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L92054 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe OberösterreichNorm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und den Hofrat Dr. Fasching sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Tscheließnig, über die Revision des M M in L, vertreten durch Dr.in Elfgund Abel-Frischenschlager, Rechtsanwältin in 4020 Linz, Marienstraße 13, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 20. Oktober 2020, LVwG-350845/4/GS/TO, betreffend Sozialhilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 6. Mai 2020 erkannte die belangte Behörde dem Revisionswerber bis zum 31. Juli 2020 Leistungen zur Unterstützung des Lebensunterhalts sowie zur Befriedigung des Wohnbedarfs in der Höhe des Richtsatzes für in Haushaltsgemeinschaft lebende volljährige Personen gemäß § 7 Abs. 2 Z 2 lit. a Oö. Sozialhilfe-Ausführungsgesetz (Oö. SOHAG) zu. Die Summe der Geld- und Sachleistungen wurde aufgrund des fehlenden bzw. geringen Wohnungsaufwandes um € 5,54 reduziert.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) die dagegen erhobene Beschwerde - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab. Weiters sprach es aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
3 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber bewohne ein Zimmer im Übergangswohnhaus S. Sein Zimmer verfüge über Bett, Tisch und Kasten. Die Küchen- bzw. Sanitärräumlichkeiten würden von jenen Personen, die in der Einrichtung wohnen, gemeinsam benützt werden. Die Waschküche im Keller werde von allen Bewohnern gemeinsam genützt. Jeder Bewohner trage seine eigenen Lebensmittelkosten und Kosten für den persönlichen Bedarf und sei für die Reinigung seines eigenen Zimmers selbst verantwortlich. Der Revisionswerber leiste für das Wohnen einen anteiligen Beitrag in der Höhe von derzeit € 155,-- (Nutzungspauschale) monatlich. Abgesehen von der finanziellen Kostenteilung würden die Bewohner kein gemeinschaftliches Leben führen. Die Lebensumstände seiner Mitbewohner seien dem Revisionswerber nicht bekannt. Freundschaftliche Beziehungen bzw. Unterstützungen lägen nicht vor. Umstände, aus denen eine gänzliche oder teilweise gemeinsame Wirtschaftsführung des Revisionswerbers mit den anderen Bewohnern der Einrichtung ausgeschlossen werden könnte, seien nicht gegeben.
4 Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, aus den vorgebrachten persönlichen Umständen könne das Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft nicht widerlegt werden. Vielmehr führe die Nutzungsüberschneidung zu einer Kostenersparnis, die in dem von der belangten Behörde zur Anwendung gebrachten Richtsatz, der auf in Haushaltsgemeinschaft lebende volljährige Personen abstellt, Deckung finde. Die Beschwerdeausführungen, wonach jeder Bewohner für seinen Lebensunterhalt selbst aufkomme, seien nicht entscheidungsrelevant. Vielmehr sei zu berücksichtigen, dass mit einem monatlichen Kostenaufwand von € 155,-- für die Unterkunft inklusive Reinigung als alleinstehende Person - ohne finanzielle Mitwirkungen anderer, wenn auch fremder, Personen - eine Wohnmöglichkeit nicht finanziert werden könne.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird ausgeführt, die Feststellung, es liege eine finanzielle Kostenteilung der Bewohner der Einrichtung vor, sei unrichtig. Außerdem sei eine Stellungnahme des Sozialvereins S, wonach in dessen Einrichtungen aufgrund deren therapeutischen und sozialarbeiterischen Konzepts eine Wirtschafts- bzw. Haushaltsgemeinschaft konzeptionell ausgeschlossen sei, nicht (richtig) gewürdigt worden. Zudem fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Auslegung des Begriffs „Haushaltsgemeinschaft“ anhand der aktuellen Rechtslage gemäß § 7 Abs. 5 Oö. SOHAG. Es sei die aus den Gesetzesmaterialien hervorleuchtende Absicht des Gesetzgebers, dass neben den Parametern der Kostenersparnis und besonderer persönlicher Umstände institutionelle und konzeptionelle Umstände den Höchstrichtsatz rechtfertigen. Rein persönliche Umstände seien schon vor Inkrafttreten des Oö. SOHAG relevant gewesen, um den Höchstrichtsatz zu rechtfertigen. Da dem Gesetzgeber keine sinnlosen Erläuterungen unterstellt werden dürften, könne der Zusatz nur bedeuten, dass auch konzeptionelle sozialarbeiterische und sozialtherapeutische Umstände als besondere Umstände für die Anwendung des Höchstrichtsatzes zu berücksichtigen seien.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit einem teilbetreuten Übergangswohnen mit zeitlich befristeter Wohnmöglichkeit - unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien zu § 7 Abs. 5 Oö. SOHAG und die dort zitierte hg. Rechtsprechung - bereits ausgesprochen, dass die Anwendung des Richtsatzes gemäß § 7 Abs. 2 Z 2 lit. a Oö. SOHAG für „in Haushaltsgemeinschaft lebende volljährige Personen“ der eindeutigen Rechtslage entspreche (vgl. VwGH 16.2.2021, Ra 2020/10/0147). Dies vor dem Hintergrund, dass es sich im zugrunde gelegenen Fall um eine Unterkunft eines Vereins für psychosoziale Dienste handelte, in der Wohngemeinschaft sechs Bewohner pro Stockwerk lebten, wobei jeder über ein Einzelzimmer verfügte, und die Küchen- bzw. Sanitärräumlichkeiten und die Waschmaschine in der Waschküche von allen Stockwerkbewohnern gemeinsam genützt wurden.
11 Da durch das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz und das Oö. SOHAG der Begriff der Haushaltsgemeinschaft in seinem bisherigen Begriffsverständnis übernommen wurde (vgl. den in den Materialien jeweils enthaltenen Verweis auf VwGH 23.10.2012, 2012/10/0020-0021), kann die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, dass aufgrund der Mitbenützung von Gemeinschaftseinrichtungen (Küche, Sanitärräume, Waschmaschine) grundsätzlich von einer Haushaltsgemeinschaft auszugehen ist, nicht als von der hg. Rechtsprechung abweichend angesehen werden. Der hier gegenständliche Sachverhalt ist insoweit mit jenem vergleichbar, welcher der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Februar 2021, Ra 2020/10/0147, zugrunde lag, sodass gemäß § 43 Abs. 2 2. Satz VwGG auf deren Begründung verwiesen werden kann.
12 Ist schon deshalb das Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft zu bejahen, so kommt es auf die Frage, ob die monatliche Miete in Höhe von € 155,-- aufgrund der Aufteilung einer Gesamtmiete auf die einzelnen Bewohner errechnet wird oder einen Pauschalbetrag - unabhängig von der Anzahl der belegten Zimmer - darstellt, nicht (mehr) an (ohne diesbezügliche Differenzierung auch VwGH 11.8.2017, Ra 2016/10/0092), sodass der Frage, ob die vorliegenden Ermittlungsergebnisse die Feststellung der Kostenteilung zu tragen vermögen, keine grundsätzliche Bedeutung zukommt.
13 Im Beschluss vom 16. Februar 2021, Ra 2020/10/0147, verwarf der Verwaltungsgerichtshof auch den Einwand, die zitierte Rechtsprechung sei nicht auf Menschen anwendbar, die in therapeutischen Einrichtungen lebten. Zum vorliegenden Vorbringen der Nichtberücksichtigung des Konzepts des Sozialvereins der temporären Unterstützung von Wohnungslosen ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass es für derlei Einrichtungen - anders als für solche nach dem Oö. Chancengleichheitsgesetz (vgl. § 7 Abs. 6 Oö. SOHAG) - keine besonderen Bestimmungen gibt. Im Übrigen steht aber auch Bewohnern von Einrichtungen im Sinne des § 7 Abs. 6 Oö. SOHAG grundsätzlich jener Richtsatz zu, der auch dem Revisionswerber zuerkannt wurde, nämlich jener für volljährige Personen in Haushaltsgemeinschaft.
14 Mit dem Zulässigkeitsvorbringen wird daher mangels Abweichung von der hg. Rechtsprechung eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht aufgezeigt.
15 Die Revision war sohin ohne weiteres Verfahren mit Beschluss gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 10. November 2021
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020100171.L00Im RIS seit
06.12.2021Zuletzt aktualisiert am
03.01.2022