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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §5 Abs1 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner sowie den Senatspräsidenten Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des J in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. August 1995, Zl. 4.182.408/13-III/13/95, betreffend Feststellung gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 AsylG 1991, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist polnischer Staatsangehöriger. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 5. Mai 1982 wurde er als Flüchtling im Sinne des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126/1968 (AsylG 1968), anerkannt.
Mit Schreiben vom 7. November 1991 wurde dem Beschwerdeführer von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich mitgeteilt, daß hinsichtlich seiner Flüchtlingseigenschaft die Einleitung eines Aberkennungsverfahrens beabsichtigt sei und er zur Stellungnahme hiezu aufgefordert werde.
Mit Bescheid vom 29. November 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich als zuständige Behörde gemäß § 3 AsylG 1968 fest, daß der Beschwerdeführer nicht mehr Flüchtling im Sinne des genannten Bundesgesetzes sei. Begründet wurde dies mit der Inanspruchnahme des am 22. Februar 1991 von der polnischen Botschaft in Wien ausgestellten Konsularpasses sowie der Wiederunterschutzstellung infolge seiner Reise nach Polen im Oktober 1991.
Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. April 1994 wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.
Auf Grund der dagegen gerichteten Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 16. November 1994, Zl. 94/01/0462, den bekämpften Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (infolge Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 AsylG 1991 durch den Verfassungsgerichtshof) auf, sodaß das Berufungsverfahren wiederum bei der belangten Behörde anhängig wurde. Mit Schreiben vom 30. Juni 1995 legte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich der belangten Behörde einen Bericht des Zollamtes X vom 18. Februar 1995 vor, aus dem sich eine Wiedereinreise des Beschwerdeführers in sein Heimatland im Februar 1995 unter Verwendung des ihm ausgestellten polnischen Konsularpasses ergibt.
Mit Bescheid vom 4. August 1995 stellte die belangte Behörde in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Z. 3 und § 25 Abs. 2 AsylG 1991 fest, daß hinsichtlich der Person des Beschwerdeführers die in Art. 1 Abschnitt C Z. 1 und Z. 5 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention), genannten Tatbestände eingetreten seien. Sie führte dazu im einzelnen aus, der Tatbestand der Z. 1 leg. cit., nämlich die neuerliche Inanspruchnahme des Schutzes seines Heimatstaates, habe der Beschwerdeführer verwirklicht, da die Ausfolgung eines Reisepasses eine der Formen sei, in denen ein souveräner Staat seinen im Ausland weilenden Bürgern seinen Schutz angedeihen lasse, werde doch durch die Innehabung eines solchen Passes dokumentiert, daß es sich bei der betreffenden Person nicht um eine staatenlose Person handle, sondern um eine solche, hinter der ein Völkerrechtssubjekt stehe, welches ihr "in casu" konsularischen und diplomatischen Schutz angedeihen lassen könne und werde. Die Ausstellung eines Reisepasses sei eine der Formen, in der staatlicher Schutz sich manifestiere. Durch die Passantragstellung habe der Beschwerdeführer den Schutz seines Heimatlandes begehrt und diesen auch durch Ausfolgung des polnischen Konsularpasses tatsächlich erhalten. Zum zweiten der von der belangten Behörde herangezogenen Tatbestände, nämlich dem der Änderung der für die damalige Anerkennung maßgebenden Umstände, führte die belangte Behörde aus, die "Umstände", die zur damaligen Anerkennung als Flüchtling geführt hätten, "kongruierten" mit den Tatbestandsmerkmalen der Legaldefinition des Flüchtlings, das heiße, daß sich der Betreffende aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befunden habe und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sei, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Es seien für die damalige Anerkennung somit Umstände sowohl subjektiver als auch objektiver Natur maßgeblich gewesen, einerseits nämlich das subjektive Vorliegen von Furcht und andererseits deren Wohlbegründetheit, welch letztere auf Grund objektiver Kriterien von der Behörde zu prüfen gewesen sei. Auf Grund der politischen Umwälzungen im Heimatstaat des Beschwerdeführers könne aber von objektiver Wohlbegründetheit der Furcht nunmehr keine Rede mehr sein, auch habe er diese weder in der niederschriftlichen Einvernahme noch in der Berufung behauptet. Vielmehr habe der Beschwerdeführer durch mehrfache Reisen in sein Heimatland jedenfalls dokumentiert, daß er sich subjektiv nicht mehr davor fürchte, der Hoheitsgewalt seines Heimatstaates - wenn auch nur temporär - "ausgeliefert" zu sein. Damit entfalle aber auch der subjektive Umstand des Vorliegens von Furcht, sodaß er es nicht weiterhin ablehnen könne, sich unter den Schutz seines Heimatlandes zu stellen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer stellt die Tatsache des Besitzes eines polnischen Konsularpasses einerseits sowie die Tatsache seiner zumindest zweimaligen Rückkehr in sein Heimatland als Fakten nicht in Abrede, vertritt jedoch die Ansicht, allein der Umstand, daß er sich einen Konsularpaß habe ausstellen lassen, um in Polen noch einmal seinen 80-jährigen Vater besuchen zu können, der schwer erkrankt gewesen sei, erfülle den Tatbestand des § 5 AsylG 1991 nicht, insbesondere könne daraus nicht abgeleitet werden, er habe sich freiwillig unter den Schutz seines Heimatlandes stellen wollen. Er rügt in diesem Zusammenhang auch Mängel des Ermittlungsverfahrens, da keine Sachverhaltsfeststellungen über die näheren Umstände und die Dauer seines Aufenthaltes in Polen getroffen worden seien. Wäre eine ergänzende Sachverhaltsfeststellung zu diesem Beweisthema getroffen worden, wäre hervorgekommen, daß er sich nicht wieder unter dem Schutz seines Heimatlandes habe stellen wollen, sondern lediglich seinen kranken Vater noch einmal lebend zu sehen gewünscht habe. Auch habe die belangte Behörde keinerlei Feststellungen darüber getroffen, die ihren Schluß rechtfertigen könne, "große politische Umwälzungen" hätten in seinem Heimatland stattgefunden. Von derartigen Umwälzungen könne nämlich nicht gesprochen werden, zumal die kommunistische polnische Verfassung nach wie vor in Kraft sei und es trotz diverser Reformbestimmungen in Polen bisher nicht gelungen sei, eine demokratische rechtsstaatliche Verfassung zu konstituieren.
Diesem Vorbringen kann der gewünschte Sacherfolg nicht beschieden sei.
Gemäß Art. 1 Abschnitt C Z. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention wird dieses Abkommen auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnitt A fällt, nicht mehr angewendet, wenn sie sich freiwillig wieder unter den Schutz ihres Heimatlandes gestellt hat. Wie die belangte Behörde im Einklang mit der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 19. Juni 1996, Zl. 96/01/0281, zu der hier vergleichbaren Bestimmung des § 2 Abs. 2 Z. 1 AsylG 1991 und das Erkenntnis vom 4. Oktober 1995, Zl. 95/01/0055, zu der auch hier in Anwendung gebrachten Bestimmung des Art. 1 Abschnitt C Z. 1 der GFK), auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, dargelegt hat, stellt die Ausfolgung eines Reisespasses (über Antragstellung) in der Regel eine der Formen dar, in denen ein Staat seinen Angehörigen Schutz gewährt.
Durch die auf der Antragstellung basierende Ausstellung eines Reisepasses durch den Heimatstaat ist daher in der Regel anzunehmen, daß sich der Betreffende wieder unter den Schutz seines Heimatstaates gestellt hat, sofern nicht im Einzelfall Umstände geltend gemacht werden, aus denen sich anderes, insbesondere der Mangel der Freiwilligkeit, ergibt.
Solche Umstände hat der Beschwerdeführer aber weder in der Berufung noch nunmehr in der Beschwerde vorgebracht. Allein der Wunsch, seinen 80-jährigen "kranken Vater in Polen noch einmal lebend zu sehen", stellt erkennbar keinen Umstand dar, aus dem sich der Wegfall der Freiwilligkeit ergäbe, ganz davon abgesehen, daß der Beschwerdeführer eine entsprechende Begründung hinsichtlich der neuerlichen Verwendung des Konsularpasses anläßlich einer Reisebewegung im Februar 1995 gänzlich vermissen läßt. Bereits hinsichtlich der Bejahung des in Art. 1 Abschnitt C Z. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Tatbestandes kann daher der belangten Behörde mit rechtlichen Argumenten nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.
Aus diesem Grunde erübrigt sich ein Eingehen auf den weiteren von der belangten Behörde herangezogenen Tatbestand des Art. 1 Abschnitt C Z. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention und die sich darauf beziehenden Ausführungen in der Beschwerde.
Die Beschwerde war daher insgesamt als unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995010417.X00Im RIS seit
20.11.2000