgegangen werden muss, dass diese wahrscheinlich das Opfer eines Anschlages werden würden (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137). Zudem finden in XXXX keine offenen Kampfhandlungen statt. Der Anzahl sicherheitsrelevanter Vorgänge steht die Bevölkerungsanzahl im Gouvernement XXXX gegenüber, welche die reale Gefahr, dass gerade die Beschwerdeführer wahrscheinlich Opfer eines Anschlages werden würden, ausschließt.
Das erkennende Gericht kann auch nicht erkennen, dass die Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. hiezu grundlegend VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Es kann nicht erkannt werden, dass es den Beschwerdeführern im Falle einer Rückführung in den Irak jegliche Existenzgrundlage fehlen würde und er in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmitteln oder einer Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.
Die Beschwerdeführer weisen keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf, verfügen im Herkunftsstaat über familiären Rückhalt und es ist davon auszugehen, dass BF1 im Goldgeschäft, das von seiner Familie betrieben wird, wieder unterkommen und seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Das erkennende Gericht geht demnach davon aus, dass die Beschwerdeführer im Irak grundsätzlich in der Lage sein werden, sich mit eigener Erwerbstätigkeit ein ausreichendes Einkommen zur Sicherstellung des eigenen Lebensunterhalts zu erwirtschaften.
Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, konkret in der Provinz Ninive, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde, liegt nicht vor (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059).
Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würden die Beschwerdeführer somit nicht in ihren Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden.
Weder droht ihnen im Herkunftsstaat weder das reale Risiko einer Verletzung der oben genannten gewährleisteten Rechte, noch bestünde die Gefahr, der Todesstrafe unterzogen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die Beschwerdeführer als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.
Der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde zu Recht abgewiesen.
Nichterteilung eines Aufenthaltstitels (Spruchpunkt III. der Bescheide der belangten Behörde):
Gegenständlich wurde der Antrag auf internationalen Schutz gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch in Bezug auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen.
§ 10 Abs. 1 AsylG 2005 sieht ferner vor, dass eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz dann mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden ist, wenn etwa - wie hier - der Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze abgewiesen wird (Z 3 leg. cit.) und von Amts wegen kein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 erteilt wird. Die Rückkehrentscheidung setzt daher eine vorangehende Klärung der Frage voraus, ob ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 erteilt wird.
Im Ermittlungsverfahren sind keine Umstände zu Tage getreten, welche auf eine Verwirklichung der in § 57 Abs. 1 AsylG 2005 alternativ genannten Tatbestände hindeuten würden, insbesondere wurde vom BF selbst nichts dahingehend dargetan. Dem BF ist daher kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen.
3.2. Zur Stattgabe der Beschwerde und der Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II):
Da sich die Beschwerdeführer nach Abschluss des Verfahrens nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG [Zurückweisung, Transitsicherung, Zurückschiebung und Durchbeförderung] fallen und ihnen auch amtswegig kein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG 2005 zu erteilen war, ist diese Entscheidung gem. § 10 Abs. 2 AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung gem. dem 8. Hauptstück des FPG [Aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen Fremde] zu verbinden.
Demzufolge hat das BFA gemäß § 52 Abs. 1 FPG gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält
(Z 1) oder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde
(Z 2). Gemäß 52 Abs. 2 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2) und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige des Irak und keine begünstigte Drittstaatsangehöriger. Es kommt ihnen auch kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu. Daher ist gem. § 52 Abs. 2 FPG die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung zu prüfen. Gemäß § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG darf eine Rückkehrentscheidung nicht verfügt werden, wenn es dadurch zu einer Verletzung des Privat- und Familienlebens in Österreich käme.
Die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, insbesondere einer Rückkehrentscheidung, setzt nach § 9 Abs. 1 BFA-VG 2014 unter dem dort genannten Gesichtspunkt eines Eingriffs in das Privat und/oder Familienleben voraus, dass ihre Erlassung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Im Zuge dieser Beurteilung ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. E 12. November 2015, Ra 2015/21/0101).
Nach § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung nach Art 8 Abs. 2 EMRK daher ein hoher Stellenwert zu (VfSlg. 18.223/2007; VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251). Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist auch für das wirtschaftliche Wohl des Landes von besonderer Bedeutung, da diese sowohl für den sensiblen Arbeitsmarkt als auch für das Sozialsystem gravierende Auswirkung hat. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass insbesondere nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige Fremde, welche daher auch über keine arbeitsrechtliche Berechtigung verfügen, die reale Gefahr besteht, dass sie zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes auf den inoffiziellen Arbeitsmarkt drängen, was wiederum erhebliche Auswirkungen auf den offiziellen Arbeitsmarkt, das Sozialsystem und damit auf das wirtschaftliche Wohl des Landes hat.
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattfinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (VwGH 05.12.2018, Ra 2018/20/0371 sowie 28.02.2019, Ro 2019/01/003.
Das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration ist dann gemindert, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf einen unberechtigten Asylantrag zurückzuführen ist (VwGH 26.6.2007, Zl. 2007/01/0479 mwN) und integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines Unsicheren Aufenthaltes bewusst sein musste (vgl. VwGH 28.02.2019, Ro 2019/01/0003, mwN).
Verfahrensgegenständlich verließen die Beschwerdeführer XXXX im Zuge der Machtübernahme durch den IS im August 2014, zu einem Zeitpunkt als beide Kinder 15 (Tochter) und 13 (Sohn) Jahre alt waren, und versuchen seither eine neue Heimat zu finden. Im August 2017 kamen sie dann schlepperunterstützt nach Österreich Seither waren alle Beschwerdeführer bestrebt, die deutsche Sprache zu erlernen und über eine private Unterbringung auf Mietbasis sowie Schul- und Kursbesuche sich so rasch als möglich in Österreich zu integrieren. Sie haben sich davon trotz negativer Entscheidungen nicht abhalten lassen und diese Bemühungen konsequent fortgesetzt. BF1 konnte aufgrund seiner beruflichen Erfahrungen im Goldgewerbe schon früh eine (einschlägige) Arbeitszusage erhalten. BF2 weist ausgezeichnete Deutschkenntnisse auf, sucht den Kontakt in ihrem Umfeld, bringt sich mit Freiwilligenarbeit an der TU-Wien ein und will hier arbeiten bzw. nicht mehr von staatlichen Leistungen abhängig sein. BF3 verfügt über ein B1-Zertifikat, hat den Pflichtschulabschluss nachgeholt, ist zwischenzeitlich verheiratet, über ihren Ehemann wirtschaftlich selbsterhaltungsfähig und würde auch sofort beruflich in einem Lebensmittelgeschäft unterkommen. BF4 hat die, auch für ihn vorhandenen Möglichkeiten, zwar bisher noch nicht in vollem Umfang genutzt, es hat aber auch bei ihm zwischenzeitlich ein Umdenkprozess eingesetzt und auch er ist bestrebt, Arbeit bzw. ein eigenes Auskommen zu finden. Als Familie sind sie in Österreich angekommen und haben hier einen neuen Lebensmittelpunkt gefunden.
All diese Umstände führen dazu, dass die Interessensabwägung nunmehr zu Gunsten der Beschwerdeführer ausfällt, sodass sich eine Rückkehrentscheidung auf Dauer als unzulässig erweist.
3.3 Zu den Aufenthaltsberechtigungen (Spruchunkt III.):
Gemäß § 55 Abs 1 AsylG ist einem im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.
Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß Abs 2 leg.cit. eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer „Aufenthaltsberechtigung plus“ erfüllen verfahrensgegenständlich nur BF2 und BF3. Auch wenn BF1 und BF4 die deutsche Sprache auf A2 Niveau beherrschen, fehlen die entsprechenden Nachweise und es war daher nur eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Bei der Interessensabwägung handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, welche im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung vorgenommen wurde.
Schlagworte
asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltsberechtigung plus Aufenthaltstitel befristete Aufenthaltsberechtigung begründete Furcht vor Verfolgung berücksichtigungswürdige Gründe Ersatzentscheidung ersatzlose Teilbehebung Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Integration Interessenabwägung Kassation mündliche Verhandlung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen real risk reale Gefahr Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig Rückkehrentscheidung behoben Spruchpunktbehebung subsidiärer Schutz Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete FurchtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I408.2204023.1.00Im RIS seit
06.12.2021Zuletzt aktualisiert am
06.12.2021