TE Vwgh Erkenntnis 1996/11/13 96/21/0085

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Veröffentlicht am 13.11.1996
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrG 1993 §20 Abs1;
StGB §83 Abs2;
StVO 1960 §5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über die Beschwerde des D in V, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 5. Oktober 1995, Zl. III 174/95, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 sowie den §§ 19, 20, 21 FrG ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von fünf Jahren erlassen. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß die rechtskräftigen Bestrafungen des Beschwerdeführers wegen der Übertretung nach § 14b Abs. 1 Z. 4 Fremdenpolizeigesetz (befristeter rechtswidriger, ohne die erforderliche gültige österreichische Aufenthaltsbewilligung erfolgender Aufenthalt im Bundesgebiet) und nach § 5 Abs. 1 StVO (Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand im öffentlichen Straßenverkehr) den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllten und im Zusammenhang mit dem Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers, insbesondere dem Verkehrsunfall in Jugoslawien 1987 und der Straftat gemäß § 83 Abs. 2 StGB in Österreich (Urteil des Bezirksgerichtes Schwaz vom 11. Jänner 1995) - die Annahme des § 18 Abs. 1 FrG rechtfertigten und die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG dringend geboten erscheinen ließen. Das Ergebnis der Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG könne trotz der intensiven Bindungen des Beschwerdeführers an das Bundesgebiet nicht zu seinen Gunsten ausfallen. Die Mutter und die Schwester des Beschwerdeführers lebten in Österreich, er habe hier einen großen Bekannten- und Freundeskreis und gehe einer Arbeit nach. Hiebei dürfe aber nicht übersehen werden, daß der Beschwerdeführer volljährig und ledig sei und vor noch nicht allzu langer Zeit (1987 bis 1990) enge Bindungen nach Jugoslawien gehabt habe.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 13. Dezember 1995, B 3643/95).

In der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer "Rechtswidrigkeit gemäß Art. 129 ff B-VG und § 42 VwGG" geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides aus diesen Gründen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Auf die Erstellung einer Gegenschrift wurde verzichtet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die von der belangten Behörde festgestellten rechtskräftigen Bestrafungen und bringt gegen die Annahme, daß damit der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllt sei, nichts vor. Auch der Verwaltungsgerichtshof hegt gegen diese Beurteilung aufgrund der unbestrittenen Sachverhaltsannahmen keine Bedenken, weil einerseits ein Verstoß gegen § 5 StVO (Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand) eine schwerwiegende Verwaltungsübertretung im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG darstellt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 4. September 1996, Zl. 96/21/0635) und andererseits die rechtskräftige Bestrafung wegen des nicht rechtmäßigen Aufenthaltes im Inland, sei es auch nach dem Fremdenpolizeigesetz, dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG zu unterstellen ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1995, Zl. 95/21/0272).

Der Beschwerdeführer meint, daß die im Bescheid genannten Übertretungen nicht die Annahme rechtfertigten, daß durch sie die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen in einem Ausmaß beeinträchtigt würden, daß die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zwingend notwendig wäre. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer in seiner Heimat eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten wegen eines Verkehrsunfalles zu verbüßen gehabt habe, könne nicht Berücksichtigung finden, weil diese Verurteilung gemäß § 73 StGB nicht einer inländischen Verurteilung gleichzusetzen sei.

Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist nach § 18 Abs. 1 FrG die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, daß der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen erheblich gefährdet. § 18 Abs. 2 FrG enthält eine demonstrative Aufzählung von Tatbeständen, die diese Prognose indizieren. § 18 Abs. 1 FrG ordnet darüber hinaus an, daß bei Vorliegen eines der im Abs. 2 leg. cit. aufgezählten Tatbestände eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen ist, ob dieser Tatbestand in concreto die umschriebene Annahme rechtfertigt. Um die umschriebene Prognose treffen zu können, ist das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1995, Zl. 95/21/0007). Im Rahmen dieser Beurteilung sind auch Sachverhalte, die lange zurückliegenden bzw. bereits getilgten rechtskräftigen Bestrafungen zugrundeliegen, zu berücksichtigen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 4. September 1996, Zl. 96/21/0635). Bei dem dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verstoß gegen § 5 StVO (Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand) handelt es sich um eine schwerwiegende Verwaltungsübertretung im Sinn des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG, die zu den gröbsten Verstößen gegen die StVO zählt und damit eine Gefährdung öffentlicher Interessen von großem Gewicht darstellt. Der Beschwerdeführer wurde 1992 wegen eines solchen Verstoßes rechtskräftig bestraft und darüber hinaus ist gemäß § 18 Abs. 1 FrG zu berücksichtigen, daß der Beschwerdeführer bereits während seines Aufenthaltes von (behauptetermaßen) 1974 bis 1987 zweimal wegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen (am 7. März 1983 nach § 5 Abs. 1 StVO und am 15. Juli 1986 nach § 4 Abs. 5 StVO - Fahrerflucht) rechtskräftig bestraft wurde. Dazu kommt, daß dem Beschwerdeführer durch die Bezirkshauptmannschaft Schwaz am 13. Februar 1992 unter Hinweis auf seine rechtskräftige Verurteilung in seinem Heimatland bei der Begehung weiterer Übertretungen oder Verurteilungen fremdenpolizeiliche Maßnahmen in Aussicht gestellt wurden. Hiebei hat der Beschwerdeführer nicht bestritten, daß er 1987 in seiner Heimat in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand einen Verkehrsunfall zumindest mitverschuldet hat, bei welchem eine Person getötet wurde. Schließlich konnte die belangte Behörde auch die gerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers aus dem Jahre 1995 mitberücksichtigen. Im Hinblick auf die solcherart vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahren für die öffentliche Ordnung und Sicherheit begegnet es keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme als gerechtfertigt ansah und das Aufenthaltsverbot trotz des damit verbundenen Eingriffes in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Sinne des § 19 FrG zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (hier: zum Schutz der Gesundheit, der öffentlichen Ordnung und zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen) dringend geboten erachtete. Ob auch das der rechtskräftigen Bestrafung nach dem Fremdenpolizeigesetz zugrundeliegende Verhalten die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme noch rechtfertigen könnte, braucht daher nicht untersucht zu werden (vgl. hiezu das bereits zitierte Erkenntnis vom 28. Juni 1995, Zl. 95/21/0272).

Die Beschwerde rügt, daß die belangte Behörde die Feststellung, daß der Beschwerdeführer "jedenfalls vor nicht allzu langer Zeit (1987-1990) enge Beziehungen nach Jugoslawien hatte" ohne jegliche Begründung getroffen habe und sie es nicht für notwendig erachtet habe, die angebotenen Zeugen zu den sozialen Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich einzuvernehmen.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG und deren Ergebnis als rechtswidrig darzutun. Zu berücksichtigen ist lediglich das in Österreich geführte Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers. Die belangte Behörde hat ausgehend vom Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 14. Juli 1990 und seiner Beschäftigung im Inland sowie des Aufenthaltes seiner Mutter und seiner Schwester den Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers als nicht unerheblich gewertet. Wenn sie aber die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes aufgrund der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr höher einschätzte als die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, kann ihr nicht entgegengetreten werden, zumal das Gewicht der persönlichen Interessen durch die Volljährigkeit des Beschwerdeführers und den Umstand, daß er ledig ist, relativiert wird. Die aufgrund der besagten Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Inland und der - behaupteten durchgehenden - Beschäftigung abgeleitete Integration hat noch keinen derartigen Grad erreicht, daß sie die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes als unzulässig erscheinen ließe. Der Aufenthalt von (behauptetermaßen) 1974 bis 1987 führt zu keinem anderen Ergebnis, weil die belangte Behörde davon ausgegangen ist, daß der Beschwerdeführer danach in seine Heimat zurückgekehrt ist und bis zum Wiederaufenthalt in Österreich keinerlei Beziehungen zu Österreich gehabt hat; Gegenteiliges wurde in der Beschwerde nicht vorgebracht.

Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und ist daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996210085.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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